Kinder für den Gottesdienst befähigen

Dr. Angela M. T. Reinders
Reindersangela

 

 

 

 

Mit ihrem Vorbild und gezielt geförderten Erfahrungen können Eltern ihr Kind auch für das liturgische Leben kompetent machen. Tipps zur Umsetzung: Wie lassen sich körperliche Ausdrucksformen berücksichtigen? Wie lebt man auch zu Hause eine Gebetskultur? Wie übt man mit Kindern Stille ein? Fest , Gemeinschaft und gemeinsames Mahl – wie lässt sich das für ein liturgisches Vorverständnis gestalten?

Kinder für den Gottesdienst befähigen

Zwei Saiten klingen an, wenn es um die „Liturgiefähigkeit” von Kindern geht. Den Grundton beschreibt der Autor Robert Fulghum (geb. 1937) in seinem Buch „Alles, was du wirklich wissen musst, hast du schon als Kind gelernt”: „Und dann erinnere dich … an das erste Wort, das du gelernt hast, das allerwichtigste Wort: ´SCHAU´." (1)

Im Akkord dazu schwingt, was der Theologe Romano Guardini (1885-1968) bereits 1922 intonierte. In Bonner Vorträgen über den „Sinn der Kirche” sprach er vom “Erwachen der Kirche in den Seelen”, sodass jeder Mensch „aus der Fülle und Ganzheit der Kirche” leben kann.

Die Betrachtung Fulghums schaut vom Kind aus nach draußen. Was in der Welt, also auch in der Welt der gelebten Religion, mit Sinnen aufzusaugen ist, das nimmt ein kleines Kind begierig auf. Es schaut – schaut sich Dinge ab und staunt, erkennt wieder und speichert vieles in seinem Inneren, als Erfahrung oder als Gefühl.

Die Betrachtung Guardinis führt nach innen. Sie geht davon aus, dass Gott die Größe und Weite der Kirche, die gemeinsam Gottesdienst feiert, das Staunen, Fühlen, die Erfahrung, in die Seele der Menschen gegeben hat. In der Familie entsteht der Glaube; hier beginnt der Weg, in der die christliche Wirklichkeit, wie sie Guardini beschreibt, zuerst erfahren werden kann – auf unterschiedliche Weise: „Wer zuerst Christus erfährt, findet durch seine Größe in die Kirche. Wer zuerst die Kirche kennen lernt, den weist sie hinter sich auf Christus zurück. Wer Gott zuerst in seinem Bewusstsein hat, hört das Wort von der Heiligkeit nur in der Kirche mit unversehrter Freiheit.” (2)

Ist die Familie eine „Kirche im Kleinen”?

Man mag die Familie als die kleinste Zelle der Kirche betrachten. Viele bezeichnen die Familie als „Kirche im Kleinen”, als erste Stelle, wo Glaubenserfahrung geschieht, und als Kernzelle der Evangelisierung, die von Jesus Christus erzählt.

Der Münchener Jesuit Roman Bleistein kritisierte die Rede von der Familie als „kleine Kirche”. Er sprach aus der Erfahrung der jungen Familie, die einer Kirche skeptisch gegenübersteht, wenn sie „… im Umgang mit ihr immer eher das ihre als das Glück der Familie gesucht hat”, und er sprach von der Not, mit der Umbruchsituation kämpfen zu müssen (3).

Der Weg über die Klein- zur Kleinst- und Patchworkfamilie ist noch kein ausgetretener Pfad. Diesen Weg kirchlich zu gehen überfordert die Familie allein. Auch die Kirche am Ort muss die Kinder an die Hand nehmen und ihnen Glaubenserfahrung vermitteln. Dann kommen beide Stimmen im Kind zum Klingen, der Grundton und der Akkord, das Außen und das Innen.

Wie wird ein Kind liturgiefähig?

