Wie Großeltern bei Trennung und Scheidung helfen können

Hans Dusolt

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Großeltern kommt gerade bei einer Trennung der Eltern oft eine wichtige Rolle für das Kind zu. In einem sich verändernden elterlichen Familiensystem können sie ihm ein Stück vertrauter familiärer Welt erhalten. Zeit und ein offenes Ohr für die Bedürfnisse des Kindes können wesentlich zu dessen Stabilisierung beitragen. Das Wissen über die aktuellen Erkenntnisse der Scheidungsforschung sowie über die Möglichkeiten fachlicher Unterstützung geben Großeltern die Sicherheit, ihren Enkelkindern und den sich trennenden Eltern stützend zur Seite stehen zu können.

 

Nach den Eltern sind die Großeltern oft die wichtigsten erwachsenen Bezugspersonen eines Kindes innerhalb der Familie. Vor dem Hintergrund einer sich verändernden Beziehung zwischen den Eltern und einer auseinander fallenden Kernfamilie können sie dem Kind Sicherheit, Halt und Vertrauen in den Bestand gewachsener familiärer Strukturen geben. Das Wissen um psychologische und rechtliche Grundlagen sowie um die eigenen Möglichkeiten und Grenzen erleichtert es ihnen, mögliche Fehler zu vermeiden und ihr Enkelkind aktiv bei der Bewältigung der Trennung zu unterstützen Das Einverständnis möglichst beider Elternteile ist eine wichtige Voraussetzung für eine erfolgreiche Unterstützung des Kindes durch die Großeltern.
 

Die Rolle der Großeltern bei einer Trennung

Im Verlauf einer Trennung kommt den eigenen Eltern der Trennungspartner oft wieder eine verstärkte Bedeutung zu. Nicht selten werden sie zu Vertrauten, die in der Beziehungskrise trösten und beraten. Sie bieten das “sichere Nest” , das die eigene Familie nun nicht mehr bieten kann. Manchmal ziehen Elternteile nach einer Trennung vorübergehend auch wieder zu den eigenen Eltern zurück. Die Haltung der Großeltern kann so eine wesentliche Bedeutung für den weiteren Verlauf des Trennungsgeschehens bekommen.

Gegenüber den Eltern des Partners kommt oft Unsicherheit auf, ob mit der Beendigung der Paarbeziehung auch die Beziehung zu den Schwiegereltern vor dem Abbruch steht. Wenn die Beziehung zu diesen zuvor schon konfliktbelastet war, kommt es nicht selten zu einem vollständigen Bruch in der Beziehung.
 

Die Bedeutung der Großeltern für das Kind

Welche Bedeutung die Großeltern im Rahmen einer Trennung für das Kind haben, hängt stark von der Intensität der gewachsenen Beziehung zwischen Großeltern und Kind bis zum Zeitpunkt der elterlichen Trennung ab. In der Regel sind die Großeltern die Menschen, die das Kind nach den Eltern am längsten, am intensivsten und vor allem am beständigsten kennen. Darüber hinaus symbolisieren die Großeltern die Herkunft des Kindes über die Eltern hinaus; sie stellen damit meist (wenn es nicht auch noch lebende Ur-Großeltern gibt) die ältesten noch lebenden Repräsentanten der “Wurzeln” des Kindes in dieser Welt dar.

Wenn sich Eltern trennen, so bricht für das Kind die für es bis dahin einzig bekannte Form familiären Zusammenlebens zusammen. Es fühlt sich verlassen von dem Elternteil, mit dem es nun nicht mehr beständig zusammenlebt – auch dann, wenn es ihn weiterhin regelmäßig sieht. Nicht selten entwickeln Kinder Ängste, der weiterhin mit ihnen zusammenlebende Elternteil könnte sie ebenfalls verlassen.

Auch die Eltern verändern sich im Trennungskonflikt. Manche Eltern sind durch die Trennung so verwirrt und belastet, dass sie gar nicht mehr sehen können, was ihr Kind braucht. Allein erziehende Elternteile leben häufig unter wirtschaftlich größerem Druck, haben weniger Zeit für ihre Kinder und erwarten von diesen eine größere Unterstützung im Alltag. Spannungen zwischen den Eltern stellen eine hohe emotionale Belastung für das Kind dar. Wenn dann noch ein Umzug und ein Wechsel von Kindergarten/ Schule dazu kommen, dann erreicht das eine oder andere Kind schnell die Grenzen seiner psychischen Belastbarkeit.

