Immer mehr Abiturient:innen machen eine Ausbildung
Die berufliche Ausbildung wird für Abiturient:innen immer attraktiver. Gleichzeitig verschlechtern sich die Ausbildungschancen von Hauptschüler:innen. Dies ist das Ergebnis einer Studie, die das FiBS Forschungsinstitut für Bildungs- und Sozialökonomie im Auftrag der Bertelsmann Stiftung erstellt hat.
Eine wachsende Zahl von Abiturient:innen entscheidet sich für eine Berufsausbildung. In den vergangenen zehn Jahren ist der Anteil derer, die mit Abitur eine duale oder schulische Ausbildung beginnen, von 35 Prozent im Jahr 2011 auf 47,4 Prozent im Jahr 2021 gestiegen. "Von einer mangelnden Attraktivität der Berufsausbildung für Abiturient:innen kann keine Rede sein“, sagt Dieter Dohmen, Direktor des FiBS Forschungsinstituts für Bildungs- und Sozialökonomie und Autor der Studie. "Und auch nicht davon, dass sich Abiturient:innen zu wenig für berufliche Ausbildungen interessieren würden.“
Schlechte Ausbildungschancen für Hauptschüler:innen
Ganz anders stellt sich die Situation für Hauptschüler:innen dar: Schulabgänger:innen mit Hauptschulabschluss haben es immer schwerer, einen Ausbildungsplatz zu bekommen. Es sinkt nicht nur die Zahl der Hauptschulabsolvent:innen insgesamt, sondern auch der Anteil derjenigen, die eine Ausbildung machen. Zwischen 2011 und 2021 hat sich der Anteil der Jugendlichen, die mit einem Hauptschulabschluss die Berufsausbildung beginnen, um ein Fünftel verringert.
Zahl der Ausbildungsverträge deutlich gesunken
Auch die Gesamtzahl der Ausbildungsverhältnisse sinkt im langfristigen Vergleich: Wurden 2007, dem letzten Höchststand, noch 844.000 Ausbildungsverhältnisse neu begründet, so liegt im Jahr 2021 die Zahl bei 706.000 Ausbildungsverträgen. Damit ist die Zahl der Ausbildungsverträge insgesamt um fast 140.000 gesunken. Dies ist auf rückläufige Zahlen bei den dualen Ausbildungsverhältnissen (Rückgang um 158.000) bei einem gleichzeitig leichten Anstieg bei den schulischen Ausbildungen (Anstieg um 20.000) zurückzuführen.
Viele Jugendliche gehen leer aus
Auf den ersten Blick erscheint positiv, dass die Zahl der Jugendlichen gesunken ist, die nach der Schule in Übergangsmaßnahmen landen, um den Schulabschluss zu verbessern oder sich auf den Ausbildungseinstieg vorzubereiten. Begannen zum letzten Höchststand in 2005 noch 417.000 junge Menschen solche Maßnahmen, so ist mit 225.000 in 2021 ein Tiefststand zu verzeichnen. Jedoch hat sich zugleich die Zahl der Jugendlichen deutlich erhöht, die sich weder in Ausbildung noch in der Schule oder in Arbeit befinden, die sogenannten NEETs (Not in Employment, Education or Training). 2021 werden in der Gruppe der 15- bis 24-Jährigen 630.000 Personen zu den NEETs gezählt, im Jahr 2019 waren es 492.000. "Die Entwicklung ist dramatisch“, sagt Dieter Dohmen. "Viel zu viele Jugendliche gehen auf dem Ausbildungsmarkt leer aus oder fallen ganz aus dem System. Wir müssen die Integrationsfähigkeit des Ausbildungssystems wieder deutlich erhöhen.“
Ausbildungsgarantie hilft jungen Menschen beim Einstieg in den Beruf
Vor allem für Jugendliche mit niedriger Schulbildung wird es offenkundig trotz vieler tausend unbesetzter Ausbildungsplätze immer schwieriger, einen Ausbildungsplatz zu ergattern. Ursachen dafür liegen unter anderem in steigenden Qualifikationsanforderungen auf dem Ausbildungsmarkt und in regionalen Ungleichgewichten. Auch hat die Coronakrise vielen Jugendlichen den Berufseinstieg aufgrund fehlender Praktika und Orientierungsmöglichkeiten erschwert. "Für diese jungen Menschen ist die Gefahr besonders groß, ohne berufliche Qualifizierung zu bleiben und damit in prekären Beschäftigungsverhältnissen oder Dauerarbeitslosigkeit zu landen“, warnt Clemens Wieland, Ausbildungsexperte der Bertelsmann Stiftung.
Im Jahr 2020 lag die Quote der sogenannten Ungelernten im Alter von 20 bis 35 Jahren laut Berufsbildungsbericht bei 15,5 Prozent und damit bei mehr als 2,3 Millionen. Bei jungen Menschen ohne Schulabschluss in dieser Altersgruppe liegt die Ungelerntenquote sogar bei 64,4 Prozent und selbst bei denjenigen mit Hauptschulabschluss liegt sie noch bei mehr als einem Drittel (35,8 Prozent). "Wir brauchen eine Ausbildungsgarantie, die wirklich jedem jungen Menschen eine Ausbildungschance gibt und die auch individuelle Begleitung und Unterstützung beinhaltet, um den Abschluss zu erreichen“, sagt Wieland. "Der aktuelle Gesetzesentwurf zur Ausbildungsgarantie greift hier noch deutlich zu kurz.“
Zusatzinformationen
Das FiBS Forschungsinstitut für Bildungs- und Sozialökonomie hat unter Leitung von Dieter Dohmen untersucht, wie sich die Übergangschancen von jungen Menschen in die verschiedenen nachschulischen Bildungswege – einschließlich der schulischen Ausbildung und der verschiedenen Bildungsgänge des Übergangsbereichs – in Abhängigkeit der Schulabschlüsse im Zeitablauf entwickelt haben. Dazu nutzt das FiBS das dort entwickelte Bildungsmonitoringtool EduSimTM, dessen Langzeitdaten alle formalen Bildungsbereiche umfassen und u.a. auf Daten aus der Ausbildungsstatistik des Bundesinstituts für Berufsbildung (BiBB), der Bundesagentur für Arbeit, des Statistischen Bundesamts sowie von Eurostat aufbauen.