Mobbing unter Kindern und Jugendlichen

Christa Limmer, Petra Linzbach
LimmerLinzbach

Mobbing haben viele Kinder und Jugendliche schon in der eigenen Klasse erlebt. Es ist ein Phänomen, der ihren Alltag prägt. Manchmal entsteht der Eindruck, dass der Begriff inflationär gebraucht wird. Jede Form der Gewaltanwendung innerhalb der Klasse, die womöglich einen Einzelnen betrifft, wird dann als „Mobbing“ bezeichnet. Fachleute raten, genau hinzuschauen und nicht vorschnell zu reagieren.

Gemobbt werden – was ist das?

Ein Schüler oder eine Schülerin wird gemobbt, wenn eine einzelne Mitschülerin, ein einzelner Mitschüler oder eine Gruppe von Schülern/-innen über einen längeren Zeitraum (Wochen und Monate) hinweg zum Beispiel immer wieder

  • gemeine oder unangenehme Dinge zu ihr/ihm sagt,
  • ihn oder sie immer wieder in gemeiner Weise hänselt,
  • ihn oder sie vor anderen lächerlich macht,
  • so tut, als wäre er/sie nicht vorhanden,
  • ihn oder sie bedroht oder unter Druck setzt,
  • ihn oder sie in einen Raum einsperrt oder
  • ihm oder ihr Sachen wegnehmen.

Im Laufe der Zeit nehmen die schikanierenden Handlungen an Häufigkeit und Intensität zu. Mit Mobben ist aber nicht gemeint, wenn zwei fast gleich starke Schüler/-innen im Spaß miteinander streiten, kämpfen oder einen Konflikt haben.

Wie entsteht Mobbing?

Die Ursachen von Mobbing sind vielschichtig und je nach Fall sehr unterschiedlich. Von Mobbing kann jeder und jede betroffen sein, egal welchen Alters, welcher Schulform und welchen Selbstbewusstseins. In jeder Klasse kann Mobbing auftreten.

Mobbing liegen in der Regel Probleme zugrunde, die unterschiedliche Auslöser haben können.
Dies sind z. B. Über- oder Unterforderung oder Selbstwertprobleme des Täters/der Täterin oder ein gestörtes Schul- oder Klassenklima. Bestimmte Persönlichkeitsmerkmale und Verhaltensweisen können begünstigen, ob jemand zum Opfer oder zum Täter/zur Täterin wird.
Potenzielle Täter/-innen suchen bei potenziellen Opfern nach „wunden Punkten“, an denen das Opfer verletzbar ist, sich nicht wehren kann oder von der gängigen Norm abweicht.
Wenn der Täter oder die Täterin spürt, dass den Schikanen kein Widerstand entgegengebracht
wird, fühlt er/sie sich bestärkt, weitere Aktionen gegen das Opfer zu starten. Für ein derartiges Verhalten gibt es unterschiedliche Gründe:

  • Langeweile und den Drang nach Abwechselung,
  • Abreagieren von Wut und Ärger an anderen,
  • Kompensation eigener Schwächen, Angst und Ohnmachtsgefühle durch Abwertung anderer,
  • eigene Unzufriedenheit in der Schule (Freundschaften, Leistung),
  • Weitergabe erlebten Unrechts (z. B. Gewalt in der Familie) an andere,
  • mangelnde Konfliktfähigkeit,
  • Interesse an Machtausübung und Kontrolle über andere,
  • Wunsch nach Anerkennung in der Klasse,
  • persönliche Motive, wie Konkurrenz, Neid, Fremdenfeindlichkeit u. a.,
  • eigene Erfahrung als Mobbingopfer.

Untersuchungen zeigen, dass Kinder häufig Opfer von Mobbing werden, wenn sie …

  • ein geringes Selbstwertgefühl haben,
  • körperlich schwach sind,
  • ängstlich, überangepasst und unsicher sind,
  • zu den empfindsamen und stillen Persönlichkeiten gehören,
  • erregbar, aggressiv und wenig anpassungsbereit sind,
  • von der Klassennorm abweichende Merkmale besitzen (z. B. Hautfarbe, Behinderung, Gewicht, Kleidung),
  • als Außenseiter/-in, „Streber/-in“, „Neuling“ in der Klasse“ eingeordnet werden,
  • etwas besitzen oder tun, das Sozialneid hervorruft (z. B. teure Kleidung, aufwendiges Hobby, neue technische Geräte) oder
  • Konflikt vermeidendes Verhalten oder Überanpassung in der Familie erlernt haben.

