Kinderbeteiligung: Kinder vertreten ihre Interessen selbst

Jana Frädrich

Kinder sind Experten in eigener Sache. Und nicht immer wissen Erwachsene, was für Kinder das Beste ist. Das stellen mehr und mehr auch Planerinnen und Planer, Pädagoginnen und Pädagogen fest. Und so nutzen sie dieses besondere Wissen, diese besonderen Kompetenzen von Kindern. Sie beteiligen die Jungen und Mädchen. Kinderpolitik und Kinderinteressenvertretung sind deshalb ganz eng mit Kinderbeteiligung verbunden.

Man braucht sich als Erwachsener nur einmal auf die Augenhöhe eines Kindes zu begeben. Die Welt sieht in 1,10 m Höhe oder darunter ganz anders aus als aus der Perspektive eines Erwachsenen. Da werden dicht an dicht parkende Autos am Straßenrand zum fast unüberwindbaren Hindernis, weil der Blick auf den Verkehr versperrt ist. Jeder Versuch, die Straße zu queren, verläuft nach dem Schema “Versuch und Irrtum” . Es sei denn, das Kind wagt sich zum Schauen ganz weit zwischen die Autos in die Straße hinein. Auch beim Spielen oder in der Wahrnehmung ihrer Umwelt haben Kinder ihre eigenen Perspektiven.

Doch vielerorts ist noch gar nicht bekannt, wie sinnvoll es ist, Kinder, Jugendliche und Familien partizipieren zu lassen. Häufig fehlt es an geeigneten Methoden, an der Fantasie und dem professionellen Know-how von Erwachsenen, wie Mädchen und Jungen für Beteiligungsprojekte zu begeistern sind, wie sie im Stadtteil und bei Planungsvorhaben engagiert und mit viel Spaß mitwirken können.

Unterschiedliche Felder der Beteiligung von Kindern

Wie können Kinder ihre Interessen selbst vertreten? Von welchem Alter an macht Kinderbeteiligung Sinn? Was kommt bei Partizipationsprojekten für alle Beteiligten heraus? Wollen Kinder überhaupt ihre Interessen selbst vertreten?

Auch wenn immer noch systematische Betrachtungen und wissenschaftliche Untersuchungen für etliche Fragestellungen ausstehen: Niemand stellt heute mehr ernsthaft infrage, dass die Beteiligung von Kindern Sinn macht. Waldemar Stange von der Fachhochschule Nordostniedersachen in Lüneburg unterscheidet sieben unterschiedliche Beteiligungsfelder und -arten, die in Deutschland und anderen Ländern praktiziert werden (häufig auch nebeneinander):

  1. Punktuelle Beteiligung: Das sind zum Beispiel Mal- und Zeichenaktionen, Wunsch- und Meckerkästen, Stadtforscheraktionen, Fotostreifzüge oder Sprechstunden bei politisch Verantwortlichen.
     
  2. Repräsentative Formen: Darunter fallen beispielsweise Kinder- und Jugendparlamente, Jugendkreistage, KinderbürgermeisterInnen, Kinder- und Jugendbeiräte und verbandsbezogene repräsentative Formen der Beteiligung. Sie ähneln den Formen demokratischer Beteiligung von Erwachsenen. Fast immer werden in repräsentativen Beteiligungsformen die Kinder und Jugendlichen von Gleichaltrigen gewählt.
     
  3. Offene Versammlungsformen: Dazu gehören Kinder- und Jugendforen, Kinderversammlungen, Runde Tische oder Kinder- und Jugendeinwohnerversammlungen. Jedes Kind kann daran teilnehmen, wenn es ein Anliegen hat oder dabei sein möchte.
     
  4. Projektorientierte Partizipationsformen: Das sind Beteiligungsprojekte, die zeitlich, thematisch und räumlich eingegrenzt und stark vom persönlichen Bezug der Kinder und Jugendlichen abhängig sind ( “Betroffensein” ). Typische Durchführungsformen sind zum Beispiel Zukunftswerkstätten, Planungszirkel, Spielraumplanungen, Planerworkshops mit Kindern, Verkehrsplanungs- und Bebauungsplan-Checks sowie Beteiligungsspiralen.
     
  5. Alltägliche Formen der Partizipation: Sie werden in der Kommune, in pädagogischen Institutionen und in der Familie praktiziert. Gemeint sind damit alltägliche Formen der Beteiligung wie das Partizipieren an einfachen dialogischen Gesprächssituationen, spontane Kreisgespräche, Nein-Sagen-Dürfen, Schweigesteine im Kindergarten, eine Mecker- und Kritikwand und vieles andere mehr.
     
  6. Medienorientierte Formen der Beteiligung: Hier wirken Kinder an der Gestaltung des Radioprogramms, des Fernsehprogramms, von Printmedien und Internetseiten mit und haben auf diese Weise auch die Möglichkeit, sich eine eigene Meinung zu bilden und diese öffentlich zu machen.
     
  7. Wahlrecht in Erwachsenenstrukturen: In einigen Bundesländern wurde ein Kommunales Wahlrecht ab 16 Jahren eingerichtet, um Jugendliche in überschaubarem Rahmen mitbestimmen zu lassen.

Beteiligungsprojekte lassen sich auch hinsichtlich der Intensität der Beteiligung – dem “Mitbestimmungsgrad” – unterscheiden: Hier gibt es enorme Unterschiede, die von der Manipulation von Kindern über eine Quasibeteiligung bis hin zur Delegation von Entscheidungskompetenzen reichen, wie Roger Hart und Richard Schröder die unterschiedlichen Mitbestimmungsgrade typologisierten.

Vom Recht der Kinder, sich zu beteiligen und beteiligt zu werden

UN-Konvention über die Rechte des Kindes

Den großen Bogen spannt die UN-Konvention über die Rechte des Kindes (UNK), eine Art weltweites Grundgesetz für Mädchen und Jungen bis zum Alter von 18 Jahren (genauer: für alle Menschen, die noch nicht wahlberechtigt sind). Partizipationsrechte machen in der UN-Kinderrechtskonvention neben Überlebens-, Entwicklungs- und Schutzrechten einen ganzen Rechtsbereich aus. Besonders deutlich wird das im Artikel 12: “(1) Die Vertragsstaaten sichern dem Kind, das fähig ist, sich eine Meinung zu bilden, das Recht zu, diese Meinung in allen das Kind berührenden Angelegenheiten frei zu äußern, und berücksichtigen die Meinung des Kindes angemessen und entsprechend seinem Alter und seiner Reife. (2) Zu diesem Zweck wird dem Kind insbesondere Gelegenheit gegeben, in allen das Kind berührenden Gerichts- oder Verwaltungsfragen entweder unmittelbar oder durch einen Vertreter oder eine geeignete Stelle im Einklang mit den innerstaatlichen Verfahrensvorschriften gehört zu werden.”

