Das Wochenbett
Astrid Giesen
Das Wochenbett kann für die werdenden Eltern und das neugeborene Baby eine ganz besondere Zeit werden. Dabei ist es wichtig, die eigenen familiären Bedürfnisse ernst zu nehmen. Hebammen unterstützen die frisch gebackenen Eltern in dieser Zeit und helfen, psychische und physische Veränderungen zu bewältigen.
Das Wochenbett beginnt mit der Geburt des Kindes. Die ersten 10 Tage bezeichnet man „Frühes Wochenbett“ und den Zeitraum danach bis zu sechs Wochen nach der Geburt „Spätes Wochenbett“.
Nicht nur körperliche Veränderungen werden bewältigt, auch das Erlebnis der Geburt muss verarbeitet werden. Die Familiendynamik verändert sich: Aus einem Paar wird eine Familie, Geschwister reihen sich in die Familie ein, aus einer Tochter wird eine Mutter und aus einem Sohn ein Vater. Es ist verständlich, dass diese großen Umwandlungsprozesse nicht immer reibungslos verlaufen.
Eine Schwangerschaft kommt neun Monate und geht neun Monate. So haben es die Alten gewusst. Heute, in unserer schnelllebigen Zeit, sollen alle wieder schnell in ihrem Alltag funktionieren. Überzogenen Anforderungen an sich selber oder an die Umgebung führen zu Gefühlen der Überforderung und Unzulänglichkeit und können diese erste Zeit des sich Kennen lernen stark belasten.
Einige Vorbereitungen können dazu betragen, dass das Wochenbett auch als eine besondere Zeit erlebt werden kann im Sinne von Hermann Hesse Vers: „Jedem Anfang wohnt ein Zauber inne“.
- Hebamme fürs Wochenbett suchen
- Netzwerk zur Unterstützung aufbauen
- Schutzraum schaffen
1. Hebamme fürs Wochenbett suchen
In Deutschland ist die Versorgung mit Hebammenleistungen im Wochenbett durch die gesetzliche Krankenkasse sehr umfangreich. In den ersten 10 Tagen werden von der Krankenkasse 20 Kontakte mit einer Hebamme bezahlt. Des Weiteren können 16 Hebammenleistungen bis zur vollendeten 8. Lebenswoche des Kindes abgerechnet werden. Nach Ablauf der acht Wochen können acht Beratungen bei Still- oder Ernährungsproblemen in Anspruch genommen werden. Hilfeleistungen von der Hebamme können zu Hause, in der Hebammenpraxis oder per Telefon, E-Mail oder Ähnliches erfolgen.
In den ersten Tagen des Wochenbettes sind die Aufgaben der Hebamme in erster Linie medizinischer Art. Sie überprüft die körperlichen Rückbildungsvorgänge, leitet zu Wochenbettgymnastik an, beurteilt die Wundheilung, überwacht das Gedeihen des Kindes und begleitet den Prozess der Milchbildung. Nach den ersten 10 Tagen sind diese Prozesse so weit abgeschlossen, dass sie nicht mehr täglich danach schauen muss. Nun verlagert sich der Schwerpunkt in der Betreuung vom Medizinischen zum Psychosozialen. Die Hebamme begleitet die Frauen bei den Veränderungen von Frau zur Mutter und die Familien vom Paar zur Familie. Dabei legt sie besonderen Wert auf eine Bindungsförderung zwischen Eltern und Kind, hat ein Auge auf dien seelischen Zustand der Mutter und unterstützt bei der Entwicklung einer Routine des neuen Alltags.
Es ist sinnvoll, schon in der Frühschwangerschaft eine Hebamme zu suchen, da es in manchen Regionen einen Hebammenmangel gibt. Außerdem ergibt sich daraus die Möglichkeit der Hebammenbegleitung schon in der Schwangerschaft
Familien, die durch gesundheitliche, medizinisch-soziale oder psychosoziale Belastungen besondere Unterstützung bedürfen, können über die Jugendhilfe eine Familienhebamme bekommen. Nach Ablauf der normalen Hebammenbetreuung kann eine dafür speziell ausgebildete Familienhebamme die Familie bis zu einem Jahr begleiten.