Eltern können vorbeugen

Ein Erziehungsstil, der von Vertrauen, Wertschätzung und Einfühlung, aber auch von angemessener Grenzsetzung geprägt ist, trägt zur Entwicklung eines gesunden Selbstbewusstseins bei, das nicht auf Kosten anderer geht. Dies hilft dem Kind, mit alltäglichen Problemen, also auch mit Konflikten in der Schule, konstruktiv und erfolgreich umzugehen.

Um einen derartigen Erziehungsstil zu praktizieren und den eigenen Kindern hilfreich zu sein, lohnt es sich, folgende Hinweise zu beachten:

  • Hören Sie Ihrem Kind aufmerksam zu, wenn es von der Schule erzählt. Stellen Sie Fragen, um herauszufinden, ob in der Schule alles in Ordnung ist.
  • Zeigen Sie Ihrem Kind, wie wichtig es Ihnen ist, indem Sie sich besonders bei Kummer Zeit nehmen und Hilfe anbieten.
  • Pflegen Sie in der Familie einen lebendigen und vertrauensvollen Gesprächsaustausch.
  • Messen Sie den Sorgen und Problemen Ihres Kindes eine gleichberechtigte Bedeutung zu.
  • Loben Sie Ihr Kind (und dies nicht nur bei guten Schulnoten), bieten Sie Unterstützung an, wenn ihm etwas nicht gelungen ist.
  • Seien Sie Vorbild im Umgangston und in der konstruktiven Regelung von Konflikten.
  • Sprechen Sie z. B. Probleme sofort an, benutzen Sie Ich-Aussagen statt Du-Anklagen: „Ich ärgere mich darüber, dass du nicht gespült hast, das macht mir zusätzliche Arbeit.“ Statt „Du hast schon wieder nicht gespült!“ Unterlassen Sie Schuldzuweisungen und Abwertungen, finden Sie gemeinsam eine Lösung für Probleme.
  • Zeigen Sie Interesse am Leben Ihres Kindes und seinem Bekanntenkreis. Reden Sie mit ihm über Freundschaften, wie es seine Freizeit verbringt und was auf dem Schulweg alles passiert.
  • Sprechen Sie mit Ihrem Kind über Mobbing. Ermutigen Sie es, Mobbingvorfälle in der Klasse anzusprechen, das Opfer zu unterstützen und ggf. die Lehrkräfte zu informieren. Machen Sie ihm deutlich, dass dies kein Petzen ist!
  • Halten Sie Kontakt zu Lehrkräften und Schule. Nutzen Sie Elternabende, Elternsprechtage und Sprechstunden – nicht nur, um nach Noten zu fragen, sondern auch um das Sozialverhalten und die Integration Ihres Kindes im Klassenverband zum Thema machen.

Woran erkenne ich, ob mein Kind Opfer von Mobbing ist?

Kinder zeigen auf sehr unterschiedliche Weise, dass sie unter etwas leiden. Manche Symptome, die auf Mobbing hinweisen, können auch andere Ursachen haben. Sie als Eltern sollten sensibel auf Verhaltensänderungen Ihres Kindes achten. Ein Indiz kann sein, dass Ihr Kind unbedingt zur Schule gebracht werden möchte, plötzlichen Unwillen zeigt, zur Schule zu gehen, Krankheiten vorgibt oder sogar ohne Ihr Wissen nicht zur Schule geht.

Weitere Anzeichen können Konzentrationsund Lernstörungen oder die Verschlechterung der Schulleistungen sein sowie untypische psychische Veränderungen wie Gereiztheit, Nervosität und Überempfindlichkeit. Wichtig ist in diesen Fällen, dass Sie einfühlsam herausfinden, ob Mobbing oder eventuell auch ein anderer Kummer die Ursache ist.

Bemerken Sie Veränderungen im Sozialverhalten Ihres Kindes durch starke Zurückgezogenheit und Verschlossenheit? Nimmt der Kontakt zu Mitschüler/-innen sogar ab? Treten gehäuft bei Ihrem Kind Kopf- oder Bauchschmerzen, Appetitlosigkeit und Schlafstörungen auf?
Diese einzelnen Symptome sind Indizien, dass Ihr Kind ein Problem hat. Gehen Sie diesen Auffälligkeiten nach und erforschen Sie den Grund der Veränderung.