Vater und bzw. oder Mutter, die selbst glauben und regelmäßig auch mit dem noch kleinen Kind an Gottesdiensten teilnehmen, sind in der Lage, das Kind kompetent auch für das liturgische Leben zu machen. Folgendes gehört dazu:

  • Ihr Kind kennt Jesus.
  • Ihr Kind kann seine Gefühle in körperliche Gesten umsetzen.
  • Ihr Kind betet mit gelernten oder eigenen Worten.
  • Ihr Kind kann still sein mit anderen oder auch, weil es einem anderen zuhören will.
  • Ihr Kind schaut Bilder und Zeichen an und kann sie mit Ihrer Hilfe als Symbole deuten.
  • Ihr Kind kann sich an Ritualen festmachen.
  • Ihr Kind weiß, wie ein Fest gestaltet wird, weil Sie es darin einbeziehen.
  • Aus der Familie schätzt Ihr Kind ein gemeinsames Mahl und als mehr als Nahrungsaufnahme.
  • Ihr Kind darf äußern, dass es unvollkommen ist – wie Sie, Mutter und Vater.
  • Ihr Kind ist bereit, sich auf eine Gemeinschaft einzulassen, die sich im Namen Jesu versammelt.

Jesus kennen lernen

In Jesus Christus ist Gott selbst Mensch geworden. Wie Gott ist, das erfährt, wer Jesu Worte hört und betrachtet, was und wie er an anderen Menschen gehandelt hat – heilend, liebevoll und mit dem Anspruch an die Menschen, den Weg zu Gott mit ihm zu gehen.

Seine Worte und seine Taten sind in den Evangelien der Bibel aufgeschrieben. Die Verfasser der Evangelien sind keine Geschichtsschreiber, die einen genauen Lebenslauf liefern wollen, sondern schreiben als Gläubige, die weitergeben möchten, was aus der Geschichte Jesu für das Leben von Bedeutung ist. Darauf beziehen sich alle Christinnen und Christen.

Ihr Kind lernt Jesus kennen aus Geschichten, die Sie als Eltern ihm erzählen – Lebensgeschichten und Ihre Lieblingsgeschichten aus der Bibel –, ergänzt durch biblische Lesung in der Kirche und vertiefende Erfahrung in Kindergarten und Religionsunterricht.

Jesu Umgang mit Kindern in der Bibel zeigt, dass er die Kinder in den Mittelpunkt stellt und aufrichtet, damit sie eigenständig groß werden können, auf Gott zu.

Tipps

Zum Lesen eignen sich Ihre Lieblingsgeschichten von Jesus, an die Sie sich erinnern, und die Geschichten, die für Ihr Kind in seiner aktuellen Situation passend scheinen. Bei der Vorauswahl helfen gute Kinderbibeln.

Besuchen Sie häufig Gottesdienste, die für Kinder gestaltet sind. Das Evangelium, also die Geschichten von und über Jesus, wird den Kindern dort in nachvollziehbarer Weise nahegebracht. Wenn es so etwas in Ihrer Umgebung nicht gibt: Zahlreiche Hilfen unterstützen Elternkreise dabei, zu einem Gottesdienstkreis zu werden und die thematische Vorbereitung selbst in die Hand zu nehmen.

Mit dem ganzen Körper die eigene Erlebniswelt ausdrücken

Die christliche ist eine leibfreundliche und körperbezogene Religion. Wie könnte sie auch anders, weil ja Gott selbst in Jesus Christus Mensch, also Körper wurde.

Kinder finden zu ihren eigenen Gesten, um ihr Hilfsbedürfnis, ihre Freude, ihren Schmerz auszudrücken. Dies tun sie lange, bevor sie ein Wort artikulieren können.
Wenn ein Kind selbst Formen gefunden hat, lässt es sich auch Formen anbieten; Formen, die seine Sehnsucht, seine Begeisterung, sein Vertrauen Gestalt werden lassen, also das, was schon anfänglich Glauben ist: geöffnete Arme, gefaltete Hände, zum Knien gebeugte Beine gehören zu diesen erlernbaren Formen dazu.

Wie die Theologin Elisabeth Moltmann-Wendel betont, verbirgt sich hinter einem leiblosen Glauben „Unsicherheit, Kälte, Macht und Müdigkeit”. Mit der leibhaftigen Lebendigkeit kleiner Kinder kommt Vertrauen, Wärme, Achtung und Leben in die Kirche.

