Spracherwerb: Frühe Förderung, große Wirkung
Bereits eine zwölfstündige Qualifizierung von Betreuungspersonen und ein Anwendungszeitraum von fünf Monaten zeigen positive Auswirkungen auf die Sprachfähigkeiten von mehrsprachigen Vorschulkindern. Die Kinder starten damit mit verbesserten Chancen in die Grundschule.
Alltagsintegrierte Sprachförderung durch geschulte Betreuungspersonen kann den Spracherwerb von Kindern bereits nach kurzer Dauer bedeutsam fördern. Das ergibt eine in Kooperation mit der Bildungsinitiative RuhrFutur durchgeführte Pilotierung und Evaluation durch den Fachbereich Sprache & Kommunikation der Technischen Universität Dortmund.
Insbesondere die Fähigkeiten im Bereich des Grammatikverständnisses von Kindern verbessern sich durch alltagsintegrierte Sprachförderung deutlich. Diese positiven Effekte bleiben auch über den Schuleintritt hinaus erhalten. Im Vergleich zu Kindern, die keine vorschulische Betreuung besuchen, zeigen die Kinder, die alltagsintegrierte Sprachförderung erhielten, außerdem einen größeren Wortschatz im Deutschen.
Qualifizierung von Betreuungspersonen
In Kooperation mit der Bildungsinitiative RuhrFutur führte das Fachgebiet Sprache & Kommunikation der Technischen Universität Dortmund (TU Dortmund) unter der Leitung von Prof. Dr. Anna-Lena Scherger führte hierzu eine zwölfstündige Online-Schulung durch. 20 Betreuungspersonen aus zehn Brückengruppen in Mülheim an der Ruhr und Dortmund nahmen daran teil und wendeten die erworbenen Kompetenzen danach über einen Zeitraum von fünf Monaten an. Bereits nach dieser kurzen Dauer zeigten sich positive Effekte auf die Sprachentwicklung der Kinder.
In den untersuchten Gruppen werden Kinder gefördert, die im Jahr vor der Einschulung keine Kindertagesstätte besuchen
Delia Temmler, Leiterin Frühkindliche Bildung der RuhrFutur gGmbH erklärt:
„Insbesondere Kinder mit Migrationsgeschichte, die aufgrund geringer Kontakte zur deutschen Sprache häufig einen Bedarf an vorschulischer Sprachförderung haben, profitieren maßgeblich von alltagsintegrierter Sprachförderung. Durch alltagsintegrierte Sprachförderung noch vor dem Grundschuleintritt können wir diesen Kindern den Start in das reguläre Schulsystem deutlich erleichtern. Ein wichtiger Baustein für mehr Bildungsgerechtigkeit“.
Prof. Dr. Anna-Lena Scherger, Leiterin des Fachgebiets Sprache & Kommunikation an der Technischen Universität Dortmund, erläutert:
„Diese ersten Ergebnisse unterstreichen die Notwendigkeit, Fachkräfte gezielt zu professionalisieren und alltagsintegrierte Sprachfördermaßnahmen nachhaltig in Brückengruppen zu verankern. Gerade durch die erschwerenden strukturellen Bedingungen ist es wichtig, der drohenden Bildungsbenachteiligung mehrsprachig aufwachsender Kinder bereits vorschulisch durch gezielte Sprachfördermaßnahmen entgegenzuwirken. Qualifizierungsmaßnahmen wie diese sollten daher flächendeckend implementiert werden.“
Alltagsintegrierte Sprachförderung zeichnet sich dadurch aus, dass alle eingesetzten Fachkräfte einer Einrichtung im pädagogischen Alltag sprachfördernd handeln und damit in der Lage sind, zeitlich flexibel die sprachlichen Kompetenzen aller betreuten Kinder zu fördern.
In dem Projekt „Basisfähigkeiten stärken – Qualifizierung, Diagnostik, Intervention“ haben sich Forscher*innen des Fachgebiets Sprache & Kommunikation der Technischen Universität Dortmund mit der Frage beschäftigt, wie die sprachlichen Basiskompetenzen mehrsprachiger Kinder am Übergang von der Kita zur Grundschule gefördert werden können. Dafür wurden die zweitsprachlichen Deutschkompetenzen teilnehmender Kinder aus zehn Brückengruppen zu mehreren Zeitpunkten vor und nach der Einschulung erhoben. Um gezielt Sprachförderung in die speziellen Brückengruppen zu implementieren, wurden teilnehmende Betreuungspersonen in Bezug auf alltagsintegrierte Sprachförderung weitergebildet. Auch deren Kompetenzen wurden vor und nach der Implementierung untersucht.
Die vollständige Publikation „Frühe Förderung, große Wirkung“ steht auf der RuhrFutur-Website bereit.
Brückengruppen für Kinder vor der Einschulung
Um den Übergang in die Schule jenen Kindern zu erleichtern, die kurz vor der Einschulung stehen und keine Kita besuchen, wurden (und werden weiterhin) mit Unterstützung von Kommunen und Trägern Brückengruppen in den Räumlichkeiten der Offenen Ganztagsschulen in Grundschulen eingerichtet. Die Qualifikationen der Betreuungspersonen sind dementsprechend unterschiedlich (Erzieher*innen, Student*
innen aus dem sozialpädagogischen Bereich, Mitarbeiter* innen ohne pädagogische Ausbildung). Das grundlegende Ziel dieser Gruppen ist die Vermittlung von sprachlichen, kulturellen sowie sozialen Basisfähigkeiten. Die Gruppen werden von mehrsprachig aufwachsenden Kindern besucht. Viele sind erst vor Kurzem mit ihrer Familie nach Deutschland gekommen. Die Kommunen reagieren damit auf die starken Bedarfe in der frühkindlichen Bildung.
Die Städte Gelsenkirchen, Mülheim an der Ruhr, Herten und Dortmund wurden von RuhrFutur dabei unterstützt, die Qualität von 40 solcher Brückengruppen weiterzuentwickeln. Das tägliche Angebot findet meist in Räumlichkeiten des Offenen Ganztags (OGS) der Grundschulen statt.
Über RuhrFutur
RuhrFutur ist eine gemeinsame Bildungsinitiative von Kommunen, Hochschulen, dem Regionalverband Ruhr, dem Land Nordrhein-Westfalen und der Stiftung Mercator für das Ruhrgebiet. Ihr Ziel ist es, das Bildungssystem leistungsfähiger und chancengerechter zu gestalten und allen Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen faire Chancen auf Bildungszugang, Bildungsteilhabe und Bildungserfolg zu eröffnen – unabhängig von ihrer Herkunft.