Eventuell verlangt Ihr Kind mehr Taschengeld oder es hat Beschädigungen an Kleidern oder gar körperliche Verletzungen. Das können Zeichen eines fortgeschrittenen Mobbingprozesses sein, die umgehendes Einschreiten verlangen. Unter Umständen kann bereits ein Straftatbestand wie Erpressung und Körperverletzung vorliegen, der zur Anzeige gebracht werden muss.
Sprechen Sie darüber unbedingt mit der Schule Ihres Kindes.

Was ist zu tun, wenn mein Kind gemobbt wird?

Es stellt eine emotionale Herausforderung dar, wenn das eigene Kind betroffen oder in Mobbingprozesse verwickelt ist. Genaues Hinhören und Nachfragen sind ebenso wichtig wie gut überlegte Maßnahmen, die bestenfalls in Absprache mit dem eigenen Kind und mit den Lehrkräften erfolgen.

  • Wenn Sie glauben, dass Ihr Kind Opfer von Mobbing ist, dann benachrichtigen Sie die Schule und bitten um einen Termin mit der Klassenlehrkraft, die sich der Probleme Ihres Kindes annehmen sollte.
  • Schreiben Sie ein Tagebuch, falls das Mobbing gegen Ihr Kind fortgesetzt wird. Das ist zwar leidvoll, doch es wird helfen, wichtige Fragen zu klären: WAS GENAU ist WIE, WO und WANN geschehen und WER war daran beteiligt? Welche ZEUGEN gibt es?

Ermutigen Sie Ihr Kind, nicht zurückzuschlagen. Das würde die Schwierigkeiten noch schlimmer machen. Ein solches Verhalten könnte zudem im Widerspruch zur Persönlichkeit Ihres Kindes stehen.
Ermuntern Sie Ihr Kind stattdessen, neue Freundschaften zu schließen. Ein Kind, das Freunde hat, wird seltener attackiert.

Überlegen Sie mit der zuständigen Lehrkraft Maßnahmen, die Ihrem Kind helfen und die geeignet sind, es innerhalb und außerhalb der Schule zu unterstützen. Seien Sie ausdauernd und bestehen Sie darauf, dass etwas geschieht.
Suchen Sie die sozialpädagogische Fachkraft an der Schule Ihres Kindes auf. Sie kann in Absprache mit der Klassenlehrkraft Einzelgespräche mit Ihrem Kind und dem Täter/der Täterin führen.

Setzen Sie sich mit der Elternvertretung in Verbindung, wenn Sie keine Hilfe von Seiten der Lehrer/-innen erhalten. Bitten Sie um die Einberufung eines Elternabends.
Informieren Sie eine übergeordnete Stelle (Beratungslehrkraft, Schulleitung, schulpsychologischer Dienst, Schulrat), wenn Sie das Gefühl haben, dass das Mobbing-Problem weder von der Klassenlehrkraft noch von der Elternvertretung ernst genommen und geklärt wird.
Nehmen Sie externe Beratung und Hilfe in Anspruch, wenn Ihr Kind so unter der Situation leidet, dass es starke psychosomatische Beschwerden aufweist (Erziehungsberatungsstellen, Schulpsychologe/-in, Kinder- und Jugendtherapeut/-in).
Melden Sie Ihr Kind zu einem Stand-up-Training an, wenn es das möchte.
Treten Sie in Erfahrungsaustausch mit anderen Betroffenen, z. B. im Internet.

Kurzfristige Tipps für Ihr Kind

Nicht förderlich ist es, sich umgehend mit den Eltern des Täters/ der Täterin in Verbindung zu setzen, weil dadurch erfahrungsgemäß eine Konfliktverschärfung eintreten kann.

Wichtig für ein Eltern-Kind-Gespräch:
Ein schikaniertes Kind braucht Vertrauen in die Erwachsenen und möchte,

  • dass man ihm zuhört und glaubt,
  • dass es offen über die Vorfälle reden kann
  • dass es selbst die Situation besser beherrschen kann,
  • dass es mehr Selbstsicherheit bekommt und
  • dass es Selbstvertrauen und Selbstachtung zurückgewinnt.

