Hausaufgaben mit dem Kind: Worauf es für Eltern ankommt

Ostthüringer Zeitung vom 03.09.2015

Das Schuljahr beginnt, das Büffeln auch. Oftmals wollen Eltern helfen, doch das geht gründlich daneben. Wir zeigen Strategien auf für Eltern, die sinnvoll helfen wollen.

Den Kindern helfen, bei Hausaufgaben oder vor Klassenarbeiten? Was gut gemeint ist, kann schlecht gemacht sein. „Viele Studien zeigen, dass Lernhilfen von Eltern schaden können“, sagt Fabian Grolimund. Der Psychologe und Gründer der Schweizer Akademie für Lerncoaching erklärt mit Motivationspsychologe und Ratgeberautor Martin Krengel, worauf Eltern achten sollten.

Die Atmosphäre

Dass gemeinsames Lernen in Familien häufig ein Problem ist, weiß Fabian Grolimund aus dem Alltag. „Wenn ich in meinen Elternkursen frage, wer beim Lernen regelmäßig Konflikte mit den Kindern hat, gehen bei der Hälfte der Teilnehmer die Hände nach oben.“ Konflikte führten zu Widerstand und Ablehnung, Lernen werde negativ abgespeichert. Martin Krengel plädiert deshalb für ein neues Rollenverständnis: Eltern sollten sich weder als Antreiber noch als Kritiker sehen, sondern als Lernermöglicher. Es gehe um Motivation, Interesse und positive Aufmerksamkeit.

Konflikte lösen

Fabian Grolimund empfiehlt, Streit einzugrenzen. Eltern sollten sich das „Motzen“ ihrer Kinder zwar anhören, nach kurzer Zeit aber mit Worten wie „Jetzt wird es unproduktiv, ruf mich, wenn wir weitermachen können“ anhalten. Wer gegen Konflikte ankämpfe oder sich auf lange Diskussionen einlasse, sei verloren. Grolimund: „Es sollte die Regel gelten: Wir helfen dir gern, aber nur, wenn du Hilfe annimmst. Hausaufgaben sind es nicht wert, dass Beziehungen zwischen Eltern und Kindern kaputtgehen.“

Der richtige Ort

Der Schreibtisch im Kinderzimmer könne „ein Anker sein“, sagt Martin Krengel – „ein Ort, an dem Kinder es gewohnt sind, zu lernen“. Lernorte aber sollten nicht verordnet sein. „Es kann motivieren, wenn Kinder und Eltern gemeinsam in einem Raum sind.“ Während das Kind lerne, könnten Mutter oder Vater etwas anderes erledigen, dabei aber ansprechbar sein. Fabian Grolimund sagt: „Viele Kinder lernen lieber am Küchen- oder Wohnzimmertisch. Sie haben weniger Probleme mit den Aufgaben als mit dem Alleinsein.“ Aktive Kinder sollten sich beim Lernen bewegen dürfen.

Lernzeiten

Eltern sollten ihre Kinder beobachten und erkennen, was ihnen entspricht. „Einige Kinder erledigen die Hausaufgaben oder das Üben am besten gleich nach der Schule, andere benötigen eine längere Pause und sind dafür vor dem Abendessen wieder fit“, sagt Fabian Grolimund. Ein Eingreifen sei vor allem dann gefordert, wenn Kinder ständig trödelten oder ohne Struktur drauf los lernten.

Lerndauer

„Nach einem gesunden Maß sollte Schluss sein, alles andere bringt nichts mehr“, sagt Martin Krengel. Die Ansprüche der Eltern sollten dabei nicht zu hoch sein. Damit sich das Gelernte festige, seien regelmäßige Pausen wichtig, nach 20 bis 25 Minuten. Kinder sollten sich in den Pausen bewegen, aber keine weiteren Informationen aufnehmen. „Es ist schlecht, wenn Kinder mal eben bei Facebook vorbeischauen“, sagt Martin Krengel. Durch emotional besetzte Reize werde gerade zuvor Gelerntes überschrieben.

Stil und Methodik

Fabian Grolimund und Martin Krengel raten dazu, sich mehr für Inhalte als für Leistung zu interessieren und offene Fragen zu stellen. Was? Wie? Warum? Das bringe Schüler dazu, Lerninhalte zu strukturieren und mit eigenen Worten zu wiederholen. „Bei Problemen sollten Eltern Lösungswege gemeinsam anhand von Unterrichtsinhalten nachvollziehen, statt zusätzliche Erklärungen anzubieten“, rät Grolimund. Eigene Erklärungen führten zu Verwirrung und gefährdeten den Erfolg. Beide Experten plädieren grundsätzlich für Kreativität und Experimentierfreude: „Eltern sollten Stärken erkennen und nutzen“, sagt Martin Krengel. Sie könnten Gelerntes nachspielen, nachsprechen oder in Bildern aufmalen lassen. Das fördere die Lust am Lernen und die Lerntiefe. „Wer zehn Vokabeln in einem Bild darstellt, lernt Umgebungsinformationen, die im Gehirn vernetzt abgespeichert werden. Das kann helfen, Blackouts zu vermeiden.“

Wiederholen

Regelmäßige, auch kürzere Lernintervalle statt langes Pauken nur vor Klassenarbeiten. „Unbekannte Informationen, zu denen Schüler wenig Bezug haben, müssen bis zu sechs Mal wiederholt werden, bis sie ins Langzeitgedächtnis übertragen werden“, weiß Martin Krengel. Gut fürs Behalten seien straffe Wiederholungen 20 Minuten vor dem Schlafengehen. Fabian Grolimund rät Eltern dringend dazu, auch die Selbstständigkeit zu fördern. „Sie sollten Kindern auch dann Aufmerksamkeit, ein Lob oder Lächeln schenken, wenn sie Aufgaben allein erledigen.“

Autor: Kai Wiedermann

Quelle

Ostthüringer Zeitung vom 03.09.2015

Erstellt am 14. September 2015

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