Tipps

Der Experte für Körpersprache Samy Molcho rät dazu, Kindern immer zu signalisieren, dass die Geste richtig ist, die sie gefunden haben, dass sie bei den Erwachsenen ankommt und von ihnen entschlüsselt werden kann. Er nennt dafür ein Beispiel:

„Ein Kind kommt und hebt seine Arme zum Vater. Der Vater aber ist beschäftigt (oder die Mutter). Das Kind hebt noch einmal die Arme. Der Vater schreibt weiter. Dann schreit das Kind laut, wäääh. Da hat der Vater plötzlich Zeit, er nimmt das Kind in die Arme. – So lernt das Kind sehr schnell: Arme heben nützt nichts, schreien hilft. Und wenn der Vater fragt: Warum schreit denn das Kind schon wieder? So sehen wir: Er hat es ihm gerade selbst beigebracht. Also, wenn mein Sohn kommt und hebt die Arme, so hebe ich ihn auf und nehme ihn kurz in meine Arme. Er will dann gleich zurück zum Spielen (oder was immer). Ich habe ihm gezeigt, dieses Signal war richtig, ich habe es verstanden aber ich habe nicht viel Zeit. Und wenn das Kind es noch einmal versucht, so nehme ich es nochmals in die Arme, hebe es auf und stelle es wieder auf den Boden. Das Kind versteht: Das Signal ist angekommen, aber der Vater hat keine Zeit.” (4)

Kinder lieben es, Lieder mit passenden Bewegungen zu gestalten. Geben Sie diesem Bedürfnis zu Hause nach, regen Sie dies aber auch in Ihrer Gemeinde für die Gottesdienste an. Schon das Vaterunser lässt sich mit Gesten beten und singen.

Beten

Information dazu, in welchem Alter Kinder wie beten und wie man sie dabei unterstützen kann, eine eigene Gebetspraxis zu entwickeln, finden Sie ebenfalls im Familienhandbuch.

Tipps

Beten Sie allein und mit anderen Erwachsenen – um Impulse für Ihr Gebet mit den Kindern zu gewinnen – und mit den Kindern. Wer betet, wird nie religiös sprachlos. Sie werden es bereichernd erfahren, wenn Ihr Kind eigene Gebete formuliert – auch, wenn sie erst klassisch nach „Kindermund” klingen.

Lassen Sie auch in das Familiengebet vorformulierte Gebete aus der Liturgie einfließen, die sie z.B. im kirchlichen Gebet- und Gesangbuch finden. Kinder verknüpfen so ihren Alltag leichter mit dem, was die Glaubensgemeinschaft in der Kirche mit ihren Worten und Gesten zu Gott bringt.

Stille

Es gibt im Gottesdienst Phasen, in denen die Gemeinde Stille als wünschenswert empfindet und auch ein Kind still sein sollte. Es ist illusorisch, zu denken, jedes Kind könnte brav eine Stunde auf einer Bank sitzen und das soll auch nicht das sein, was es mit Gottesdienst verbindet. Ein ausgewogenes Verhältnis von Bewegung, aktiver Beteiligung und Stillephasen fördert die Freude des Kindes am Gottesdienst.

Kindergärten führen Kinder gezielt mit Übungen zur Stille. Auffallende Unruhe kann auf eine Störung hindeuten, der durch Maßnahmen wie Psychomotorik entgegengesteuert werden kann, auch auf eine Krankheit wie das ADS-Syndrom, das ärztliche Behandlung erfordert.

Tipps

Zeigen Sie Ihrem Kind, dass Sie zu Hause gerne eine kleine Ruhephase einlegen. Sicher, ein Stillkind werden Sie nicht schreien lassen, weil Sie gerade ein Päuschen machen möchten. Kinder ab fünf, spätestens sechs Jahren genießen es, wenn Eltern es sich gemütlich machen, und es beeindruckt sie, wenn sie diese kleine Auszeit auch an turbulenten Tagen nehmen. Ihr Vorbild führt Ihr Kind mehr zur Stille als der wiederholte und immer hektischere Aufruf, endlich Ruhe zu geben. Gestalten Sie „Ruheinseln” im Alltag, in denen Sie gemeinsam träumen, entspannen, lesen …

Nutzen Sie in den Kirchen besondere Angebote, Abendstimmung, Aktionen offener Kirchen, in denen der Kirchenraum von einer eigenen Atmosphäre geprägt ist. Besuchen Sie am Urlaubsort die Kirche dort und setzen Sie sich mit den Kindern für eine Weile hinein – still.

