Bedarf an außerunterrichtlicher Bildung und Betreuung von Erstklässler/innen unterschätzt
Der Rechtsanspruch auf Ganztagsbetreuung für Grundschulkinder könnte vor allem bei den Erstklässler/innen eine deutlich höhere Nachfrage auslösen als bisher angenommen. Laut DJI-Studie liegt der Bedarf hier bei 82 Prozent. Insbesondere Westdeutschland steht vor großen Herausforderungen, ausreichend Plätze zu schaffen.
Der Rechtsanspruch auf Ganztagsbetreuung von Grundschulkindern wird stufenweise eingeführt und gilt ab dem Schuljahr 2026/2027 zunächst für alle neu eingeschulten Kinder. Deshalb ist der geschätzte Elternbedarf in Bezug auf Erstklässler/innen aktuell von besonders großem Interesse. Bisher konnte aufgrund der amtlichen Datenlage nur der Bedarf für alle Grundschulkinder errechnet werden. Die repräsentativen Daten der DJI-Kinderbetreuungsstudie (KiBS) des Deutschen Jugendinstituts (DJI) aus dem Jahr 2023, die erstmals nach Klassenstufen aufgeschlüsselt wurden, zeigen nun: Der bundesweite Elternbedarf, der zu Beginn des Rechtsanspruchs für Erstklässler/innen zu erwarten ist, liegt mit 82 Prozent um 7 Prozentpunkte über dem durchschnittlichen Bedarf für alle Grundschulkinder.
„Wenn sich die Planungswerte der Kommunen für den noch notwendigen Ausbau auf den bisher berichteten Bedarf für alle Grundschulkinder beziehen, unterschätzen sie zumindest in Westdeutschland die Anzahl notwendiger zusätzlicher Kapazität deutlich,“
sagt DJI-Forschungsdirektorin Prof. Dr. Susanne Kuger. Auch für Zweitklässler/innen liegt mit 79 Prozent der Bedarf oberhalb des durchschnittlichen Werts für alle Grundschulkinder. Mit jeder weiteren Klassenstufe und steigendem Alter der Kinder werden außerunterrichtliche Bildungs- und Betreuungsangebote weniger nachgefragt und genutzt.
Nachfrage nach Angeboten der Übermittagsbetreuung steigt
Deutschlandweit benötigen 75 Prozent der Eltern eigenen Angaben nach ein Angebot der außerunterrichtlichen Bildung, Betreuung und Erziehung – in den westdeutschen Ländern 58 Prozent, in den ostdeutschen 88 Prozent. Der Gesamtbedarf für alle Grundschulkinder ist damit 2023 erstmals seit 2020 wieder leicht angestiegen, und zwar um zwei Prozentpunkte. Zurückzuführen ist dies auf eine stärkere Nachfrage nach Übermittagsbetreuung, die sich 11 Prozent aller Eltern in Deutschland wünschen, vor allem in Bayern, Baden-Württemberg und Nordrhein-Westfalen. Der Ganztagsbedarf, also der Bedarf an einem Hortplatz, einem Ganztagsschulangebot oder an einem anderen Angebot mit Betreuungsende nach 14.30 Uhr stagniert seit 2020 deutschlandweit bei 64 Prozent.
In Westdeutschland fehlen nach wie vor Plätze
Insbesondere in Westdeutschland reicht das Angebot an Plätzen für Grundschulkinder nach wie vor nicht aus: 4 Prozent der Eltern haben trotz Bedarf keinen Platz gefunden. Eine signifikante Lücke zwischen Bedarf und Angebot gab es im Jahr 2023 in Bremen, Hessen, Niedersachsen, Bayern, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz und Baden-Württemberg. Weitere 3 Prozent der Eltern gaben an, dass ihr Bedarf den genutzten Umfang um mehr als fünf Stunden pro Woche übersteigt. Damit müssen in Westdeutschland für insgesamt 7 Prozent aller Grundschulkinder noch Plätze neu geschaffen oder in ihrem Umfang erweitert werden.
Veranstaltungsreihe zum Ganztag gestartet
Zum Austausch über den Stand der Forschung zur Ganztagsbildung und -betreuung für Grundschulkinder starteten das DJI und das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) eine Veranstaltungsreihe mit dem Titel „Ganztägige Bildung und Betreuung im Fokus der Wissenschaft“. Am 23. Januar 2025 ab 14 Uhr steht in digitalem Format die sozialselektive Inanspruchnahme von Ganztagsplätzen im Fokus.
Die DJI-Kinderbetreuungsstudie
Die Kinderbetreuungsstudie (KiBS) des Deutschen Jugendinstituts (DJI) ist eine jährliche bundeslandrepräsentative Befragung von etwa 33.000 Eltern von Kindern bis zum Ende der Grundschulzeit. Die Untersuchungsschwerpunkte der Studie sind die aktuelle Betreuungssituation sowie die elterlichen Betreuungsbedarfe, die von den Eltern wahrgenommene Qualität der Kindertagesbetreuung und die Gründe dafür, weshalb Eltern kein Betreuungsangebot für ihr Kind nutzen. Das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) fördert die Studie.
Neben der jetzt neu erschienenen Studie 2 zu Bedarf und Nutzung von Bildungs- und Betreuungsangeboten für Grundschulkinder, wurde bereits Studie 1 des Kinderbetreuungsreports 2024 veröffentlicht: Sie enthält vertiefende und umfangreiche Analyseergebnisse zur frühkindlichen Bildung, Betreuung und Erziehung und zum elterlichen Betreuungsbedarf in Bezug auf Kinder unter drei Jahren (U3) und von drei Jahren bis zum Schuleintritt (U6).
Quelle
Deutsches Jugendinstitut e.V. , Portal der Kinder- und Jugendhilfe