Spielen – ein wichtiges Ritual

Mehr Zeit für Kinder e.V.

Die Welt um uns herum verändert sich in rasendem Tempo. Das ist nicht nur spannend, sondern besonders für Kinder ziemlich verwirrend. Sie wünschen sich feste Strukturen, auf die sie sich verlassen können. Kinder brauchen Regeln, die ihnen helfen, sich im Alltag zu orientieren. Liebevolle Rituale können so eine Orientierung sein.

Einmal sonntags im Bett mit den Eltern gefrühstückt, schon kommt ganz sicher bald die Frage: “Können wir am Sonntag wieder im Bett frühstücken?” Einmal ein kurzes Brettspiel vor dem Schlafengehen – die Bitte nach dem nächsten Match wird nicht lange auf sich warten lassen. Rituale machen stark und vereinen die Familie. Rituale helfen über Kummer hinweg, fördern die Konzentration oder trainieren das Gedächtnis. Auch für das Familienleben spielen Rituale eine ganz besondere Rolle: auf bestimmte Weise Weihnachten feiern, Familienrat oder Spiele-Abend sind Rituale, die ein Stück Sicherheit und Geborgenheit vermitteln. Auch Erwachsene erinnern sich an solche Anlässe während ihrer Kindheit besonders gern.

Warum Spielen in der Familie so wichtig ist

Wissenschaftler haben erkannt, wie wichtig regelmäßiges Spielen für Kinder ist: Kinder sammeln grundlegende Erfahrungen, die sie im Alltag nutzen können. Sie lernen kooperativ handeln, kreative Ideen entwickeln, Spannung und Entspannung aushalten, sich konzentrieren, zuhören, mit Sieg und Niederlage umgehen und bestimmte Regeln einhalten. Ganz nebenbei werden außerdem Gedächtnis, Phantasie und logisches Denken trainiert.

Besonders profitieren Kinder vom Spiel in der Gemeinschaft. Hier erfahren sie, was es heißt, voneinander abhängig zu sein und sich aufeinander verlassen zu können. Bei aller Pädagogik bringt Spielen aber natürlich vor allem eins: Spaß.
Das gilt selbstverständlich auch für Erwachsene. Wie die Kinder erleben sie im Spiel Spaß und Spannung hautnah und bauen Alltagsstress ab.

Wie wird Spielen zum Ritual?

Gemeinsames Spielen können Sie zu einer festen Einrichtung werden lassen, wenn Sie einen regelmäßigen Familien-Spiele-Abend einplanen. Alle anderen Termine sind dann tabu. Ihr Kind weiß, dass es in dieser Zeit mit Spielspaß und Ihrer ungeteilten Aufmerksamkeit rechnen kann. Sie zeigen ihm so, dass Ihnen gemeinsame Aktivitäten wichtig sind. Im Spiel erleben Sie Ihr Kind ganz intensiv. Gemeinsames Tun verbindet und verbündet.

Wenn der Termin für den Familien-Spiele-Abend erst einmal feststeht, fiebern alle dem großen Tag entgegen. Und weil Vorfreude eine schöne Sache ist, sollte sie verstärkt werden.

Hier einige Tipps:

  • Kündigen Sie den Familien-Spiele-Abend an der Pinnwand groß an.
  • Verstecken Sie für Ihre Kinder Erinnerungszettel. Geeignete Verstecke sind die Pausenbrot-Dose, der Schulranzen oder der Kleiderschrank.
  • Einladungskarten schreiben und an Freunde verteilen.
  • Gemeinsam Knabbersachen u. Getränke einkaufen und den Spieltisch vorbereiten.

Tipps zur Auswahl des richtigen Spiels

Für einen Familien-Spiele-Abend eignen sich besonders Gesellschaftsspiele wie Würfel-, Karten- oder Brettspiele. Die meisten sind entweder wettkampforientiert oder kooperativ ausgerichtet. Aus pädagogischer Sicht gibt es kein besser oder schlechter. Wettbewerb und Kooperation. Beides sind wichtige Spielformen.