Symbole

Ihre Kinder sind in der Lage, Symbole zu erkennen. Machen Sie einmal die Probe aufs Exempel: Von Coca Cola bis KI.KA wird ein vierjähriges Kind viele Logos – also auch Symbole – erkennen.

Ihr Kind stellt schon früh Verbindungen her: eine Osterglocke zeigt Frühling, Osterhase, Schokolade und Ei an. Eine Laterne bedeutet Herbst und Sankt Martin und Bratapfel am Spätnachmittag. Symbole helfen dem Kind also, seinen Alltag und seine Zeit zu gliedern.

Bei Symbolen kommen immer zwei Teile in Beziehung zueinander: Das Zeichen und das, was es bezeichnet. Ein Lamm kann einfach ein Lamm sein, aber auch ein Symbol für Jesus Christus.

Tipps

Bringen Sie Symbole zur Sprache. Erklären Sie, welches Zeichen für welchen größeren Zusammenhang steht – im Alltag (Schilder, Hinweise im Kindergarten, wiederkehrende Signale an Ihrem Wohnort und Arbeitsplatz) und in der Welt des Glaubens (Kreuz, Anker, Taube …).

Der Kirchenraum, den Sie mit Ihrem Kind besuchen, birgt Symbole. Mithilfe eines kundigen Fachmenschen entdecken Sie mit Ihrem Kind gemeinsam vielleicht neue Bedeutungen eines sattsam bekannten liturgischen Gegenstandes wie Altar oder Kanzel bzw. Ambo.

Rituale

Ein Ritual ist eine bestimmte Art und Weise zu handeln, die das Leben nicht nur in automatische Zeiteinheiten, sondern in bewusste Sinnabschnitte gliedern hilft. Die Handlung ist klar und einfach. Sie weist über sich selbst hinaus. Dabei ist erkennbar, auf was sie verweist.

Mit Ritualen gestalten Sie Ihre Familienkultur in Wort, Verhalten, Musik, …

Tipps

Kinder brauchen keine Abwechslung, Kinder lieben immer das Gleiche. Das immer gleiche Lied zum Einschlafen, das davon singt, dass Vater und Mutter noch da sind, wenn es die Augen schließt. Die immer gleiche Tasse beim Frühstück, die lustig grüßt: „Hier ist dein Platz.” Bieten Sie Ihrem Kind nicht immer den Reiz des Neuen, sondern im Zweifel lieber den Reiz der Wiedererkennung.

Mit regelmäßigem Besuch des Gottesdienstes lernen Kinder, die Zeichen, Symbole und Rituale der Liturgie zu deuten. Sie können Ihrem Kind helfen, in den Formen der gottesdienstlichen Feier zu erkennen, wie sein eigenes Leben darin wiedergegeben wird: bitten, danken, sich stellen, Gemeinschaft haben.

Feste feiern

„Unser Leben sei ein Fest”, singt ein Kirchenlied von Peter Janssens, gemeinsam mit Jesus Christus zum Fest „an diesem Morgen und jeden Tag”, wie das Lied singt. „Etwas” feiern kann man notfalls alleine, ein Fest geht nur zusammen. Ein Fest hebt aus dem Alltag heraus und unterbricht den geregelten Ablauf. Ein Fest begrüßt gute und ferne Bekannte einmal anders: als Gäste. Ein Fest mag ein Ende haben, aber in sich birgt es Weite, gemeinsam genutzten Raum und gemeinsam verbrachte Zeit. Mit all dem weist ein Fest über sich selbst hinaus auf eine Gemeinschaft und – wenn es eine gläubige ist – auf Gott, der sie verbindet.