Hilfreiche Elternreaktionen:

  1. Helfen Sie Ihrem Kind, sich über seine Gefühle und Gedanken zu dem Mobbingvorfall bewusst zu werden: „Wie geht es Dir? Was fühlst Du? Was denkst Du?“
  2. Akzeptieren Sie die Gefühle Ihres Kindes wie Ärger, Wut und Scham.
  3. Versuchen Sie mehr Informationen zu bekommen: „Was ist passiert? Was wird noch passieren?“
  4. Beobachten bzw. erfragen Sie, ob Ihr Kind körperliche oder psychische Symptome zeigt.
  5. Vermeiden Sie unbedingt alle Beschuldigungen oder ein Herunterspielen der Situation: „Da musst du dich mal wehren und dir nicht immer alles gefallen lassen! Die werden dich schon nicht ohne Grund geärgert haben! Das gibt sich von selbst, warte nur ab.“
  6. Helfen Sie Ihrem Kind, über sein Verhalten nachzudenken: „Was könntest Du gemacht haben? Und was könnte das bewirkt haben?“ Machen Sie dennoch deutlich, dass Ihr Kind keine Schuld daran trägt, dass es gemobbt wird.
  7. Überlegen Sie mit Ihrem Kind mögliche Lösungen: „Was könntest Du jetzt tun? Was wäre auch möglich?“
  8. Helfen Sie Ihrem Kind, sich für eine Lösung zu entscheiden und bieten Sie Ihre Hilfe an: „Das ist eine gute Idee. Wie kann ich Dir dabei helfen?“

Generell sollten Sie als Eltern auch bereit sein, selbstkritisch über Ihr eigenes Erziehungsverhalten nachzudenken: Haben Sie möglicherweise das selbstsichere Verhalten bei Ihrem Kind zu wenig bestärkt? Oder haben Sie Ihrem Kind die Bewältigung unangenehmer Dinge zu sehr abgenommen? Oder sind Sie vielleicht im Umgang mit Konflikten selbst unsicher oder konfliktscheu?
Wenn Sie Ihr Erziehungsverhalten effektiv ändern möchten, sollten Sie professionelle Beratung oder ggf. therapeutische Unterstützung in Anspruch nehmen.

Praktische Tipps für Ihr Kind:

  1. Passiert Mobbing auf dem Schulweg, ggf. einen anderen Weg nehmen oder sich Nachbarskindern anschließen.
  2. Dem Täter oder der Täterin und dessen/ deren Clique aus dem Weg gehen (ist meist nur eingeschränkt möglich).
  3. Keine wertvollen Sachen mit in die Schule nehmen.
  4. Bei verletzenden Ausdrücken so tun, als habe man die Ausdrücke nicht gehört oder nicht verstanden.
  5. Verwirrende oder ablenkende Bemerkungen machen, wie z. B.: „Könnte so sein.“, oder „Wenn Du es so meinst.“
  6. Das eigene Selbstwertgefühl stabilisieren durch das Einüben von Sätzen wie: „Das ist deren Problem, nicht meins.“ oder „Ich bin okay.“ oder „Wer angibt, hat’s auch nötig.“
  7. Anstatt zurückzuschlagen, wenn jemand angreift, einen älteren Schüler/eine ältere Schülerin oder Lehrer/-in um Hilfe bitten. Das ist kein Petzen, sondern ein Menschenrecht!
  8. Wenn Mitschüler/-innen schon einmal geholfen haben, sie sofort um erneute Hilfe ansprechen.
  9. Deutlich und bestimmt dem „Angreifer“ ins Auge sehen und sagen: „Ich will das nicht, höre sofort auf.“ Und dann nach Möglichkeit ohne erkennbare Hektik weggehen.
  10. Bestimmte Atemtechniken trainieren, die den Stress mindern und für eine sicherere Körpersprache hilfreich sind.

Sprechen Sie auch mit den Lehrkräften und überlegen Sie praktikable Lösungen, die die Lage des Kindes jedoch nicht verschlimmern.

Mittelfristig: Stärkung der Klassengemeinschaft

Mobbing ist kein individuelles Problem, sondern tritt häufig besonders dann auf, wenn keine gute Klassengemeinschaft herrscht und es kein Regelwerk für das Sozialverhalten gibt.
Daher ist es wichtig, dass mit der gesamten Klasse am Thema Mobbing und der Stärkung der Klassengemeinschaft gearbeitet wird, entweder durch eine Lehrkraft oder durch externe Fachkräfte, die durch die Jugendschutzbeauftragten der Kreise und Städte vermittelt werden können. Die Ansprechpartner/-innen sind auf den entsprechenden Websites zu finden.

