Singen mit Kindern in der Kindertagesstätte und zu Hause
Marion Richter
Singen mit Kindern lässt sich vom Thema musikalische Früherziehung nicht trennen. Der Gesang ist ein Teil des Ganzen. In Kindertagesstätten, aber auch zu Hause wird nicht einfach nur “trocken” gesungen. Oder haben Sie ihr Kind schon einmal vollkommen unbeweglich auf einem Stuhl sitzen sehen, wenn es singt?
In unserer Kindertagesstätte beziehen wir daher rhythmische Instrumente mit ein und achten auf eine Integration von Tanz und Bewegung.
Was wir beim Singen mit Kindern beachten
Neben dem täglichen Singen, der vielfältigen und altersgemäßen Liedauswahl ist uns die Anpassung der Tonhöhe an die kindliche Stimme sehr wichtig. So stellen wir immer wieder mit Bedauern fest, dass die sogenannten “Kinderliedermacher” keinesfalls die hohe Lage der kindlichen Stimmen berücksichtigen. Nicht nur das setzt eine Musikalität der Erzieherinnen voraus: Das Liedgut muss tonal angepasst werden, Notenkenntnisse müssen vorhanden sein, das Spielen eines Instrumentes ist von Vorteil. Und singen zu können halten wir für hilfreich. So profitieren wir als Kindertagesstätte davon, dass eine Erzieherin Flöte und eine Akkordeon spielt. Zwei Erzieherinnen spielen Gitarre, eine weitere besitzt Grundkenntnisse des Klavierspiels und eine Erzieherin singt seit ihrer Kindheit und hat Stimmbildung genossen.
Weshalb singen wir in unserer Einrichtung?
Der Gesang begleitet und gliedert unter anderem den Tagesablauf in unserer Einrichtung. Er ermöglicht Abwechslung und Ausgleich und spricht sehr viele Kinder an. Durch Wiederholungen, Rituale, erreichen wir alle Kinder, vermitteln ihnen Sicherheit und Orientierung.
Durch das Singen eines “Aufräumlieds” oder “Frühstückslieds” erkennen die Kinder sofort, dass eine Phase des Tages beendet wird. Das Ende bedeutet für die Kinder auch, gleich kommt etwas Neues, Anderes.
Hier kann ich als Beispiel die in der Aufräumphase gesungene Liedphrase “1,2,3, das Spielen (Turnen) ist vorbei. Alle Kinder, groß und klein räumen jetzt das Spielzeug ein. 1,2,3, das Spielen ist vorbei.” anführen. Die Melodie ist die des überlieferten Kinderverses “A,B,C, die Katze lief in den Schnee,…” . Dieses Kinderlied muss erst gar nicht in einem Liederbuch gesucht werden, falls Sie es nicht kennen, fragen Sie doch einfach ihre Eltern oder Großeltern, die singen es Ihnen sicher gleich vor.
Vielleicht probieren Sie das “Aufräumlied” mit ihrem Kind zu Hause aus, damit nicht immer alles für Sie liegen bleibt. Singen Sie das Lied mit ihrem Kind und streuen Sie bei großem Spielchaos ein paar Aufräumaufgaben mit Gesang ein: z.B. Jetzt räumen wir alles ein, was rot ist (Melodie: “Grün, grün, grün sind alle meine Kleider…” ).
Beim Text sind Ihrer Kreativität keine Grenzen gesetzt. Eine Spielregel könnte dann noch sein, wenn das Lied zuende gesungen ist, soll alles in dieser Farbe weg sein. Falls Sie dies ausprobieren, nehmen Sie sich Zeit und lassen ihr Kind erst einmal nicht alleine. Denn Aufräumen ist langweilig und ohne spielerische Aufräumimpulse Ihrerseits verfällt Ihr Kind wieder ins Spiel! Ach ja, ein guter Anreiz zum Wegräumen ist auch hier, wenn ihr Kind weiß, was dann kommt (Besuch der Oma, Schokoladenkuchen,…).
Sicherheit und Orientierung geben wir den Kindern natürlich auch mit wiederkehrendem Liedgut im Jahreskreis. Die Kinder werden nicht nur auf bestimmte Ereignisse (Feste,
Ferien, …) vorbereitet (Steigern der Vorfreude), sondern empfinden dadurch die Wartezeit bis dahin als verkürzt.
Ein besonderes Ereignis ist für Kinder immer Weihnachten. Die Adventzeit bietet sich geradezu an, in der Familie zu singen. Man sitzt beieinander, entzündet Kerzen am Adventkranz, öffnet ein Tor im Adventkalender oder backt Plätzchen. Bei diesen Handlungen können Sie zusammen Weihnachtslieder singen und verstärken dadurch das Gefühl von Sicherheit und Geborgenheit Ihres Kindes. Sie erleichtern ihrem Kind das Warten auf das Weihnachtsfest und bereiten es durch eine feierliche Stimmung vor.