Individuell einklagbar sind die Rechte der UN-Kinderrechtskonvention nicht; wohl aber besteht Handlungsbedarf für jede Regierung, die dieses Abkommen unterzeichnet hat (das sind mittlerweile fast alle Staaten dieser Erde), die nationalen Rechte und deren Umsetzungsbestimmungen den Vorgaben der UN-Kinderrechtskonvention anzupassen.

Kinder- und Jugendhilfegesetz

Das Achte Sozialgesetzbuch (SGB VIII), das Kinder- und Jugendhilfegesetz (KJHG), fordert in § 1 Abs. 3 (4), die Jugendhilfe solle “dazu beitragen, positive Lebensbedingungen für junge Menschen und ihre Familien sowie eine kinder- und familienfreundliche Umwelt zu erhalten oder zu schaffen” . Das KJHG sieht dabei eine “Beteiligung von Kindern und Jugendlichen” ausdrücklich vor. Im § 8 heißt es: “(1) Kinder und Jugendliche sind entsprechend ihrem Entwicklungsstand an allen sie betreffenden Entscheidungen der öffentlichen Jugendhilfe zu beteiligen. (…) (2) Kinder und Jugendliche haben das Recht, sich in allen Angelegenheiten der Erziehung und Entwicklung an das Jugendamt zu wenden.”

Im § 11 Abs. 1 heißt es darüber hinaus: “Jungen Menschen sind die zur Förderung ihrer Entwicklung erforderlichen Angebote der Jugendarbeit zur Verfügung zu stellen. Sie sollen an den Interessen junger Menschen anknüpfen und von ihnen mitbestimmt und mitgestaltet werden, sie zur Selbstbestimmung befähigen und zu gesellschaftlicher Mitverantwortung und zu sozialem Engagement anregen und hinführen” . In § 12 Abs. 2 (1) wird die Förderung der Jugendverbände und ihre Verpflichtung zur Partizipation der Betroffen festgelegt: “In Jugendverbänden und Jugendgruppen wird Jugendarbeit von jungen Menschen selbst organisiert, gemeinschaftlich gestalten und mitverantwortet” .

Im § 80 werden die Träger der Öffentlichen Jugendhilfe aufgefordert, den “Bedarf unter Berücksichtigung der Wünsche, Bedürfnisse und Interessen der jungen Menschen … zu ermitteln” . Darüber hinaus sollten sie “darauf hinwirken, dass die Jugendhilfeplanung und andere örtliche und überörtliche Planungen aufeinander abgestimmt werden und Planungen insgesamt den Bedürfnissen und Interessen der jungen Menschen … Rechnung tragen” .

Länderbestimmungen

Das Land Schleswig-Holstein hat – ähnlich wie Berlin, Hessen, Rheinland-Pfalz, Niedersachsen oder Nordrhein-Westfalen – klare Interpretations- und Umsetzungsempfehlungen der Partizipationsrechte von Kindern und Jugendlichen im Jugendförderungsgesetz und in der Gemeindeordnung festgeschrieben. In Schleswig-Holstein und Niedersachsen gilt beispielsweise, dass bei allen Maßnahmen, die Belange von Kindern und Jugendlichen tangieren, Partizipation im Regelfall stattzufinden hat und nur im begründeten Ausnahmefall nicht (nachzulesen zum Beispiel im § 4 des Jugendförderungsgesetzes Schleswig-Holstein).

Bundesweit neuartig war die Beteiligungsaufforderung in der schleswig-holsteinischen Gemeindeordnung (§ 47, Abs. 1, 2). Inzwischen sind andere Bundesländer dieser Empfehlung gefolgt, so zum Beispiel im März 2001 das Bundesland Niedersachsen (§ 22 e der Niedersächsischen Gemeindeordnung NGO).

Baugesetzbuch

Für städtebauliche Planungen kann die Partizipation von Kindern und Jugendlichen aus dem Baugesetzbuch abgeleitet werden. Dort heißt es in § 1 Abs. 2, 3 unter der Überschrift “Aufgabe, Begriff und Grundsätze der Bauleitplanung” : Bei der Aufstellung der Bauleitpläne sind insbesondere “die Wohnbedürfnisse der Bevölkerung bei Vermeidung einseitiger Bevölkerungsstrukturen, … die sozialen und kulturellen Bedürfnisse der Bevölkerung, insbesondere die Bedürfnisse der Familien, der jungen und alten Menschen und Behinderten” zu berücksichtigen.

Weiter heißt es im § 3 BauGB unter der Überschrift “Beteiligung der Bürger” , dass die “Bürger … möglichst frühzeitig über die allgemeinen Ziele und Zwecke der Planung … und die voraussichtlichen Auswirkungen der Planung öffentlich zu unterrichten (sind), ihnen ist Gelegenheit zur Äußerung und Erörterung zu geben” .

Auch im Bereich der Stadtsanierung gibt es analoge gesetzliche Grundlagen, nachzulesen im § 137 BauGB: “Die Sanierung soll mit den Eigentümern, Mietern, Pächtern und sonstigen Betroffenen möglichst frühzeitig erörtert werden. Die Betroffenen sollen zur Mitwirkung bei der Sanierung und zur Durchführung der erforderlichen baulichen Maßnahmen angeregt und hierbei im Rahmen des Möglichen beraten werden” .

Soziale Stadt

Im Rahmen des Bund-Länder-Kommunen-Programms “Soziale Stadt” wird die Beteiligung der Bürgerinnen und Bürger, der Einwohnerinnen und Einwohner noch einmal ausdrücklich gefordert und gefördert. Sie spielt seither in vielen Kommunen in den Sanierungsgebieten der Sozialen Stadt eine große Rolle, wenn auch die Beteiligung von Kindern und eine Sanierung mit besonderem Augenmerk auf Kinder- und Familienfreundlichkeit nicht immer berücksichtigt werden (aber von Engagierten vor Ort eingefordert werden könnten).