Unbeeinträchtigte Kontakte zu den Großeltern beider Seiten bedeuten für das Kind Stabilität in einer sich verändernden familiären Welt. Sie lernen verstehen, dass sich zwar Vater und Mutter trennen, dass es aber auch vertraute familiäre Beziehungen gibt, die bestehen bleiben. Großeltern, die von der Trennung der Eltern nicht unmittelbar betroffen sind, können dem Kind ein Stück vertrauter familiärer Welt erhalten. Sie haben die Möglichkeit, sich für das Kind Zeit zu nehmen und zu verstehen versuchen, was das Kind von ihnen braucht. Kinder können so bei den Großeltern emotional “auftanken” – und sie können die Gewissheit bekommen, dass nicht sie es sind, die anders sind als früher, sondern dass es Mutter und Vater sind, die sich verändert haben.

Großeltern können so einen wesentlich Beitrag dazu leisten, dass das Kind die familiäre Krisenzeit der Trennung möglichst unbeschadet übersteht – sie können ihm ein Geländer auf einer ins Schwanken geratenen Brücke bieten, deren andere Seite für das Kind nicht sichtbar ist.

Großeltern brauchen Informationen!

Großeltern sind oft wenig vertraut mit aktuellen psychologischen Erkenntnissen und den rechtlichen Rahmenbedingungen hinsichtlich Trennung/ Scheidung sowie mit den Auswirkungen von Trennung/ Scheidung auf das Kind. Sie sind deshalb oft unsicher, wie sie ihr Enkelkind am besten unterstützen können.

Die wichtigsten psychologischen Informationen für Großeltern sind:

  • Kinder brauchen auch nach einer Trennung einen möglichst regelmäßigen Kontakt zu beiden Elternteilen.
  • Ein verändertes Verhalten des Kindes nach dem Besuch beim anderen Elternteil lässt nicht automatisch den Schluss zu, dass der andere Elternteil nicht verantwortungsvoll mit dem Kind umgeht. Oft brauchen Kinder einfach Zeit, um sich von der “Mama-Welt” auf die “Papa-Welt” umzustellen und umgekehrt.
  • Kinder kommen umso besser mit der neuen Situation zurecht, je weniger die Eltern ihre Konflikte vor ihnen austragen.
  • Für die Kinder spielt es keine Rolle, welcher der beiden Elternteile “Schuld” hat an der Trennung – in aller Regel liegen die Gründe für eine Trennung ohnehin bei beiden Elternteilen.
  • Kinder können nicht wirklich verstehen, warum sich Eltern trennen; deshalb macht es auch keinen Sinn, sie “aufklären” zu wollen. Wichtiger ist, dass sich das Kind in seiner Trauer verstanden und angenommen fühlt.
  • Eltern bleiben Eltern und Großeltern bleiben Großeltern – auch wenn sie sich nicht immer genau nach dem pädagogischen Lehrbuch verhalten. Es macht deshalb keinen Sinn, die Elternschaft oder Großelternschaft der “anderen Seite” in Frage stellen zu wollen. Es gibt – Gott sei Dank- nur wenige Fälle, in denen Kinder vor einzelnen Familienmitgliedern geschützt werden müssen.
  • Es gibt keine allgemein gültige Umgangsregelung. Stattdessen gibt es eine Vielzahl von möglichen Umgangsregelungen bis dahin, dass das Kind hälftig bei der Mutter und beim Vater lebt. Wichtig ist, dass die Eltern in der Form der Umgangsregelung übereinstimmen und dass das Kind bei der Gestaltung einbezogen wurde.
  • Kinder, deren Eltern sich getrennt haben, sind nicht zwangsweise ein Leben lang geschädigt. Wenn es den Eltern gelingt, einvernehmliche Lösungen zu finden, haben sie gute Chancen, die familiäre Krisensituation zu bewältigen und eine völlig unauffällige Entwicklung zu nehmen.

