„... und später rufe ich euch dann an“ – Wenn Kinder das erste Mal auswärts übernachten

Christina Zehetner
Foto Zehetner Ifp

Das erste Mal bei einem Freund oder einer Freundin zu übernachten, ist für Eltern und Kinder gleichermaßen aufregend. Doch wann und in welchem Alter ist der richtige Zeitpunkt dafür? Wie viel können Eltern ihren Kindern zutrauen, ohne sie zu überfordern? Der Artikel hilft Eltern dabei, ihre Kinder richtig einzuschätzen und gibt Tipps und Anregungen, wie und in welchem Rahmen erste Auswärtsübernachtungen gelingen können.

1. Wann ist ein guter Zeitpunkt für die erste Nacht ohne Eltern?

Irgendwann ist es bei allen Kindern soweit und es kommt die Frage: „Mama, darf ich bei meinem Freund oder meiner Freundin übernachten?“ Bei manchen Kindern tritt dieser Wunsch schon auf, wenn sie im Kindergarten sind - bei anderen Kindern erst im Vorschul- bzw. Grundschulalter. Nicht immer sind sich Eltern dann sicher, ob sie ihrem Kind eine erste Auswärtsübernachtung schon zutrauen können und dürfen.  Da Kinder einfach zu verschieden und zudem in ihrer Entwicklung auch meist unterschiedlich weit sind, ist diese Frage nicht pauschal zu beantworten.

Eine erste Übernachtung auswärts ohne Eltern soll den Kindern auf jeden Fall Freude machen und gut gelingen. Deshalb sollten Eltern zuallererst nachfolgende Punkte für sich überlegen und klären:

  • Handelt es sich um eine erste Übernachtung bei den Großeltern oder anderen nahen Verwandten zu denen mein Kind schon Vertrauen hat?
  • Kenne ich die Freunde und Eltern des Kindes aus dem Kindergarten, der Spielgruppe oder aus der Schule?
  • Findet die Auswärtsübernachtung in der Nachbarschaft, im selben Ort oder in einer weiter entfernten Örtlichkeit statt?
  • Übernachtet mein Kind dort alleine oder mit seinen Geschwisterkindern?
  • Ist mein Kind nachts schon zuverlässig sauber?
  • Kann mein Kind abends alleine ohne Hilfe einschlafen?
  • Schläft mein Kind grundsätzlich durch?
  • Ist die Übernachtung der eigene Wunsch des Kindes, des anderen Kindes oder vielleicht sogar ein Wunsch der Eltern, die das ganz schön finden würden?

Oft hilft Eltern schon die Beantwortung dieser Fragen um ein Gefühl zu entwickeln, wie ideal oder eben auch nicht, die Voraussetzungen für eine erste Auswärtsübernachtung sind.

Wenn Kinder schon bei ihren Großeltern oder anderen Bezugspersonen übernachtet und erlebt haben, dass ihnen eine oder sogar zwei Nächte ohne Mama und Papa gelingen, sind das sicher schon einmal ideale Bedingungen für eine erste Übernachtung bei Freunden. Dann sollten Eltern ihrem Kind diese neue Herausforderung auch ermöglichen und ihr Kind in seinem Wunsch unterstützen. Denn eines ist klar: Eine Übernachtung bei Freunden zu meistern, macht ihr Kind stolz und stärkt das Selbstbewusstsein.

Sollten Kinder allerdings noch nicht sauber sein, nicht alleine einschlafen können oder Probleme haben sich von ihren Bezugspersonen abzulösen, sollte man besser nichts überstürzen. Auch wenn Kinder gerade stark fremdeln, ist kein guter Zeitpunkt um eine Übernachtung zu wagen (1). Bei manchen Kindern läuft alles unkompliziert ab und die Eltern können es gar nicht glauben, dass alles so gut klappt. Andere Kinder reagieren zuerst euphorisch und freuen sich. Je näher der Tag der Übernachtung aber rückt, desto unsicherer und ängstlicher werden sie. Es hilft in solch einer Situation nichts, Kinder zu drängen! Der Diplom-Psychologe Michael Thiel gibt zu bedenken, dass Menschen von jeher Meutetiere sind, die sich vor allem in vertrauter Umgebung mit vertrauten Personen sicher fühlen. Bei Kindern könnte es Ängste auslösen, wenn man sie zu einer Übernachtung überredet und es dann doch nicht klappt. Dies gibt Kindern das Gefühl zu scheitern. Thiel ist sich sicher, dass es jedes Kind irgendwann dazu drängt, die Welt zu erkunden und zu erobern (2). Bei einigen Kindern kommt dieser Zeitpunkt eben früher, bei anderen später.

Wichtig ist auf jeden Fall, dass Eltern ihren Kindern ein sicheres Gefühl vermitteln und ihre Kinder auch loslassen. Das kann Eltern schwer fallen, auch wenn es nur für ein oder zwei Nächte ist. Wenn das eigene Kind plötzlich eigene Wege gehen will, kann das Mütter und Väter durchaus verunsichern. Eltern sollten die Zeit ohne ihre Kinder möglichst genießen und sich zum Beispiel einen schönen gemeinsamen Abend machen. So haben Kinder und Eltern etwas von der neuen Erfahrung!

