Familien mit niedrigem Einkommen haben aktuell höchste Inflationsrate: 8 Prozent

Familien mit niedrigem Einkommen tragen aktuell die höchste Inflationsbelastung, Singles mit hohem Einkommen die geringste – und die Differenz ist weiterhin erheblich: Gemessen an den für diese Haushaltstypen repräsentativen Warenkörben sind die Preise im April 2022 um 8,0 Prozent bzw. um 6,2 Prozent gestiegen, während der Wert über alle Haushalte hinweg bei 7,4 Prozent lag.

Auch für Alleinlebende mit niedrigen, höheren und mittleren Einkommen lagen die Raten mit 6,9 bis 7,2 Prozent im April etwas unterhalb der allgemeinen Preissteigerung. Dagegen sind auch Alleinerziehende und Familien mit zwei Kindern und jeweils mittleren Einkommen etwas überdurchschnittlich von der Teuerung belastet: Für diese Haushalte beträgt die Inflationsrate 7,6 bzw. 7,5 Prozent. Bei Familien mit höherem Einkommen verteuerte sich der haushaltsspezifische Warenkorb weniger stark – um 7,1 Prozent. Die haushaltsspezifische Inflationsrate für kinderlose Paare mit mittlerem Einkommen liegt aktuell bei 7,5 Prozent (siehe auch die Abbildung in der pdf-Version dieser PM und die Informationen zur Methode unten). Das ergibt der IMK Inflationsmonitor des Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK) der Hans-Böckler-Stiftung, der monatlich die spezifischen Teuerungsraten für neun repräsentative Haushaltstypen liefert.*

Die Entlastungspakete der Bundesregierung haben nach Analyse der Forschenden zwar durchaus eine soziale Komponente, aber längst nicht in jeder Konstellation: Sie dürften zwar erst einmal den absehbaren Effekt der starken Teuerung für „Erwerbstätigen-Haushalte mit niedrigen bis mittleren Einkommen und insbesondere Familien substanziell“ lindern, schreiben die Studienautoren Prof. Dr. Sebastian Dullien und Dr. Silke Tober. Sie veranschlagen beispielsweise für eine typische vierköpfige Familie mit zwei Erwerbstätigen und niedrigem Haushaltseinkommen für das Gesamtjahr 2022 eine Entlastung um 1006 Euro, während diese Familie durch die Preisexplosion von Januar bis April insgesamt 398 zusätzlich für Haushaltsenergie, Kraftstoffe und Lebensmittel ausgeben musste. Schwächer fällt die Entlastungswirkung bei Alleinerziehenden und Familien aus, in denen nur ein Elternteil erwerbstätig ist. Eine gravierende Lücke zeigt sich insbesondere bei Rentnerinnen und Rentnern, auch mit niedrigen Einkommen: Deren Belastung durch stark gestiegene Energie- und Nahrungsmittelpreise war bereits im Vier-Monatszeitraum von Januar bis April mehr als drei Mal so hoch wie die für das Gesamtjahr vorgesehene Entlastung (151 Euro gegenüber 46 Euro; siehe auch die Tabelle in der pdf-Version dieser PM; Link unten). „Hier muss nachgesteuert werden, um soziale Härten und eine weitere Spreizung der sozialen Schere zu verhindern“, mahnen Dullien und Tober. Und ergänzen: „Je nach Verlauf der Pandemie und des Ukrainekrieges muss zudem insgesamt bei der Unterstützung von Haushalten mit geringem Einkommen nachgelegt werden.“

In Folge des Ukrainekriegs und von weiterhin durch die Corona-Pandemie angespannten Lieferketten stiegen die Verbraucherpreise für alle Haushalte im April so stark wie seit rund 40 Jahren nicht mehr. Dabei sind die Unterschiede je nach Haushaltskonstellation und Einkommen erheblich, zeigt der IMK Inflationsmonitor: Mit 1,8 Prozentpunkten zwischen ärmeren Familien und wohlhabenden Alleinlebenden lag die Differenz im April fast so hoch wie im März und mehr als doppelt so hoch wie im Februar. Das liegt daran, dass die aktuell stärksten Preistreiber – Haushaltsenergie, Kraftstoffe und Lebensmittel – unterschiedlich stark durchschlagen: Bei Familien mit zwei Kindern und niedrigem Einkommen machen diese drei Komponenten 5,8 Prozentpunkte der haushaltsspezifischen Inflationsrate von 8,0 Prozent aus. Bei Alleinstehenden mit hohem Einkommen entfallen darauf hingegen 3,1 Prozentpunkte von insgesamt 6,2 Prozent haushaltsspezifischer Teuerung.

„Die haushaltsspezifischen Inflationsraten zeigen, dass Haushalte mit geringeren Einkommen durch den Preisanstieg bei Haushaltsenergie überproportional belastet sind und sich auch die Verteuerung der Nahrungsmittel stärker niederschlägt“, schreiben IMK-Direktor Dullien und Inflationsexpertin Tober. Dieser Trend könnte sich nach Analyse des IMK in den kommenden Monaten weiter verschärfen, da bisher noch nicht alle Preissteigerungen von Haushaltsenergie im Großhandel an die Privathaushalte weitergegeben wurden. Erschwerend kommt hinzu, dass Gas, Strom, Heizöl und Nahrungsmittel als Waren des Grundbedarfs bei den Ausgaben ärmerer Haushalte sehr stark ins Gewicht fallen, während sie bei Haushalten mit hohem Einkommen und insbesondere bei wohlhabenden Alleinlebenden einen deutlich kleineren Anteil des Warenkorbs ausmachen. Bei Familien mit Kindern und niedrigem bis mittlerem Einkommen schlagen aktuell zudem die hohen Preise für Kraftstoffe relativ stark zu Buche.

Die Inflationsrate bei Paaren ohne Kinder mit mittlerem Einkommen sowie bei einkommensstarken Singles wird wiederum auch davon beeinflusst, dass die Preise für Ausgabenposten wie Wohnungsinstandhaltung oder Reisen ebenfalls weiter angezogen haben. Die haushaltsspezifische Inflationsrate bei Alleinlebenden mit geringem Einkommen ist nach der Analyse von Dullien und Tober deshalb aktuell noch etwas unterdurchschnittlich, weil solche Güterarten sowie Ausgaben für Kraftstoffe, Fahrzeugkauf oder Reisen mangels finanzieller Möglichkeiten bei ihnen kaum ins Gewicht fallen. Eine fortgesetzte Preisexplosion bei der Haushaltsenergie werde aber gerade auch ärmere Alleinstehende empfindlich treffen. Hinzu kommt: Grundsätzlich haben Haushalte mit niedrigem Einkommen ein besonderes Problem mit starker Teuerung, weil sie vor allem unverzichtbare Alltagsgüter kaufen und kaum Spielräume besitzen, ihr Konsumniveau durch Rückgriff auf Erspartes aufrecht zu erhalten.

Quelle

Hans-Böckler-Stiftung