Mit 40 das erste Kind?

Dr. Petra Fosen-Schlichtinger

Immer mehr Frauen beantworten diese Frage mit Ja. Späte Schwangerschaft liegt im Trend. Die Situation von Frauen, die im Alter 40 plus zum ersten Mal ein Kind erwarten, steht im Zentrum der Arbeit der Soziologin und Buchautorin Petra Fosen-Schlichtinger. Es werden die Ursachen und Gründe für späte Mutterschaft beleuchtet, Chancen und Risiken aufgezeigt. Schwangerschaft und Geburt, die nachgeburtliche Phase und das Leben mit einem Kleinkind stellen den Zeitraum dar, auf den besonders eingegangen wird. Die Rolle von Vätern wird immer mit jener der Mütter verknüpft. Basis der Arbeit ist Literaturrecherche, Gespräche mit Frauen verdichten die Ausführungen.

 Schwangerschaft und Geburt gehören zu den prägendsten Erfahrungen weiblicher Biografien. Eine zahlenmäßig nicht unbeträchtliche Gruppe von Frauen verzichtet aber mittlerweile auf diese und bleibt kinderlos. So wie die Frage, ob Frauen Kinder bekommen sollen, differenziert beantwortet wird, verhält es sich auch mit der Frage nach dem idealen Zeitpunkt. Immer mehr Frauen sehen ihn in vorgerücktem Alter und werden späte Mütter. Soziologisch betrachtet bezeichnet man als späte Mütter Frauen, die im Alter um das 40. Lebensjahr (und darüber hinaus) ihr erstes Kind bekommen. Von ärztlicher Seite betrachtet sind es Frauen ab dem 35. Lebensjahr.

Gründe, die aus Frauen späte Mütter machen

Auch in früheren Zeiten haben Frauen in der Lebensmitte noch Kinder bekommen. Meistens waren das keine Erstgebärenden, sondern Frauen, die der Geschwisterreihe ein weiteres Kind hinzugefügt haben. Gelebte Sexualität und Zeugung waren aneinander gekoppelt, was auf das Fehlen sicherer Verhütungsmittel und strenge Abtreibungsgesetze zurückzuführen war. Dies ist heute nicht mehr der Fall. Mutter zu werden ist kein Schicksal mehr, die Erfüllung des Kinderwunsches primär eine Option, Teil der Lebensgestaltung einer Frau, geworden. Dabei muss man allerdings zwischen zwei Gruppen von Frauen unterscheiden. Da ist jene, die bereits in jungen Jahren Mutter werden will, sich diesen Wunsch aus verschieden Gründen nicht verwirklichen kann und jene, die den Kinderwunsch erst im fortgeschrittenen Alter verspürt. Auch wenn es ein klares und eindeutiges Profil der späten Mütter nicht gibt, so zeichnen sie sich doch durch einige Gemeinsamkeiten aus: Dazu gehören u. a. eine überwiegend gute Ausbildung und der damit verbundene berufliche Erfolg. Darüber hinaus gibt es auch im privaten Bereich Parallelen, wie etwa in Fragen von Partnerschaft, in Fragen von Lebensauffassung und -gestaltung.

Auch heute müssen kinderlose Frauen noch immer erfahren, dass sie als nicht vollwertig angesehen werden. Vielmehr laufen sie Gefahr, sich für diese Tatsache rechtfertigen zu müssen. Einer der Einflussfaktoren für das Phänomen später Mütter liegt gerade darin. Um klischeehaft negativen Zuschreibungen zu entgehen, entscheiden sie sich, wenn “die biologische Uhr schon laut tickt” noch zu einem Kind. In Anknüpfung an diese Thematik ist die Frage zu stellen, welche Basis der Kinderwunsch in unserer Gesellschaft heute hat.