Rituale und Wiederholungen im Gesang bedeuten unter anderem auch Sprachförderung, Erweiterung des Sprachschatzes und Förderung des Erinnerungsvermögens.
Singen in Verbindung mit rhythmischen Elementen fördert die akustische Wahrnehmung. Die Unterscheidungsfähigkeit wird deutlich vermittelt und Sensibilität gefördert. So wirken Lieder, in denen manche Stellen mal laut, mal leise gesungen werden oder in denen ein Tempowechsel stattfindet, auf Kinder nicht nur motivierend, sondern auch konzentrationssteigernd.
Der Gesang hat Aufforderungscharakter und fördert die Gemeinschaft. In einem Lied heißt es ja auch treffend: “Wenn du singst, sing nicht allein, steck andre an, singen kann Kreise zieh´n …” (zu finden in: “Das Liederbuch zum Umhängen” , erschienen im Menschenkinder Verlag Münster). Nimmt eine Erzieherin ihre Gitarre zur Hand und zieht sich mit zwei, drei Kindern in eine Spielecke zurück, finden sich nach kurzer Zeit weitere Kinder dort ein.
In der Praxis ist es interessant zu beobachten, wie Kinder in bestimmten Situationen auf das gesprochene Wort im Vergleich zu gesungenen Aufforderungen reagieren. Ich kann z.B. am Morgen des öfteren durch die Gruppe laufen und fragen, wer noch nicht gefrühstückt hat; damit erreiche ich jedoch nicht all zu viel. Singe ich einmal: “Wer hat noch nicht gegessen. Essen nicht vergessen.” , erhalte ich sofort Aufmerksamkeit, ein paar Kinder stimmen direkt mit ein und die anderen suchen den Frühstückstisch auf.
Im Zusammenhang mit der Gemeinschaft fällt in den Gruppen immer wieder auf, wie wichtig Spiellieder sind, in denen der “Kontakt” im Mittelpunkt steht. Ein sehr beliebtes “Singspiel” ist das Pinguinlied. Es verlangt Körperkontakte. Ein Spiellied das hilfreich ist, Berührungsängste abzubauen.
Pinguin-Lied (aus: “Guck, der kleine König kommt” , erschienen im Patmos Verlag): Das Lied hat so viele Strophen, wie Sie mögen und lässt sich sehr leicht spielen, weil man nur die Bewegungen machen muss, die im Text vorkommen.
Hier einmal zur Verdeutlichung der Text einer Strophe:
“Ein kleiner Pinguin steht einsam auf dem Eis. ”
(Mit geschlossenen Beinen, an den Körper gedrückten Armen still stehen.)
” Pitsch, patsch Pinguin, jetzt läuft er schon im Kreis, pitsch, patsch Pinguin, jetzt läuft er schon im Kreis. ”
(Bei pitsch, patsch in die Hände klatschen und wie ein Pinguin im Kreis herum watscheln.)
“Und der Nordwind weht übers weite Meer, pitsch, patsch Pinguin, da friert er aber sehr, pitsch, patsch Pinguin, da friert er aber sehr.”
(Still stehen, ein wenig wanken, in die Hände klatschen, zittern, in die Hände klatschen, zittern.)
“Und er sucht sich einen anderen Pinguin, pitsch, patsch Pinguin, sie kitzeln sich am Kinn, pitsch, patsch Pinguin, sie kitzeln sich am Kinn.”
(Vor einem anderen Kind stehen bleiben, in die Hände klatschen, sich gegenseitig am Kinn kitzeln / auch das zwei mal.)
Dieses Lied könnten Sie auch sehr schön mit Kindern auf der Geburtstagsparty zu Hause spielen. Erst ist ein Kind Pinguin, vielleicht das Geburtstagskind, dann zwei, dann vier Kinder usw.
Bei allen bisher genannten Beispielen, steht eines jedoch immer im Vordergrund:
Singen ist eine natürliche Ausdrucksmöglichkeit aller Stimmungen und ganz besonders der Freude!
Wie gehen wir in der Kita mit Musikinstrumenten um?
