Als Vater wird man nicht geboren: Vier Bereiche Ihrer Verantwortung

Peter Meadows

Jedes menschliche Wesen – und Ihr Kind, ob Sie es glauben oder nicht, ist eines – lebt sein Leben in vier Dimensionen: dem körperlichen, sozialen, seelisch-spirituellen und geistigen Bereich. Jeder dieser Aspekte verdient Ihre Aufmerksamkeit. Diese vier Dimensionen sind wie die vier Beine eines Tisches. Wenn ein Bein zu kurz ist, wackelt der ganze Tisch.

Vaterschaft ganz materiell

Das ist das klassische “Ernährermodell”. Es ist Ihre Aufgabe, für das rein physische Wohlergehen Ihres Kindes zu sorgen. Sie müssen dafür sorgen, dass es ein Zimmer hat, das es in Unordnung bringen kann, Kleidung, die es schmutzig machen, und Essen, das es auf den Teppich kleckern kann.

Ebenso müssen Sie dafür sorgen, dass Ihre Kinder körperlich fit bleiben, dass sie sich gesund ernähren und sich sicher und geborgen fühlen. Sorgen Sie dafür, dass diese ganz grundlegenden physischen Bereiche abgedeckt werden, damit Ihre Kinder glücklich und gesund aufwachsen. Praktisch sieht das zum Beispiel folgendermaßen aus:

  • Sport. Gehen Sie mit ihnen raus und treiben Sie gemeinsam Sport.
  • Gemeinsam kochen. Darüber würde sich auch Mama freuen – nicht nur am Muttertag. Aber räumen Sie auch hinterher auf!
  • Hausarbeit. Beziehen Sie die Kinder in Ihre Putzaktionen ein oder reparieren Sie gemeinsam etwas. Übertragen Sie jedem Kind zumindest eine bestimmte Aufgabe im Haushalt. Idealerweise sollte das eine einfache Arbeit sein, für die es jede Woche selbst verantwortlich ist. Achten Sie darauf, dass die Aufgabe ausgeführt wird, und loben Sie das Kind dafür.
  • Engagieren Sie sich für die Sportmannschaft, das Orchester oder einen Verein, in dem Ihr Kind aktiv ist. Das kann alles Mögliche bedeuten: Organisieren, trainieren, Fahrdienste tun oder auch zur Halbzeit/ Aufführung/ Generalprobe mit einer kleinen Stärkung anrücken. Diesen Einsatz wird Ihr Kind sehr zu schätzen wissen.
  • Behalten Sie den Überblick über Fernsehkonsum und Internet-Nutzung Ihres Kindes. Wenn das Kind an diesem Punkt über die Stränge schlägt, hilft es wenig, ihm zu raten: “Warum liest du zur Abwechslung nicht mal ein Buch?” Sie werden merken, dass ein Satz, der so anfängt: “Komm, lass uns mal zusammen …” viel erfolgversprechender ist.
  • Beginnen Sie ein gemeinsames Hobby mit Ihrem Kind. Hier gibt es eine Riesenauswahl: Sammlungen anlegen, Modelle bauen, Puzzles zusammensetzen. Und lassen Sie das Kind bestimmen, was ihm am meisten Spaß macht.
  • Zeigen Sie Ihrem Kind, wie man mit Geld umgeht. Zeigen Sie ihm, wie es mit seinem Taschengeld auskommt, wie viel es für Freizeit, Kleidung, Spielzeug, Sparen usw. zurücklegen muss. Und wenn es schief geht, helfen Sie ihm aus der Patsche – aber höchstens ein Mal.
  • Gehen Sie mit dem Kind einkaufen. Lassen Sie das Kind bezahlen oder zumindest das Wechselgeld zählen und nach den günstigsten Angeboten Ausschau halten. Warten Sie nicht, bis Ihr Sohn als Student mit der Realität konfrontiert wird. Zeigen Sie ihm jetzt, wie man Geld spart, indem man auf Markenartikel verzichtet, Rabattkarten benutzt, nach herabgesetzter Ware und Sonderangeboten Ausschau hält. Wenn Sie besonders mutig sind – darf Ihr Kind die Hälfte von dem behalten, was Sie durch seine Aufmerksamkeit einsparen.
  • Geben Sie dem Kind sein eigenes Beet im Garten. Oder zumindest einen Blumentopf oder ein paar Kakteen, für die es selbst verantwortlich ist – vielleicht mit ein wenig Unterstützung von Ihnen.
  • Schaffen Sie ein Haustier an. An diesem Punkt müssen Sie allerdings realistisch sein. Ich würde zum Beispiel jederzeit einen Goldfisch einer Deutschen Dogge vorziehen. Und Hamster haben die unglückselige Gewohnheit, bei Ihrer Rückkehr in einer sehr starren Position auf dem Rücken zu liegen und mehrere Jahre lang den Atem anzuhalten. Doch für welches Tier Sie sich auch entscheiden – Ihr Kind sollte sich unbedingt an der Pflege beteiligen bzw. ganz dafür verantwortlich sein.