Medizinische Hilfen mit Chancen und Risiken

Im Hinblick auf die medizinischen Aspekte ist festzuhalten, dass das ideale Alter um Kinder zu empfangen, noch immer zwischen 25 und 35 Jahren liegt. Moderne Reproduktionstechnologien verhelfen Frauen in prinzipiell jeder Lebensphase zu Kindern. Die Zahl derer, die die Techniken der Fortpflanzungsmedizin in Anspruch nehmen, steigt; vor allem für Frauen im fortgeschrittenen Alter sind sie eine wichtige Chance. Sie können Paaren im Falle von Sterilität bei der Verwirklichung ihres Kinderwunsches helfen. Allerdings handelt es sich bei künstlicher Befruchtung um einen langwierigen, physisch wie psychisch belastenden medizinischen Eingriff ohne Erfolgsgarantie.

So wie die Wahrscheinlichkeit, auf natürlichem Wege schwanger zu werden, mit zunehmendem Alter sinkt, so erhöht sich jene einer genetischen Abweichung beim Ungeborenen. Verschiedene Untersuchungsmethoden helfen, diese Abweichungen bereits vorgeburtlich festzustellen. Das Ergebnis pränataldiagnostischer Maßnahmen ergibt aber nicht selten (ethisch) konfliktträchtige Situationen.

Prinzipiell verlaufen Schwangerschaft und Geburt aber nicht anders als bei anderen Schwangerschaften und Geburten ab. Eine Ausnahme stellt dabei der Wunschkaiserschnitt dar, der bei späten Müttern häufiger gewählt wird, als dies bei jüngeren der Fall ist.

Ein Kind schafft neue Realitäten

Das Leben mit einem (kleinen) Kind stellt eine Veränderung dar, die sämtliche Lebensbereiche der Mutter einschließt und sie unablässig fordert, aber auch neue emotionale Seiten zum Klingen bringt. Die langfristige Gewöhnung an die neue Situation hängt bei spätem Timing der Elternschaft nicht zuletzt von den Eigenschaften des Kindes, beiden elterlichen Persönlichkeiten und der partnerschaftlichen Rollen- und Arbeitsteilung ab. Mütter/Eltern und Kinder beeinflussen einander immer wechselseitig, individuelle und gesellschaftliche Faktoren sind mitverantwortlich für das Gelingen des Projektes Familie. Zu diesen Faktoren zählen u. a. auch, ob und in welcher Weise Frauen Möglichkeiten zur Vereinbarkeit von Familien- und Berufsarbeit finden. Viele Mütter erleben die Babypause als eine erwünschte Auszeit aus dem beruflichen Alltag. Für viele stellt sie aber auch ein ernsthaftes Problem dar, wenn es darum geht, berufliche Chancen zu wahren.

Das Alter der Mutter beeinflusst die Entwicklung eines Kindes – aber marginal im Vergleich zum familialen und sozialen Kontext, in den dieses Kind hineingeboren wird. Kinder später Mütter haben aber auch sehr häufig späte Väter und Großeltern, die ein großer Altersunterschied von ihren Enkelkindern trennt. Dadurch ergeben sich spezifische Chancen, aber auch Probleme, noch dazu, wenn diese Kinder ohne Geschwister aufwachsen. Einzelkinder sind bei späten Müttern nicht selten. Abschließend sei darauf hingewiesen: Man sollte das Alter der Mutter in ihrer Beziehung zum Kind nicht überschätzen. Wichtiger ist, ob und wie eine Frau bereit ist, sich auf den Dialog mit ihrem Kind einzustellen, damit diese elementare Beziehung gelingt!

Literatur

Petra Fosen-Schlichtinger (2007): Vom Glück, spät Mutter zu werden. Patmos Verlagshaus. Düsseldorf. ISBN 978-3-491-40101-3

Quelle

beziehungsweise 3/07 (Österreichisches Institut für Familienforschung)

Abdruck mit freundlicher Genehmigung

Autorin

Dr. Petra Fosen-Schlichtinger

E-Mail

Erstellt am 18. Mai 2007, zuletzt geändert am 7. April 2010

 

Staatsinstitut für Frühpädagogik und Medienkompetenz
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