Agenda 21

Die Agenda 21, die auf der Umweltkonferenz von Rio 1992 verabschiedet wurde, liefert einen weiteren wichtigen Begründungszusammenhang. Dort wird ausdrücklich gefordert, Kinder und Jugendliche auf internationaler, nationaler, regionaler und lokaler Ebene zu beteiligen: “Es ist zwingend erforderlich, dass Jugendliche aus allen Teilen der Welt auf allen für sie relevanten Ebenen aktiv an den Entscheidungsprozessen beteiligt werden, weil dies ihr heutiges Leben beeinflusst und Auswirkungen auf ihre Zukunft hat. Zusätzlich zu ihrem intellektuellen Beitrag und ihrer Fähigkeit, unterstützende Kräfte zu mobilisieren, bringen sie einzigartige Ansichten ein, die in Betracht gezogen werden müssen” (Kapitel 25.2, Handlungsgrundlage).

Weltgesundheitsorganisation (WHO)

Auch die WHO-Charta von Ottawa bekräftigt die Bedeutung der Partizipation der Betroffenen im gesundheitsfördernden und gesundheitsstärkenden Bereich im Sinne einer ganzheitlichen Gesundheitsförderung sowohl des Individuums als auch des Gemeinwesens.

Warum sollen Kinder und Jugendliche beteiligt werden?

Warum und wann macht die Partizipation von Kindern und Jugendlichen Sinn? Haben wir als Erwachsene, als diejenigen, die mit Kindern leben und arbeiten, als Eltern, Planerinnen und Planer nicht genügend ausgebildeten Sachverstand, Fantasie und Einfühlungsvermögen, um Kinderinteressen selbst einzubringen? Wissen wir denn nicht, was Kinder wollen und brauchen? Sind wir nicht alle selbst einmal Kinder gewesen, haben wir nicht selbst Kinder oder zumindest Bekannte mit Kindern? Ist Kinderbeteiligung nur eine weitere (sozial-) pädagogische Modeerscheinung, die genau so schnell, wie sie gekommen ist, wieder im Niemandsland verschwinden wird? Können wir uns überhaupt in diesen wirtschaftlichen Zeiten aufwändige Planungen mit Beteiligung leisten?

Fragen, die immer wieder gestellt werden, wenn es um die Beteiligung von Kindern und Jugendlichen geht. Fragen, die wichtig sind, auf es die aber auch gute Antworten gibt.
 

Gute Gründe, Kinder an der Planung und Gestaltung ihrer Umwelt zu beteiligen

Beteiligung macht Sinn, weil (wenn) Kinder und Jugendliche unmittelbar demokratische Erfahrungen machen können. Beteiligung lässt Kinder und Jugendliche Mitbestimmung und Mitverantwortung lernen – ohne die Erwachsenen aus der Pflicht zu nehmen. Beteiligung – im Sinne des Erlernens von Demokratie – wird dabei nicht vorrangig verstanden als Hineinwachsen in das politische System, sondern als alltäglich praktizierte Mitsprache und Mitbestimmung, als Alltagsdemokratie. Mitreden, Mitmachen, Mitplanen und Mitbestimmen sind die Stufen dieses demokratischen Prozesses.

Kinder und Jugendliche, die sich selbst als aktiv gestaltend erfahren, werden sich auch als Erwachsene eher an der Gestaltung des Gemeinwesens beteiligen. Mädchen und Jungen, die vielfältige Lern- und Erfahrungsmöglichkeiten in ihrer unmittelbaren und weiteren Umwelt haben und die Demokratie positiv erfahren, haben das notwendige Verständnis für das Gemeinwesen.

Die Umweltpsychologin Ann Johannson von der Universität Stockholm hat dies in einer schwedischen Studie empirisch belegt. Sie untersuchte, welche Wirkungen die Beteiligung von Schülerinnen und Schülern bei der Umgestaltung ihrer Schule hatte. Ergebnis: Die Einstellungen der Beteiligten haben sich hinsichtlich Verantwortung, Engagement und der Wahrnehmung von Einflussmöglichkeiten auf Entscheidungsprozesse in der Kommune deutlich positiv verändert. Eine neue Studie aus Schleswig-Holstein kommt zu ähnlichen Ergebnissen (nachzulesen in der “Beteiligungskiste” von Waldemar Stange). Kinder und Jugendliche beteiligen sich gerne und zeigen ihr politisches Engagement an den Dingen, die für sie nahe und von direktem Nutzen sind, sagt auch die 14. Shell-Jugend-Studie.

Beteiligung macht Sinn, weil (wenn) Kinder und Jugendliche die Auswirkungen ihres Engagements sehen, nachvollziehen und sich damit identifizieren können. Kinder und Jugendliche erhalten über ihre Beteiligung die Chance, sich in einer vielfach fremdbestimmten Umwelt einen eigenen Lebensbereich zu schaffen, für den sie ein Stück Verantwortung übernehmen können.

Stadtplanung und Stadtgestaltung sind komplexe Vorgänge, mit vielen technischen, zeitlichen, finanziellen und organisatorischen Vorgaben und Einschränkungen. Zwischen Idealvorstellung, realistischem Entwurf und fertigem Ergebnis bestehen oft erhebliche Differenzen. Die Beteiligung von Kindern und Jugendlichen bietet die Chance, dass sie sich mit dem Ergebnis identifizieren können und für Abweichungen von der Idealvorstellung Verständnis aufbringen – vorausgesetzt, Planungsvorgang und Beteiligungsprozess sind transparent und werden altersgerecht betreut.

Gelungene Partizipationsprozesse sind methodisch differenziert und längerfristig angelegt. Sie berücksichtigen die Alters- und Sozialstruktur der Beteiligten genauso wie die verschiedenen Bedürfnisse, die verschiedenen (sozial-) räumlichen Gegebenheiten, die Einzugsbereiche und Nationalitäten.

Trotz vieler planerischer Vorgaben und Grenzen ist ein guter partizipativer Prozess so offen, dass Platz für Unvorhergesehenes, für Spontaneität, Fantasie und unerwartete Entwicklungen bleibt, damit sich die beteiligten Kinder und Jugendlichen in den Ergebnissen wieder finden können.

Beteiligung macht Sinn, weil (wenn) Kinder und Jugendliche als Experten in eigener Sache ernst genommen werden. Dass Kinder und Jugendliche selbst am besten wissen, was sie wollen und brauchen, ist eine Leitidee für die Beteiligung. Sie sind Experten in eigener Sache. Aufwändige Fehlplanungen können vermieden werden, wenn man die befragt, die es betrifft – in diesem Fall Kinder und Jugendliche. Vorausgesetzt, Erwachsene hören ihnen zu, nehmen sie ernst, unterstützen sie bei der Suche nach Lösungen und bieten vielleicht sogar noch Möglichkeiten, bei der Realisierung selbst mit Hand anzulegen.

