Elterninfo ADHS

Landeszentrale für Gesundheitsförderung in Rheinland-Pfalz e.V.

Verträumt und unkonzentriert, ständig Streit mit anderen Kindern, täglicher Kampf ums morgendliche Anziehen, stundenlange Hausaufgaben-Qual?
Bei Kindern mit ADHS sind diese Konflikte keine vorübergehende Phase, sondern dominieren dauerhaft den Alltag und sorgen für großen Leidensdruck in der Familie. Doch was ist ADHS genau, wie erkennt man die Störung und welche Hilfen gibt es?

Hinter der Abkürzung ADHS verbirgt sich die Diagnose Aufmerksamkeits-Defizit-/ Hyperaktivitäts-Störung. Wenn das Symptom der Hyperaktivität fehlt, spricht man von ADS.

Was ist ADHS?

Man geht davon aus, dass in Deutschland etwa 5 Prozent der Kinder und Jugendlichen unter ADHS leiden (ca. 500.000 Kinder), bei weiteren 5 Prozent liegen Hinweise auf eine Störung vor. Jungen sind deutlich häufiger betroffen als Mädchen; Mädchen haben öfter die unauffälligere Variante ohne Hyperaktivität. Entgegen dem Anschein ist die Zahl der Betroffenen in den letzten Jahren nicht angestiegen, aber die Störung ist stärker ins öffentliche Bewusstsein gerückt. Bei Kindern mit ADHS ist die Fähigkeit zur Selbststeuerung gestört. Das wirkt sich in drei Bereichen aus:

  • Aufmerksamkeits- und Konzentrationsstörungen
  • Impulsives, unüberlegtes Handeln
  • Körperliche Unruhe / Bewegungsdrang

Der letzte Aspekt, die Hyperaktivität, wird als besonders störend empfunden, weshalb ADS ohne dieses Symptom oft nicht erkannt wird.

Der erste Schritt: eine sorgfältige Diagnose

Oft wird der Vorwurf laut, ADHS werde vorschnell diagnostiziert. Und in der Tat gibt es Kinder mit ADHS-Symptomen, die nur in einer schwierigen Entwicklungsphase oder besonders temperamentvoll sind oder aber aus anderen Gründen eine Verhaltensstörung haben. Auch körperliche Ursachen (Schilddrüsenüberfunktion, Wahrnehmungsstörung) oder andere Schädigungen (z.B. FASD – fetales Alkoholsyndrom) können ADHS-ähnliche Symptome auslösen. Dazu kommt, dass ADHS-Kinder manchmal weitere Auffälligkeiten wie beispielsweise Tics, eine Lese- und Rechtschreibschwäche oder eine Störung im Sozialverhalten entwickeln, was eine präzise Diagnose weiter erschwert. Eine seriöse Diagnosestellung orientiert sich an wissenschaftlichen Klassifikationsschemata, die typische Verhaltensweisen auflisten.

Im Bereich Aufmerksamkeit sind das z. B.:

  • Viele Flüchtigkeitsfehler
  • Das Kind scheint nicht zuzuhören
  • Es verweigert Spiele, die Ausdauer erfordern
  • Führt Anweisungen nicht vollständig durch
  • Verliert Dinge
  • Es ist vergesslich
  • Es kann Aufgaben nicht organisieren

Impulsives Verhalten ist, wenn das Kind

  • andere häufig stört
  • mit der Antwort herausplatzt
  • nicht abwarten kann
  • übermäßig viel redet

Hyperaktivität äußert sich z. B. darin, dass das Kind

  • mit Händen und Füßen zappelt
  • exzessiv klettert
  • nicht sitzen bleiben kann
  • „wie getrieben“ handelt (auch dann, wenn es frei tun kann, was es will).

Viele der genannten Verhaltensweisen kennen alle Eltern von ihren Kindern. Nur wenn mehrere dieser Symptome deutlich ausgeprägt länger als sechs Monate für Konflikte in mehreren Lebensbereichen sorgen, liegt die Diagnose ADHS nahe. Ansprechpartner für Eltern ist zunächst der Kinderarzt. Er kann durch Tests und eine Einbeziehung von Eltern und Schule bzw. Kindergarten die Diagnose stellen.