Musikinstrumente stehen den Kindern in unserer Kindertagesstätte frei zur Verfügung. Aus diesem Grund ist es sehr wichtig, die Kinder schrittweise an Instrumente heranzuführen. Versuchsweise haben wir den Kindern Instrumente ohne Erläuterungen zur Verfügung gestellt. Dabei konnte beobachtet werden, dass sie einfach nur auf den Musikinstrumenten “herumhauten” . Der Zweck schien hier lediglich die Lautstärke zu sein (sich stark fühlen, sich abreagieren …). Das hat selbstverständlich nichts mit Musikalität zu tun. An Hand dieses Versuchs wird deutlich, wie wichtig es ist, den Kindern mit Hilfe des Erwachsenen, einen Zugang zu Instrumenten zu verschaffen. Sicher spielt die Vorbildfunktion der Erzieherin da eine große Rolle. Es ist weder kindgerecht noch gut für das Gehör, wenn der Erwachsene laut mit einem Schlägel auf ein Tamburin schlägt. Ein Tamburin (Handtrommel) sollte auch nur mit der Hand gespielt werden. Der richtige Umgang mit Instrumenten ist die Voraussetzung für einen gezielten und freudebringenden Einsatz bei Liedern und Spielen. So sollte z.B. die Triangel nicht als Rhythmusinstrument eingesetzt werden. Sie besitzt einen langanhaltenden Ton, der nur hin und wieder angespielt werden darf.
Eine gute Möglichkeit, die Kinder mit unterschiedlichen Musikinstrumenten vertraut zu machen, ist unter anderem eine regelmäßige Auseinandersetzung mit einem Instrument. Im Detail könnte das wie folgt ablaufen:
- Benennung dieses Instrumentes,
- Klang (hoher / tiefer Ton, langer / kurzer Ton),
- Handhabung des Instrumentes und natürlich
- Einsatz bei Liedern und Spielen.
Nehmen wir hier einmal den Schellenkranz zur Hand, der sich besonders zur spielerischen Schulung des Gehörs eignet. Bekannte und bei Kindern beliebte Spiele sind u.a.
“Der Schellenkranz geht herum” ,
“Bello, pass auf, dein Knochen ist weg” ,
“Hund und Knochen” oder “Eckenraten” .
Diese Spiele werden Sie kaum in Büchern finden: Es handelt sich hier meist um zwei, drei Sätze, die mit einfachen Tönen verziert und mündlich überliefert wurden.
Das “Eckenraten” , bei dem ein Kind mit verbundenen Augen in der Mitte sitzt und in die Richtung des angeschlagenen Instrumentes zeigt, fördert die Hörfähigkeit, vor allem das für den Straßenverkehr so wichtige Richtungshören.
Durch das Heranführen an den Umgang mit den Musikinstrumenten entsteht bei den Kindern auch eine Form von Wertschätzung.
Mit großer Freude haben wir festgestellt, dass sich, seit dem die Instrumente frei zur Verfügung stehen auch eine “Eigendynamik” entwickelt hat. Es finden sich spontan immer wieder Kinder, die sich mit Instrumenten ausstatten und ihre eigenen Lieder kreieren. Es macht den Kindern Spaß, gerade Erlebtes oder Alltagssituationen in eigene Texte zu stecken und so zu verarbeiten. Für den Erwachsenen ist das nicht immer ein Ohrenschmaus, aber die Freude steckt an!
Welchen Stellenwert haben Lieder in unserer religiösen Erziehung?
Da wir in unserer Kindertagesstätte intensiv im religionspädagogischen Bereich arbeiten und den ganzheitlichen Ansatz bevorzugen, vermitteln wir viele religiöse Inhalte in kleinen Gruppen. Bei etlichen Durchführungen würde ohne die musikalische Begleitung ein Intensitätsverlust stattfinden. Mit einem Lied oder einem Tanz kann sehr viel ausgesagt und verinnerlicht werden. Die Freude über das, was empfunden wird, was gedacht oder erahnt wurde, was man sich vorgestellt hat, wird musikalisch zum Ausdruck gebracht.
In diesen Kleingruppen beobachten die Erzieherinnen verstärkt, dass die Kinder spontan auf unser Liedgut zurückgreifen, um ihrer momentanen Situation und ihren Gefühlen Ausdruck zu verleihen. Eine Begebenheit, die Eltern uns zugetragen haben, ist dafür ein schönes Beispiel: Die Familie war am Abend auf dem Nachhauseweg von einem Besuch, als die Tochter den Vater fragte, ob er sie auf den Arm nehmen könnte, es sei so dunkel, sie hätte Angst. Der Vater nahm sie auf den Arm und sie fing an zu singen: “Gottes Liebe ist wie die Sonne, sie ist immer und überall da …” .
Weitere Lieder, die die Kinder gerne spontan singen, sind u.a:
“Gottes Liebe ist so wunderbar” ,
“Wir tragen dein Licht” ,
“Lasst uns miteinander” oder
“Sonne, die ich meine” .
Diese Lieder finden Sie auch in dem “Liederbuch zum Umhängen” , erschienen im Menschenkinder Verlag Münster.
Diese wichtige Art sich auszudrücken, wird von uns unterstützt und gefördert.
