Ist es sinnvoll, dass Kinder im Haushalt mithelfen?
Beate Weymann
Eltern der westlichen Welt machen es den Kindern meistens sehr einfach und erledigen alles für sie. Sonst überall auf der Welt (von Nepal bis Nicaragua) ist es üblich, daß selbst kleine Kinder Aufgaben bekommen. Hierbei lernen sie, rechtzeitig Verantwortung zu übernehmen. Außerdem erhalten sie viel Zuwendung und gehen fröhlich und stolz ihren Aufgaben nach. Auf diese Art und Weise geht die Kindheit langsam in das Erwachsenenalter über.
Das Helfen der Kinder wird fest eingeplant
Es kann einige Mühe kosten, Kinder zum Mithelfen im Haushalt zu motivieren. Am ehesten gelingt dieses, wenn die Kinder das Gefühl haben, daß ihre Hilfe wirklich gebraucht und später anerkannt wird. Haben sie das Gefühl, daß man ihnen Aufgaben gibt, nur damit sie etwas lernen oder man selbst keine Lust dazu hat, wird man auf Widerstand beim Kind stoßen.
Die eigene Einstellung zur Hausarbeit ist hier entscheidend. Empfindet man selbst die Hausarbeit als lästig oder sogar eklig und beschwert sich darüber, so bleibt dieses nicht ohne Folgen für das Kind, es übernimmt diese Einstellung. Wir können dann nicht erwarten, daß es mit Eifer und guter Laune diese Aufgaben in Angriff nimmt. Es ist sehr vorteilhaft, wenn man den Kindern vorleben kann, wie man mit Geduld, Engagement und etwas Humor die alltägliche Hausarbeit verrichtet.
Der bekannte Physiker und Philosoph Fritjof Capra (Buch: The Turning point) behandelt die Diskrepanz zwischen dem Wert der Hausarbeit, der ihr gesellschaftlich zuerkannt wird und der unleugbaren Wesentlichkeit für unser tägliches Leben. Es ist nun mal so, daß in unserer Gesellschaft (den Industrieländern allgemein) eine Hierarchie bezüglich der verschiedenen Tätigkeiten besteht. Die Arbeiten der untersten Stufe sind fast immer “entropisch” , d.h. die Arbeit muß immer wieder getan werden, ist ohne bleibenden Erfolg: Das Essenkochen, das Saubermachen, landwirtschaftliche Arbeiten etc. Diese Tätigkeiten werden am schlechtesten bezahlt und erfahren wenig Wertschätzung. Nun soll man als Eltern (als Erzieher) den Kindern Tätigkeiten, die gesellschaftlich nicht anerkannt sind, schmackhaft machen… Allerdings geht es auch anders: Bei buddhistischen Mönchen gehört Kochen, Saubermachen und Gartenarbeit zur Meditation. Christliche Mönche und Nonnen haben seit jeher die Tätigkeiten der Landwirtschaft, der Krankenpflege u.ä. in ihren täglichen Lebensablauf fest eingebaut. In diesen Kulturen wird “entropischen” Tätigkeiten ein hoher spiritueller Wert zugemessen, da sie helfen, einem die natürlichen Zyklen von Wachsen und Verfallen näher zu bringen (Geburt und Tod).
Durch die Hausarbeit kann Kindern folgende Fähigkeiten nebenbei vermittelt werden:
- Kräfte angemessen einteilen (ich kann nicht an einem Tag mir zuviele Tätigkeiten zumuten!)
- Zeit einteilen (wenn ich montags zum Reiten gehe, bleibt nicht mehr genug Zeit zum Saubermachen meines Zimmers etc. Also muß ich mir einen anderen Tag dafür aussuchen)
- Tätigkeiten selbst lernen (Fenster putzen, Saugen, Blumenpflege, Tierpflege, Post- und Sparkassenbesuche, usw.)
