Trennung vom Partner – wie sage ich das meinen Kindern?

Renate Niesel
Rniesel

Wenn Eltern sich trennen, sind ihre Kinder immer betroffen. In der für alle Beteiligten schwierigen Zeit brauchen sie das Gefühl, nicht ausgeschlossen zu sein und die Sicherheit, dass die Nähe zu Mutter und Vater bleibt. Gespräche darüber sind nicht immer einfach, aber das wichtigste Mittel, der Verunsicherung der Kinder entgegenzuwirken.

Warum Gespräche mit dem Kind so wichtig sind

Das Gespräch mit Ihrem Kind ist eine der wichtigsten Hilfen, die Sie ihm bei der Bewältigung all der Veränderungen, die mit einer Trennung des Elternpaares zusammenhängen, geben können. Sie wirken damit einem Gefühl entgegen, das vielen Scheidungskindern sehr zu schaffen macht: Das Gefühl, an den Rand geschoben zu sein, nicht ernst genommen zu werden und allen Entwicklungen hilflos ausgeliefert zu sein. Über die Gesprächsinhalte hinaus, bedeutet ein Gespräch auch: “Ich bin für dich da, du bist mir wichtig” .

Das gilt für Kinder aller Altersstufen. Eltern jüngerer Kinder glauben manchmal, dass diese keine Erklärungen bräuchten, weil sie die komplizierten Sachverhalte noch nicht verstehen könnten. In Untersuchungen hat sich aber gezeigt, dass junge Kinder, mit denen nicht über die Ereignisse gesprochen wurde, besonders irritiert und ängstlich waren.

Wann sollen wir mit den Kindern über die Trennung sprechen?

Ältere Kinder ahnen oft schon, dass eine Trennung kommen wird, bevor ihnen dies offiziell mitgeteilt wird, da sich das Familienklima spürbar verändert hat und Streit oder eisiges Schweigen an der Tagesordnung sind. Aber auch der umgekehrte Fall ist häufig. Für Erwachsene mag eine Trennung/Scheidung nur folgerichtig erscheinen, weil es so viele Konflikte gibt. Für Ihr Kind ist das aber vielleicht unvorstellbar, weil es nur seine Familie kennt und in seinem (jungen) Weltbild eine Trennung der Eltern und von den Eltern noch gar nicht vorkommt. In jedem Fall brauchen Kinder das Gespräch mit beiden Eltern.

Für einen optimalen Zeitpunkt gibt es keine Regel. Versuchen Sie, sich in Ihr Kind hinein zu versetzen. Auch wenn von Trennung noch nicht die Rede ist, kann es sein, dass das Kind die Botschaft braucht, dass seine Eltern gerade Probleme haben, dass sie sich aber um eine Lösung kümmern. Der Zeitpunkt für ein Gespräch ist spätestens dann gekommen, wenn die endgültige Entscheidung gefallen ist, und Sie eine Vorstellung davon haben, welche Veränderungen in der nächsten Zeit stattfinden werden und welche Regelungen (Wohnsitze, Betreuung des Kindes, Besuche, Anrufe etc.) zunächst einmal gelten sollen. Je konkreter die Informationen zum täglichen Leben sind, die Sie Ihren Kindern geben können, desto besser können sich diese darauf einstellen.

Bevor Sie mit Ihrem Kindern über Ihre Entscheidung sprechen, Ihre Ehe zu beenden, besprechen Sie mit Ihrem Partner, was Sie sagen werden und wie Sie es sagen werden.

Wie sollen wir es ihnen sagen?

Wenn möglich, tun Sie es gemeinsam. Die Vorteile sind: Ihre Kinder wissen so, dass es eine Entscheidung von Ihnen beiden ist, dass es eine Entscheidung ist, die auch für Sie eine sehr ernste ist, und Sie übermitteln die Botschaft, dass Sie sich beide um das Wohlergehen der Kinder sorgen und kümmern. Mit welchen Worten Sie das tun, hängt natürlich vom Alter des Kindes und der Situation ab.

Wenn die Kinder noch jung sind, beschränken Sie sich zunächst auf das Wichtigste – je nach Alter können Kinder unterschiedlich viele Informationen aufnehmen.

Allerdings darf bei dieser Gelegenheit auf keinen Fall ein Streit zwischen den Eltern ausbrechen, und es darf zu keinen gegenseitigen Beschuldigungen kommen.

Was sollen wir den Kindern sagen?