Das sollten Sie beim Kauf eines (Brett-)Spiels beachten

  • Spielanleitung: Die Regeln sollten logisch, ohne Widersprüche und fair sein. Je jünger die Kinder sind, desto klarer sollten die Regeln sein, damit die kleinen Mitspieler sich orientieren können.
  • Spielplan: Je nach dem Alter der Kinder sollte der Spielplan besonders überschaulich gestaltet sein. Für kleinere Kinder sind Spielpläne besonders geeignet, die Erfahrungen und Phantasien aus der Kinderwelt darstellen.
  • Spielregeln: Gut, wenn die Spielregeln nicht absolut starr sind, sondern Raum für eigene Entscheidungen bleibt. Im Zweifelsfall: wenig Regeln, die aber viele Varianten möglich machen.

Welches Spiel für welches Alter?

Spielen mit Kindern im Grundschulalter
Ihr Kind baut sich nach und nach seine eigene Welt auf. Es probt die Unabhängigkeit von den Erwachsenen, will mitentscheiden und mitbestimmen, entwickelt Selbstbewußtsein und Selbstwertgefühl. Kindern in diesem Alter ist das Siegen ganz besonders wichtig. Besonders dann, wenn es zum Beispiel in der Clique oder in der Schule häufig Niederlagen einstecken muss.

Spielen Sie in dieser Phase Strategie- und Würfelspiele, zur Erholung, oder um Ausdauer, Konzentration oder Kooperationsbereitschaft zu trainieren. Achten Sie darauf, dass Regelspiele so gestaltet sind, dass Kinder eine echte Gewinnchance haben.

  • Welche Fähigkeiten sind gefordert?
  • Kann Ihr Kind bereits ausreichend lesen oder rechnen?
  • Wie lange dauert das Spiel voraussichtlich?
  • Hat Ihr Kind soviel Ausdauer?
  • Sind Figuren und Handlungen übersichtlich?

In Wettbewerbsspielen gilt: der Bessere gewinnt. Diese Spiele sind wichtig, weil in einer vom Wettbewerb gekennzeichneten Welt Durchsetzungsvermögen gefragt ist. Nicht nur Ausdauer und Konzentration werden geschult, sondern auch die Fähigkeit, Strategien zu entwickeln und mal Gewinner, mal Verlierer zu sein.

Spielen mit Kindern in der Pubertät und Jugendalter
Konflikte mit sich selbst und anderen sind an der Tagesordnung. Gemeinsames Spielen kann dazu beitragen, die verkrampfte Familiensituation zu lockern. Zusammen lachen, wetteifern, gemeinsam ein Ziel erreichen ist häufig ein Weg, wieder miteinander ins Gespräch zu kommen. Spiele können dazu dienen, “Dampf abzulassen” , Kräfte zu tanken, zu entspannen, aber auch zur Selbstbestätigung. Geeignet sind:

  • Kommunikationsspiele, bei denen es darum geht, sich und die Mitspieler einzuschätzen,
  • anspruchsvollere Gesellschaftsspiele,
  • Strategie- und Wirtschaftsspiele,
  • Junior-Varianten beliebter Spiele für Erwachsene.

Manche Kinder sind schon ab 10 Jahren in der Lage, alle Spiele der Erwachsenen zu spielen.

Bei kooperativen Spielen steht die Gemeinsamkeit im Vordergrund. Diese Spiele erfordern ein Umdenken. Gemeinsam mit anderen soll eine Strategie entwickelt bzw. ein festes Ziel erreicht werden. Nicht der Wettkampf, sondern das Team ist wichtig. Alle gewinnen oder verlieren zusammen. Verlieren ist damit nicht schlimm, denn es wird gemeinsam erlebt. Auf der anderen Seite erfahren die Kinder, dass sie in der Lage sind, etwas für die Gemeinschaft zu tun. Das fördert ihr Selbstwertgefühl. Manche Kinder berichten, dass sie sich bei kooperativen Spielen zudem besonders wohl und geborgen fühlen.