- sich selbst zu überwinden (es zu tun, obwohl man keine Lust hat, es aber notwendig ist) = Pflichtgefühl zu entwickeln
Bezahlen sollte man die Kinder nicht für die Tätigkeiten im Haushalt, denn sie erhalten sonst falsche Botschaften:
- Gute Taten werden bezahlt! – Gute Taten werden vielfach nicht einmal anerkannt, geschweige denn bezahlt.
- Wenn ich nicht bezahlt werde, brauche ich nichts zu machen. – Vieles im Leben wird nicht belohnt mit Geld: Kinder erziehen etc. Hat es deswegen keinen Wert bzw. sollte man es deswegen nicht mehr tun?
- Die Arbeit ist umso wertvoller, je besser die Bezahlung ausfällt. – Die Bezahlung sagt nichts aus über den Wert der Arbeit an sich. Ein Boxer kann für einen einzigen Ringkampf mehr Geld erhalten, als fast alle ihr ganzes Berufsleben lang erwirtschaften können.
Art der Aufgaben
Ab 2 Jahren kann man den Kindern kleine Aufgaben übertragen (zu dieser Zeit sind sie auch bestrebt, zu helfen).Danach kann man Monat für Monat neue Verpflichtungen hinzufügen. Aufgaben, die ständig wiederkehren und einfach zu erledigen sind, eignen sich hervorragend. Mit 4 Jahren z.B. kann es den Tisch decken und das eigene Geschirr zum Abwaschbecken bringen.
Man sollte die Kinder an ihre Pflichten erinnern, das Erledigen kontrollieren, später es aber erwarten ohne darauf extra hinzuweisen. Loben und Stolz ist dann angebracht. Echtes Selbstwertgefühl kann nur entstehen, wenn sie etwas zur Gemeinschaft beitragen.
Wenn man den Kindern Aufgaben zuweist, sollte man eine ausgewogene Mischung finden zwischen Arbeiten, die sie gerne und die sie nicht gerne verrichten. Die Aufgabenverteilung sollte regelmäßig geändert werden, so daß jeder mit jeder Aufgabe mal an der Reihe ist. Abwechslung ist also anzuraten. Schließlich wird es jedem irgendwann zu öde, immer nur den Mülleimer zu leeren etc. Ab und zu sollte ein höherer Schwierigkeitsgrad (Päckchen zur Post bringen, Sahne schlagen, usw.) vorhanden sein, denn bei Erledigen wächst das Selbstwertgefühl. Kompetenz sollte auf allen Gebieten des täglichen Lebens erstrebt werden: Reinigung, Wäschewaschen, Kochen, Blumenpflege, Tierpflege, Umgang mit Geld, etc.
Tipps, wie das Aufräumen z.B. lustiger und erfolgversprechender wird
Wenn man ein gutes Vorbild hinsichtlich Ordnung halten darstellt, ist dieses genug. Gehen die Eltern mit gutem, aber nicht überzogenem Beispiel voran, so ist es wahrscheinlich laut Meinung von Kinderpsychologen, daß die Kinder zu irgendeinem Zeitpunkt von alleine einen angemessenen Ordnungssinn entwickeln werden. Zu viele Regeln verderben den Kindern nur den Spaß. Das Kinderzimmer sollte grundsätzlich als Privatsphäre des Kindes respektiert werden, in dem es sich frei entfalten darf. Die Hygiene (keine Essensreste, regelmäßiges Saubermachen) sollte beachtet werden, ansonsten kann ein bißchen Chaos die Phantasie mehr anregen als ein aufgeräumtes Vorzeigezimmer. Kinder benötigen etwas Chaos, denn erst ab einem gewissen Ausmaß von ausgebreiteten Spielsachen entstehen neue Spielideen. In der Pubertät (ab 10, 12 Jahren) spiegelt der Zustand des eigenen Zimmers oft den Seelenzustand wider.