Es kommt nicht darauf an, dem Kind alle Zusammenhänge zu erläutern; die Kinder müssen nicht jedes Detail wissen. In erster Linie sollte es um das gehen, was für das Kind wichtig ist. Viele Kinder machen sich Sorgen, wie ihr Alltag in Zukunft aussehen wird, sie haben also ganz praktische Fragen. Sie müssen aber auch wissen, wie es dem Elternteil geht, der ausziehen wird, wo er wohnen wird, ob er ein Bett und etwas zu essen hat. Es kann für Ihr Kind entlastend sein, wenn Sie nicht nur über das sprechen, was sich verändern wird, sondern auch einige Dinge erwähnen, von denen Sie wissen, dass sie für das Kind wichtig sind und die sich nicht verändern werden (z.B. der Nachmittag bei den Großeltern, der regelmäßige Schwimmbadbesuch mit dem Elternteil, der auszieht, usw.).

Bei aller sachbezogenen Information, Kinder brauchen jetzt in erster Linie die glaubwürdige Botschaft, dass Sie zwar nicht mehr als Ehepaar zusammenleben können, dass sich aber weder Vater noch Mutter vom Kind trennen und dass Sie Eltern bleiben – auch wenn die Familie nicht mehr unter einem Dach wohnen wird.

Seien Sie aufrichtig: Ihren Worten müssen die passenden Taten folgen. Achten Sie darauf, dass Sie keine falschen Versprechungen machen. Für den Augenblick mögen kleine Lügen oder falsche Versprechungen eine Erleichterung bedeuten; die langfristige Folge könnte aber sein, dass das Kind Ihnen nicht mehr vertraut und stark verunsichert wird. Vielleicht haben Sie selber noch nicht für alle Fragen die Antworten, dann sagen Sie auch das Ihrem Kind, wenn es entsprechende Fragen stellt. Machen Sie in jedem Fall deutlich, dass die Verantwortung für das Finden von Lösungen bei Ihnen, den Erwachsenen, liegt, dass das Kind weder Schuld hat, noch irgendeine Verantwortung trägt.

Wie Kinder auf die Nachricht reagieren

Wie Kinder auf die Nachricht reagieren werden, hängt auch von ihrem Alter und ihrem Temperament ab. Sie müssen damit rechnen, mit der geballten Wut Ihres Kindes konfrontiert zu werden, oder, was vielleicht noch schwerer zu verkraften ist, mit ihrer Trauer und Verzweiflung. So schwer das im Augenblick auch sein mag: Das Kind muss seine Gefühle ausdrücken dürfen. Langfristig geht es häufig den Kindern schlechter, die zunächst scheinbar so gut mit allem fertig werden und keinerlei “Auffälligkeiten”, d.h. altersgemäße Reaktionen, zeigen. Bedenken Sie bitte, sogenannte Verhaltensauffälligkeiten können eine durchaus normale Reaktion auf eine für die Kinder unnormale Situation sein. Seien Sie aufmerksam und suchen Sie Hilfe bei entsprechenden Beratungsstellen, wenn Sie Rat brauchen oder sich überfordert fühlen.

Bedenken Sie, dass es auch für Kinder schwer ist, über Themen zu sprechen, die mit so starken Gefühlen verbunden sind. Es kann sein, dass Ihr Kind in seinem Innersten noch ganz auf Abwehr eingestellt ist und einfach noch nicht bereit ist, sich mit der neuen Situation auseinander zu setzen. Oder es fürchtet, von den schlimmen Gefühlen überwältigt zu werden, wenn es darüber spricht. Nicht zuletzt ist es auch eine Frage des Temperaments. Manchen Kindern liegt das Herz auf der Zunge, andere sind eher zurückhaltend, gerade wenn es darum geht, Gefühle auszudrücken.

Auch wenn Ihr Kind eher heftig oder aber mit Rückzug reagiert, halten Sie Ihr Gesprächsangebot in jedem Fall aufrecht, suchen Sie erneut das Gespräch, wenn eine gewisse Beruhigung eingetreten ist. Das erste Gespräch über die schwierige Situation, mit der alle Beteiligten fertig werden müssen, sollte lediglich die Eröffnung eines immer wieder fortzusetzenden Dialoges zwischen Eltern und Kindern sein.

Den Dialog fortführen

Sie (damit sind beide Eltern gemeint) werden feststellen, dass das einmalige grundsätzliche, klärende Gespräch nicht ausreicht. Kinder müssen sich immer wieder vergewissern können, dass sie alles mitbekommen und auch richtig verstanden haben. Das bedeutet für Sie, dass Sie das Gleiche wahrscheinlich mehrmals besprechen und erklären müssen. Bedenken Sie, wie tiefgreifend und schwierig die Dinge selbst für Erwachsene sind.

Es müssen nicht immer langatmige, tiefschürfende Gespräche sein. Einige kurze Sätze hin und her können das momentane Bedürfnis des Kindes befriedigen, so dass es sich wieder seinem Spiel oder seiner sonstigen Tätigkeit widmen kann. Auch diese kurzen Dialoge vermitteln dem Kind das Gefühl einer Atmosphäre der Gesprächsbereitschaft, die es ihm jederzeit gestattet, seine Fragen und Ängste auszudrücken.

