Kostenlose Beratung am Eltern- und Jugendtelefon

Felicitas Römer
Roemer
 

Elterntelefon: Unbürokratische und schnelle Hilfe für Erziehende

Familien sind täglich vielen Belastungen ausgesetzt. Ob kleinkindliche Trotzanfälle, Geschwisterstreit oder provokative Abgrenzungsversuche von Teenies: Viele aus entwicklungspsychologischer Sicht durchaus notwendige Konflikte können das familiäre Gleichgewicht empfindlich stören. Auch wiederkehrende fruchtlose Debatten mit den Sprösslingen oder Schulprobleme lassen Eltern an ihren erzieherischen Fähigkeiten zweifeln.

Eine in nervenaufreibenden Zeiten hilfreiche Möglichkeit ist der Griff zum Telefon: Eine geschulte Beraterin erreicht man direkt und ohne Wartezeit beim bundesweit geschalteten Elterntelefon. Es richtet sich an alle Menschen, die mit Kindern leben, arbeiten oder in sonstiger Weise zu tun haben. Das Angebot ist anonym und kostenfrei; es fallen keine Telefongebühren an. Weder auf der Rechnung noch dem Einzelverbindungsnachweis ist ein Anruf beim Elterntelefon aufgeführt. Und es gilt das Prinzip der Vertraulichkeit: Inhalte eines Beratungsgesprächs werden nie nach außen getragen.

Unter dem Dachverband der Bundesarbeitsgemeinschaft Kinder- und Jugendtelefon e.V. organisieren verschiedene Träger das Elterntelefon in derzeit 43 Städten. Seit Schirmherrin Doris Schröder-Köpf 2001 den Startschuss für das Projekt gab, hat sich die Anzahl der Beratungsgespräche verdreifacht: rund 10.000 waren es im Jahr 2003. Meistens konsultieren Frauen die Eltern-Hotline, doch der prozentuale Anteil der hilfesuchenden Väter nimmt kontinuierlich zu.

Dass immer mehr Menschen das kostenlose Beratungsangebot annehmen, freut Birgit Kärgel, Sozialpädagogin und Leiterin des Hamburger Elterntelefons: „Wir empfinden es als Stärke, wenn jemand Kontakt mit uns aufnimmt. Wer Hilfe sucht, handelt verantwortungsbewusst und ist offen für neue Impulse und Sichtweisen.“

Eltern als Experten ihrer eigenen Lebenssituation

Ziel des Beratungsgesprächs ist eine erste Klärung des beschriebenen Anliegens. „Zuerst höre ich den Menschen einfach zu. Durch gezieltes Nachfragen versuche ich zu verstehen, worum es genau geht“, berichtet Silke Boehncke, die seit zwei Jahren als ehrenamtliche Beraterin beim Elterntelefon in Hamburg tätig ist. „Viele Anrufer sind zunächst unsicher, ob ihr Problem vielleicht banal sei. Wir nehmen jedes Anliegen ernst. Kein Thema kann banal sein, wenn es Menschen beschäftigt und belastet.“ So empfänden viele Ratsuchende schon Erleichterung, da sie sich mit ihren Sorgen ernstgenommen und verstanden fühlten.

Vorrangig soll die Beratung Erziehende in ihrer Kompetenz stärken. „Wir verstehen Eltern als die eigentlichen Experten“, sagt Birgit Kärgel, „denn sie kennen ihre Kinder und Lebensumstände am besten.“ So geben die Berater/innen keine pauschalen Ratschläge. Sie führen individuelle Gespräche, die sich an den Wünschen der Hilfesuchenden orientieren. Manche Anrufer benötigen Adressen von Institutionen, andere wollen sich aussprechen und wiederum andere möchten konkret an der Lösung eines Problems arbeiten.

„In einer schwierigen Situation ist es, als stünde man zu dicht vor einem Bild: Alles verschwimmt vor den Augen. Wir helfen den Menschen, ein bisschen Abstand zu nehmen und den Blick auf ihre Familie wieder zu schärfen“, beschreibt Birgit Kärgel den Beratungsvorgang. Dabei rückt auch das Positive wieder stärker ins Licht: Was läuft gut in unserer Familie, welche Stärken hat mein Kind, wie haben wir andere Krisen gemeistert? So entwickeln Ratsuchende im gemeinsamen Klärungsprozess selber Ideen, wie sie ihre Situation verändern könnten. „Die meisten Anrufer sind nach einem Gespräch erleichtert und dankbar, weil sie sich nicht mehr ohnmächtig fühlen“, resümiert Silke Boehncke.

Ehrenamtliche Telefonberatung: Chancen und Grenzen

Die Berater/innen werden für ihre ehrenamtliche Tätigkeit in Gesprächsführung ausgebildet und beschäftigen sich in vielen Unterrichtsstunden mit pädagogischen und entwicklungspsychologischen Themen. Dennoch sind sie keine Fachleute, sondern gleichberechtigte und sensibilisierte Ansprechpartner. „Ehrenamtliche bringen ein außergewöhnlich hohes Maß an Einsatzbereitschaft mit“, sagt Birgit Kärgel. Das müssen sie auch, denn regelmäßige Weiterbildungsseminare, Teamtreffen und begleitende Supervision stehen verpflichtend auf ihrem Programm.

