SOS-Kinderdorf: Erholung in den Sommerferien statt Pauken
SOS-Kinderdorf e.V. warnte zum Beginn der Sommerferien-Saison davor, Schüler/-innen weiteren Leistungsdruck aufzubürden. Die Kinderhilfsorganisation macht sich dafür stark, den von den Pandemiemaßnahmen enorm betroffenen jungen Menschen ihr Recht auf Erholung, Spiel und Freizeit in den kommenden Sommerwochen uneingeschränkt zuzugestehen.
Junge Menschen haben eine sehr harte Zeit hinter sich. Home-Schooling, ausfallende Sport-und Freizeitangebote und vor allem stark eingeschränkte soziale Kontakte haben viele von ihnen sehr belastet. Sie brauchen jetzt kein Aufholprogramm, sondern müssen sich endlich nachhaltig erholen dürfen. Die Sommerferien sind allein ihre Zeit“, sagte Dr. Karen Silvester, Expertin für Kinderfragen bei SOS-Kinderdorf.
In den letzten Wochen waren vermehrt Forderungen nach Nachholen von verpasstem Unterrichtsstoff oder Nachhilfe in den Sommerferien zu vernehmen. Die Diplom-Pädagogin und systemische Familienberaterin hält dies allerdings für geradezu gefährlich:
„Nicht umsonst warnen Kinder- und Jugendärzt/-innen aktuell vor massiven seelischen Nachwirkungen und psychischen Problemen bei Kindern und Jugendlichen. Junge Menschen brauchen jetzt nicht noch mehr Stress und Druck.“
Auch Lea Stellmacher, Vorstandsvorsitzende des Kinder- und Jugendrates von SOS-Kinderdorf und Schülerin einer 11. Klasse verwehrt sich gegen solche bildungspolitischen Gedankenspiele:
„Ferien dienen zur Erholung und es ist dreist zu denken, Schüler/-innen könnten die Ferien nutzen, um den ganzen Stoff nachzulernen. Der Distanzunterricht war teilweise schon wirklich voller Aufgaben und Stoff. Es wurde sehr viel erwartet und die langen Bildschirmzeiten waren sehr anstrengend. Sich jetzt erneut in den Ferien vieles selber beizubringen werden viele Schüler/-innen einfach nicht schaffen, sondern erst recht daran zerbrechen.“
Kinder müssen jetzt die Herrschenden über ihre Zeit sein dürfen
Junge Menschen brauchen für eine gesunde Entwicklung dringend Phasen, in denen sie ihren ganz eigenen Rhythmus und eine eigene Struktur leben können. „Andernfalls riskieren wir bei vielen Kindern und Jugendlichen eine so genannte Pseudo-Erholung“, warnte Silvester. Ein wichtiger Grund für psychosomatische Erkrankungen sei es, dass die Stresskurve niemals komplett abflache und doch immer eine latente Erwartung nach Leistung spürbar sei.
„Langeweile ist in unserer Gesellschaft negativ konnotiert, aber Langeweile kann sehr fruchtbar sein – sie ist ein Treiber für die kindliche Entwicklung. Junge Menschen brauchen Auszeiten, um sich klar zu werden: Was will ich eigentlich? Wo stehe ich? Was ist mir wichtig? Wenn uns ihr Wohl am Herzen liegt, sollten wir ihnen diese Unbeschwertheit in den kommenden Wochen zugestehen“, erläuterte die Expertin.
UN-Kinderrechtskonvention verbrieft Recht auf Freizeit
Mit der Forderung nach einer nachhaltigen Erholung für junge Menschen beruft sich SOS-Kinderdorf auch auf die UN-Kinderrechtskonvention: In Artikel 31 der Konvention erkennen die Vertragsstaaten das Recht des Kindes auf Ruhe und Freizeit sowie auf Spiel und altersgemäße aktive Erholung an.
Die UN-Kinderrechtskonvention wurde am 20. November 1989 unterzeichnet, in Deutschland trat sie am 5. April 1992 in Kraft. Diskrepanzen zwischen der Zielsetzung der Konvention und ihrer Umsetzung in Deutschland werden seitdem von Kinderrechtsorganisationen immer wieder kritisiert. Kinderechte genießen in der Bundesrepublik bis heute keinen Verfassungsrang. Die jüngste Initiative zur Verankerung der Kinderrechte im Grundgesetz scheiterte erst vor wenigen Wochen.