Beteiligung macht Sinn, weil (wenn) sie zum Dialog der Generationen anstiftet. Demokratie lebt vom gelungenen Interessenausgleich. Bislang sind die jüngsten Bewohnerinnen und Bewohner unserer Gesellschaft in der Kommune strukturell benachteiligt: Jede andere Interessengruppe kann für sich und meist auch von sich aus Lobbyarbeit in eigener Sache leisten, sich zumindest über Wahlen artikulieren. Kinder und Jugendliche bis 18 Jahren (in manchen Kommunen bis 16 Jahren) können das nicht. Die Beteiligung von Kindern und Jugendlichen auf vielen verschiedenen Ebenen scheint deshalb das Gebot der Stunde, da sich nur so die Interessen der Noch-nicht-Wahlberechtigten in den demokratischen Prozess einbringen lassen. Gelingen kann Beteiligung jedoch nur, wenn dabei der Interessenausgleich mit anderen nicht zu kurz kommt.

Beteiligungsprozesse mit Kindern und Jugendlichen müssen deshalb immer auch zum Dialog der Generationen anstiften, bei dem jeder Lernender und Lehrender zugleich ist. Kinder und Jugendliche stecken dabei mit ihrer kreativen Lösungskompetenz an. Sie beleben demokratische Meinungsbildungsprozesse, suchen die ehrliche Auseinandersetzung, lassen sich nicht mit Ausreden abspeisen, wollen Rückmeldungen auf ihre Ideen und Vorschläge. Erwachsene sollten sich die Gestaltungslust, das schöpferische Potential, die Kommunikationsbereitschaft und den oft erstaunlichen Realitätsbezug der jungen Generation nicht entgehen lassen.

Beteiligung macht Sinn, weil sie ein Recht der Kinder und Jugendlichen ist. Kinder sind von Beginn an Einwohnerinnen und Einwohner. Ob es neben stark formalisierten – schon für Erwachsene schwer verständlichen – Bürgerbeteiligungsverfahren eigene für Kinder, Jugendliche und ihre Familien braucht, darüber streiten sich Experten und Expertinnen, Kommunen und Länder. In einigen Kommunen werden ausgefeilte Partizipationsverfahren (die übrigens häufig auch Erwachsenen zugute kommen!) bereits mit beträchtlichem Erfolg praktiziert, in anderen Städten und Gemeinden wird vorsichtig ausprobiert, wo und wie sich Kinder an Stadtplanung und -gestaltung beteiligen lassen.

Beteiligung macht Sinn, wenn sie von Erwachsenen professionell begleitet wird. Die Beteiligung von Kindern und Jugendlichen erfordert in erster Linie ein Umdenken von Erwachsenen. Dabei spielt die “Haltung” der Erwachsenen gegenüber Kindern eine ganz wichtige Rolle. Wenn wir sie nur beteiligen, weil es “angesagt” ist – quasi als Mittel zum Zweck, ohne innerliche Bejahung des Prozesses, ohne sie wirklich wertzuschätzen -, dann spüren das die Kinder und Jugendlichen. Im günstigsten Fall verweigern sie sich “nur” .

Erwachsene schaffen den Raum und den Rahmen, der es den Jüngsten ermöglicht, demokratische Erfahrungen dort zu sammeln, wo sie unmittelbar die Auswirkungen ihres Engagements nachvollziehen und Veränderungen, an denen sie beteiligt waren, direkt begreifen können: im unmittelbaren Umfeld, in der eigenen Lebenswelt, in der überschaubaren Kommune.

Einige Erfahrungen mit Kinderbeteiligung: Die Beteiligung von Kindern und Jugendlichen funktioniert dort am besten, wo sie “von oben” gewollt ist und von Erwachsenen professionell und unterstützend begleitet wird. Erwachsene kümmern sich um die Rahmenbedingungen, sichern die methodische Vielfalt und begleiten den Umsetzungsprozess – auch über das eigentliche Beteiligungsprojekt hinaus. Sie belasten nicht die Kinder mit dem “Bohren dicker Bretter” , wie Max Weber das oft mühselige Geschäft der politischen Veränderung genannt hat, sondern üben sich selbst beharrlich in dieser Kunst. Selbstverständlich gilt auch hier der Grundsatz: “Nur so viel wie nötig!” – denn das, was Kinder und Jugendliche selbst machen können und wollen, sollte man sie auch selbst machen lassen.

Kinderbeteiligung ist den Kinderschuhen mittlerweile entwachsen. Niemand braucht, um ein gutes Beteiligungsprojekt zu starten, ganz von vorne zu beginnen. Es liegen mittlerweile gute Erfahrungsberichte und Methodenbeschreibungen, einige nach wissenschaftlichen Kriterien ausgewertete Forschungsberichte und etliche Nachschlagewerke zur Partizipation von Kindern und Jugendlichen vor. In einigen Bundesländern – wie in Schleswig-Holstein, Niedersachsen sowie Rheinland-Pfalz – und auch bundesweit werden ModeratorInnen für Beteiligungsprojekte ausgebildet. Einzelpersonen, Büros und Institute haben sich auf die Organisation, Moderation und Begleitung von Beteiligungsprojekten und -prozessen spezialisiert – manchmal innerhalb der Verwaltung, manchmal bei freien Trägern, aber auch als Selbständige.

Beteiligung macht Sinn, weil (wenn) sie die Politik durch neue Formen anregt und weil (wenn) sie die Verwaltung bürgerinnen- und bürgerfreundlicher agieren lässt. Beteiligung von Kindern und Jugendlichen gelingt dort, wo Politik und Verwaltung kooperieren, wo Jugendamt, Stadtplanung, Gartenbau, Schulverwaltung und Sozialdezernat zusammenarbeiten, um gemeinsam eine kinderfreundlichere Kommune zu verwirklichen. Kinderbeteiligung ist wichtig für eine ernst gemeinte kinderfreundliche Umgestaltung der Kommune oder der Gesellschaft. Die Teilhabe an Veränderungsprozessen ist der Gradmesser, ob das Ziel einer kinderfreundlichen Kommune bzw. eines kinderfreundlichen Landes erreicht wurde oder erreicht werden wird.