Wodurch entsteht ADHS?

Über die Ursachen von ADHS wurde und wird viel diskutiert. Die Mehrheit der Wissenschaftler vermutet eine angeborene Störung des Neurotransmitter-Haushalts: Weil der Stoffwechsel von Botenstoffen gestört ist, funktioniert die Informationsverarbeitung zwischen verschiedenen Abschnitten im Gehirn nicht richtig.

Manche Experten machen dagegen gesellschaftliche Erwartungen (das Kind muss „funktionieren“) oder Reizüberflutung verantwortlich, andere sehen die Ursachen im Erziehungsstil oder den familiären Rahmenbedingungen.

Fest steht, dass die Lebenssituation den Verlauf von ADHS beeinflusst: Ungünstige Bedingungen (wie z.B. unberechenbares, inkonsequentes Erziehungsverhalten, Hektik, undurchschaubare Strukturen, hoher Fernseh- und Computerkonsum, wenig Bewegungsangebote) sind für ein Kind mit ADHS-Veranlagung besonders fatal.

Lange standen auch Zucker und Phosphate im Verdacht, ADHS auszulösen. Das konnte wissenschaftlich nicht nachgewiesen werden. Allerdings sprechen einige Kinder auf eine Ernährungsumstellung gut an.

Was ist bei ADHS zu tun?

Ein multimodales Behandlungskonzept bietet je nach Ausprägung und Schweregrad psychotherapeutische, pädagogische und medikamentöse Hilfen an. Ziel ist es, den Kindern eine normale Entwicklung zu ermöglichen. An erster Stelle steht die Beratung und Aufklärung des Umfelds: Schon die Diagnose bedeutet für viele Eltern eine Erleichterung, weil sie Schuldgefühle nimmt und die Sicht aufs Kind entspannt.

In einer Verhaltenstherapie kann das Kind lernen, impulsives und chaotisches Verhalten in den Griff zu bekommen. Eltern erhalten in einem Elterntraining alltagstaugliche Tipps, wie sie einen besseren Rahmen für ihr besonderes Kind schaffen können.

Wenn die Symptome stark ausgeprägt sind, kann eine Behandlung mit Medikamenten sinnvoll sein. Daneben können auch ganzheitliche und naturheilkundliche Elemente in manchen Fällen erfolgreich sein.

Nicht jedes ADHS-Kind braucht Medikamente.

Die Grenze der Belastbarkeit…

Ein ADHS-Kind bringt seine Umwelt oft an die Grenze der Belastbarkeit. Resignierende oder verbitterte Eltern sollten sich aber immer wieder klar machen, dass sich ihr Kind nicht aus Charakterschwäche oder Bösartigkeit so verhält und sie auch nicht bewusst ärgern will. In kritischen Situationen hilft es, sich die Stärken des Kindes in Erinnerung zu rufen. Oft sind ADHS Kinder besonders kreativ und haben einen ausgeprägten Gerechtigkeitssinn. Sorgen Sie dafür, dass die Fähigkeiten Ihres Kinds zum Tragen kommen und gönnen Sie sich selbst Auszeiten.

ADHS ist eine Störung,für die Ihr Kind nichts kann.

Wie wirken ADHS-Medikamente?

Der Wirkstoff Methylphenidat (ein Handelsname: Ritalin) erhöht die Dopamin-Konzentration im Gehirn und gewährleistet eine schnellere Reizleitung zwischen den Nervenzellen. Das Medikament ist kein Sedativum oder Tranquilizer, das Kind wird also nicht „ruhiggestellt“. Bei ca. 85 Prozent der Kinder bewirkt es eine deutliche Verminderung der Symptome und schafft so die Voraussetzungen, dass die Probleme angegangen werden können.