Gewinnen Sie andere Eltern der Klasse dafür und unterstützen Sie die Lehrkräfte für solche Vorhaben!

Langfristig: Prävention institutionalisieren

Sie können ggf. auch mit Unterstützung des Elternbeirates anregen, dass Soziales Lernen und Mobbingprävention ins Schulprogramm aufgenommen und fest institutionalisiert werden. So kann z. B. eine schuleinheitliche Interventionskette regeln, wie in Mobbingfällen zu verfahren ist. Es kann auch mithilfe einer Anti-Mobbingkonvention im Sinne einer Selbstverpflichtung vereinbart werden, wie sich alle an der Schule beteiligten Gruppen zu verhalten haben.

Wichtig: Einer Verfestigung der Opfer-Rolle vorbeugen!

Wird ein Kind Opfer von Mobbingattacken, zieht es sich vorerst zurück, um Angriffen zu entgehen. Hören diese nicht auf, entsteht bei ihm ein Gefühl von Hilflosigkeit und Inkompetenz. Weitere Attacken tragen dazu bei, dass sich das Kind in die Opferrolle fügt und sich u. U. selbst die Schuld gibt. Die Folge ist oft Vereinsamung. Es zieht sich aus der Klassengemeinschaft und aus dem Freundeskreis zurück. Sein Selbstwertgefühl wird stark beeinträchtigt und es verliert die Fähigkeit, Kontakte zu anderen Menschen aufzunehmen.

Untersuchungen haben gezeigt, dass Mobbing-Opfer ihre Opferproblematik, wenn diese nicht bearbeitet wird, in eine andere Klasse oder Schule bis hin zur Berufsausbildung und zum späteren Arbeitsplatz „mitnehmen“. Damit erhöht sich die Wahrscheinlichkeit, dass diese Personen erneut Opfer von Mobbing-Prozessen werden. Um diesen Langzeitfolgen vorzubeugen, ist es daher dringend angeraten, dass Eltern konsequent dafür sorgen, dass das Mobbing gestoppt wird.

Was ist zu tun, wenn mein Kind Täter oder Täterin ist?

Die Versuchung, das eigene Kind zu verteidigen und in Schutz zu nehmen, ist groß und aus Elternsicht verständlich. Das vorgefallene Verhalten jedoch zu bagatellisieren, ist ebenso wenig hilfreich wie das Androhen von Sanktionen wie z. B. kein Ausgang oder drei Tage Computer- oder Fernsehverbot.

Klären Sie zu Beginn den Sachverhalt in einem Gespräch mit der Klassenlehrkraft:

  • Was ist genau, wie, wo und wann geschehen und wer war daran beteiligt?
  • Was genau hat mein Kind gemacht?
  • Was könnten die Motive gewesen sein?
  • Machen Sie deutlich, dass Sie das Problem ernst nehmen und mit Ihrem Kind sprechen werden.

Äußern Sie den Wunsch, dass Sie über das weitere Verhalten Ihres Kindes informiert werden möchten. Vereinbaren Sie nach dem Gespräch mit Ihrem Kind ein weiteres Gespräch mit der Lehrkraft. Stimmen Sie, nachdem Sie mit Ihrem Kind gesprochen haben, das pädagogische Vorgehen in der Schule und im Elternhaus mit der Lehrkraft ab.

Hinweise für das Eltern-Kind-Gespräch:
Bei einem konkreten Mobbing-Vorfall ist das Fehlverhalten klar und deutlich zu benennen, aber das Kind als Person zu respektieren.

  1. Sprechen Sie mit Ihrem Kind über den Vorfall.
  2. Schildern Sie sachlich und ruhig, was Sie darüber z. B. von der Klassenlehrkraft erfahren haben.
  3. Versuchen Sie Beweggründe für das Mobbing- Verhalten herauszufinden und vermeiden Sie Schuldzuweisungen.
  4. Setzen Sie Grenzen und machen Sie deutlich, dass Sie diese Mobbingaktionen nicht tolerieren.
  5. Benennen Sie Konsequenzen, wenn das Verhalten unverändert bleibt. Diese müssen im direkten Zusammenhang mit den Vorfällen stehen.
  6. Geben Sie Ihrem Kind Hilfestellungen zur Verhaltensänderung.
  7. Machen Sie deutlich, dass Sie Kontakt zur Lehrkraft haben und ein Austausch über das Verhalten stattfindet.
  8. Nehmen Sie keinen Kontakt zum Opfer bzw. den Eltern zwecks Verteidigung oder Entschuldigung auf. Erfahrungsgemäß verschärft sich dadurch der Konflikt weiter.
  9. Sprechen Sie auch mit den Lehrkräften und überlegen Sie praktikable Lösungen, die die Lage des Kindes jedoch nicht verschlimmert.