Das Zusammenwirken über Berufsgrenzen hinweg, ein interdisziplinärer Erfahrungs- und Wissenstransfer bieten darüber hinaus die Chance, spannend und nützlich, zeit- und ressourcensparend, effizient und bedarfsgerecht arbeiten zu können – auch und besonders in wirtschaftlich schwierigen Zeiten. Wenn es mit einem Beteiligungsprojekt gelingt, die Enge überholter Ressortaufteilungen zu überwinden und die Ergebnisse der Beteiligung der Kinder und Jugendlichen zu einem wichtigen Gradmesser für die Planungsqualität zu machen, sind wir ein ganzes Stück auf dem Weg zu einer lebendigen, solidarischen Gemeinschaft voran gekommen.

Beteiligung macht Sinn, weil kinderfreundliche Kommunen lebenswert für alle sind. Eine kinder- und familienfreundliche Umwelt zu schaffen und zu erhalten wird verstanden als wichtige Zukunftsaufgabe. Sie bedeutet mehr Lebensqualität und belebt unsere Lebensorte als Gemeinwesen. Das kann nur gelingen, wenn Kinder, Jugendliche und Erwachsene ihre Wünsche, Bedürfnisse und Vorstellungen gemeinsam einbringen können. Ein kinderfreundlicher, mit Kindern geplanter und gestalteter Spielraum bietet (meist) auch für andere eine hohe Aufenthaltsqualität. Eine kinderfreundlich gestaltete Verkehrsumwelt ist auch für andere sicherer. Kinder wissen zudem oft besser als erwachsene Verkehrsfachleute, wo gefährliche Überwege sind, wo die Ampelschaltungen für Fußgänger oder Radfahrer nicht passen, wo Radwege gefährlich in Straßen einmünden oder wo nach bestimmten Kurven die Sicht durch Büsche verdeckt ist, die sich im Laufe der Jahre verändert haben.

Die drei wichtigsten Formen der Beteiligung von Kindern

Die drei wesentlichen Formen der direkten Beteiligung von Kindern im öffentlichen Raum, ihre Vor- und Nachteile, Chancen und Möglichkeiten sollen nun detaillierter beschrieben werden: Das sind die repräsentativen, die offenen und die projektgebundenen Formen der Partizipation von Kindern. Eine neue, übersichtliche Zusammenstellung von Kinderbeteiligungsmodellen mit vielen Beispielen aus der Praxis findet sich zum Beispiel im “Nachschlag(ewerk) Kinderpolitik” (2003), herausgegeben vom Deutschen Kinderhilfswerk in Berlin. Für die vertiefende Arbeit mit Kinderbeteiligung in Theorie und Praxis bietet sich die “Beteiligungskiste” (2003) an, herausgegeben im Auftrag des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend von der Fachstelle Kinderpolitik/ Lehrstuhl Prof. Waldemar Stange an der Fachhochschule Nordostniedersachsen in Lüneburg.

Projektbezogene Beteiligung

Bei dieser Form der Partizipation werden Kinder und Jugendliche an der konkreten Planung und Realisierung zeitlich, inhaltlich und räumlich begrenzter Projekte beteiligt. Das kann zum Beispiel der Bau eines Spielplatzes oder Schulhofs sein, die Mitarbeit bei Verbesserungen des Schulwegs oder die Erstellung eines Kinderstadtplans. Während der Projektarbeit entwickeln die Mädchen und Jungen unter Anleitung von Erwachsenen ihre Vorstellungen und Wünsche zur Planung (Planungsbeteiligung) und tragen, wenn möglich, auch zur Verwirklichung bei (Realisierungsbeteiligung).

Die vier oder fünf Phasen eines Planungsbeteiligungsprojekts

Abhängig von Projektzeitraum, von personellen und finanziellen Ressourcen und dem Veranstaltungsort bietet sich eine Aufteilung des Partizipationsprojektes in vier Phasen an: In einer Sensibilisierungs- bzw. Einstiegsphase werden die Kinder und Jugendlichen über das Projekt informiert. Daran schließt sich zum Beispiel eine Zukunftswerkstatt an, die Möglichkeiten zur Kritik und zur Entwicklung neuer Ideen bietet. Fantasie ist hier gefragt. Die konkreten Wünsche der Kinder und Jugendlichen werden anschließend in einer Planungszelle erarbeitet und schließlich in einer Realisierungsphase bestmöglich umgesetzt. Mancherorts schließt sich daran eine fünfte Phase der Beteiligung an, die der Nutzung und Aneignung.

In allen Phasen ist eine gute Öffentlichkeitsarbeit notwendig, die sowohl die Binnenkommunikation (der Beteiligten untereinander) wie auch die Außenkommunikation (zum Beispiel mit Medien oder AnwohnerInnen bzw. anderen “Betroffenen” ). Diese Phasen ergeben zusammen eine “Beteiligungsspirale” (nach Waldemar Stange.

Die Rahmenbedingungen müssen stimmen

Beteiligungsprojekte sind keine Selbstverständlichkeit. Probleme gibt es vor allem bei der Organisation und bei der Finanzierung. Partizipationsprojekte brauchen Personal: Meist wird hier professionenübergreifend zusammen gearbeitet – PlanerInnen mit PädagogInnen -, auch das ist bislang in der Planung neu. Partizipationsprojekte sind arbeitsaufwändiger als “normale” Planungsprojekte und kosten (etwas) mehr Geld. Neben einer professionellen und intensiven Unterstützung der Kinder während des Partizipationsprojektes sind auch eine gute Vor- und Nachbereitung wichtig.

Schwierigkeiten bei Beteiligungsprojekten

Schwierig sind bei Beteiligungsprojekten die oft langwierigen Entscheidungs- und Planungsprozesse der Kommunen; sie verhindern oft schnelle sichtbare Resultate. Es kann sich demotivierend auf Kinder auswirken, wenn nicht in kindgemäßen Zeiträumen und Dimensionen mitgedacht wird. Wenn die Ergebnisse einer Beteiligung erst nach Monaten oder sogar Jahren realisiert werden können, braucht es geeignete Verfahren, um diesen langen Zeitraum für Kinder nachvollziehbar zu gestalten.

Teilweise, wie zum Beispiel bei der Bauleitplanung, sind die Vorgänge zudem so abstrakt, dass sie für Kinder (wie auch für die meisten erwachsenen Laien) kaum durchschaubar sind. Deshalb werden Planungsbeteiligungsprojekte häufig eher bei konkreten Planungen praktiziert (Spielplatz, Schulhof, Wohnumfeld, Kindereinrichtungen). Es gibt inzwischen aber auch erfolgreiche Beteiligungsansätze für abstrakte Planungsebenen oder für das Entwickeln von Kinderfreundlichkeitskriterien zusammen mit Kindern.