Vaterschaft als Beziehungsschule

Ihr Kind muss lernen, auch in der Welt außerhalb seiner Familie zurechtzukommen. Und es muss begreifen, dass es nicht ausreicht, dass jeder Mensch nur seine eigene Arbeit gut macht. Jeder von uns existiert als Teil einer Gemeinschaft – Familie, Freunde, Schulklasse usw. Mehr als das, unsere Bemühungen sollten überhaupt über unser eigenes Leben hinausgehen und anderen Menschen nutzen.

Hier haben Sie eine Aufgabe zu erfüllen. Helfen Sie Ihrem Kind, Freundschaften zu schließen und gute Beziehungen zu anderen Menschen aufzubauen. Vielleicht sind folgende Ideen hilfreich:

  • Lernen Sie die Freunde Ihrer Kinder kennen. Wenn Sie sich für ihre Freunde interessieren, vermitteln Sie Ihren Kindern, dass Freunde wichtig sind. Lernen Sie die Namen und Interessen der Freunde kennen.
  • Die Freunde Ihrer Kinder sollen sich bei Ihnen wohl fühlen. Versuchen Sie, eine gastfreundliche Atmosphäre zu schaffen, sodass die Freunde Ihrer Kinder gern in Ihr Haus kommen. Eine stets geöffnete Dose Schokoladenkekse ist schon mal ein Anziehungspunkt.
  • Geben Sie eine Party für die Freunde Ihrer Kinder. Es gibt viele Möglichkeiten, eine Party zu beaufsichtigen, ohne aufdringlich zu wirken. Organisieren Sie z.B. ein Grillfest im Garten oder auf einem Grillplatz.
  • Beziehen Sie die Kinder in Gespräche der Erwachsenen ein. Das Vertrauen in die eigene Kommunikationsfähigkeit wird bei den Kindern zunehmen, wenn man ihnen zuhört und sie an den Gesprächen der Erwachsenen teilhaben lässt. Lassen Sie sie die Fragen, die andere ihnen stellen, selbst beantworten, statt selbst anstelle Ihres Kindes zu antworten oder ihre Antworten zurechtzurücken.
  • Bringen Sie ihnen ein gutes Sozialverhalten bei. Gehen Sie selbst mit gutem Beispiel voran – behandeln Sie andere höflich und respektvoll. Achten Sie darauf, wie Sie über und mit anderen reden. Und ermutigen Sie die Kinder, das, was sie beobachten, selbst zu praktizieren – besonders, wenn sie Fremden begegnen, ans Telefon gehen usw.

Vaterschaft für den inneren Menschen

Wir sind vielleicht keine religiöse Gesellschaft mehr, aber eine sehr spirituelle. Ihr Kind wächst in einer Welt auf, in der sieben von zehn Erwachsenen “manchmal” oder “oft” über “den Sinn des Lebens” nachdenken.