Mut zur Auseinandersetzung und Grenzsetzung sind gefordert! Aber als Grundsatz gilt immer: Trennung von Person und Verhalten!

Mein Kind als Täter/-in – mittel- und langfristige Möglichkeiten

Wenn Sie das Gefühl haben, allein nicht ausreichend auf Ihr Kind einwirken zu können, nehmen Sie eine externe Beratung in Anspruch (Erziehungsberatungsstelle, Schulpsychologe/-in, Kinder- und Jugendtherapeut/-in).

Generell sollten Sie als Eltern auch bereit sein, selbstkritisch über Ihr eigenes Erziehungs- und Sozialverhalten nachzudenken:
- Haben Sie vielleicht viel Wert auf die Durchsetzung eigener Interessen zu Lasten anderer gelegt? Neigen Sie möglicherweise selbst zu Abwertung oder Aggressivität in Konfliktsituationen, was sich Ihr Kind von Ihnen abgeschaut haben könnte?
- Achten Sie darauf, dass auch in der Familie negative Ausdrücke, Sticheleien oder Spottnamen unterbleiben. Mit allem was Sie tun, sind Sie Vorbild für Ihr Kind.
Wenn Sie Ihr eigenes Sozial– oder Erziehungsverhalten effektiv ändern möchten, sollten Sie professionelle Beratung oder ggf. therapeutische Unterstützung in Anspruch nehmen.

 

Hinweise für Eltern, deren Kinder Unbeteiligte sind

Im Mobbinggeschehen sind die Zuschauer/-innen die größte Gruppe. Innerhalb dieser Gruppe nehmen die Schüler/-innen unterschiedliche Rollen ein: Es gibt passive Zuschauer/-innen, die sich aus allem heraushalten. Dann gibt es einzelne Schüler/-innen, die sich zeitweilig auf die Seite des Täters/der Täterin stellen und die Schikanen mittragen oder den Täter/ die Täterin in ihrem Tun bestärken. Andere Schüler/-innen kommen dem Opfer zur Hilfe und machen dem Täter/der Täterin deutlich, dass sie das Verhalten ablehnen bzw. die Lehrkraft darüber informieren werden. Je größer diese Gruppe ist, desto weniger Möglichkeiten hat der Täter/die Täterin, die Aktionen weiterzuführen.

Es ist wichtig, dass Eltern Ihr Kind ermutigen, als Beobachter/-in von Mobbingvorfällen aktiv einzuschreiten.

Bitten Sie Ihr Kind, von Vorfällen zu berichten, wo Mitschüler/-innen schikaniert wurden. Bestärken Sie Ihr Kind, Mobbing-Opfer zu unterstützen. Ermutigen Sie es, in Akutsituationen sofort Lehrer/-innen dazuzuholen. Wichtig ist dabei zu erwähnen, dass dies kein Petzen ist!

Cybermobbing - Was kann ich dagegen tun?

Von Cybermobbing spricht man, wenn ohne Einwilligung der Betroffenen mit Hilfe von Text-, Bild- oder Videoveröffentlichungen im Internet, mittels E-Mails oder SMS Schüler/-innen vorsätzlich verleumdet, bedroht oder belästigt werden (z. B. durch bloßstellende Bilder bei YouTube oder gefälschte Forenbeiträge bei Facebook und Co.).
Im Gegensatz zum klassischen Mobbing können die Täter/-innen beim Cybermobbing anonym in Erscheinung treten. Trotzdem stellt deren Handeln oft schon einen Straftatbestand dar.