Wenn die Rahmenbedingungen stimmen, ist die projektorientierte Beteiligung von Kindern und Jugendlichen eine geeignete und kindgerechte Form der Partizipation, was die große Zahl erfolgreicher Beteiligungsprojekte beweist.

Parlamentarische Formen der Beteiligung

Kinder- und Jugendparlamente orientieren sich am Vorbild von Stadt- und Gemeinderäten. Sie werden daher auch als Kinderstadtrat, Jugendgemeinderat, Kinder- und Jugendparlament oder ähnlich bezeichnet. Kinder und Jugendliche werden hier kontinuierlich beteiligt und haben die Möglichkeit, einen Einblick in die Arbeit demokratischer Institutionen zu bekommen. Sie vertreten die Interessen der Kinder und Jugendlichen ihrer Stadt, der Gemeinde oder ihres Landkreises, manchmal auch auf Landes- oder Bundesebene, teilweise sogar international. Fast jedes Kinder- und Jugendparlament hat eine eigene Organisationsstruktur, eigene Modalitäten für die Wahlen, eigene Entscheidungswege und Finanzierungslösungen.

Von “oben” oder von “unten”

In einigen Kommunen entstanden Beteiligungsgremien für Kinder und Jugendliche nach Beschluss des Stadt- oder Gemeinderates auf Initiative von erwachsenen Entscheidungsträgern. In anderen waren es Kinder und Jugendliche selbst, die ein eigenes Parlament durchsetzten.
Wahlen meist Voraussetzung für repräsentative Beteiligungsformen

Die Mitglieder von Kinder- und Jugendparlamenten werden entweder durch Wahl oder durch das Bestimmen von Delegierten festgelegt. Wahlen finden meist in Zusammenarbeit mit Schulen oder Freizeiteinrichtungen statt. Wahlberechtigt sind alle Kinder und Jugendlichen des Ortes in einer vorher festgelegten Altersgruppe. Manchmal werden auch Schüler aus jeder Schule oder aus den Jugendverbänden direkt delegiert. Die gewählten Vertreter oder Delegierten repräsentieren die Kinder und Jugendlichen ihrer Kommune.

Repräsentative Beteiligungsformen eher für die Größeren

Es gibt Parlamente, in denen sowohl Kinder als auch Jugendliche mitarbeiten; in anderen machen nur Kinder oder nur Jugendliche mit. Kinderparlamentarier sind meist nicht jünger als acht Jahre; in ein Jugendparlament oder einen Jugendrat werden Jungen und Mädchen ab 12 oder 14 Jahren gewählt. Diese Form der Beteiligung scheint sich in der Praxis eher für die Größeren zu bewähren.

Parlamente und Gemeinderäte für Kinder und Jugendliche sind wichtige Plattformen, in denen Fragen und Probleme von Kindern und Jugendlichen an ihrem Wohnort, in ihrer Stadt oder Region diskutiert werden. Ein Kinder- und Jugendparlament kann zum Beispiel Fragen zu Spielplatzplanungen, Radwegen, Schulhöfen und -bussen, zum Umweltschutz, zu Kinder- und Jugendzentren bearbeiten. Ziel ist, die Wünsche und Vorstellungen der Kinder und Jugendlichen zu diskutieren, in Entscheidungsprozesse einzubringen und umzusetzen. Dazu werden meist Lösungsvorschläge erarbeitet, die erwachsenen PolitikerInnen in Form von Anträgen vorgelegt werden.

Repräsentative Beteiligung braucht kontinuierliche Begleitung durch Erwachsene

Damit die Anträge von Kindern und Jugendlichen die nötige Beachtung finden, ist die Unterstützung von Erwachsenen nötig. Die kann durch Kinderbeauftragte, Kinderanwälte oder andere Interessensvertretungen für Kinder und Jugendliche erfolgen, ebenso durch Fachstellen der öffentlichen und freien Jugendhilfe.

Auch repräsentative Beteiligungsmodelle sind vielseitig

Manche Kinderparlamente gründen Arbeitsgemeinschaften oder Ausschüsse, um bestimmte Themen intensiver zu bearbeiten, und laden dazu interessierte Kinder und Jugendliche ein, auch wenn sie nicht Mitglieder des Parlamentes sind. In Arbeitsgemeinschaften und Parlamenten muss nicht nur geredet werden. Es können auch Aktionen geplant und umgesetzt werden. Das Methodenspektrum von Kinder- und Jugendparlamenten erweitert sich stetig und nähert sich offenen oder projektorientierten Formen an.

Vorteile von repräsentativen Beteiligungsformen

Kinder- und Jugendparlamente können einen verbindlichen Rahmen für die Partizipation von Mädchen und Jungen bieten. Erwachsene PolitikerInnen haben so feste Ansprechpartner. Ein institutionalisiertes Kinder- und Jugendparlament ermöglicht langfristiges Arbeiten, was für viele politische Entscheidungen wichtig ist. Kinder und Jugendliche können nachvollziehen, was aus ihren Forderungen und Anträgen geworden ist, und Erfolgskontrollen durchführen. Werden ihre Anträge nicht genügend beachtet, können sie mit Aktionen oder gezielter Öffentlichkeitsarbeit reagieren.

Eine enge Anbindung an die Kommune sichert den Kinder- und JugendvertreterInnen einen politischen und rechtlichen Rahmen, in dem sie ihre Ansichten diskutieren, gezielt Informationen einholen und Vorschläge erarbeiten können, die von der Verwaltung geprüft und in Entscheidungsprozesse einbezogen werden (müssen).

Nachteile von repräsentativen Beteiligungsformen

Kritiker bezeichnen Kinder- und Jugendparlamente häufig als Alibiveranstaltungen, in denen Kindern scheinbar Mitbestimmungsrechte eingeräumt werden, ihre realen Einflussmöglichkeiten aber gering sind. Auch die komplizierten und aufwändigen Wahlvorgänge werden kritisiert.

Die Arbeit in Kinder- und Jugendparlamenten sollte möglichst selbständig möglich sein und nicht von Erwachsenen beeinflusst oder gar kontrolliert und dominiert werden. Abweichungen zur Arbeit von Erwachsenenparlamenten sind erlaubt, wenn nicht sogar erwünscht. Eine zu enge Anlehnung an demokratische Strukturen von Erwachsenen benachteiligt sprachlich schwächere Kinder und Jugendliche. Die Organisation und Gestaltung von Kinder- und Jugendparlamenten sollten sich daher immer auch methodisch am Alter und an den Kompetenzen der beteiligten Jungen und Mädchen orientieren.