Tipp: Sie könnten ihrem Kind auch eine Alternative zu einer Übernachtung anbieten, wenn es zwar eigentlich gerne möchte, sich aber letztendlich doch noch nicht traut. Einen ganzen Abend in der Familie des Freundes oder der Freundin zu verbringen, gemeinsam zu spielen, Abend zu essen und vielleicht noch einen Film zu schauen, kann für Kinder auch schon spannend und eine neue Erfahrung sein. Vor der Bettgehzeit können Sie ihr Kind dann wieder abholen. So sind erste Schritte gemacht und ihr Kind kann dann selber entscheiden wann es den Schritt zum Übernachten wagt.

2. Was brauchen Kinder um sich auswärts sicher zu fühlen?

Wenn das Datum fest steht und die Freude über die Auswärtsübernachtung wächst, ist es an der Zeit zu überlegen, was eingepackt werden muss. Eltern sollten mit ihren Kindern sprechen und gemeinsam verhandeln und überlegen, was wirklich nützlich und sinnvoll für eine Übernachtung ist. Manche Kinder entwickeln das Bedürfnis, ihr halbes Kinderzimmer einpacken zu müssen. In diesem Fall macht es Sinn, mit den Kindern zusammen eine Liste der wichtigsten Kleidungsstücke und Gegenstände zu erstellen.

Nachfolgend einige Anregungen und Ideen zum Packen:

  • Grundutensilien: Hausschuhe, Schlafanzug, Wechselwäsche für den nächsten Tag und zusätzlich für „Notfälle“ (durch die ganze Aufregung kann auch mal der Gang zur Toilette vergessen werden)
  • Kulturbeutel mit Zahnbürste, Zahncreme, Waschlappen, Handtuch, Haarbürste
  • Etwas Persönliches wie z. b. das Lieblingskuscheltier, ein Schmusekissen, Fotos der Familie oder ähnliches
  • Evtl. ein kleines Nachtlicht oder eine Taschenlampe (macht Spaß, hilft aber auch bei Angst im Dunkeln)
  • Eigenes Bettzeug (gibt Sicherheit), alternativ ein Schlafsack, evtl. Isomatte und ein Kissen
  • Je nach Alter eine Gutenacht-CD oder ein (Vor-)Lesebuch
  • Für die Abendgestaltung ein schönes Spiel oder einen Kinderfilm
  • Als Mitbringsel für den gemeinsamen Abend: Süßigkeiten oder Knabbersachen wie z. B. Gummibärchen, Chips, Popcorn oder Kekse (Kinder lieben es, sich für die Übernachtung Leckereien auszusuchen)

Tipp: Geben Sie Ihren Kindern auf jeden Fall etwas Vertrautes und Persönliches mit zur Übernachtung. Das gibt den Kindern Sicherheit und mindert eventuell auftretendes Heimweh. Sprechen Sie sich mit der anderen Familie, den Großeltern oder Freunden ab. Klären Sie Vorlieben und Abneigungen der Kinder. Dies kann sich auf Essen und Getränke, aber auch auf Aktionen und Aktivitäten beziehen. Informieren Sie sich im Vorfeld über eventuelle Allergien oder Krankheiten und geben Sie diese wichtigen Informationen weiter. Bei Klassenfahrten oder sonstigen institutionellen Fahrten erfolgt dies meist automatisch und schriftlich. Denken Sie aber bitte auch im privaten Umfeld daran!

3. Wie kann man eine Auswärtsübernachtung gut gestalten?

Oft kommen die besten Ideen von den Kindern selbst. Es lohnt aber auf jeden Fall, sich im Vorfeld zu überlegen wie man die Zeit mit den „Übernachtungskindern“ in der eigenen Familie gestalten will. Nachfolgend einige Anregungen:

  • Lassen sie den Kindern Zeit zum Ankommen und zum Spielen. Es ist vieles neu, was entdeckt werden will. Kinder brauchen oft gar nicht so viel Programm.
  • Denken Sie sich etwas aus, das die Übernachtung zu etwas Besonderem macht. Grillen Sie im Sommer, backen Sie selbst Pizza oder kochen Sie ein Wunschessen. Machen Sie eine Nachtwanderung, übernachten Sie im Zelt oder bauen Sie im Kinderzimmer ein Matratzenlager auf. Es gibt so viele Ideen und Möglichkeiten.
  • Beginnen Sie die Übernachtungsparty erst später am Nachmittag und beenden Sie diese am nächsten Tag nach dem Frühstück. Somit überfordern sie die Kinder nicht. Die Freude bis zur nächsten Übernachtung ist umso größer und man entgeht oft Streit und Müdigkeit.
  • Oft sind Kinder auch übermüdet und erschöpft, weil sie in der Nacht wenig geschlafen haben. Planen Sie daher am nächsten Tag nicht zu viele Aktionen und geben Sie den Kindern Zeit sich auszuruhen, falls dies nötig ist.

