Tipps für Eltern: Wenn Kinder Angst haben

Evi Crotti und Alberto Magni

Kinderängste sind keine Seltenheit und können in den unterschiedlichsten Situationen im Alltag auftauchen. Die Autoren unterstützen Eltern, die beim Thema Kinderängste doch oft verunsichert sind. Nachfolgende Regeln und Tipps sollten Eltern beachten, wenn ihre Kinder unter Ängsten leiden.

  • Vermeiden Sie vernunftbetonte Aussagen: Verkneifen Sie sich Sätze wie “Du brauchst keine Angst zu haben” , “In deinem Alter kann man doch noch gar nicht Angst haben vor . . . ”, “Schämst du dich nicht, Angst zu haben?". Vernünftige und logische Erklärungen dienen eher den Eltern als dem Kind. Ihr gutes Beispiel allein reicht möglicherweise nicht aus, um die Angst des Kindes zu vertreiben.
  • Ignorieren Sie niemals die Ängste Ihres Kindes: Benutzen Sie nie Sätze wie “Da gibt es nichts zu fürchten” oder “Es ist doch gar nichts passiert” . Wenn Sie sich mit dem Kind verbünden, dann identifizieren Sie sich mit ihm. So können Sie die Dringlichkeit seines Problems nachfühlen, selbst wenn Ihnen alles zunächst eher banal erscheint. Wenn Sie sich dem Kind gegenüber überheblich verhalten, dann führt das nur dazu, dass sich das Kind von seinen Eltern und vom Erzieher innerlich abwendet, und Sie riskieren, dass es Ihnen das nächste Mal nichts mehr anvertraut.
  • Dramatisieren Sie die Situation nicht: Verwenden Sie keine Sätze wie “Armes Kleines, wie viel Angst musst du ausgestanden haben!” , “Komm zu deiner Mama, die tröstet dich” , “Papa wird dir helfen . . . ” . Wenn Sie eine Situation dramatisieren, dann wirbeln Sie das Gefühlsleben des Kindes, das ohnehin bereits aufgewühlt ist, durcheinander. Die positive Wirkung einer Komplizenschaft verliert sich dadurch, und im Kind stauen sich statt dessen unkontrollierte Emotionen an. Behandeln Sie jedes Kind altersgerecht, und gehen Sie ohne Einschränkung auf seine individuellen Bedürfnisse ein.
  • Akzeptieren und bewerten Sie Ängste richtig: Als Erstes sollten Sie sich mit dem verängstigten Kind auf einer ehrlichen Basis verbünden, indem Sie sich in das Problem und das Kind hineinversetzen. Wenn Sie Ihrem angsterfüllten Kind vermitteln, dass Sie verstehen, wie störend die Angst für es ist, so schaffen Sie ideale Voraussetzungen dafür, dass es aus sich herauskommt. Paradoxes Verhalten kann ein brauchbares Mittel sein, um den Spannungsabbau des Kindes zu fördern. Wenn Sie dem Kind sagen, dass Sie genau die gleichen Ängste empfunden haben und sie auf eine bestimmte Weise gelöst haben, so zeigen Sie ihm einen möglichen Fluchtweg aus seinem Kummer.
  • Besser als zahlreiche Trostworte wirken nonverbale Zeichen der Anteilnahme. In diesem Sinn ist eine Umarmung oder ein zärtliches Streicheln besser als jede Menge unnützer Beschwörungsformeln.
  • Bedenken Sie, dass kleine Ängste einer größeren Angst weichen: Manchmal ist es hilfreich, auf Märchen oder Erzählungen zurückzugreifen, um die Ängste des Kindes zu verscheuchen. Die Anteilnahme an einer angst beladenen Geschichte kann dem Kind seine reale Angst unbedeutend erscheinen lassen! Ich erinnere mich daran, dass ich als Kind manchmal für einige Tage zu meinen Großeltern fuhr. Sie schickten mich ziemlich früh zu Bett, das in einem riesigen, schlecht beleuchteten Zimmer stand. Dieses Zimmer rief in mir wahnsinnige Ängste hervor: Da waberten schattenhafte Umrisse eines Ungeheuers an der Wand, es herrschte schreckliche Stille, das Dämmerlicht verschleierte die mögliche Anwesenheit von versteckten Eindringlingen usw. Wenn ich dann weinte, pflegte mir mein Großvater die Geschichte vom “Büffelhirten” zu erzählen, der ein scheußlicher, widerwärtiger Riese war und den Menschen beim bloßen Gedanken schon Angst und Schrecken einjagte. Mit einem mächtigen Pusten verwüstete der Riese alles Ackerland und den Wald. Das Ende dieser Geschichte habe ich allerdings nie erfahren, weil ich immer dann, wenn der Büffelhirte pustete und pustete “bvvvvvvvv . . . ” in einen entspannten Schlaf fiel, der mir jede Angst nahm.

Quelle

Aus: Evi Crotti; Alberto Magni: Die verborgenen Ängste der Kinder. Furcht und Bekümmertheit erkennen. München: Beust Verlag, 2002, S. 204.

Mit freundlicher Genehmigung des Beust Verlags

Erstellt am 21. August 2002, zuletzt geändert am 16. Februar 2010

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