Legasthenie: Verarbeitungsstörung von Seh- und Höreindrücken

Eine aktuelle internationale Studie, die im „Journal of Neuroscience“ veröffentlicht wurde, bestätigt die Annahme, dass Kinder mit Legasthenie visuelle Informationen langsamer aufnehmen als ihre Altersgenossen ohne diese Lese-Rechtschreibschwierigkeiten. Kinder mit Legasthenie haben zudem öfter Schwierigkeiten, Gehörtes richtig zu verarbeiten, d.h. Sprachlaute richtig zu erkennen und damit auch bei der Worterkennung sowie Rechtschreibung.

„Betroffene Kinder haben in der Folge dieser Störungen einen geringeren Wortschatz, erfassen Textinhalte nicht so leicht und schneiden dadurch auch in der Schule nicht so gut ab wie Kinder ohne diese Probleme. Eine Legasthenie kann nicht durch schlechtes Hören oder Sehen oder mangelnde Motivation oder Gelegenheit erklärt werden, jedoch sollte der Kinder- und Jugendarzt bei einem Verdacht eine Seh- oder Hörstörung ausschließen“, beschreibt Dr. Ulrich Fegeler, Kinder- und Jugendarzt sowie Mitglied des Expertengremiums des Berufsverbandes der Kinder- und Jugendärzte (BVKJ), einen Aspekt dieser häufig vorkommenden Lernstörung. Legasthenie tritt in manchen Familien gehäuft auf - 50% der Menschen, die einen Verwandten ersten Grades mit Legasthenie haben, sind selbst davon betroffen. Und 20% bis 40% der Kinder mit Aufmerksamkeitsdefizit/Hyperaktivität leiden zugleich an Legasthenie. Autistische Kinder haben ebenfalls ein erhöhtes Risiko für Legasthenie.
Insgesamt sind schätzungsweise 5-10% der Kinder von einer Lese-Rechtschreibstörung betroffen, Jungen etwas häufiger als Mädchen.

Lernstörung wird meist im Grundschulalter deutlich

Bei Vorschulkindern können Probleme beim Erkennen von Reimen, beim Wiederholen von Wörtern oder beim Nachahmen eines Buchstabenlautes Anzeichen für Legasthenie sein. Es gibt Untersuchungen, die in einigen Fällen auf die Entwicklung einer Legasthenie noch vor dem Schuleintritt hindeuten können. Bei den meisten Kindern fällt die Lernstörung jedoch erst im Grundschulalter auf. Kinder lassen beim Schreiben Buchstaben aus oder fügen überflüssige Buchstaben ein oder vertauschen sie. Solche Fehler treten auch bei Kindern ohne Lernstörung auf, aber bei Kindern ist Legasthenie häufen sich diese Fehler und treten längerfristig auf. Es bereitet Betroffenen große Mühe, einzelne Wörter nacheinander zu lesen und den Sinn des gelesenen Satzes zu verstehen.

Individuelle Förderung und Geduld

Legasthenie ist keine heilbare Krankheit, aber mit spezieller Förderung lassen sich die Fähigkeiten der Kinder verbessern. „Eltern können ihr Kind unterstützen, indem sie geduldig bleiben und das Selbstbewusstsein stärken. Je früher Legasthenie erkannt wird, desto einfacher ist es, das Kind zu behandeln und ihm zu einem an seine Bedürfnisse angepassten Lernansatz zu verhelfen. Der Kinder- und Jugendarzt kann Kinder und Eltern dabei unterstützen“, so Dr. Fegeler.

Die Seite LegaKids.net bietet beispielsweise kostenlose Lernspiele sowie Apps, wichtige Informationen und Tipps für Eltern sowie ein Postleitzahlen-Register für Praxen, in denen man Legasthenie testen und diagnostizieren lassen kann.

Größere Abstände zwischen Buchstaben erleichtern möglicherweise das Lesen

Eine kleinere britische Untersuchung kommt zu dem Schluss, dass Legastheniker einen Text mit einem größeren Zwischenraum zwischen den Buchstaben leichter lesen können. Kinder mit Legasthenie übersprangen weniger Wörter bei diesen Textstücken.

Quellen: Pediatrics, MedicalNewsToday, J Neurosci., HealthDay News/UPI, Bielefelder Institut für frühkindliche Entwicklung, Diagnostik und Intervention e.V.

Quelle

Berufsverband der Kinder- und Jugendärzte e.V. (BVKJ)