Mein Kind ist (zu) dünn – Suppenkasper zum Essen motivieren

Dr. oec. troph. Eva-Maria Schröder
Emschroeder

Viele Eltern machen sich Sorgen, weil ihr Kind (vermeintlich?) nicht genug isst und ihnen zu dünn erscheint. Diese Sorge kann durchaus berechtigt sein, denn laut Ernährungsbericht 2000 sind 8% aller Mädchen und Jungen im Alter von 6 – 17 Jahren untergewichtig. Das heißt, sie liegen mehr als 15% unter ihrem (alters- und größenabhängigen) Referenzgewicht. Allerdings ist die elterliche Sorge auch oft unbegründet, denn im Laufe der Kindheit sind “dünne Phasen” durchaus normal. Dieser Beitrag möchte deshalb Hinweise zur richtigen Einschätzung der Situation geben und helfen, tatsächliche “Suppenkasper” aufzupäppeln. Auf krankhaftes Untergewicht (Magersucht) und Essstörungen (z.B. Bulimie) wird dabei jedoch nicht eingegangen.

Kinder essen nicht immer gleich viel

Kinder, auch gleichen Alters, essen nicht immer gleich viel. Außerdem wechselt die individuelle Verzehrsmenge oft von Tag zu Tag. Plakative Beschreibungen des Essverhaltens reichen von “frisst wie ein Scheunendrescher” bis zum “Suppenkasper” . Ein solches Essverhalten kann also völlig normal sein und muss (allein) noch kein Anlass zur Besorgnis sein.

Dennoch haben viele Kinder, bezogen auf Alter und vor allem ihre Körpergröße, ein “falsches” Körpergewicht – zu hoch oder zu niedrig. Das muss man natürlich im Auge behalten. Die Bewertung, ob ein Kind über- oder untergewichtig ist, “gut” oder “schlecht” isst, darf jedoch nicht als “Momentaufnahme” erfolgen, da Kinder im Laufe ihrer Entwicklung verschiedene Phasen durchlaufen. Die Proportionen des Körpers verändern sich deutlich vom Baby bis zum Jugendlichen. Mal dominiert das Längenwachstum, mal das Breitenwachstum, und dann wieder steht die geistige Entwicklung im Vordergrund. Es ist deshalb wichtig, das “Individuum Kind” immer im Zusammenhang mit seiner Entwicklung über einen längeren Zeitraum zu betrachten und Gewichts- und Größenverlauf zu dokumentieren.

So haben wir beispielsweise die erste Wachstumsphase von der Geburt bis zum Ende des 2. Lebensjahres, der die erste Streckung etwa zwischen dem 4. und 7. Lebensjahr folgt. Hier ist das Längenwachstum stärker als die Gewichtszunahme; das Erscheinungsbild der Kinder wirkt dünner und schlanker (Babyspeck verschwindet). Auch etwa um das 10. Lebensjahr herum können wir einen Wachstumsschub verzeichnen, bei dem die Gewichtszunahme geringer als das Größenwachstum ist. Dies hat zur Folge, dass

  • vorher normalgewichtige Kinder mager(er) wirken und
  • vorher übergewichtige Kinder schlanker werden (therapeutisch nutzen!).

Körpergewicht und Entwicklung

Wenn ein Kind jedoch auffällt, weil es über längere Zeit deutlich dicker oder dünner als seine Altersgenossen ist, muss zuerst vom Kinderarzt (und gegebenenfalls vom Psychologen) die Abklärung möglicher Ursachen, einer behandlungsbedürftigen Krankheit etwa, erfolgen. Daran angepasst kann man dann versuchen, über eine Umstellung des Ernährungs- und Bewegungsverhalten das Gewicht zu normalisieren, es auf längere Sicht gesehen also in eine dem Alter und der Entwicklung angepassten Größenordnung zu “verschieben” . Das bedeutet aber weder striktes Hungern noch Mast.

Das “normale” Gewicht

Bevor wir bei Kindern von Über- oder Untergewicht sprechen, müssen wir zuerst klären, welches Gewicht eigentlich “normal” ist. Ein Normalgewicht lässt sich bei Kindern wegen der unterschiedlichen Wachstumsphasen nämlich nicht so leicht angeben wie beim Erwachsenen. Zur Erleichterung der Beurteilung bieten sich verschiedene Möglichkeiten an.