Grundsätzlich sollte einem Kind die Verzweiflung bezüglich des chaotischen Zimmers genommen werden. Je jünger das Kind ist, umso mehr fühlt es sich vom Aufräumen überfordert. Bei Kindern sollte man nicht erwarten, daß sie sofort anfangen aufzuräumen, wenn man sie dazu auffordert. Sie brauchen eine kleine Weile, um sich vom Spiel sozusagen zu lösen.
Gemeinsamens Auspacken / Aufräumen geht schneller und macht mehr Spaß. Das Aufräumen im Kinderzimmer etc. kann sogar Spaß machen, wenn man dabei Musik anstellt (Radio, CD, etc.). Aber auch was Kreatives macht gute Laune: Besenstiel als Mikrofonständer benutzen, Handfeger als Gitarre etc. Wenn man als Erwachsener mit zufaßt, bringt das Kind mehr Motivation auf. Verschiedene Spiele, die einerseits Spaß machen, andererseits Ordnung schaffen, sind zu empfehlen: jeder aus der Familie, der älter als 5 Jahre ist, darf mitmachen. Per Los wird entschieden, wer welches Zimmer erhält. Dann geht es darum, möglichst schnell einen Wäschekorb mit Dingen, die nicht an ihrem ordnungsgemäßen Platz liegen, zu füllen. Oder: Falls die erstere Möglichkeit nicht so gut klappt, etwas mehr Druck nötig ist: Eine Kiste als familieneigenes “Fundbüro” einrichten. Hier wird alles hineinbefördert, was störend irgendwo herumliegt (schmutzige Wäsche auf dem Fußboden, vergessene Socke im Wohnzimmer, Kinderspiel in der Küche, etc.). Einmal die Woche findet die “Versteigerung” statt: Wessen Teil ist dies oder jenes?
Spielzeug verstaut man am besten so, wie es im Kindergarten üblich ist: in großen Kisten! Eine Kiste (oder Schuhkarton) für Legos, eine für Holztiere, eine für Knete, usw. Wenn man auf die Kisten verschiedene bunte Bilder klebt, erleichtert das die Orientierung. Schuhkartons u.ä. eignen sich gut zum Aufbewahren von Kleinteilen. Stofftiere sehen hübsch in einem Weidenkorb aus. Regale sind in optimaler Höhe, wenn Kinder sie gut erreichen können. Schließlich sollen sie ja in die Lage versetzt werden, ihre Sachen selbst auf das Regal zu stellen. Sachen, die momentan jahreszeitlichbedingt gerade nicht gebraucht werden, können ruhig weiter weg gestellt werden. In diesem Zusammenhang: Dinge, denen das Kind “entwachsen” ist, sollten weggeräumt werden (Babyspielsachen, wenn es schon Kleinkind ist etc.). Zu viele Spielsachen bringen Unruhe ins Zimmer. Viel besser ist es, immer nur einen gewissen Teil dem Kind zur Verfügung zu stellen und ab und zu auszutauschen. So verfahren auch die Erzieher im Kindergarten mit Bilderbüchern z.B.
Literatur
- Biddulph, S.: Das Geheimnis glücklicher Kinder, Bertelsmann Club GmbH, Rheda- Wiedenbrück, 1994
- Coloroso, B.: Was Kinderseelen brauchen, Südwest-Verlag, GmbH & Co. KG, München, 1997
- Eltern: Die richtige Erziehung von A- Z, VEMAG, Köln
- Kursbuch Kinder, Bertelsmann Club GmbH, Gütersloh, 1993
Weitere Beiträge der Autorin hier in unserem Familienhandbuch
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- Chaos im Kinderzimmer
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Autorin
Beate Weymann, Diplom-Sozialpädagogin
Kontakt
Beate Weymann-Reichardt
Schulstr. 2
37586 Dassel
Erstellt am 17. Juli 2001, zuletzt geändert am 19. Februar 2010