Stillen – ein Ratgeber für Väter

Dr. Angela M.T. Reinders

Reindersangela

Natürlich können junge Väter ihr Baby nicht stillen – aber das Bedürfnis nach Nähe, das sie selbst, Mutter und Kind haben. Väter sind eine Hilfe, wenn die stillende Mutter Hunger hat oder Durst, wenn sie müde ist, wenn sie nach einer entspannten Situation sucht und Unterstützung im noch ungewohnten Alltag mit Kind braucht.

Stillen ist ein Geschehen zwischen Mutter und Kind. Wenn das Kind die Muttermilch genießt, müssen Väter nicht unbeteiligt bleiben: Es gibt von Anfang an auch für sie eine sinnvolle Rolle in diesem Geschehen. Erfahren Sie, was Sie tun können.

Väter sind nicht außen vor

Das Baby ist da! Wie war das unmittelbar nach der Geburt? War das Kind so müde vom Geborenwerden, dass es erst einmal nur schlafen wollte und das am liebsten fünf Stunden lang? Oder haben Sie da einen Säugling bekommen von der Marke, der sofort zielstrebig zur Mutterbrust hochrobbt und kräftig saugt? Geborenwerden macht ja Kohldampf.

Wenn Ihr Kind gleich Hunger hatte, werden Sie noch etwas beobachtet haben: Beim Ansaugen kniff Ihre Frau die Augen feste zusammen. Dieser Anblick hatte reichlich wenig mit den Weichzeichnerfotos von behaglich stillenden Müttern auf geschwungenen Gartenbänken zu tun…

Das Gefühl beim ersten Stillen geht tatsächlich, wie eine Mutter einmal formulierte, “bis runter in den kleinen Zeh”. Was sich Mutter und Vater als so natürlich und problemlos vorgestellt haben, ist zunächst einmal sehr schmerzhaft. Wenn das Stillen nun anders ist, als Sie es sich ausgemalt haben – und die Mutter Ihres Kindes sicherlich auch -, dann lohnt es sich, ausführlich darüber zu sprechen.

Mutter und Kind müssen das Stillen lernen, um dann ein gut eingespieltes Team zu werden. Und Sie als Vater? Sie sind nicht so außen vor, wie Sie meinen – das Team braucht auch Sie!

Vor der “Attacke” die richtige Position finden

Das Kind hat eine Reihe von Reflexen. Der Saugreflex gehört dazu: Es weiß, dass es saugen muss – unvorstellbar, dass man ihm das erst beibringen müsste. Wenn es richtig Hunger hat, saugt es ohne Rücksicht auf Verluste drauflos, sobald sein kleiner Mund in die Nähe der Brustwarze kommt. Sie können helfen, dass gerade in der ersten Zeit das Ansaugen nicht zu einer “Attacke” gerät.

Dazu gehört die Sorge darum, dass Ihre Frau in einer guten Position sitzt, wenn das Kind ansaugt. Die bequeme Körperhaltung ist beim Stillen schon “die halbe Miete” . Bequem sitzt die stillende Frau, wenn sie sich weder verspannt noch allzu lässig hängen lässt, denn dann “hängt” auch das Baby und es ist für niemanden so richtig angenehm. Wenn Sie zu Hause sind, nehmen Sie doch das Kind auf, sodass die Mutter in Ruhe eine gute Position finden kann. Eine echte Hilfe ist das beim ersten Kind.

Wenn Sie hier klicken, finden Sie einen kleinen Leitfaden zum Stillen und eine Übersicht über verschiedene Stillpositionen.

Stillen in jeder Lage

Klassisch ist die Position, bei der die Mutter das Kind in Liegehaltung vor der Brust hält, Bauch an Bauch, und sich die Beine des Kindes unter der anderen Brust befinden. Das aber ist nicht die einzige Stillposition. Ein Griff, der Ihnen als Vater besonders viel Spaß machen dürfte, ist der “Fußballgriff”: Das Kind trinkt an einer Brust, sein Bauch und seine Beine werden nach hinten unter den Arm an der gleichen Seite gehalten – eben so, wie ein kleiner Steppke seinen Fußball hält. Die Mutter kann auch im Liegen stillen – das entspannt – und dabei notfalls auch so, dass die Beine des Kindes über der Brust liegen. Tun Sie es nicht als “Turnerei” ab, wenn Sie nach Hause kommen und die Hebamme Ihrer Frau das Baby in zunächst ganz abstrus wirkenden Positionen anlegt. Gucken Sie vielmehr intensiv hin: So lernen Sie, wie auch Sie das Kind in der entsprechenden Position anlegen können. Diese Positionswechsel sind nämlich dann wichtig, wenn die Brust schmerzt; so ist es bei Milchstaus wichtig, dass der Unterkiefer des Babys dort ansetzt, wo ein Milchknoten oder eine rote Stelle ist.