Maßnahmen gegen Cybermobbing

Als Eltern können Sie Folgendes unternehmen:

  • Kümmern Sie sich verstärkt um die Onlineaktivitäten Ihres Kindes.
  • Besprechen mit Ihrem Kind, wie es das Risiko verringern kann, Cybermobbing-Opfer zu werden, z. B. durch den Schutz der Privatsphäre im Netz.
  • Wichtig ist es, Material als Beweis zu sammeln, wenn man gegen den Täter/die Täterin vorgehen will.
  • Sollte das Kind bereits Opfer geworden sein, müssen Sie es zwingend unterstützen, da es allein in der Regel nicht dagegen vorgehen kann.
  • Sprechen Sie mit Ihrem Kind ab, wie man am besten mit Angriffen umgeht und welche Strategien sinnvoll sind, um sich dagegen zu wehren.
  • Wenn das Kind direkt belästigt wird, sollte es auf die Angriffe nicht reagieren, da es den Täter oder die Täterin dadurch zum Weitermachen ermutigt.
  • Die effektivste Strategie ist, das Material herunterzuladen und es den Eltern der Angreifer/-innen zu schicken, sofern diese bekannt sind.
  • Zusätzlich können Sie Lehrkräfte oder Schulleitung kontaktieren. Regen Sie ggf. an, dass das Thema „Umgang miteinander via Internet oder Handy“ im Unterricht thematisiert wird.
  • Informieren Sie den Serviceprovider oder Forenbetreiber, damit die entsprechenden Einträge gelöscht werden. Sie haben einen Unterlassungsanspruch.

Weitere Informationen zum Thema Cybermobbing finden Sie im Internet unter www.klicksafe.de.

Besondere Hinweise zu Schulordnungsmaßnahmen

Wenn sich Mobbingstrukturen in einer Klasse verfestigt haben, liegt oft die Überlegung nahe, das Opfer in die Parallelklasse oder sogar an eine andere Schule zu versetzen. Meist geht dabei die Initiative von den Eltern des Opfers aus, die sich eine kurzfristige Entschärfung der Situation für ihr Kind erhoffen. Ob diese Entscheidung richtig ist, lässt sich nicht generell beantworten. Aus pädagogischer Sicht gilt es, die möglichen Auswirkungen auf die am Mobbingprozess beteiligten Personen zu berücksichtigen:

  • Täter/-in: Wir haben erfolgreich das Opfer aus der Klasse gemobbt.
  • Opfer: Bleibe ich, werde ich weitergemobbt. Eine Garantie, dass es mir in der anderen Klasse besser geht, gibt es nicht. Ich weiß immer noch nicht, wie ich mich wehren kann.
  • Zuschauer/-innen: Jetzt müssen wir uns damit nicht mehr auseinandersetzen. Ich muss aufpassen, dass ich nicht selbst Opfer werde, sonst muss ich auch die Klasse verlassen.
  • Lehrkräfte: Jetzt ist Ruhe, das Hauptproblem ist erst einmal gelöst.

Aufwändiger, aber für die Lernerfahrung sinnvoller sind der Ausschluss des Täters bzw. der Täterin aus der Klasse und eine Aufarbeitung mit den verbleibenden Mitschülern/-innen, um weiteres Mobbing mit anderen Opfern zu verhindern. Die Verbesserung der Klassengemeinschaft und die (Re-)Integration des gemobbten Schülers/der gemobbten Schülerin in die Klasse sollte das eigentliche Ziel pädagogischen Bemühens sein.

Weiterführende Informationen

  • Gebauer, Karl: Mobbing in der Schule. Düsseldorf/Zürich 2005.
  • Holighaus, Kristin: Zoff in der Schule. Tipps gegen Mobbing und Gewalt. Weinheim 2004.
  • Jannan, Mustafa: Das Anti-Mobbing-Elternheft: Schüler als Mobbing-Opfer - Was Ihrem Kind wirklich hilft. 2. Auflage, Weinheim 2010
  • Kasper, Horst: Prügel, Mobbing, Pöbeleien. Kinder gegen Gewalt in der Schule stärken.
  • Berlin 2003.
  • Kohn, Martin: Tatort Schule. Was tun bei Mobbing, Erpressung, Körperverletzung, Beleidigung oder sexuellen Angriffen? Hannover 2012.
  • Rank, Sabine/Lamla, Birgit/Mengele, Karin: Mobbing in der Schule vorbeugen, erkennen und beenden. Freiburg im Br. 2013.
  • Schäfer, Mechthild/Herpel, Gabriela: Du Opfer! Wenn Kinder fertigmachen. Reinbek 2012.
  • Schallenberg, Frank: Ernstfall Kindermobbing: Das können Eltern und Schule tun. München 2004.