2. Netzwerk zur Unterstützung aufbauen
In unserer gesellschaftlichen Struktur der Kleinfamilie sind die Eltern heute weitgehend alleine und haben in dieser Zeit keine Unterstützung mehr durch ihre Familien. Die Mutter sollte sich jedoch in den ersten 10 Tagen ausschließlich um sich und das Neugeborene kümmern. Wenn irgendwie möglich plant der Vater in dieser Zeit Urlaub. Einige Väter nehmen heute auch Elternzeit in Anspruch. Sämtliche Hausarbeiten sollten von einer anderen Person übernommen werden.
Besonderes Augenmerk liegt hier auf die Ernährung. Die Versorgung der Wöchnerin mit guter Nahrung hat einen hohen Stellenwert. Auch den frisch gebackenen Vater kann, der für ihn oft ungewohnten Alltag, stressen. Auch er braucht Zeit, um seine neue Familie kennen zu lernen. Es wäre also gut, Heinzelmännchen im Hause zu haben. So ein Heinzelmännchen muss frühzeitig organisiert werden.
Nach den ersten 10 Tagen kann die gesunde Wöchnerin langsam den Alltag wieder aufnehmen. Sie muss jedoch von schweren Arbeiten noch bis zu acht Wochen befreit sein.
Auch für die Geschwisterkinder ist diese Zeit eine sehr besondere. Hier ist große Sensibilität angesagt, um keine Eifersucht zu schüren. In der Regel rücken die älteren Kinder ein wenig näher zum Vater. Auch Großeltern können hier ihren Platz haben.
3. Schutzraum
Um im Wochenbett viel Raum für das gegenseitige Kennen lernen zu haben, wird neben Heinzelmännchen auch noch ein Rückzugsraum benötigt. Es ist sinnvoll schon vor der Geburt mit Familie und Freunden zu besprechen, wie die Besuche geregelt werden sollen. Natürlich möchte jeder den neuen Erdenbürger begrüßen. Aber in dieser ersten Zeit, die häufig durch Unsicherheit geprägt ist, bringen Besucher nicht selten zusätzlichen Stress. Es ist völlig legitim, die ersten Wochen auf Tauchstation zu gehen. Der Impuls für Kontakte nach außen sollte von der neuen Familie ausgehen. In dieser Zeit ist Egoismus erlaubt.
Nach acht Wochen geht es dann langsam wieder in die Welt hinein. Das ist der Zeitpunkt für den Rückbildungsgymnastikkurs. Hier werden die Übungen, die unter Anleitung der Hebamme zu Hause gemacht wurden, nun in einem Kurs intensiviert. Diese Kurse werden zum Beispiel von Kliniken, Bildungswerken und Hebammenpraxen angeboten. Eine frühzeitige Anmeldung ist sinnvoll. Es gibt Kurse mit Babys oder mit der Möglichkeit, die Babys betreuen zu lassen. Vielen Frauen tut es aber auch sehr gut, nun mal eine Stunde wieder nur bei sich zu sein und auch die Väter genießen die Zweisamkeit mit dem Kind nach einer ersten Unsicherheit sehr.
Es gibt zudem ein großes Angebot für Eltern und Kinder wie Babymassage, Babyschwimmen oder Pekip. Hier haben die Eltern die Möglichkeit des Austausches über die neue Lebenssituation die die damit verbundenen Höhen und Tiefen. Dies ist oft sehr bereichend und entlastend. Außerdem bekommen die Eltern gute Anleitungen zum Babyhandling.
Literaturempfehlungen
Bloemeke, Viresha, J. (2011): Alles rund ums Wochenbett. Kösel
Deutscher Hebammenverband e.V. (Hrsg.) (2011): Entspannt erleben: Babys 1. Jahr. Thieme
Weiter Beiträge der Autorin hier in unserem Familienhandbuch
Autorin
Astrid Giesen
1. Vorsitzende des Bayerischen Hebammen Landesverband e.V.
Bahnhofstr.25
93047 Regensburg
Mitglied im Deutschen Hebammenverband
Erstellt und zuletzt geändert am 11. September 2013