Hier noch einige kleine Ratschläge für Sie in der Familie
Nicht jede Mutter oder jeder Vater spielt ein Instrument oder kann Noten lesen. Lassen Sie sich dadurch nicht entmutigen! Wie schon einmal erwähnt sind Ihrer Phantasie und Kreativität keine Grenzen gesetzt. Erfinden Sie einfach etwas. Falls Sie das alleine nicht schaffen, kein Problem, Ihr Kind hilft Ihnen sicher dabei. Auch wenn Sie kein “tolles Ergebnis” vorweisen können, Spaß haben Sie mit Ihrem Kind auf jeden Fall!
Sollte Ihnen das Erfinden nicht so liegen, auch da gibt es eine Möglichkeit: Zu vielen Liederbüchern gibt es MC´s oder CD´s im Handel. Sollten Ihnen Tonträger zusagen, dann empfehle ich Ihnen Kindergartenfeste aufzusuchen. Es gibt nämlich mittlerweile einige Kindertagesstätten, die ihre eigenen CD´s aufgenommen haben und für eine kleine Spende an Familien weitergeben. Auf diesem Weg erhalten Sie auf jeden Fall einen Tonträger mit vielen unterschiedlichen Kinderliedern.
Was hat der Gesang in unserer Einrichtung mit unserer Öffentlichkeitsarbeit zu tun?
Die Pflege der Kontakte zu vielen unterschiedlichen Institutionen erachten wir als unbedingt erforderlich, um unseren Kindern einen Blick weit über den Tellerrand hinaus zu bieten.
Im Zusammenhang mit dem Gesang wäre da der intensive Kontakt mit dem Seniorenheim zu beachten. Unsere Kinder und die Senioren treffen sich in regelmäßigen Abständen, um zusammen etwas zu unternehmen. Gelegentlich wird bei diesen Treffen auch gesungen und musiziert. Unsere Kinder freuen sich immer sehr, den alten Herrschaften “ihre Kindergartenlieder” vorzutragen, denn viele Senioren haben sie noch nie gehört und lieben diese Abwechslung. Besonders interessant wird es jedoch, wenn die “Jungen” mit den “Alten” traditionelle Lieder singen. Den Senioren geht das Herz auf, weil Erinnerungen wach werden und die Kinder staunen, dass es tatsächlich heute noch Lieder gibt, die die alten Menschen gesungen haben, als sie Kinder waren.
An Hand dieses Beispiels sehen Sie, dass es uns auch wichtig ist, altes Liedgut zu vermitteln und damit in kultureller Weise aktiv zu sein.
Unsere Kindertagesstätte wird von Kindern unterschiedlicher Nationalität (momentan 13 Nationen) besucht. Das heißt, wir singen auch in anderen Sprachen. Den deutschen Kindern wird dadurch ein multikulturelles Bild vermittelt und die Kinder, in deren Sprache wir singen, fühlen sich schneller akzeptiert, verstanden und angenommen. Diese Vielfalt an Liedgut kommt auch in der Öffentlichkeit sehr positiv an. So sind wir u.a. immer gern gesehene Gäste beim Chorfest. Durch öffentliche Auftritte vor vielen fremden Menschen wird auch das Selbstbewusstsein unserer Kinder gestärkt.
Hierbei sei noch einmal erwähnt, das die Freude im Vordergrund steht. Ein Kind, das im letzten Moment die Bühne nicht betreten möchte, wird nicht gezwungen! Schließlich gibt es immer ein nächstes Mal.
Sehr hilfreich ist auch die Zusammenarbeit mit dem Kinderchor unserer Gemeinde. Unsere Kinder treffen sich einmal wöchentlich (am Nachmittag) mit der Frau unseres Kantors (ebenfalls Kirchenmusikerin) in unserer Kita zum “Singekreis” . Das bedeutet für uns als Erzieherinnen, dass wir jederzeit noch fachliche Unterstützung erhalten können. Für unsere Kinder ist das eine weitere Möglichkeit der Einbindung in die Gemeinde. Nach der Kindergartenzeit können sie, falls sie immer noch Freude am Gesang haben, in den Kinderchor wechseln.
Abschließend kann ich eines versichern, es macht unendlichen Spaß mit Kindern zu singen! Es gibt in der “Welt des Gesangs” keine Generationsprobleme und egal welcher Nation die Kinder angehören, sie verstehen einander. Das Singen ist eine ganz besondere Art Gemeinschaft zu erleben. Wobei wir wieder bei dem zu Anfang erwähnten Lied: “Wenn du singst, sing nicht allein, steck Andre an, Singen kann Kreise zieh´n …” wären.
Autorin
Marion Richter ist Leiterin der Kindertagesstätte St. Antonius (Herten/Westfalen).
Kontakt
Marion Richter
Kindertagesstätte St. Antonius
Vitusstraße 16
45699 Herten
Erstellt am 24. Juli 2002, zuletzt geändert am 24. März 2010