Methylphenidat gehört zu den Derivaten von Amphetamin und unterliegt betäubungsmittelrechtlichen Vorschriften: In Deutschland ist es als verkehrs- und verschrei- bungsfähiges Betäubungsmittel eingestuft und unterliegt einer gesonderten Verschreibungspflicht . (Wikipedia)

Da Amphetamine auch illegal gehandelt werden, sollten Sie sehr achtsam sein, wie Ihr Kind bei einer notwenigen Medikation mit den Mitteln umgeht. Es werden Versuche unternommen, das Taschengeld mit dem Verkauf von ADHS-Medikamenten aufzubessern. Das ist strafbar.

Machen die Medikamente süchtig?

Die Abhängigkeitsgefahr ist umstritten. Ein direkter Zusammenhang der Einnahme von ADHS-Medikamenten und einer Amphataminabhängigkeit (es handelt sich um die gleichen Substanzen) konnte bisher nicht nachgewiesen werden.

Wichtig ist allerdings, welche Botschaften Sie Ihrem Kind bei einer notwenigen Einnahme von Medikamenten geben. Vermitteln Sie ihm nicht, dass es nur „funktioniert“, wenn es ein Mittel zu sich nimmt. Unterstützen Sie Ihr Kind vielmehr darin, dass es in der Lage ist, trotz einer ADHS- Diagnose ein tolles Leben zu führen.

Helfen die Medikamente immer?

Nein. Manche Kinder sprechen nicht darauf an. Außerdem erleichtern Medikamente den Kindern zwar, sich in Strukturen einzufügen, bringen ihnen aber keine bei. Und viele Verhaltensweisen sind gelernt und nicht direkt dem ADHS zuzuschreiben, so dass diese auch bei medikamentöser Therapie nicht verschwinden.

Medikamente sollten nur nach sorgfältiger Diagnose eingesetzt werden (also nicht: „Wir probieren mal Ritalin – wenn es wirkt, ist es ADHS.“) und darf nicht die einzige Therapie bleiben. In schweren Fällen ist der positive Effekt des Medikaments aber oft die Voraussetzung, dass eine Verhaltenstherapie überhaupt greifen kann.

Elterntipps

  • Vereinbaren Sie mit Ihrem Kind Regeln und klare Konsequenzen bei Fehlverhalten.
  • Achten Sie auf einen geregelten, vorhersehbaren Tagesablauf.
  • Sorgen Sie für ausreichend Sport und Bewegung.
  • Schrauben Sie Ihre Erwartungen an Ihr Kind herunter! Auch ernst gemeinte Versuche verdienen Lob und kleine Erfolge zählen!
  • Nehmen Sie sich Zeit für gemeinsame Erlebnisse.
  • Versuchen Sie so oft wie möglich, Ihrem Kind zu zeigen, wie sehr Sie es mögen.
  • Schalten Sie mal ab – Entspannung und Ruhe sind nicht nur gut für Ihr Kind!
  • Stärken Sie das Selbst- und Verantwortungsbewusstsein Ihres Kindes, indem Sie ihm sinnvolle und lösbare Aufgaben, zum Beispiel im Haushalt, übertragen.
  • Bitte suchen Sie bei Verdacht auf ADHS immer Ihren Kinderarzt oder eine entsprechende Beratungsstelle auf!

Quellen

aus einem Beitrag von Monika Klingenmann in der fratz – das Familienmagazin für Darmstadt und Südhessen, Jahrgang 06/Nr. 26, www.fratz-magazin.de mit Ergänzungen durch das Büro für Suchtprävention der LZG

Herausgegeber

Landeszentrale für Gesundheitsförderung in Rheinland-Pfalz e.V. (LZG)
Hölderlinstraße 8
55131 Mainz

Website

Redaktion und Kontakt
Nina Roth, Büro für Suchtprävention

Die Elterninfo ADHS erschien als Elternifnfo Nr. 32/2013

Materialien zur Gesundheitsförderung
LZG-Schriftenreihe Nr. 277 / Artikel-Nr.: 1032
 

eingestellt am 24.09.2015