Hilfreiche Internetseiten

www.mobbingline.nrw.de
Professionelle Hilfe zu Mobbing am Arbeitsplatz, durch fachlich geschulte Ansprechpartner/-innen und Experten/-innen.
Außerdem erreichbar unter der Telefonnummer 0211 837-1911.

www.schueler-mobbing.de
Basis-Informationen, Verhaltenstipps, Forum

http://seitenstark.de/kinder/sicheres-internet/gegen-mobbing
Informationen für Kinder und Jugendliche

www.internet-notruf.de
Opfer erhalten hier psychologische und pädagogische Hilfen.

www.schueler-gegen-mobbing.de
Hilfen für Mobbingopfer, Beratung für Eltern und Lehrkräfte

Material für Lehrkräfte

Aktion Kinder- und Jugendschutz Landesarbeitsstelle Schleswig-Holstein e. V./Kreis Stormarn, Fachdienst Familie und Schule Kinder und Jugendschutz (Hrsg.):„Sonst bist du dran!”
Anleitung und Materialien zum Umgang mit Mobbing in der Schule. Bad Oldesloe/Kiel 2005.

Aktion Kinder- und Jugendschutz Landesarbeitsstelle Schleswig-Holstein e. V./Kreis Stormarn,
Fachdienst Familie und Schule Kinder und Jugendschutz (Hrsg.): „Sonst bist du dran!”
Intervention. Interaktive Selbstlern-DVD für PC und Mac. Bad Oldesloe/Kiel 2006.

Arbeitshilfe und Selbstlern-DVD
im Paket: 20,- € plus Versand.
Bezugsadresse:
Aktion Kinder- und Jugendschutz,
Landesarbeitsstelle Schleswig-Holstein e.V.
Holtenauer Straße 238, 24106 Kiel
Telefon: 0431 2606878
E-Mail

Beratungsangebote online

Unter dem Link www.schulpsychologie.de >> Info Schulpsychologie
>> Adressensuche findet man Schulpsychologische Beratungsstellen in allen Bundesländern und nach Orten aufgelistet.

Frank Schallenberg vom Jugendinformationszentrum München berät seit Jahren Mobbingopfer. Internet,Telefon: 089 514106-60.

Auch die Caritas hilft und berät online: www.beratung-caritas.de >>Kinder und Jugendliche >>zur online Beratung.

Unter dem Link www.schueler-gegen-mobbing.de finden Schüler und Eltern Beratung und Hilfe.

Werner Ebner, Pädagoge und Mobbingberater, berät und informiert unter www.mobbingberatung.info unterschiedliche Zielgruppen. Hier finden Sie im Downloadbereich unterschiedliche Informationen, Ratgeber und einen Mobbingselbsttest.

Unter dem Link www.dajeb.de >>Beratungsführer online>> bietet die Deutsche Arbeitsgemeinschaft für Jugend- und Eheberatung e.V. das Finden von Beratungsstellen in Ihrer Nähe durch die Eingabe der Postleitzahl.

Außerdem bieten Träger der Kinder- und Jugendhilfe häufig Kurse und Workshops zum Thema Mobbing an. Erkundigen Sie sich bei den Jugendverbänden vor Ort.

Der Abdruck dieser Ausgabe von Elternwissen erfolgt mit freundlicher Genehmigung von:
Aktion Kinder- und Jugendschutz, Landesarbeitsstelle für Prävention Schleswig-Holstein e.V., Kreis Stormarn, Fachdienst Familie und Schule, Kinder- und Jugendschutz

Verfasserinnen

Christa Limmer, Leiterin der Dienststelle Prävention von Gewalt und Mobbing, Autoaggression und Suizid sowie Prävention von Rechtsextremismus bei der Aktion Kinder- und Jugendschutz, Landesarbeitsstelle Schleswig- Holstein e.V.

Petra Linzbach, tätig als Kinderschutzbeauftragte im Kreis Stormarn im Fachdienst Familie und Schule, Kinder- und Jugendschutz.

Redaktion: Roxana Brink, pädagogische Referentin der Katholischen Landesarbeitsgemeinschaft Kinder und Jugendschutz NW e.V., Münster.

Quelle

Dieser Beitrag erschien als "Elternwissen Nr. 9 Mobbing", herausgegeben von:

Katholische Landesarbeitsgemeinschaft Kinder-und Jugendschutz Nordrhein-Westfalen e.V.
Salzstraße 8
48143 Münster

Tel.: 0251 540 27

Website

Die Übernahme erfolgt mit freundlicher Genehmigung.

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