Elternkompetenzen stärken. Bausteine für Elternkurse

Dr. Erika Butzmann

Butzmann Foto

In diesem Beitrag wird das Konzept “Elternkompetenzen stärken” vorgestellt. Das Konzept umfasst die während der frühen Familienphase relevanten Themen: Der Übergang von der Partnerschaft zur Familie, die besonderen Erziehungsprobleme in den ersten sechs Jahren des Kinder und die flankierenden Themen, die die Entwicklung des Kindes massiv beeinflussen. Dazu gehört das elterliche Streitverhalten und der Einfluss der erlebten Erziehung in der Herkunftsfamilie auf das eigene Erziehungsverhalten. Kurs- und Seminarleiter in der Eltern- und Familienbildung erhalten damit vielfältige Anregungen sowohl zu den theoriebasierten Inhalten als auch zur didaktisch-methodischen Umsetzung.

Auf die ersten Jahre kommt es an! Das gilt insbesondere für das Aufwachsen in der Familie, wo die sichere Bindung an die Eltern gelingen muss, um die notwendigen Grundlagen für Bildung im umfassenden Sinne zu schaffen. Dabei ist ein an den Entwicklungsbedürfnissen der Kinder angepasstes Elternverhalten von großer Bedeutung.

Das Konzept „Elternkompetenzen stärken“ zeigt auf, wie es Eltern gelingen kann, den Familienalltag stressfreier zu gestalten und die Entwicklung der Kinder nachhaltig zu fördern.

In vier Bildungsmodulen sind alle für die frühe Familienphase relevanten Themen theoriebasiert, lösungsorientiert und methodisch so dargestellt, dass die Bedürfnisse und Erwartungen der Eltern konkret berücksichtigt werden können:

  • Das erste Modul befasst sich mit der unterschiedlichen Wahrnehmung des Familienalltags durch Frauen und Männer und dem darin enthaltenen Konfliktpotenzial sowie den Lösungsmöglichkeiten, die im geschlechtsspezifischen Ansatz stecken.
  • Das zweite Modul behandelt die konfliktauslösenden kindlichen Verhaltensweisen in den ersten sechs Jahren und die Möglichkeiten der Eltern, angemessen darauf zu reagieren. Das zu vermittelnde umfassende Wissen über die frühe Entwicklung des Kindes hilft den Eltern, ihre Kinder besser zu verstehen.
  • Mit dem dritten Modul werden das Streitverhalten der Eltern und die Auswirkungen auf die Entwicklung der Kinder thematisiert. Bei diesem für Eltern besonders schwierigen Thema steht der allgemeine geschlechtsspezifische Ansatz mit seinen konfliktlösenden Möglichkeiten im Mittelpunkt. Ein hilfreicher Plan für konstruktives Streitverhalten wird damit erstellt.
  • Angemessenes Elternverhalten ist weitgehend abhängig von der selbst erlebten Erziehung in der Herkunftsfamilie. Der Einfluss der erlebten Erziehung in der Herkunftsfamilie auf das eigene Erziehungsverhalten wird als notwendige Ergänzung zum zweiten Modul schließlich im letzten, vierten Modul behandelt. Die eingesetzte Methode lässt für die teilnehmenden Eltern offen, wie weit sie sich einbringen wollen.

Alle dargestellten Inhalte haben zum Ziel, die Kinder, den Partner/die Partnerin und sich selbst besser zu verstehen. Dann sind Veränderungen möglich.

Diese vier aufeinander aufbauenden Einheiten sind für die Gestaltung von Bildungsurlaubs-Seminaren geeignet, jedes einzelne Modul für Tagesveranstaltungen oder jeweils zwei Module für Wochenendveranstaltungen.

Die Inhalte des zweiten Moduls sind darüber hinaus für Kurzzeitkurse besonders aufbereitet.

Im Mittelpunkt stehen die häufigsten Erziehungsprobleme von Eltern. Sie sind ebenso wie in allen anderen Modulen unter Berücksichtigung der konkreten Bedürfnisse und Erwartungen der Eltern dargestellt.

Das nachfolgende Beispiel gibt einen kurzen Einblick in die inhaltliche Umsetzung. Es geht hier um eine die Eltern störende Verhaltensweise bei zweijährigen Kindern:

Eltern beklagen häufig, dass ihr zweijähriges Kind nicht mit anderen teilen will.

Während sich das Kind vor dem Selbsterkennen zwischen dem ersten und zweiten Lebensjahr alles „gedankenlos“ aneignet und schnell wieder liegen lässt, wenn etwas anderes interessantes auftaucht, beginnt es mit ca. zwei Jahren alles zu horten. Es sagt ständig „meins“ und weigert sich strikt, etwas abzugeben. Für Eltern ist es hilfreich zu wissen, dass der Zeitraum des ständigen Einverleibens aller Dinge sich über drei bis fünf Monate erstreckt, je nach Umgang der Bezugspersonen mit dem kindlichen Verhalten. Wird das Kind häufig gezwungen oder darauf trainiert, Dinge abzugeben, verlängert sich die Phase. Es ist anzuraten, während dieser Zeit nicht das Teilen mit anderen Kindern zu üben, insbesondere dann, wenn sich das Kind aufregt. Kindergruppen zeitweise zu meiden oder die Spielgruppe in solchen Fällen zu verlassen, hilft dem Kind bei der zügigen Bewältigung des Problems. Kinder, die während dieser Zeit in institutioneller Betreuung mit vielen Gleichaltrigen zusammen sind, zeigen das Verhalten dort weniger oder gar nicht, zu Hause jedoch umso stärker, weil es ein entwicklungsbedingtes Bedürfnis ist (s.u.). Gerade dann ist ein moderater Umgang der Eltern mit dem ständigen Einverleiben der Dinge wichtig. Deutliche Unterschiede im Verhalten der Kinder zu Hause und in der Kita finden sich in allen Bereichen. In fremden Situationen fühlen sich die Kinder unsicherer und verhalten sich den vorgegebenen Regeln entsprechend, um keinen Stress zu provozieren, der ihr Unsicherheitsgefühl erhöhen würde. Vor dem Selbsterkennen ist das bei kleinen Kindern ein unbewusster und ungesteuerter Prozess.