Entspannung dauert ein bisschen

Haben Sie sich schon einmal gefragt, warum Ihre Frau etwa eine halbe Minute nach Stillbeginn konzentriert “in sich geht”? Kurz nachdem das Baby angesaugt hat, schießt die Milch vom hinteren Bereich der Brust nach vorne ein – und das übrigens in beiden Brüsten, auch in der, an der das Baby gerade nicht trinkt. Nur wenige Frauen spüren das nicht, den meisten tut das auch ein wenig weh. Die leichte Anspannung bei der Mutter Ihres Kindes kann damit zusammenhängen, dass der Druck in den Brüsten dann besonders stark wird. Klar, dass Sie sie nicht gerade dann mit einer wichtigen Frage belasten. Das Baby regelt das übrigens meist prima: Es macht eine kleine Saugpause, lässt die Milch einfach in sein Mündchen laufen und trinkt dann mit großen, ruhigen Schlucken weiter. Hören Sie gut auf dieses Babysignal: Schon eine halbe Minute später sieht die Welt ganz anders aus und Sie können mit Ihrer Frau über alles Mögliche reden, weil sie sich nun gut entspannen kann.

Stillen macht Durst

Eine große Freude machen Sie Ihrer stillenden Frau, wenn Sie ihr ein Getränk während des Stillens bereitstellen. Damit ist nicht Kaffee gemeint, eher ein Mineralwasser mit wenig Kohlensäure, ein alkoholfreies Bier oder, falls Ihre Frau das gut trinken kann, auch Fenchel-Anis-Kümmel-Tee. Den gibt es so gemischt und teilweise sogar unter dem Namen “Milchbildungstee” in Apotheken. Gerne können Sie ihr ab und zu ein Glas Sekt kredenzen – das ist erlaubt und eine willkommene und fast feierliche Abwechslung zwischen Tee und stillem Wasser.

Stillen macht müde

Wann immer Sie können, ermöglichen Sie Ihrer Frau zu schlafen – besonders in den ersten Lebenswochen des Babys auch über Tag: Der Hormonspiegel in der Zusammensetzung der Milch verändert sich. Das Prolaktin trägt dazu bei, dass der Säugling beruhigt wird. Abends sinkt der Gehalt dieses Hormons in der Milch – ein Grund, warum Babys abends mehr schreien. Schläft die Frau am Tag – ein kurzes Nickerchen ist da schon hilfreich -, dann tankt sie wieder diesen natürlichen “Tranquilizer” für das Baby auf.

Stillen macht hungrig

In der Schwangerschaft, witzeln viele, muss die Frau “für zwei” essen – und doch wissen fast alle, dass das nicht stimmt. In der Stillzeit muss die stillende Frau natürlich viel trinken. Das Essen ist jedoch mindestens genauso wichtig; der zusätzliche Bedarf liegt bei 500 Kalorien. Die Stillberaterin Elisabeth Zintzen weiß, dass die Anzahl der Stillmahlzeiten sich allmählich verringert, wenn die Mutter so oft isst, wie das Kind trinkt. Das kann zum Lebensbeginn mitunter neun Mal am Tag sein. Manchmal tun es einige Löffel Haferflocken mit Sahne, auch eine Banane zwischendurch. Hilfreich sind am Anfang die Stillkugeln; das ausführliche Rezept finden Sie im Buch “Die Hebammensprechstunde”:

1 kg Weizen-Gerste-Hafer-Gemisch schroten und in einer Pfanne anrösten. 300 g gekochten Vollreis, 350 g weiche Butter, 1 Glas Wasser und 300 g Honig unter das Getreide mischen. Aus der Masse Kugeln mit etwa 2 bis 3 cm Durchmesser rollen.

In den ersten Lebenstagen des Kindes – so lange Mutter und Kind vielleicht noch im Krankenhaus sind – können Sie diese Kugeln zubereiten und einen Teil einfrieren. Die Mutter Ihres Kindes entnimmt die Kugeln portionsweise und hat so schnell etwas für zwischendurch. Für nächtliche Heißhungerattacken sind sie übrigens auch bestens geeignet – alles, was man dann sonst gerne isst, wie z.B. Schokolade oder andere zuckerhaltige Dinge, verursacht Blähungen beim Kind. Denken Sie dran: Je weniger das Kind trinkt und je seltener Ihre Frau gefordert wird, umso entspannter wird Ihr Familienleben.