Jedes Fest thematisiert seinen freudigen Anlass als heilsame Erinnerung für die Gegenwart. Es gibt damit Hoffnung für die Zukunft; das Fest sichert die beglückende Erfahrung als Zusage, dass sie immer wieder möglich sein wird. (Fragen Sie einmal die Urgroßelterngeneration nach der Kriegsweihnacht.)

Tipps

Ein Fest braucht Vorbereitung, nicht, um perfekt zu sein, sondern, damit alle die Feststimmung genießen und sich auf das Feiern konzentrieren zu können. Begrüßung, Essen, Tanz sind vertraute Formen des Umgangs miteinander beim Fest. Daran kann sich orientieren, auch wer noch nie ein Fest gefeiert hat. Beziehen Sie Ihr Kind wenn möglich in die Festgestaltung ein, wenn Sie zu Hause feiern (natürlich nicht in die Vorbereitungen zur eigenen Geburtstagsüberraschungsfeier).

Begrüßung, Essen, vielleicht Tanz sind auch Feierformen der Liturgie. Bauen Sie Ihrem Kind die Brücke, diese Festelemente wiederzuerkennen.

Mahl halten

Nach einer Umfrage in einer Schulklasse kannten über die Hälfte der Schülerinnen und Schüler zu Hause kein gemeinsames Frühstück. Als sie ihren gewohnten Essplatz malen sollten, hatten sich viele allein vor den Fernseher mit einem Teller „Finger Food” dargestellt.

Tipps

Etwas essen ist etwas anderes als ein gemeinsames Mahl. Versuchen Sie, eine gemeinsame Mahlzeit am Tag in der Familie zu verwirklichen. Im Unterschied zu früheren Generationen darf heute beim Essen gesprochen werden. Der gemeinsame Tisch ist ein Symbol familiärer Gemeinschaft und des Austausches.

Regen Sie in Ihrer Gemeinde ab und zu und bei besonderen Anlässen ein „Agape-Mahl” an, bei dem Brot, Wein und andere Getränke im Anschluss an einen Gottesdienst so geteilt werden, dass auch schon kleinere Kinder daran beteiligt werden können.

Unvollkommenheit zulassen

In ihrem Roman „Das blaue Kleid” lässt die Autorin Doris Dörrie sich ihre Hauptfigur ‚Barbette’ erinnern. Als Kind bat diese ihren Vater: „Mach, dass in China ein Mann über die Straße geht”, und der Vater schnippte mit den Fingern: „Jetzt geht in China ein Mann über die Straße.” Dann bat sie: „mach, dass Gott zu uns kommt”, aber da lächelte der Vater nur, das konnte er nicht. (5)

Wenn Eltern vorgeben, perfekte Alleskönner zu sein, dann kann ihr Kind nicht anders als scheitern. Ein Kind aber, das von seinen Eltern das Signal bekommt: „Ich habe meine Grenzen”, kann eigene Grenzen leichter für sich selbst akzeptieren und vor anderen zugeben.

Nach christlichem Glauben kann die Erfahrung, Grenzen zu haben und zu scheitern, nicht von Gott trennen. Im Gegenteil: Gott ist Mensch geworden in Jesus Christus und hat sich den menschlichen Grenzen damit selbst unterworfen, sie geheiligt, also mit Gott zusammengebracht. Durch Jesu Todesangst und die Ungewissheit, ob Gott ihn denn über den Tod hinaus zu ihm halten würde, hat die Angst und Unsicherheit jedes Menschen ihren Platz bei Gott.

Tipps

Wenn Ihr Kind Sie an Ihre Grenzen stößt – und das wird es häufig dadurch tun, dass es selbst nicht so kann, wie es will – dann zeigen Sie ihm, dass Sie es bedingungslos lieb haben. Teilen Sie seinen Kummer darüber, dass ihm nicht gelungen ist, was es vorhatte. Sagen Sie nie: „Du bist dumm”, sondern: „Es ist dumm, dass es nicht geklappt hat, wie du es machen wolltest.”