Tipp: In anderen Familien gelten andere Regeln und Rituale. Ihr Kind wird es spannend finden, dies alles kennen zu lernen. Auch das Abendessen und Frühstück wird sich anders gestalten als zuhause. Vielleicht haben sie auch ein Einzelkind, das bei einer Familie mit drei Geschwistern übernachtet oder genau anders herum. Ihr Kind wird bei einer Übernachtung also viel erleben, neues Kennenlernen und sehr viel zu erzählen haben. Nehmen sie sich daher am nächsten Tag oder schon beim Abholen etwas Zeit um über das Erlebte zu sprechen. So können sie Ihr Kind bewusst bestärken. Loben Sie Ihr Kind und freuen Sie sich mit ihm,  dass es die Übernachtung so gut gemeistert hat.

4. Was hilft bei Heimweh?

Heimweh zu bekommen ist nichts Ungewöhnliches und trifft manchmal auch noch Erwachsene. Viel schlimmer wäre es, wenn Kinder ihr zuhause nicht vermissen würden (3). Wenn Kinder auswärts Heimweh bekommen, weinen, sich wehtun oder es nicht mehr rechtzeitig auf die Toilette schaffen, verlangen sie verständlicherweise nach ihren Eltern. Es ist daher wichtig, im Vorfeld zu besprechen wie die „Gastfamilie“ in solchen Fällen reagieren soll. Nicht immer ist es gleich notwendig, das eigene Kind abzuholen. Meist kann man Kinder wieder beruhigen und ablenken, damit die Übernachtung trotzdem gut klappen kann. Sollten sich die Kinder aber nicht mehr beruhigen lassen, dauerhaft weinen oder partout nicht einschlafen können, sollten die Eltern informiert werden. Oft hilft schon die vertraute Stimme von Mama oder Papa am Telefon damit sich die Kinder wieder beruhigen. Sollte dies nicht der Fall sein und es die Distanz zulassen, macht es durchaus Sinn die Kinder nach Hause zu holen, auch wenn es spät in der Nacht ist. Es ist wichtig, die Vertrauensbasis zu den eigenen Kindern zu erhalten. So kann man verhindern, dass die Kinder Ängste aufbauen und das eigentliche Vergnügen einer Auswärtsübernachtung dauerhaft gefährdet ist.

Tipp: Gehen Sie die Schritte in die Selbständigkeit mit Ihrem Kind gemeinsam. Trauen Sie Ihrem Kind ruhig etwas zu, aber überschätzen Sie es auch nicht. Wenn Sie aufmerksam sind, werden Sie die Signale ihres Kindes sicher richtig deuten können. Es ist oft unkomplizierter als es den Anschein macht. So klappt nach der ersten gelungenen Übernachtung später auch die mehrtägige Klassenfahrt.

Literaturhinweise

(1) Konieczny, Olivia: „Andere Eltern, andere Sitten: Wenn Kinder auswärts übernachten“ unter http://www.augsburger-allgemeine.de/geld-leben/Andere-Eltern-andere-Sitten-Wenn-Kinder-auswaerts-uebernachten-id40859071.html

(abgerufen am 05.04.2017)

(2) Thiel, Michael, zitiert in: „Wenn Kinder woanders übernachten“ unter http://www.familie.de/kind/wenn-kinder-woanders-uebernachten-508925.html (abgerufen am 05.04.2017)

(3) Lukaßen, Daniela: „Zwischen Aufregung und Heimweh – Wenn Kinder das erste Mal woanders übernachten“ unter https://www.kinder.de/themen/schulkind/entwicklung-/artikel/zwischen-aufregung-und-heimweh-wenn-kinder-das-erste-mal-woanders-uebernachten.html  (abgerufen am 25.04.2017)

Weiterführende Literatur

  • Lindenbaum, Pija: „MIA schläft woanders“. Oetinger Verlag. Februar 2011
  • Grimm, Sandra / Ackroyd Dorothea: „Jannis darf woanders schlafen“. Coppenrath Verlag. Januar 2010
  • K. Baumgart, C. Neudert: „Lauras erste Übernachtung“.  Baumhaus Medien 2005.

Weitere Beiträge der Autorin hier in unserem Fanilienhandbuch

Autorin

Christina Zehetner (geb. Kursawe) ist Erzieherin und Sozialpädagogin. Sie hat langjährige praktische Erfahrungen in der ambulanten und stationären Kinder- und Jugendhilfe und arbeitete mehrere Jahre im Jugendamt. Die Autorin ist aktuell als Freie Mitarbeiterin am Staatsinstitut für Frühpädagogik in München tätig. Zudem hält sie als Beraterin humorvolle Seminare und Vorträge für Famlien und Fachkräfte.

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eingestellt am 03. Mai 2017