Bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf durch Homeoffice?

Homeoffice kann Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern helfen, Beruf und Familie unter einen Hut zu bringen, aber das ist kein Selbstläufer. Arbeitgeber und Vorgesetzte müssen die richtigen Voraussetzungen schaffen, zeigt eine neue Studie des Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Instituts (WSI) der Hans-Böckler-Stiftung.

Wer die Möglichkeit hat, einen Teil der Arbeit von zu Hause aus zu erledigen, ist zufriedener als Beschäftigte ohne Homeoffice. Auch die Vereinbarkeit von Familie und Beruf kann leichter fallen. Das hängt allerdings stark von den Rahmenbedingungen ab. So kommt es beispielsweise darauf an, wie ausgeprägt die Präsenzkultur im Unternehmen ist und wie die Beschäftigten ihr Verhältnis zum Vorgesetzten einschätzen. Eine wichtige Rolle spielt auch, ob Homeoffice vertraglich geregelt ist oder nicht. Außerdem sollten für alle Beschäftigten die gleichen Regeln gelten, nach denen Leistung bewertet wird. Das geht aus einer Studie von Dr. Yvonne Lott hervor. Die WSI-Forscherin stützt sich auf Befragungen des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung aus den Jahren 2014 und 2015 zu den Erfahrungen von Beschäftigten mit Homeoffice. Diese liefern die aktuellsten verfügbaren Daten, um detailliert zu untersuchen, von welchen Faktoren es abhängt, dass Beschäftigte Homeoffice wirklich als Entlastung bei der Vereinbarkeit empfinden.

Die Vorteile der Arbeit im Homeoffice liegen auf der Hand: Wer Kinder betreuen oder einen Angehörigen pflegen muss, der hat dafür mehr Zeit. Auch für Weiterbildung und Ehrenämter vergrößern sich die Spielräume. Der Studie zufolge geben 52 Prozent der Beschäftigten an, dass sich die Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben durch Homeoffice verbessert. Heimarbeit kann aber auch zusätzlichen Druck erzeugen. Vor allem, wenn sie im Unternehmen als nicht selbstverständlich gilt und nur in Ausnahmefällen gewährt wird. Dann können sich Beschäftigte im Homeoffice verpflichtet fühlen, höhere Leistungen zurückzugeben, über die vereinbarte Arbeitszeit hinaus zu arbeiten und auch außerhalb dieser Zeit erreichbar zu sein. Knapp 50 Prozent der Befragten sagen, dass die Grenze zwischen Arbeit und Freizeit verschwimmt.

Ob die positiven oder negativen Erfahrungen überwiegen, ist laut Lott in hohem Maße abhängig von den betrieblichen Voraussetzungen und der Unternehmenskultur. In Betrieben, die sich durch eine Reihe von Maßnahmen aktiv für die Vereinbarkeit von Familie und Beruf einsetzen, profitieren Beschäftigte stärker von der Heimarbeit. So beträgt die durchschnittliche Wahrscheinlichkeit, ausschließlich gute Erfahrungen mit Homeoffice zu machen, in Betrieben, die Aufstiegsmöglichkeiten für Teilzeitkräfte bieten, 49 Prozent. In Betrieben, die den Frauenanteil in Führungspositionen durch flexible Arbeitszeiten fördern, liegt die Wahrscheinlichkeit bei 42 Prozent. Ohne diese Maßnahmen sind es im Durchschnitt knapp 31 beziehungsweise 28 Prozent.

Vorgesetzte haben ebenfalls einen großen Einfluss darauf, wie Beschäftigte im Homeoffice die Vereinbarkeit zwischen Beruf und Privatleben erleben. Geben Arbeitnehmer an, dass sie ihr Vorgesetzter überhaupt nicht gerecht behandelt, beträgt die Wahrscheinlichkeit für eine ausschließlich gute Erfahrung mit Homeoffice im Durchschnitt knapp vier Prozent. Stimmen sie der Aussage voll und ganz zu, dass ihr direkter Vorgesetzter sie bei allen Aspekten der Arbeit gerecht behandelt, liegt die durchschnittliche Wahrscheinlichkeit für eine „gute Vereinbarkeitserfahrung“ hingegen bei knapp 53 Prozent.

Auch die Arbeitszeiten sind wichtig: Homeoffice innerhalb der normalen Arbeitszeit ist der Work-Life-Balance erwartungsgemäß deutlich zuträglicher als in der Freizeit. Und ganze Tage zu Hause zu arbeiten, ist förderlicher als stundenweise. Die Wahrscheinlichkeit für ausschließlich gute Erfahrungen beträgt 53 Prozent mit ganzen Tagen gegenüber 29 Prozent mit einzelnen Stunden im Homeoffice. „Beschäftigte, die nur stundenweise zu Hause arbeiten, nutzen Homeoffice wahrscheinlich eher um Arbeit nachzuholen oder vorzubereiten“, schreibt Lott. Bedenklich sei dabei, dass nur 15 Prozent der Beschäftigten ganze Tage zu Hause arbeiten und lediglich 22 Prozent innerhalb der normalen Arbeitszeit arbeiten.

Daneben spielt die Formalisierung eine Rolle: Ist Homeoffice vertraglich geregelt, machen 46 Prozent der Arbeitnehmer durchweg gute Erfahrungen, ohne vertragliche Regelung – etwa bei informellen Absprachen – sind es 32 Prozent. Allerdings arbeiten bisher nur 17 Prozent der Beschäftigten im Homeoffice auf Basis einer vertraglichen Regelung.

Die bisherige Forschung zeigt, dass Beschäftigte, die im Homeoffice arbeiten, einsatzbereiter und zufriedener mit ihrem Job sind“, lautet das Fazit der Wissenschaftlerin. Bereits die Möglichkeit, zu Hause arbeiten zu können, erhöhe Zufriedenheit und Produktivität, da durch das Angebot das Vertrauen zwischen Arbeitgeber und Beschäftigten gestärkt werde. Allerdings komme es stark auf die betrieblichen Rahmenbedingungen an.

Führungskräfte sollten für ein Arbeitsumfeld sorgen, das von Fairness geprägt ist. Sie sollten Beschäftigte, die ihre Arbeitszeiten an außerberufliche Bedarfe anpassen, als gleichwertige Mitarbeiter anerkennen. Was selbstverständlich klingt, ist in der Praxis nach wie vor oft ein Problem: Vorgesetzte beurteilten Beschäftigte im Homeoffice häufig nicht nach ihrer tatsächlich erbrachten Leistung. Wer zu Hause arbeitet, werde oft als „Minderleister“ stigmatisiert und müsse negative Bewertungen fürchten – häufig seien davon Frauen betroffen, schreibt Lott. Wichtig sei daher, dass für alle Beschäftigten innerhalb eines Betriebs – egal ob vor Ort oder im Homeoffice – allgemeingültige Kriterien gelten, nach denen die Arbeit beurteilt wird. Betriebsvereinbarungen und ein gesetzliches Recht auf Homeoffice könnten dabei helfen, die Akzeptanz zu steigern – und damit auch die Wahrscheinlichkeit, dass Beschäftigte eine bessere Work-Life-Balance erleben.

Weitere Informationen:

Yvonne Lott: Work-Life-Balance im Homeoffice: Was kann der Betrieb tun? (pdf), WSI-Report Nr. 24, Januar 2020.

Quelle

Hans-Böckler-Stiftung