Die wichtigsten rechtlichen Informationen sind:

  • Sofern kein Elternteil einen Antrag auf Übertragung der alleinigen elterlichen Sorge stellt, behalten die Eltern auch nach einer Scheidung die gemeinsame elterliche Sorge – dies ist inzwischen der Regelfall.
  • Auch bei gemeinsamer elterlicher Sorge müssen in Alltagsangelegenheiten nicht alle Entscheidungen von den Eltern gemeinsam getroffen werden – es darf der Elternteil alleine bestimmen, bei dem sich das Kind aktuell befindet.
  • Das Kind hat ein Recht auf Umgang mit jedem Elternteil – es gibt aber keine gesetzlich vorgegebene konkrete Umgangsregelung. Die Eltern müssen sich einigen.
  • Großeltern haben ein Recht auf Umgang mit dem Kind – sofern dieser dem Wohle des Kindes dient.

Darüber hinaus legt der Gesetzgeber viel Gewicht auf Beratung und Vermittlung. Die von und mit den Eltern erarbeitete Regelung ist in aller Regel wertvoller als ein gerichtlicher Beschluss. Beratung, Vermittlung und Mediation werden von öffentlichen Beratungsstellen und freiberuflich tätigen Fachleuten angeboten. Übrigens – auch Großeltern können sich eigenständig an Erziehungsberatungsstellen wenden, wenn sie sich Sorgen um das Wohl ihres Enkelkindes machen!
 

Was Großeltern leisten können – und was nicht

Großeltern können ihrem Enkelkind die Stabilität bieten, die ihm Vater und Mutter in der Trennungskrise nicht oder nur eingeschränkt bieten können. Sie können sich für ihr Enkelkind Zeit nehmen; sie können versuchen, seine Gefühle zu verstehen, und ihm ein Stück Fortbestand des bisherigen Familienlebens anbieten.

Da die Großeltern in aller Regel nicht direkt in den Trennungskonflikt involviert sind, können sie ihrem Enkelkind vielleicht besser als die Eltern selbst mitteilen, dass es in Ordnung ist, wenn es auch weiterhin beide Elternteile lieb hat. Aus einer gewissen emotionalen Distanz heraus können Großeltern ihren Kindern gegenüber Ratgeber sein und sie darauf hinweisen, wenn sie das Gefühl haben, dass das Enkelkind zu kurz kommt. Auch wenn sie im Trennungskonflikt gefühlsmäßig Position für die Seite ihres Kindes beziehen, so können sie doch vielleicht einiges an einseitigen Schuldzuweisungen relativieren oder auch an den Anteil des eigenen Kindes an der Trennung erinnern. Großeltern können so einen emotionalen Puffer zwischen den Eltern bilden.

In manchen hoch konflikthaften Trennungen hat es sich sogar als sinnvoll erwiesen, dass die “Übergabe” des Kindes vom einen zum anderen Elternteil über die Großeltern geschieht. Dies ist allerdings nur möglich, wenn die Großeltern von beiden Elternteilen als “Übergabeinstanz” akzeptiert werden.

Großeltern können Eltern auf die Möglichkeiten fachlicher Beratung hinweisen, und – last, but not least – sie können sie in der Kinderbetreuung entlasten. Mütter und Väter in Trennungssituationen brauchen Zeit für sich selbst, um die mit der Trennung verbundenen Kränkungen emotional zu verarbeiten. Da tut es auch gut, einfach mal abends alleine ausgehen zu können und das Kind in sicheren Händen zu wissen…

Nicht ersparen können Großeltern dagegen dem Kind die Trauer um die auseinander gefallene Familie. Hier heißt die Maxime: verstehen, nicht schönreden. Großeltern tun ihrem Enkelkind auch keinen Gefallen, wenn sie meinen, sie müssten seine Belastungen kompensieren. Verwöhnendes und bemitleidendes Erziehungsverhalten baut dem Kind eine Scheinwelt auf und macht den Eltern ihre Aufgabe umso schwerer. Auch mit teuren oder häufigen Geschenken an das Kind sollten Großeltern vorsichtig umgehen – oft erhöht sich dadurch die Spannung zwischen den Eltern!

Wohlwollende altersentsprechende Forderungen von Seiten der Großeltern helfen dem Kind, in der Realität zu bleiben und sich nicht in eine heile Scheinwelt zu flüchten. Oft wirkt es entlastend auf Kinder, wenn man mit ihnen darüber spricht, dass auch die Eltern anderer Kinder aus dem Verwandten- oder Bekanntenkreis getrennt leben und wie die Trennung dort gehandhabt wird.