Eine kontinuierliche Betreuung und Begleitung durch Erwachsene ist fast immer notwendig, insbesondere in Parlamenten, in denen Kinder mitwirken. Bei Beteiligungsprojekten, bei denen die Betroffenen selbst mitentwickelten, wie eine optimale Beteiligungsstruktur aussehen soll (so zum Beispiel in Sindelfingen), kam zudem deutlich heraus, dass repräsentative Formen der Beteiligung eher für die Älteren und eher für Jungen interessant sind. Mehrschichtig angelegte Formen der Beteiligung und Interessenvertretung ermöglichen dagegen auch das Einbeziehen anderer Gruppen.

Offene Formen der Beteiligung

Im Unterschied zu repräsentativen, parlamentarischen Formen der Partizipation sind bei offenen Formen alle interessierten Kinder und Jugendlichen zum Mitmachen aufgerufen. Es gibt keine Wahlen, und die Zusammenkünfte sind weniger formal reglementiert. Jeder kann sein Anliegen und seine Meinung zu einem Thema äußern. Zu den offenen Beteiligungsformen zählen: Kinder- und Jugendversammlungen, Kinderkonferenzen, Kinderforen, Jugendforen und Runde Tische.

Offene Formen der Kinderbeteiligung werden vielerorts von freien Trägern betreut. Eingeladen werden – neben den Kindern und Jugendlichen des Ortes – PolitikerInnen, VertreterInnen der Verwaltung, Eltern oder andere erwachsene Fachleute. Eingeladen wird öffentlich, per Post, über Aushänge in Schulen und Jugendtreffs, über die Medien oder Gemeindeorgane. Kinderversammlungen, Kinderkonferenzen oder Kinder- und Jugendforen werden vielerorts in regelmäßigen Abständen organisiert. Runde Tische finden dagegen eher sporadisch statt und behandeln ein besonderes Anliegen oder Thema.

Inhalte offener Formen der Beteiligung

Inhalte der Veranstaltungen sind aktuelle Fragen oder besondere Anliegen der Kinder und Jugendlichen. Das kann die Mitsprache beim Bau eines neuen Jugendzentrums, bei der Spielraumgestaltung oder der Planung eines neuen Wohngebietes sein. Es kann aber auch darum gehen, langfristige Ideen oder Zukunftsbilder für eine kinderfreundliche Umwelt zu entwickeln.

Mit Hilfe eines Moderators oder einer Moderatorin diskutieren und entwickeln die Kinder ihre Vorstellungen und Vorschläge und überlegen, wie ihre Interessen bei Entscheidungen und Planungen berücksichtigt werden können. Meist finden Abstimmungen zu den einzelnen Tagesordnungspunkten statt. Auch offene Formen der Beteiligung haben meist eine Tagesordnung, bestimmte Spielregeln und Abläufe. Sie sind in der Regel aktionshaft und sehr kindgerecht in der Methodik (häufig aus dem reichen Spektrum kinderkulturpädagogischer Ansätze).

Mancherorts werden Kinder- und Jugendforen themenbezogen aufwändig mit mobilen Aktionen vorbereitet, um schon im Vorfeld viele Jungen und Mädchen anzusprechen und thematisch einzustimmen bzw. ihre Stimmen einzuholen und auf dem Forum selbst dann auch wiederzugeben (so zum Beispiel in München).

Vorteile der offenen Form der Beteiligung von Kindern

Die offene Form der Beteiligung von Kindern und Jugendlichen hat viele Vorteile; die Interessen der Kinder stehen meist im Vordergrund. Kinderversammlungen sind weniger formal reglementiert als Kinderparlamente. Viele Kinder können zu Wort kommen und aus eigener Betroffenheit heraus darstellen, was ihnen nicht gefällt oder wo sie Probleme haben. Durch regelmäßig stattfindende offene Formen der Kinder- und Jugendbeteiligung werden somit in der Regel weitaus mehr Kinder und Jugendliche für Beteiligungsverfahren erreicht als durch repräsentative Formen.

Erwachsene müssen sich dabei auf Kinder einstellen und ihnen hauptsächlich zuhören. In den Diskussionen wird ein direkter und persönlicher Kontakt zwischen PolitikerInnen und Kindern hergestellt, der zum besseren gegenseitigen Verstehen und Anerkennen führen kann.
Nachteile von offenen Formen der Beteiligung von Kindern

Von Nachteil sind der große organisatorische Aufwand offener Versammlungen und der eher unverbindliche Charakter. Verbindlichkeit kann nur schwer hergestellt und muss strukturell und konzeptionell gut verankert werden. Eine Kontrolle, was mit den Wünschen und Anliegen der Kinder passiert, ist nur machbar, wenn dafür vorher zwischen Politik, Verwaltung und Veranstaltern klare Regeln und Rahmenbedingungen vereinbart wurden. Wenn freie Träger offene Foren betreuen, ist der Einblick in weitere Entwicklungen (in Politik und Verwaltung) begrenzt.

Erwachsene bei offenen Formen unbedingt notwendig

Bei offenen Formen der Partizipation spielt das sprachliche Ausdrucksvermögen von Kindern bei der Verständigung mit Erwachsenen eine große Rolle; redegewandte Politiker sind den Kindern schnell überlegen. Deshalb ist die vermittelnde Moderation eines Erwachsenen notwendig, der für ein interessantes, ernsthaftes und folgenreiches Gespräch sorgt, bei dem die Kinder und ihre Anliegen im Vordergrund stehen. Aufgabe der erwachsenen Betreuer ist es, ein breites alters- und zielgruppengerechtes Methodenspektrum anzubieten, das auch weniger redegewandten Mädchen und Jungen die Chance bietet, sich einzubringen. Erfolgreich sind offene Formen der Beteiligung insbesondere dann, wenn Kinder sich gut vorbereiten und informieren können – vor oder während der Foren.

Fazit

Kinder zu beteiligen ist einfach. Denn sie lassen sich fast immer für Beteiligungsprojekte und andere Beteiligungsmöglichkeiten begeistern und bleiben dabei, wenn die Partizipation für sie” Sinn “macht und zu konkreten Verbesserungen führt. Weitaus schwieriger ist es, Erwachsene zu bewegen, Kinderbeteiligung ernst zu nehmen und kontinuierlich auf den unterschiedlichsten Ebenen in kindgerechter Form anzubieten.