Erst nach der „Meins-Phase“ entwickelt sich das deutliche Interesse des Kindes an anderen. Es wird dann abgegeben, um das Spiel aufrecht zu erhalten. Das funktioniert meistens erst dann, wenn das Kind das Wort „deins“ regelmäßig benutzt, wenn es also die Bedeutung des Wortes erfasst hat. Das kann bis zum dritten Geburtstag dauern. Eltern sollten in dieser Zeit Gleichaltrige immer im Auge behalten, da sie diese Konflikte aus ihrer egozentrischen Weltsicht heraus kaum allein regeln können. Das Lieblingsspielzeug des Kindes muss dabei für die anderen tabu sein. Vom Einkaufen während dieser Zeit in Supermärkten oder in Spielzeugläden mit dem Kind ist (nach Möglichkeit) abzuraten; dieser Stress für Eltern und Kind ist vermeidbar.

Theoretischer Hintergrund für das Verhalten: Wenn das Kind mit ungefähr zwei Jahren sich selbst erkennt und „Ich“ zu sich selbst sagt, tritt fast gleichzeitig das Wort ‘meins’ auf! Das Kind will alles haben und glaubt fest daran, dass ihm alles gehört. Für sein psychisches Gleichgewicht muss es sich so verhalten: Denn wenn man sich bis dahin mit allen Personen und allen Dingen als eine Einheit in einer ‘ozeanischen Suppe’ befand, muss man jetzt alles festhalten, was erkenntnismäßig zu verschwinden droht. Das heißt, das Kind nimmt nun alles als getrennt von sich selbst wahr und versucht damit umzugehen, indem es zuerst einmal die Dinge und die Mutter festhält. Die ‘Meins-Phase’ und die erneute Inanspruchnahme der Mutter tritt ansteigend und dann abnehmend zwischen dem 20. und 28. Monat auf und ist zur Stabilisierung des kindlichen Selbstgefühls unvermeidbar.

(vgl. Butzmann, E: Elternkompetenzen stärken. Bausteine für Elternkurse. S. 30 u. 46, Reinhardt-Verlag, München 2011.)

In dieser Form beinhaltet das Handbuch „Elternkompetenzen stärken“ Erläuterungen für über dreißig kindliche Verhaltensweisen, die Eltern als störend empfinden. Der theoretische Hintergrund ist zusammenhängend voran gestellt. Alle Bereiche, die die besonderen Merkmale der frühen Entwicklung des Kindes abdecken, sind mit diesem zweiten Modul berücksichtigt. Über die Website des Verlages können folgende Handouts für die an den Kursen und Seminaren teilnehmenden Eltern heruntergeladen werden:

  • Das soziale Verstehen beim Kleinkind
  • Entwicklung der Selbstständigkeit
  • Entwicklung des Denkens beim Kleinkind
  • Entwicklung des Spiels
  • Entwicklungsbedingte Ängste
  • Kindliche Wut bei 1- bis 2jährigen
  • Kindliche Wut bei 2- bis 6jährigen
  • Entwicklung des Regelverstehens

Für die Bildungsarbeit mit bildungsungewohnten Eltern beinhaltet das Handbuch einen Extra- Baustein, mit dem die Inhalte des zweiten Moduls noch einmal vereinfacht dargestellt sind. Hier gibt es auch Anregungen über die Erreichbarkeit von Hochrisikofamilien und die notwendigen besonderen Rahmenbedingungen.

Des Weiteren sind die Inhalte aller Module des Konzepts auf die Bildungsarbeit mit Alleinerziehenden bezogen.

Darüber hinaus umfasst das Konzept die Erziehungsprobleme mit Kindern unter sechs Jahren für Erzieherinnen und Erzieher. Damit werden die unterschiedlichen Verhaltensweisen, die viele Kinder in Kita und zu Hause zeigen und die immer wieder zu Missstimmungen zwischen den Erziehenden führen, erläutert. Zusammen mit den Inhalten aller Module kann der Arbeitsalltag entlastet und Elternbildung in der Kita mit neuen Inhalten gefüllt werden – durch ein besseres Verständnis für sich selbst in der Rolle als Erzieherin und für die Eltern, mit denen Gespräche über die Entwicklung der Kinder zu führen sind. Dazu steht ein Leitfaden für schwierige Elterngespräche über die Website des Verlages zur Verfügung.


 

Butzmann Cover

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Weitere Informationen zu diesem Konzept erhalten Sie bei der Autorin.

Autorin

Dr. Erika Butzmann, verh., 2 Kinder, 4 Enkelkinder, Studium der Erziehungswissenschaften und der Psychologie, Promotion zur sozial-kognitiven Entwicklung im Kindesalter im Jahr 2000. Seit 25 Jahren tätig in der Elternbildung und –beratung und in der Weiterbildung für Erzieherinnen. Von 2002 bis 2008 Lehraufträge an der Universität Bremen.

Kontakt

E-Mail

Erstellt am 2. Juni 2015, zuletzt geändert am 2. Juni 2015

 

Staatsinstitut für Frühpädagogik und Medienkompetenz
Logo: Staatsinstitut für Frühpädagogik und Medienkompetenz