Da ist zunächst der (allerdings eher oberflächliche) Augenschein, am besten unbekleidet oder in Badekleidung: Ist das Kind deutlich magerer als vergleichbare Kinder und treten die Knochen deutlich hervor, sollte man die weitere Entwicklung unbedingt beobachten. Kommen Appetitlosigkeit, Antriebslosigkeit, Leistungsschwäche, übermäßige Krankheitsanfälligkeit und ständige Müdigkeit hinzu, muss (spätestens jetzt) der Kinderarzt konsultiert werden.

Wesentlich besser kann man (der Arzt) den jeweiligen Entwicklungszustand allerdings mit Hilfe von Formeln (Body Mass Index – BMI), Tabellen und Schaubildern (Somatogrammen) bestimmen. Sie geben konkrete Anhaltspunkte dafür, ob das Gewicht des Kindes im Normalbereich liegt. Dabei sollten schmale, zierliche Kinder im unteren Bereich liegen, kräftig gebaute, stabile Kinder können an der oberen Grenze liegen.

Somatogramme – Wachstums- und Gewichtskurven

Neben komplizierten Formeln geben unter anderem so genannte Wachstums- und Gewichtskurven (Somatogramme) Auskunft über den Entwicklungszustand des Kindes, die möglichst von der Geburt an über die folgenden Entwicklungsjahre seitens des Kinderarztes geführt werden sollten. Mit einem gewissen Toleranzbereich kann man ihnen entnehmen, welcher Gewichtsbereich in Abhängigkeit von Körperlänge und Alter akzeptabel ist. Weichen die individuellen Werte eines Kindes über längere Zeit deutlich nach oben oder unten von diesem Schema ab, liegt ein behandlungsbedürftiges Über- oder Untergewicht vor.

Zur Beurteilung der tatsächlichen Situation ist nämlich diese längerfristige Beobachtung nützlicher (Gewichts-/ Größenentwicklung) als eine “Momentaufnahme” (Augenschein), die durch Wachstumsphasen verfälscht sein kann.

Beispiel: Schematische Darstellung eines Somatogramms
Ernaehrung Wachstumskurven

Tabellen

Eine weitere Möglichkeit zur Orientierung bieten Tabellen, die dem Kinderarzt vorliegen. Das “Soll” -Gewicht ist jeweils bei der entsprechenden Körpergröße abzulesen. Alter und Geschlecht haben bis zur Pubertät einen geringen Einfluss. Die tolerierbare Schwankungsbreite nach oben oder unten (+/-) ist ebenfalls abzulesen. Fällt das Kind deutlich “aus diesem Rahmen” , sind therapeutische Maßnahmen unumgänglich. 

Körpergröße und Körpergewicht im Verlauf der Kindheit
nach Daten des Forschungsinstituts für Kinderernährung, Dortmund (1980)

 Mädchen

Alter in Jahren
(abgeschlossenes Lebensjahr)

 Jungen

Körpergröße in cm

Körpergewicht in kg

Körpergröße in cm

Körpergewicht in kg

75 +/- 6

9,3 +/- 1,6

1

77 +/- 6

10,3 +/- 2,0

87 +/- 7

12,2 +/- 2,0

 2

89 +/- 6

12,8 +/- 2,0

96 +/- 9

14,5 +/- 2,0

 3

97 +/- 7

14,9 +/- 2,5

103 +/- 9

16,6 +/- 3,0

 4

104 +/- 8

16,8 +/- 2,5

111 +/- 9

19,0 +/- 3,0

 5

111 +/- 8

19,1 +/- 3,0

117 +/- 9

21,0 +/- 5,0/4,5

6

117 +/- 9

21,2 +/- 4,0

122 +/- 9

23,3 +/- 6,0/5,5

7

124 +/- 10

24,0 +/- 4,5

129 +/- 9

26,8 +/- 6,5/5,5

8

130 +/- 10

26,9 +/- 6,0/5,5

135 +/- 10

29,8 +/- 8,5/6,0

9

135 +/- 11

29,6 +/- 8,0/6,5

142 +/- 11

34,5 +/- 9,0/7,5

10

141 +/- 12

33,5 +/- 9,0/7,0

148 +/- 12

38,8 +/- 10,5/7,5

 11

147 +/- 13

37,1 +/- 9,0/7,5

154 +/- 14

43,7 +/- 11,0/10,0

12

156 +/- 14

45,1 +/- 11,0/10,5

 158 +/- 13

46,3 +/- 13,0/12,0

13

161 +/- 16

50,5 +/- 12,0/11,0

165 +/- 11

54,3 +/- 12,0/10,0

14

176 +/- 14

59,3 +/- 11,0/10,0


Untergewicht – ein Problem?