Weiterführende Literatur

  • Bartscher, Matthias (1998): Partizipation von Kindern in der Kommunalpolitik. Freiburg im Breisgau
  • Bayerischer Jugendring (Hg.) (1997): Mitwirkung und Beteiligung von Kindern und Jugendlichen in den Gemeinden. Informationen, Praxisbeispiele, Handlungstipps. München
  • Bruner, Claudia F./ Winkelhofer, Ursula/ Zinser, Claudia (Hg.) (1999): Beteiligung von Kindern und Jugendlichen in der Kommune. Ergebnisse einer bundesweiten Erhebung. München
  • Bruner, Claudia F./ Winkelhofer, Ursula/ Zinser, Claudia (2001): Partizipation – ein Kinderspiel? Beteiligungsmodelle in Kindertagesstätten, Schulen, Kommunen und Verbänden. Herausgeber: Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend. Berlin
  • Bukow, Wolf-Dietrich (Hg.) (2000): Die Demokratie entdeckt ihre Kinder. Politische Partizipation durch Kinder- und Jugendforen. Opladen
  • Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (Hg.) (1998): 10. Kinder- und Jugendbericht. Bericht über die Lebenssituation von Kindern und die Leistungen der Kinderhilfen in Deutschland. Bonn
  • Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (Hg.) (2002): Familien- und Kinderfreundlichkeit. Prüfverfahren – Beteiligung – Verwaltungshandeln. Ein Praxisbuch für Kommunen. Schriftenreihe des BMFSFJ Band 221. Ohne Ort (Berlin)
  • Deutsche Shell AG/ Hurrelmann, Klaus (Hg.) (2002): Jugend 2002, 14. Shell Jugendstudie. Frankfurt am Main
  • Deutsches Kinderhilfswerk e.V. (Hg.) (2003): Nachschlag(ewerk) Kinderpolitik. Berlin
  • Deutsches Kinderhilfswerk e.V./ Aktion Schleswig-Holstein – Land für Kinder (Hg.) (1996): Planen mit Phantasie. Zukunftswerkstatt und Planungszirkel für Kinder und Jugendliche für Kinder und Jugendliche. Berlin/ Kiel
  • Deutsches Kinderhilfswerk e.V./ Aktion Schleswig-Holstein – Land für Kinder (Hg.) (1997): Mitreden – Mitplanen – Mitmachen. Kinder und Jugendliche in der Kommune. Berlin/ Kiel
  • Frädrich, Jana/ Jerger-Bachmann, Ilona (1995): Kinder bestimmen mit – Kinderrechte und Kinderpolitik. München
  • Frädrich, Jana (1999): Partizipation als Arbeitsprinzip. In: Netzwerk Rundbrief – Netzwerk für örtliche und regionale Familienpolitik, Hannover (Institut für Entwicklungsplanung – ies)
  • Frädrich, Jana (2001): Auf die Perspektive kommt es an! Partizipation in der Praxis einer Großstadt. Das Aktionsprogramm” München – Stadt für Kinder “. In: Kammerer, Bernd (Hg.): Beteiligung von Kindern, für Kinder, mit Kindern. Nürnberg
  • Gemeinschaftsaktion” Niedersachsen – Ein Land für Kinder “(Hg.) (2002): Beteiligung von Kindern und Jugendlichen – Eine Arbeitshilfe für die Praxis. Hannover
  • Hermann, Michael C.: Zu Organisation und Bewährung von Jugendparlamenten. Mit Geschäftsordnungen und Satzungen. Weingarten
  • Kammerer, Bernd (Hg.) (2001): Beteiligung von Kindern, für Kinder, mit Kindern. Nürnberg
  • Merk, K. Peter (2002a): Rechtliche Basis und Rahmenbedingungen von Kinder- und Jugendbeteiligungsprojekten. Berlin (unveröffentlichtes Manuskript im Rahmen der Moderatorenausbildung für Beteiligungsprojekte, Bezug über das Deutsche Kinderhilfswerk e.V., Berlin)
  • Merk, K. Peter (2002b): Die Dritte Generation. Generationenvertrag und Demokratie – Mythos und Begriff. Aachen
  • Ministerium für Arbeit, Gesundheit und Soziales des Landes Nordrhein-Westfalen (Hg.) (1996): Mittendrin und Außen vor – Kinderbeteiligung und Alltagspartizipation. Düsseldorf
  • Ministerium für Frauen, Jugend, Wohnungs- und Städtebau des Landes Schleswig-Holstein/ Gemeinschaftsaktion Schleswig-Holstein – Land für Kinder (Hg.) (1998): Kinderfreundliche Stadtentwicklung. Dokumentation der Fachtagung. Kiel
  • Ministerium für Kultur, Jugend, Familie und Frauen des Landes Rheinland-Pfalz (Hg.) (1995): Kinderfreundliches Rheinland-Pfalz. Nützliche Tipps für engagierte Kommunen. Mainz
  • Münchner Kinder- und Jugendforum/ Ökoprojekt von MobilSpiel e.V. im Auftrag der Kinderbeauftragten der Landeshauptstadt München (Hg.) (1999): Handbuch zum Kinder-Aktions-Koffer. München
  • Oerter, Rolf/ Höfling, Siegfried (Hg.) (2001): Mitwirkung und Teilhabe von Kindern und Jugendlichen. München
  • Palentien, Christian/ Hurrelmann, Klaus (Hg.) (1997): Jugend und Politik. Ein Handbuch für Forschung, Lehre und Praxis. Neuwied
  • Schröder, Richard (1996): Freiräume für Kinderträume. Weinheim und Basel
  • Schröder, Richard/ LBS-Initiative Junge Familie (Hg.) (1995): Kinder reden mit! Beteiligung an Politik, Stadtplanung und Gestaltung. Weinheim/ Basel
  • Stange, Waldemar (1996): Planen mit Phantasie. Kiel/ Berlin
  • Stange, Waldemar (Hg.) (2003): Die Beteiligungskiste. Im Auftrag des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend. Lüneburg/ Berlin
  • Urbanes Wohnen/ Projekt Grüne Schul- und Spielhöfe im Auftrag der Kinderbeauftragten der Landeshauptstadt München (Hg.) (2000): Handbuch Kinder-Plan-Bau-Wagen. München

Weitere Informationen

Eine bundesweite Übersicht über Beteiligungsmodelle und -projekte bietet die kinderpolitische Landkarte der Infostelle Kinderpolitik des Deutschen Kinderhilfswerks e.V. hier. Hier gibt es auch eine detaillierte Literaturdatenbank, die ständig aktualisiert wird.

Autorin

Jana Frädrich ist Kinderbeauftragte der Landeshauptstadt München.

Erstellt am 23. Mai 2003, zuletzt geändert am 15. Februar 2010