Großeltern können sowohl für ihr Enkelkind als auch für ihr eigenes Kind eine wichtige Entlastungsfunktion übernehmen. Sie können Betreuungs- und Erziehungsfunktionen übernehmen – dennoch sollte nie in Frage gestellt sein: Die primäre Verantwortung für das Enkelkind liegt weiterhin bei seinen Eltern und nicht bei den Großeltern! Wenn Großeltern meinen, die Verantwortung für ihr Enkelkind übernehmen zu müssen, so setzen sie sich zum einen selbst unter einen Druck, der ihrer Rolle als Großeltern nicht entspricht. Zum anderen entwerten sie damit gleichzeitig die Eltern gegenüber ihrem Kind.

Manche Großeltern bieten auch an, im Konflikt zwischen den Eltern ihres Enkelkindes vermitteln zu wollen. Diese Versuche sind oft zum Scheitern verurteilt, da die Großeltern selbst Teil des familiären Systems sind und damit leicht als parteiisch erlebt werden. Da ist es sinnvoller, an eine professionelle Beratung oder Mediation zu verweisen.

Auf die Eltern kommt es an

Ob Großeltern unterstützend tätig werden können, liegt zuerst in der Entscheidung der Eltern. Diese können den Kontakt des Kindes zu den Großeltern der “anderen Seite” in aller Seite umso besser zulassen, je mehr sie die Sicherheit haben, dass ihr Kind nicht gegen sie beeinflusst wird.

Vater und Mutter sollten deshalb darüber sprechen, wie es ihnen geht, wenn ihr Kind bei den Großeltern der jeweils “anderen Seite” ist. Bestehen Bedenken (z.B. wegen der Gefahr einseitiger Beeinflussung oder einer übermäßigen Verwöhnung des Kindes), so sollten diese auf jeden Fall ernst genommen werden. Im Idealfall sollte der Elternteil diese Bedenken dann den Schwiegereltern gegenüber direkt ansprechen. Alternativ können die Bedenken auch über den Partner an die Schwiegereltern vermittelt werden. Großeltern handeln im Sinne ihres Enkelkindes, wenn sie sensibel mit solchen Bedenken umgehen – je besser der Schwiegersohn/ die Schwiegertochter den Kontakt zulassen kann, desto unbelasteter kann das Enkelkind die Zeit bei den Großeltern verbringen!

Eine offene und ehrliche Kommunikation sowie das Ringen um faire und kindgerechte Lösungen zwischen Eltern und Großeltern können das Kind wesentlich entlasten. Wenn es Vater und Mutter gelingt, sich nicht in destruktiven Schlammschlachten gegenseitig “fertig zu machen” , dann ist eine gute Voraussetzung dafür geschaffen, dass dem Kind der unbelastete Zugang zu beiden Großelternpaaren erhalten bleibt.
 

Wenn ein drittes Großelternpaar hinzukommt…

Mit einer neuen Partnerschaft kommt meist auch ein weiteres Großelternpaar hinzu. Entsprechend dem “Stief-” Vater oder der “Stief-” Mutter könnte man dann auch von “Stief-” Großeltern sprechen.

Für Kinder kann das Hinzukommen eines weiteren Großelternpaares ein Gewinn sein. Voraussetzung ist allerdings, dass die Großeltern untereinander nicht in Konkurrenz treten. Weder sollten die “neuen” Großeltern meinen, nun die besseren Großeltern zu sein oder gar die “alten” Großeltern ersetzen zu wollen, noch sollten die leiblichen Großeltern versuchen, die “neuen” auszuschließen. Die gemeinsame Geschichte mit dem Enkelkind sowie die gemeinsamen Wurzeln kann ihnen ohnehin niemand nehmen.
 

Literatur

  • Dusolt, Hans (2004): Oma und Opa können helfen. Weinheim: Beltz-Verlag.

Autor

Hans Dusolt, Diplom-Psychologe, Familientherapeut, Mediator und Psychologischer Sachverständiger. Leiter der Caritas-Beratungsstelle für Eltern, Kinder, Jugendliche und Familien in München-Sendling

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Hans Dusolt
Caritas-Beratungsstelle
Hansastr. 136
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Tel.: 089/7104810

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Erstellt am 12. Oktober 2004, zuletzt geändert am 31. Oktober 2013

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