Mäßiges Untergewicht birgt keine besonderen gesundheitlichen Risiken, wenn

  • es kurzzeitig nach Wachstumsschüben auftritt,
  • das Kind vielseitig isst und dabei gesund und munter ist.

Dennoch: Die weitere Entwicklung kritisch beobachten! Und Vorsicht, wenn die Freude am Essen verloren geht!

Ein mögliches schweres Problem stellt die krankhafte Magersucht (Anorexia nervosa), überwiegend bei jungen Mädchen oder Frauen, dar. Essensverweigerung – manchmal auch gekoppelt mit Fressanfällen und anschließendem Erbrechen (Bulimia nervosa)- wird zur Erhaltung eines schlanken oder superschlanken Erscheinungsbildes systematisch betrieben. Starke Gewichtsabnahmen bzw. deutliches Untergewicht in dieser Gruppe sollten daher ein Warnzeichen sein, dass eine frühzeitige Beratung durch den Arzt in jedem Fall nötig macht (vgl. Kapitel “Wenn Essen zum Problem wird”).

Was kann man tun? Praktische Ernährungs-Tipps bei (zu) niedrigem Körpergewicht

Um bei Kindern eine (moderate) Gewichtszunahme zu erreichen, muss man geschickt die Energiedichte der akzeptierten Nahrungsmenge erhöhen, am besten durch (versteckte) Anreicherungen mit energiereichen Zutaten. Über eine absolute Erhöhung der Nahrungsmenge allein ist meist wenig zu erreichen, weil die Kinder einfach nicht “mehr” essen wollen oder können. Große Portionen schrecken sie ab. Bewegung und Spiel in der Gruppe fördern hingegen den Appetit, der mittels vieler kleiner Snacks energiereich gestillt werden kann.

Ernährungs-Tipps bei Untergewicht (Aufbaukost)

Ziel: Energetische Anreicherung der Speisen:

  • kalorienreiches Obst wie Banane, Weintrauben, Kirschen statt Beeren oder Melone
  • Sahnejoghurt statt Magerjoghurt
  • Anreicherung der Speisen mit Pflanzenölen/ Sahne (Soßen, Suppen)
  • Ei als Legierung in Suppen
  • Käse zum Überbacken
  • Doppelrahmfrischkäse (süß und pikant)
  • Sahneeis statt Fruchteis
  • Trockenfrüchte, Nüsse – zwischendurch zum Knabbern und im Müsli
  • Getränke kalorienreich (Kakao, Fruchtsäfte pur) gestalten
  • Nussnougat-Creme, Erdnusscreme als Brotaufstrich
  • zum Naschen: Müsliriegel, Fruchtschnitten
  • viele kleine Mahlzeiten statt weniger großer
  • Abwechslungsreichtum steigert Appetit
  • Deko nicht vergessen: das Auge isst mit!

Aber: Kinder nicht “mästen” , da sonst ein Umschwung zu Übergewicht droht!

Der Suppenkasper – Problemesser motivieren

Manche Kinder können ihre Eltern durch ihr ständiges “das mag ich aber nicht” zur Verzweiflung treiben. Alle Versuche, eine gesunde Ernährung auf den Tisch zu bringen, scheitern bei diesen kleinen Verweigerern. Um den Krieg am Tisch zu vermeiden, aber dennoch eine vollwertige Ernährung zu gewährleisten, kann man ein paar Tricks anwenden, mit Hilfe derer die eigentlich abgelehnten Nahrungsmittel dann doch (ohne Zwang) in den kindlichen Magen gelangen können. Hier eine Auswahl in Stichworten:

Tipps gegen lustloses Herumstochern im Essen:

  • das Umfeld muss stimmen (Atmosphäre, Gesellschaft)
  • vorbildhaftes Verhalten der Eltern/Betreuer
  • Zuwendung
  • geregelte Tischzeiten
  • kein Naschen zwischen den Mahlzeiten
  • angemessene Portionsgrößen
  • nicht zum Essen zwingen, wenn das Kind eine Speise nicht mag
  • Phantasienamen vergeben (Popeye-Spinat, Prinzessinnen-Quark)
  • Mitbestimmung beim Speisezettel
  • öfter mal Lieblingsgerichte anbieten
  • Nachtisch: Obststückchen, Quarkspeisen
  • Speiseplan abwechslungsreich gestalten
  • Einbeziehen der Kinder in die Speisenzubereitung (Pizza selbst belegen etc.)
  • Speisen optisch ansprechend servieren (Auge isst mit)
  • Tischdekoration
  • Spieltrieb nutzen (Finger Food), Essen als Erlebnis gestalten

Beachten:

  • Kinder essen nicht immer gleich viel
  • Phasen großen und kleinen Appetits wechseln sich ab
  • Schwankungen in der Tagesmenge sind normal und zum Teil beträchtlich

Dennoch: mögliche krankheitsbedingte Ursachen für länger anhaltende Appetitlosigkeit unbedingt ärztlich abklären lassen!