Die meisten Erwachsenen glauben, dass es im Leben mehr gibt als das, was sie mit ihren fünf Sinnen erfassen können. Viele wollen mehr vom Leben als nur Geld, Sex und Macht. Und jedes Kind sollte die Möglichkeit haben, über Alternativen nachzudenken, sobald es begreift, um was es geht.

Natürlich sollte kein Vater darüber froh sein, wenn sein Kind vorschnell und gedankenlos zu einem Urteil über den Sinn des Lebens kommt. Auf der anderen Seite betrügen wir unsere Kinder, wenn wir einfach davon ausgehen, dass sie irgendwann in der Zukunft eine eigene Entscheidung treffen, ohne dass sie vorher Gelegenheit hatten, die entsprechenden Informationen zu bekommen oder eine Religionsgemeinschaft von innen kennen zu lernen. Ein kluger Vater bewegt sich vorsichtig zwischen diesen beiden Extremen. Hier sind einige Anregungen:

  • Ihre Kinder sollen Ihre religiöse Überzeugung kennen lernen, wenn Sie eine haben. Lassen Sie sie Anteil haben an dem Wunderbaren, das Sie erleben, und erzählen Sie den Kindern, was Ihnen Ihr Glaube bedeutet – natürlich in altersgemäßer Form.
  • Ihre Kinder haben ein Recht darauf, die großen Glaubensgeschichten kennen zu lernen. In jeder guten Buchhandlung gibt es wunderschön gestaltete Kinderbibeln. Es gibt eine Menge guter christlicher Kinder- und Jugendliteratur. Ganz fantastisch sind z.B. die spannenden Narnia-Bücher von C.S. Lewis. Und wenn Ihr Kind nicht gern liest, können Sie auf biblische Videofilme zurückgreifen. Es muss ja nicht immer nur Harry Potter sein.
  • Sie können für Ihre Kinder beten – und mit ihnen. Von dem Augenblick an, als jedes unserer Kinder auf die Welt kam, sprach der, der sie abends ins Bett brachte, ein einfaches Gebet. So hatten sie immer das Gefühl, dass es eine Dimension gibt, die über ihr alltägliches Leben hinausgeht.
  • Versuchen Sie, in Ihren Kindern einen Sinn für Gerechtigkeit und Toleranz zu wecken. So könnten Sie zum Beispiel als Familie durch einen monatlichen Beitrag an eine vertrauenswürdige Hilfsorganisation ein Kind aus der dritten Welt unterstützen.
  • Schenken Sie Ihren Kindern Traditionen – z.B. im Rahmen des Kirchenjahrs. Weihnachten, Ostern und andere Feste sind auch Gelegenheiten, Ihren Kindern die Bedeutung dieser Tage nahe zu bringen. Das geschieht sicher auch in Kindergarten und Schule, aber Sie könnten dieses Wissen durch Geschichten, Aktionen und Familientraditionen vertiefen.
  • Nehmen Sie die Kinder mit in den Gottesdienst. Für viele Paare ist die Geburt eines Kindes der Anlass, sich selbst wieder innerlich zu orientieren und eine Gemeinde zu suchen, in der man sich wohl fühlt. In diesem Umfeld kann das Kind dann seine eigenen Erfahrungen machen.
  • Geben Sie Ihrem Kind Gelegenheit, Schönheit zu erleben. Auch wenn Sie in einer Gegend wohnen, in der die Spatzen eher husten als singen, versuchen Sie, dem Kind die Wunder der Natur und der Schöpfung nahe zu bringen. Das Kind sollte nicht nur im Fernsehen herrliche Landschaften, wunderbare Blumen und merkwürdige Tiere sehen, sondern in der Natur selbst das Wunderbare entdecken.