Tipps damit aus Lust kein Frust wird
 

Spielregeln sind keine Gesetze
Spielregeln beschreiben, wie sich die Spieler miteinander und zueinander zu verhalten haben. Sie stecken einen Rahmen fest, der für alle groß und klein, schwach und stark gleich ist. Wenn sich alle Mitspieler einig sind, können Regeln aber auch verändert werden, zum Beispiel, um dem schwächsten Mitspieler eine echte Chance einzuräumen, um den Spielverlauf abzukürzen – oder zu verlängern ? oder um einfach einmal eine neue Variante auszuprobieren. Wichtig ist einzig, dass alle Mitspieler mit der Regeländerung einverstanden sind. Regeln verändern ist somit konstruktiv. Es setzt voraus, dass alle miteinander reden und eine gemeinsame Lösung finden. Denn Spielen soll natürlich vor allem Spaß machen. Deshalb: Wenn Tränen fließen, weil die eigene Spielfigur zum wiederholten Male von vorne beginnen muss, und der Frust jeden Spielspaß im Keim erstickt, kann die Zeit reif sein für eine andere Spielvariante. Hier einige Vorschläge:

  • Wählen Sie Varianten, bei denen weniger hart gekämpft wird, z.B. Teams bilden, entscheiden, dass auf bestimmten Feldern nichts geschieht oder nur jede zweite Aufgabe erfüllt werden muss.
  • Lassen Sie Ihr Kind eine Runde aussetzen, es darf einfach nur Zuschauer sein, die “Bank” o.ä. verwalten, die Schiedsrichterrolle übernehmen.

Wenn Kinder nicht verlieren können

Das “Nicht-verlieren-können” hat meist tiefere Ursachen. Schuld ist nicht das Spiel. Es bringt nur ans Tageslicht, was im Kind schlummert. Vielleicht ist das Selbstwertgefühl zu hoch oder zu niedrig? Kann es sein, dass das Kind nicht daran gewöhnt ist, auch mal einen Wunsch nicht erfüllt zu bekommen? Oder hat es das Gefühl, dass es immer und ständig Pech hat, auch im richtigen Leben?

Und natürlich lernen Kinder von Vorbildern. Hand aufs Herz: Wie gehen Sie mit der Verlierer-Rolle um? Gehen Sie mit gutem Beispiel voran und zeigen Sie Ihrem Kind, dass Sie sich auch in schwierigen Situationen nicht unterkriegen lassen.

Grundsätzlich geht es nicht darum, dass Kinder bedingungslos “verlieren lernen” . Wichtiger ist es, sie zu motivieren nicht aufzugeben. “Man kann nicht immer gewinnen” , ist das Äußerste, was ein Kind wirklich annehmen kann.

Wenn es langweilig wird – Tipps zum Weitermachen

Kinder im Medienzeitalter haben manchmal Schwierigkeiten auszuhalten, dass “nichts passiert” . Ihnen fällt es schwer zu warten, wenn ein Mitspieler überlegt, auszuharren, bis sie wieder an der Reihe sind. Gerade kleinere Kinder wollen oft nicht lange still sitzen. Akzeptieren Sie diesen Bewegungsdrang. Es gibt Spiele, bei denen beispielsweise durch Ereigniskarten die Mitspieler bewußt aufgefordert werden, etwas zu tun (Treppe laufen, hüpfen etc.). Beobachten Sie, unter welchen Bedingungen sich Ihr Kind am besten konzentrieren kann (Raum, Tageszeit, Mitspieler, im Stehen oder im Sitzen) und berücksichtigen Sie dies bei Ihrem nächsten Spiele-Abend.

Quelle

Mehr Zeit für Kinder e.V.
Fellnerstraße12
60322 Frankfurt/Main,

E-Mail

Staatsinstitut für Frühpädagogik und Medienkompetenz
Logo: Staatsinstitut für Frühpädagogik und Medienkompetenz