Tipps: So hilft man Frühstücksmuffeln:
Mögliche Gründe für die Ablehnung des Frühstücks sind:

  • zu spätes Aufstehen
  • Familiensituation (Eltern frühstücken auch nicht)
  • Schulstress
  • Familienkonflikte

Was tun?

  • zeitiger wecken, damit auch der Appetit erwachen kann
  • zumindest ein warmes Getränk anbieten
  • Pausenbrot “aufstocken”
  • optimal: gemeinsames Familienfrühstück
  • Probleme in Ruhe besprechen

“Verweigerer” austricksen:

Manche Kinder lehnen bestimmte Nahrungsmittel oder Speisen aus zum Teil unerklärlichen Gründen ab. Oft ist das nur eine begrenzte Phase und nicht weiter bedenklich. Häufig werden allerdings leider die “gesunden” Nahrungsmittel abgelehnt, die das Kind eigentlich für seine gesunde Entwicklung benötigte. Mit ein paar Tricks lassen sie sich jedoch trotzdem in den Ernährungsplan einbauen.

Obst:

  • Obstsalate
  • Obsthäppchen zwischendurch
  • Milchmixgetränke mit passierten Früchten
  • Fruchtmüsli (evtl. Trockenobst)
  • Frisch gepresste Säfte
  • Kompott (notfalls)
  • kleine Früchte statt zu großer bzw. mundgerechte Stückchen (besonders bei kleinen Kindern)

Gemüse:

  • Möhren, Erbsen und Zuckermais sind beliebter als Kohl, Lauch und Hülsenfrüchte
  • Vorlieben wechseln häufig, deshalb immer wieder bei der Auswahl und Zubereitung variieren
  • Spinat kann, muss aber nicht gegessen werden (Anreiz: Vorbild Popeye)
  • Gemüse “verstecken” in Nudelsoßen, Aufläufen, pürierten Suppen, Kartoffelbrei
  • Rohkost wird oft lieber pur geknabbert als im angemachten Salat gegessen (Finger Food)

Milch (-produkte):

  • Trinkmilch als Kakao oder Fruchtshake,
  • Pudding und Kartoffelbrei
  • Käse zum Kochen verwenden
  • Quarkspeisen mit Früchten

Fleisch/Fisch:

  • Hackfleisch oft beliebter als ganze Fleischstücke
  • Geflügel (Finger Food) zum Knabbern
  • Fisch nur als Filet ohne Gräten

Wichtig ist ein vorbildhaftes Verhalten: Die Familienmitglieder/ Betreuer sollten mit gutem Beispiel vorangehen!

Fazit

Oft kann man Problemesser mit einfachen Tricks zum Verzehr der eigentlich unbeliebten Nahrungsmittel bringen, indem man sie zum Beispiel durch Kleinschneiden/ Passieren unter dem eigentlichen Gericht “versteckt” . Oder man reichert die Speisen heimlich (mit Käse, Sahne, Milch) an. Oft helfen auch eine interessante “Verpackung” (Omelette, grüner Kartoffelbrei mit pürierten Erbsen, Pizza mit Gesicht), eine appetitliche und kindgerechte Darreichung oder eine interessante Geschichte um das Gericht herum (z.B. Popeyes Vorliebe für den Spinat), den Kids eine gesunde Ernährung schmackhaft zu machen. Die Kinder zum Essen zu zwingen ist allerdings keine Lösung!

Weitere Beiträge der Autorin hier in unserem Familienhandbuch

Autorin

Dr.oec.troph. Eva-Maria Schröder (M.P.H. postgrad.) ist Ernährungs- und Gesundheitswissenschaftlerin, freie Journalistin und Leiterin des Ernährungs-Beratungs-Service in Tutzing.

Kontakt

Dr. oec.troph. Eva-Maria Schröder
Ernährungs-Beratungs-Service
Unteranger 1
D-82327 Tutzing

Tel: 08158/993263

Erstellt am 23. Juni 2003, zuletzt geändert am 30. März 2010