Neues Gutachten: Ausbau der Ganztagsbetreuung finanziert sich zum Teil selbst
Die Erwerbsquote insbesondere von Müttern steigt, wenn es mehr Ganztagsangebote für Grundschulkinder gibt. Dadurch kommt es auch zu höheren Steuer- und Sozialversicherungseinnahmen. Zu diesem Ergebnis kommt ein aktuelles Gutachten des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) im Auftrag des Bundesfamilienministeriums, das am 20. Januar 2020 in Berlin vorgestellt wurde.
Welche Auswirkungen hat der Ausbau der Ganztagsbetreuung für Grundschulkinder auf die Erwerbstätigkeit der Eltern und insbesondere der Mütter? Welche Mehreinnahmen bei Steuern und Sozialversicherungsbeiträgen sowie Einsparungen bei Sozialleistungen sind zu erwarten? Dieser Frage ist das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW Berlin) im Auftrag des Bundesministiums für Familie, Seniorien, Frauen und Jugend (BMFSFJ) in einem Gutachten nachgegangen. Bundesfamilienministerin Dr. Franziska Giffey und Prof. Dr. C. Katharina Spieß (Leiterin der Abteilung Bildung und Familie im DIW Berlin) haben die Ergebnisse am 20. Januar 2020 im Rahmen einer Pressekonferenz vorgestellt.
Volkswirtschaftlicher Nutzen durch Ausbau der Betreuungsangebote
Kernergebnis des Gutachtens ist: Die Erwerbstätigkeit und das Erwerbsvolumen von Müttern steigt, wenn es mehr Ganztagsangebote für Grundschulkinder gibt. Je nach durchgerechnetem Szenario steigt dem Gutachten zufolge die Erwerbsquote von Müttern um 2 bis 6 Prozentpunkte. Familien haben dadurch ein höheres Einkommen und sind seltener auf Sozialtransfers angewiesen. Und auch die öffentlichen Haushalte profitieren von höheren Steuer- und Sozialversicherungseinnahmen und müssen weniger für Sozialtransfers ausgeben. Die Mehreinnahmen liegen je nach Szenario zwischen einer und zwei Milliarden Euro pro Jahr.
Bundesfamilienministerin Giffey: „Für uns als Familienministerium geht es beim Rechtsanspruch auf Ganztagsbetreuung vor allem um die Chancengerechtigkeit für alle Kinder und eine bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Davon profitieren Kinder, Eltern und auch die Arbeitgeber. Was bisher aber kaum diskutiert wird: Die Ganztagsbetreuung hat auch einen volkswirtschaftlichen Nutzen – und der liegt unserem Gutachten zufolge bei bis zu 2 Milliarden Euro pro Jahr. Das ist also ein weiteres, gutes Argument, um intensiv am Ausbau der Ganztagsbetreuung zu arbeiten.“
Frau Prof. Dr. Spieß (DIW Berlin) erläutert: „Unser Gutachten zeigt, dass der Ausbau der Betreuungsangebote sich zu einem nicht unerheblichen Teil selbst finanziert. Der Ausbau ermöglicht Frauen, überhaupt erwerbstätig zu sein oder ihre Arbeitszeit aufstocken. Das kommt nicht nur den Familien zugute. Unter dem Strich verzeichnen Staat und Sozialversicherungen deutliche Mehreinnahmen. Das sorgt dafür, dass sich der Ausbau von Ganztagsangeboten zum Teil selbst finanziert - je nach Szenario und Kostenschätzung zu 30 bis 90 Prozent."
Weitere Ergebnisse des Gutachtens
Der Hauptfokus des DIW-Gutachtens liegt darauf, die fiskalischen Effekte des Ausbaus der Ganztagsbetreuung für Grundschulkinder abzuschätzen. Vergleicht man diese fiskalischen Mehreinnahmen mit den Gesamtkosten des Ausbaus, die in früheren Studien geschätzt wurden, ergibt sich ein „Selbstfinanzierungsanteil“ von 32 bis 72 Prozent. Setzt man die jährlichen Mehreinnahmen in Relation zu den jährlichen Betriebskosten der zusätzlich nachgefragten Ganztagsplätze, so ergibt sich ein Selbstfinanzierungsanteil je nach Szenario von etwa 40 bis 89 Prozent.
Das DIW-Gutachten: „Fiskalische Wirkungen eines weiteren Ausbaus ganztägiger Betreuungsangebote für Kinder im Grundschulalter“ (PDF, 644 KB) steht beim Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) zur Verfügung.
Umsetzung des Rechtsanspruchs bis 2025
Im Koalitionsvertrag der 19. Legislaturperiode wurde vereinbart, dass bis 2025 der Rechtsanspruch auf Ganztagsbetreuung für Kinder im Grundschulalter eingeführt werden soll. Dazu unterstützt der Bund die Länder mit Finanzhilfen in Höhe von zwei Milliarden Euro. Diese werden über ein Sondervermögen des Bundes zur Verfügung gestellt, dass das Bundeskabinett am 13. November 2019 auf den Weg gebracht hat. Die Regelungen zum Rechtsanspruch und für die Finanzhilfen an die Länder folgen noch in diesem Jahr.
Bund und Länder haben sich bereits in einer Arbeitsgruppe über den Umfang des Rechtsanspruchs verständigt: Der Rechtsanspruch soll eine Betreuung von 8 Stunden an 5 Tagen pro Woche für die Klassen 1 bis 4 regeln. Auch die Ferienbetreuung soll abgedeckt sein, höchstens 4 Wochen Schließzeiten sollen noch möglich sein.
Nach Berechnungen des Deutschen Jugendinstituts liegen die Kosten bei einer Betreuungsquote von 75% für die Investitionskosten zwischen 4,4 und 6,5 Milliarden Euro und bei den Betriebskosten pro Jahr zwischen 2,6 und 3,9 Milliarden Euro.
Weitere Informationen zum Rechtsanspruch auf Ganztagsbetreuung finden sich beim Bundesfamilienministeriums.