Vaterschaft als geistiges Abenteuer

Ihre Verantwortung dafür, die geistigen Potenziale Ihres Kindes zur Entfaltung zu bringen, erfüllen Sie nicht allein damit, dass Sie Ihr Kind zu guten Schulleistungen antreiben. Erziehung ist vielmehr eine Lebensweise – sie kann im Auto stattfinden, im Park, beim Einkaufen, am Mittagstisch oder an der Werkbank. An all diesen Orten können wir unseren Kindern Fähigkeiten weitergeben, die sie im Leben brauchen, und ihnen die Werte vermitteln, die für uns wichtig sind.

Unsere Aufgabe ist es auch, den geistigen und praktischen Horizont unserer Kinder zu erweitern, indem wir sie ermutigen, selbstständig zu denken und eigene Entdeckungen zu machen.

Hier kann das Fernsehen eine positive Rolle übernehmen. Seien wir realistisch: Ihr Kind wird fernsehen, wann immer es Gelegenheit dazu hat. So ist das eben. Gelegentlich kommt wohl ein Kind auf die Welt mit dem brennenden Wunsch, Geige zu spielen oder eine botanische Sammlung anzulegen. Doch selbst ein solches Exemplar entwickelt unter Umständen ein gieriges Verlangen nach allem, was ihm durch eine Kathodenstrahlröhre entgegenflimmert.

Nehmen Sie also den Inhalt der Sendungen zum Anlass für ein Gespräch. Die Möglichkeiten sind endlos:

  • “Warum – glaubst du, hat er so empfunden?”
  • “Wo – ist dieser Ort, an den sie gerade fahren?”
  • “Wie – würdest du dich fühlen, wenn dir das passiert wäre?”
  • “Wie – fühlen sie sich wohl jetzt?”
  • “Was – würdest du tun, wenn du an seiner Stelle wärst?”

Oder wie wär’s mit diesen Ideen:

  • Helfen Sie den Kindern bei den Hausaufgaben. Ihre Aufgabe ist es nicht, fertige Lösungen zu produzieren, sondern die Kinder anzuleiten, selbst Lösungen zu finden, ihnen zu zeigen, wie man lernt, statt einfach die Aufgaben “hinter sich zu bringen”.
  • Betrachten Sie sich selbst als ihren ersten Lehrer. Und genau das sind Sie ja auch. Von Ihnen haben die Kinder reden und laufen gelernt. Jetzt machen Sie einfach weiter so.
  • Ermutigen Sie die Kinder, ihr Bestes zu geben. Und messen Sie den Erfolg daran, wie sehr das Kind sich bemüht hat, nicht wie gut es im Vergleich zu anderen abgeschnitten hat.
  • Lesen Sie Ihren Kindern oft etwas vor. Von allen Versuchungen, denen Sie als Vater ausgesetzt sind, ist keine größer als die, sechs Seiten auf einmal umzublättern, wenn Sie einem Kleinkind etwas vorlesen. Widerstehen Sie diesem Drang – und Sie können allem widerstehen.
  • Sprechen Sie über aktuelle Nachrichten. Blamieren Sie Ihr Kind nicht mit Sätzen wie: “Was, das hast du nicht gewusst?” Versuchen Sie vielmehr, sein Interesse zu wecken: “Kannst du den Ort auf der Karte finden?” und: “Wo liegt hier wohl die Ursache dafür, dass das geschehen ist?”

Wenn Sie nur die Hälfte all dieser Dinge umsetzen, können Sie sicher sein, dass Sie Ihre Sache als Vater sehr gut machen.

Quelle

Peter Meadows: Als Vater wird man nicht geboren. Eine Starthilfe für Erstväter. Gießen: Brunnen Verlag 2003, S. 71-78

Erstellt am 17. April 2003, zuletzt geändert am 1. April 2010

Staatsinstitut für Frühpädagogik und Medienkompetenz
Logo: Staatsinstitut für Frühpädagogik und Medienkompetenz