Haben Sie keine Angst vor Ihrem eigenen Scheitern gerade auch an Situationen, die mit dem Kind zu tun haben. Ihr Kind kann besser mit Ihnen umgehen, wenn es Sie als begrenzten Menschen erlebt, als wenn es mit Ihnen als Übermenschen klarkommen müsste, der nie eine Schwäche zeigt. „Wenn Eltern ihre Unsicherheit zugeben, dann wirken sie authentisch und überzeugend”, rät der dänische Familientherapeut Jesper Juul. Formulieren Sie Ihre Unvollkommenheiten. Geben Sie auch Ihrem Kind die Hand, wenn Sie sich für einen Fehler entschuldigen. Dann lernt Ihr Kind, seine eigenen Unvollkommenheiten mit ähnlichen Worten und Gebärden ausdrücken, die Sie selbst dazu anwenden.

Bringen Sie Ihrem Kind die kirchlichen Formen nahe, mit eigener Unvollkommenheit umzugehen, die die Kirchen anbieten: Besonders im Rahmen der Konfirmations- und Kommunionvorbereitung spielt der Umgang mit Schuld eine große Rolle.

Gemeinschaft leben

Jesus ist der Mensch gewordene Gott, der schon als Schöpfer des Menschen gezeigt hat, wie sehr er ein Gegenüber ins Leben wünscht und liebt. In Jesus Christus ist er eine enge Verbindung mit den Menschen eingegangen.

Die Kirche ist die Gemeinschaft, die in Jesu Stil mit Freuden, Frieden und Konflikten umgeht. Sie besteht aus Menschen, die füreinander offen sind, weil sie der Glaube an Jesus Christus verbindet. Er ist selbst ohne Vorbehalte mit Menschen umgegangen, die ihm begegneten. Nach seinem Tod wurde die Gemeinschaft derer, die an ihn glauben, durch den Heiligen Geist wie der Leib Jesu Christi selbst – alle Gläubigen sind aufeinander angewiesen, keiner lebt und glaubt für sich allein. Der Mensch stützt diese Gemeinschaft und die Gemeinschaft trägt jeden einzelnen Menschen.

Tipps

Der erste Ort, an dem Ihr Kind lernt, wie Menschen füreinander verantwortlich sind, ist die Familie.

Die Kirche ist vielleicht die einzige Gemeinschaft, in der Ihr Kind mit Menschen von hohem bis jungem Lebensalter zusammenkommt. Gemeinsame Gottesdienste und Feste in der Kirchengemeinde können ihm helfen, generationenübergreifend zu lernen.

Quellen

(1) Robert Fulghum, Alles, was Du wirklich wissen musst, hast Du schon als Kind gelernt, Goldmann Verlag, München, 2. Auflage 1986.

(2) Romano Guardini: Die Entdeckung des Glaubens, aus: Vom Leben des Glaubens, Mainz 1949.

(3) Roman Bleistein, Die jungen Christen und die alte Kirche, Verlag Herder, Freiburg/Basel/Wien 1975.

(4) Auszug aus dem Vortrag” Körpersprache der Kinder „von Prof. Dr. Samy Molcho.

(5) Nach Doris Dörrie, Das blaue Kleid, Diogenes Verlag, Zürich 2002.

Literatur

  • Bernhard Grom (2000): Religionspädagogische Psychologie, Patmos Verlag, Düsseldorf.
  • Lothar Kuld (2001): Das Entscheidende ist unsichtbar. Wie Kinder und Jugendliche Religion verstehen, Kösel, Stuttgart.
  • Elisabeth Moltmann-Wendel (1994): Mein Körper bin ich. Neue Wege zur Leiblichkeit, Gütersloh.
  • Angela Reinders (2001): Kinder brauchen Gott. Wie man Kindern Vertrauen in das Leben schenkt, Pattloch, München.

Autorin

Dr. Angela M. T. Reinders, Jahrgang 1965, Dipl.-Theologin, Redakteurin beim Bergmoser + Höller Verlag AG, Aachen

Anschrift

Angela M. T. Reinders
Purweider Winkel 10
D – 52070 Aachen

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Erstellt am 14. Juli 2004, zuletzt geändert am 11. Dezember 2014

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