Die telefonische Beratung unterscheidet sich von einem Gespräch unter vier Augen besonders dadurch, dass der Anrufende seine Anonymität wahren kann. So ist die Hemmschwelle für eine Kontaktaufnahme herabgesetzt. Ein weiterer potenzieller Vorteil der Telefonberatung ist die Konzentration auf die sprachlich vermittelte Information, da nonverbale Kommunikation (weitgehend) fehlt.

Allerdings sind die Möglichkeiten der ehrenamtlichen Telefonberatung begrenzt. „Wir machen keine Therapie“, erklärt Birgit Kärgel, „vielmehr geht es um eine Erst-Entlastung der Betroffenen.“ So vermitteln die Berater/innen bei komplexen Themen an spezialisierte Einrichtungen weiter, etwa an Erziehungs- oder Fachberatungsstellen und Therapiezentren. Insofern stellt das Elterntelefon eine wichtige Verbindung zwischen beratungsunerfahrenen Erziehenden und dem professionellen Hilfesystem dar.

Viele Anrufer zeigen sich nach einem aufschlussreichen Gespräch bereit, auch weiterführende Unterstützung in Anspruch zu nehmen. Mehr als die Hälfte aller 2003 geführten Beratungen waren mit einer solchen Weiterempfehlung an Experten verbunden. Ob die Anrufer diese Profi-Hilfe dann tatsächlich auch in Anspruch nehmen, erfahren die Beratenden allerdings in der Regel nicht.

Kinder- und Jugendtelefon: Die Nummer gegen Kummer

Mit rund 200.000 Beratungsgesprächen im Jahr 2003 und Teams in mittlerweile 95 Städten hat sich das Kinder- und Jugendtelefon bereits als erfolgreiches Projekt etabliert. Während das Elterntelefon noch in den Kinderschuhen steckt, feiert die „Nummer gegen Kummer“ im Jahr 2005 bereits ihr 25-jähriges Bestehen.

Die meisten Fragen der jungen Anrufer ranken sich um erste Liebe und Sexualität. Wie beim Elterntelefon erarbeiten ehrenamtlich Beratende gemeinsam mit den Jugendlichen individuelle Lösungswege für ihr jeweiliges Anliegen. „Die Berater und Beraterinnen müssen sich an das Niveau der Anrufenden anpassen. Mit einer Achtjährigen spricht man natürlich anders als mit einer 16-Jährigen“, erklärt Sozialwissenschaftler Rainer Schütz von „Nummer gegen Kummer e.V.“ „Kinder und Jugendliche haben insgesamt einen anderen Sprachstil als Erwachsene. Darauf werden die Berater/innen in ihrer Ausbildung vorbereitet.“ Um sich der jugendlichen Lebenswelt anzunähern, werfen die Mitarbeiter/innen des Kinder- und Jugendtelefons durchaus auch Blicke in „Bravo“, MTV & Co.

Elterntelefon und Kinder- und Jugendtelefon sind eigenständige Beratungsangebote, verfolgen aber gemeinsam das erklärte Ziel, „Kinder und Eltern in einem partnerschaftlichen und verständnisvollen Umgang miteinander zu unterstützen“.

Nützliche Informationen:

Elterntelefon: Tel.: 0800/1110550

Wer aus dem Festnetz anruft, wird in der Regel mit dem nächstgelegenen Standort verbunden. Das ist besonders sinnvoll, wenn jemand weiterführende Hilfeangebote in seiner Region benötigt. Wer das Handy benutzt, wird bundesweit weitergeleitet.
Männliche Berater sind rar, aber es gibt sie. Wer gerne mit einem Mann sprechen möchte, kann sich nach dessen Beratungszeiten erkundigen.
Bundesweite Beratungszeiten des Elterntelefons sind:
Montag bis Freitag: 9.00 – 11.00 Uhr
Dienstag und Donnerstag: 17.00 – 19.00 Uhr
Je nach Standort gibt es allerdings noch zusätzliche Beratungszeiten. Informationen hierzu finden Sie hier.

Nummer gegen Kummer (Kinder- und Jugendtelefon): Tel.: 0800/1110333

Auch hier gilt: Wer aus dem Festnetz anruft, wird mit dem nächstgelegenen Standort verbunden.
Bundesweite Beratungszeiten sind von Montag bis Samstag 14.00 – 20.00 Uhr
An manchen Standorten gibt es samstags von 15 bis 19 Uhr zusätzlich das Angebot „Jugendliche beraten Jugendliche“: Rufnummer 0800 111 0 333 nur aus dem Festnetz. Nähere Auskünfte hierzu finden Sie hier.

Kinder-Notruf-Telefon (kostenlos) 0800 – 15 16 001

Bundesweite Beratungszeiten sind von
Montag bis Freitag 13.30 bis 22.00 Uhr sowie
Sa – So von 17.30 bis 22.00 Uhr
Chat mit Beratern oder anderen Kindern: Unser Chat ist wochentags von 13.30 – 17.30 Uhr besetzt.
Interessierte können einen Newsletter bestellen.
Weitere Informationen auf der Website.

Autorin

Felicitas Römer hat Literaturwissenschaft und Soziologie studiert (M.A.) und arbeitet als freie Journalistin. Sie lebt mit Mann und vier Kindern in Hamburg.

Erstellt am 24. November 2004, zuletzt geändert am 16. Mai 2011
 

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