Sie müssen nicht nur mit Ihrem Kind sprechen, sondern ihm auch zuhören. Kinder müssen Stellung nehmen können. Sie müssen sagen können, wie es ihnen geht, was ihnen gefällt und was sie nicht gut finden. Kinder machen in Bezug auf ihre eigenen Person und Situation oft gute Vorschläge und haben Ideen, auf die Erwachsene nicht so leicht kommen. Meistens lohnt es sich, zu prüfen, ob man ihre Ideen umsetzen kann. Manchmal sind es auch nur Kleinigkeiten, die sich Kinder anders wünschen, die für sie aber den Unterschied zwischen “okay” und “ich will aber nicht” ausmachen. So gewinnen Kinder das Gefühl, dem Geschehen nicht machtlos ausgeliefert zu sein, sondern ein Stück auch Kontrolle über die Entwicklungen zu haben, die es selber betreffen.

Wenn Sie für Gespräche offen sind, werden Sie auch die Fragen und Ängste Ihres Kindes verstehen: Ist es meine Schuld? – Wirst Du mich auch verlassen? – Liebt Ihr mich noch? Wenn Sie wissen, was Ihr Kind bewegt, können Sie darüber nachdenken, wie Sie seinen Ängsten entgegenwirken können, so dass neue Sicherheit entsteht.

Wenn Sie mehrere Kinder haben, deren Alter etwas weiter auseinander liegt, werden Sie feststellen, dass die Kinder ganz unterschiedlich mit der Thematik umgehen: Sie stellen andere Fragen, äußern andere Sorgen und Wünsche, drücken ihren Kummer und ihre Wut anders aus. Das hängt z.B. damit zusammen, wie weit ihre Fähigkeiten entwickelt sind, Beziehungen zwischen anderen Menschen sowie zwischen sich selbst und anderen Menschen zu verstehen. Oder inwieweit sie in der Lage sind, Konsequenzen einzuschätzen, die sich aus bestimmten Ereignissen ergeben können.

Ähnlich ist es, wenn ein Kind älter wird und der Entwicklungsforschritt ihm nun ermöglicht, die Dinge anders zu sehen. Dann taucht wieder das Bedürfnis auf, über die nun vielleicht schon “alten Geschichten” zu sprechen. Aber dann stehen andere Aspekte im Vordergrund, Fragen, die früher nie zur Diskussion standen, sind auf einmal wichtig. Auf diese Weise gewinnt Ihr Kind ein zunehmend reiferes Verständnis von der Scheidung.

Noch ein wichtiger Hinweis

In den Gesprächen mit Kindern sind die (wichtigsten) Erwachsenen, um die es darin geht, Vater, Mutter, Eltern. Es geht nicht um die Ehefrau, den Ehemann, den oder die “Ex”. Seien Sie sorgfältig bei Ihrer Wortwahl und setzen Sie den Anderen im Gespräch mit dem Kind nicht herab. Ihre Paar-Konflikte haben in den Gesprächen mit den Kindern nichts zu suchen. Wenn diese in die Eltern-Kind-Gespräche drängen, besteht die Gefahr, dass Sie Ihr Kind als Ersatz für einen anderen erwachsenen Gesprächspartner benutzen. Schütten Sie nicht dem Kind Ihr Herz aus, bringen Sie es nicht in die Rolle des Trösters. Ein Kind, das sich in der Rolle des Verbündeten von Vater oder Mutter sieht, muss seinen eigenen Kummer unterdrücken, um die Erwachsenen nicht noch mehr zu belasten.

Literatur

Die kostenlose Broschüre „Eltern bleiben Eltern. Hilfen für Kinder bei Trennung Scheidung“ können Sie bestellen bei „Deutsche Arbeitsgemeinschaft für Jugend- und Eheberatung e.V. (DAJEB) oder hier.

Ein Werk, das alle Aspekte des Scheidungsgeschehens behandelt und sich an Fachleute und Eltern richtet: „Die Familie nach der Familie. Wissen und Hilfen bei Elterntrennung und neuen Beziehungen“. Hrsg.: Helmut Mader Stiftung. Mit Beiträgen von W.E. Fthenakis, W. Griebel. R. Niesel, R. Oberndorfer und W. Walbiner. München. Verlag C.H. Beck, 2008

Weitere Beiträge der Autorin hier in unserem Familienhandbuch

Autorin

Renate Niesel, Diplom-Psychologin,
ehemalige wissenschaftliche Mitarbeiterin
am Staatsinstitut für Frühpädagogik in München
Winzererstr. 9
80797 München

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Erstellt am 16. August 2001, zuletzt geändert am 2. Juni 2015

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