Gleich noch ein paar Worte dazu, wenn Sie sich in der Küche betätigen wollen – was jede junge Mutter begeistert annehmen wird: Geben Sie reichlich Sahne an alles, was Sie in den Kochtöpfen zaubern. Umso gehaltvoller wird die Muttermilch. Zucker sollten Sie hingegen nur ganz sparsam verwenden. Vorsichtig und nur allmählich ausprobieren sollten Sie Lauch, Zwiebel, Knoblauch, Kohl und Hülsenfrüchte. Zum Trost: Die zwiebellose Zeit ist kein Dauerzustand und im achten Monat vertragen Kinder es möglicherweise, dass die Mutter Chili con carne mit reichlich roten Bohnen zu sich nimmt.

Quark in verschiedenen Varianten ist wichtig. Sahnequark ist für Zwischenmahlzeiten sehr gut geeignet und verträglicher als Joghurt. Magerquark dagegen verwenden Sie “außerhalb der Speisekarte”: Man sollte immer ein Päckchen eingefroren haben, um bei einer Brustentzündung mit einer Quarkpackung gleich helfen zu können.

Die Brust kann Schmerzen und Fieber auslösen

Die Mutter steht unter starker Anspannung. Oder: Das Kind trinkt nicht richtig. Oder: Das Kind beginnt nachts durchzuschlafen und die Mutterbrust bekommt noch immer das Signal zur durchgehenden Milchproduktion. Das alles kann dazu führen, dass ein Milchknoten oder Milchstau entsteht. Wenn nur der Druck auf die Brust zunimmt, dann ist dies nicht weiter bedenklich; gibt es rote, schmerzende Stellen, dann droht eine Brustentzündung, und die ist außerordentlich schmerzhaft.

Bedenken Sie, dass die Mutter Ihres Kindes dann wirklich nicht mehr kann: Eine Brustentzündung legt den ganzen Körper mindestens so lahm wie eine schwere Grippe. Ihre Frau braucht dann absolute Bettruhe, Magerquarkpackungen auf die Brust oder notfalls auch alkoholische Lösungen aus der Apotheke (Hebammen empfehlen hierbei Retterspitz äußerlich) – und am besten die Hilfe ihrer Hebamme.

Ach, ist mein Baby süß

Auch, wenn es verlockend ist und Mutter und Kind so gemütlich beim Stillen da sitzen: Halten Sie sich mit Zärtlichkeiten zurück, bis die Mahlzeit beendet ist. Stellen Sie es sich einfach so vor: Auch Ihnen wäre es nicht recht, wenn Ihnen jemand ständig über die Backen streichelt, während Sie Nudeln essen…

Und die Liebe?

Vergessen Sie erst einmal, was in vielen Büchern steht: Dass junge Mütter keine Lust auf Sex hätten – das kann so sein, muss aber nicht. Was Ihre Frau will und was Sie wollen, das steht in keinem Buch. Einige Frauen haben vielmehr das Bedürfnis nach viel inniger und auch intimer Nähe zu ihrem Mann, weil er einfach dazugehört.

Manche deuten den Stillakt als “Liebesspiel”. Das kann richtig sein, darf aber nicht die Fortsetzung einer sexuellen Beziehung zwischen Vater und Mutter blockieren. Das Stillen tritt nicht an deren Stelle. Wenn die Intimität auf Eis liegt, dann hat das andere Gründe, als dass die Brust als erogene Zone schon besetzt wäre. In dem Fall ist es dringend notwendig, dass Sie miteinander sprechen.

Unangenehm ist für die Frau, dass die Milch nicht nur fließt, wenn das Baby an der Brust saugt, sondern munter losschießt, wenn sie beispielsweise unter der Dusche steht oder sich auch nur nach vorne beugt. Der Austausch von Zärtlichkeiten ist nicht das reine Vergnügen, wenn Ihre Frau einen Still-BH mitsamt Einlagen trägt, aber für die Frau während der Stillzeit einfach angenehmer: Dann ist sie die Sorge los, dass sie Sie plötzlich mit Milch “duschen” könnte..

Weitere Beiträge der Autorin hier in unserem Familienhandbuch

Autorin

Angela M. T. Reinders, Dipl.-Theologin, Redakteurin beim Bergmoser + Höller Verlag AG
 

Kontakt

Angela M. T. Reinders
Purweider Winkel 10
D – 52070 Aachen

E-Mail

Erstellt am 7. Mai 2002, zuletzt geändert am 11. Dezember 2014