Warum Grundschüler Taschengeld brauchen

Sandra Markert
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Einer aktuellen Studie zufolge bekommen Grundschüler durchschnittlich 3,20 Euro Taschengeld in der Woche. Dass 41 Prozent der Kinder in diesem Alter noch gar kein Taschengeld bekommen, sehen Experten kritisch. „Den richtigen Umgang mit Geld kann man nur lernen, wenn man damit umgehen darf“, sagt zum Beispiel die Wirtschaftswissenschaftlerin Barbara Kettl-Römer.

Experten halten die Einschulung und für einen guten Zeitpunkt, um Kindern zum ersten Mal Taschengeld auszuzahlen. „Wer reif genug ist, in die Schule zu gehen, der ist auch reif genug, den Umgang mit Geld zu lernen“, sagt beispielsweise die Wirtschaftswissenschaftlerin Barbara Kettl-Römer, die ein Buch zur Gelderziehung geschrieben hat. Einer aktuellen Forsa-Studie zufolge erhalten jedoch 41 Prozent der Kinder zwischen 6 und 9 Jahren noch kein Taschengeld. Befragt wurden dafür im Juni bundesweit 500 Eltern von Kindern in diesem Alter. Je 17 Prozent der Eltern geben an, dass ihr 6- bis 9-jähriges Kind bis zu zwei Euro beziehungsweise zwei bis drei Euro Taschengeld wöchentlich bekommt. Sechs Prozent der Eltern zahlen ihrem Kind drei bis fünf Euro Taschengeld, 13 Prozent mehr als fünf Euro in der Woche. Die Höhe des Taschengeldes macht ein Großteil der Eltern (67 Prozent) vom Alter des Kindes abhängig. Bei jedem fünften Elternteil (21 Prozent) spielt das Verhalten eine Rolle, bei 11 Prozent die Schulnoten.

Warum ist Taschengeld für Kinder wichtig?

„Den richtigen Umgang mit Geld kann man nur lernen, wenn man damit umgehen darf“, sagt Wirtschaftswissenschaftlerin Barbara Kettl-Römer. Denn nur eigenes Geld kann ein Kind sich einteilen, damit haushalten – und auch merken, dass man es nur einmal ausgegeben kann. „Kauft sich das Kind sein Eis vom eigenen Geld, ist es danach weg. Muss es dagegen nur die Mama fragen, spielen die Kosten keine Rolle“ , sagt Kettl-Römer. Überhaupt findet sie, dass die Gelderziehung in Familien häufig zu sehr vernachlässigt wird. „Über Geld spricht man in Deutschland nun mal nicht gern, schon gar nicht mit Kindern.“ Dabei sei es durchaus sinnvoll, den Kindern zu erklären, wie viel die Eltern verdienen, welchen Anteil davon sie für die Miete bezahlen müssen, was ein Urlaub kostet – und warum es in der befreundeten Familie vielleicht einen größeren Spielraum fürs Taschengeld gibt als in der eigenen.

Was sollten Kinder vom Taschengeld kaufen?

Was sie wollen. „Zumindest für Grundschulkinder muss Taschengeld reines Spielgeld sein, mit dem man ausgeben, einteilen und sparen lernen kann“, sagt Barbara Kettl-Römer. Für Eltern bedeutet das: Sie müssen hinnehmen, dass das Geld hauptsächlich für Süßigkeiten oder in ihren Augen andere sinnlose Dinge ausgegeben wird, wie beispielsweise Fußball-Sammelkarten. „Natürlich kann man mit dem Kind darüber reden, ob es wirklich sein ganzes Geld dafür ausgeben möchte, man darf es aber nicht verbieten“, findet Kettl-Römer. Mit Jugendlichen dagegen können Eltern auch vereinbaren, dass sie mehr Taschengeld bekommen – sich dafür aber am Kauf von Klamotten oder Schulsachen beteiligen müssen.

Woran kann man sich bei der Höhe des Taschengeldes orientieren?

In der aktuellen Forsa-Studie machen 67 Prozent der Eltern die Höhe des Taschengeldes am Alter fest. Auch die Jugendämter erhöhen in ihren Taschengeld-Empfehlungen den Betrag mit zunehmendem Alter. „An diesen Empfehlungen kann man sich orientieren“, sagt Barbara Kettl-Römer. Sie findet die angegeben Beträge aber eher an den Lebenshaltungskosten in einer Großstadt ausgerichtet – und nicht am Leben auf dem Land. Eine bessere Orientierung bietet ihrer Meinung nach das, was die Freunde des Kindes an Taschengeld bekommen. „Man sollte sich regelmäßig mit deren Eltern austauschen und die Beträge angleichen.“ So habe man auch gleich gute Argumente in der Tasche, wenn das Kind mehr Taschengeld fordert, weil Julian oder Anna auch mehr bekommen. „Dann kann man antworten, dass man sehr genau weiß, dass der beste Freund eben nicht mehr bekommt“, sagt Kettl-Römer. Außerdem warnt sie davor, Taschengeld zu zahlen, dass über die finanziellen Möglichkeiten der Eltern hinausgeht. „Insbesondere Eltern mit geringem Einkommen neigen dazu, ihren Kindern das gleiche geben zu wollen, was andere Eltern geben.“ Genau das sei aber falsch: „Man muss den Kindern erklären, warum die eigene Familie eben nicht mehr zur Verfügung hat und das Kind muss lernen, damit umzugehen.“

In welchem Rhythmus zahlt man Taschengeld am besten aus?

Für Grundschulkinder empfehlen Experten die wöchentliche Auszahlung. Ab der weiterführenden Schule kann man dann auf monatliche Beträge umstellen, „sofern das Kind in der Lage ist, sich Geld auch über einen längeren Zeitraum einzuteilen“, sagt Barbara Kettl-Römer.

Bar auszahlen oder aufs Konto überweisen: Was ist besser?

Viele Banken bieten Kinderkonten bereits ab einem Alter von sieben Jahren an. Barbara Kettl-Römer würde sie jedoch erst ab der weiterführenden Schule nutzen. Zwar ist das Risiko bei einem Kinderkonto gering: Sie basieren auf Guthabenbasis, eine Kontoüberziehung ist also nicht möglich. Die Verantwortung für das Konto liegt bei beiden Elternteilen. Sie müssen beide der Eröffnung zustimmen und entscheiden, ob das Kind eine Bankkarte bekommt, um selbst Geld am Automaten abzuheben oder auch, ob es selbst Geld einzahlen darf. „Aber ein eigenes Konto ist eben auch sehr abstrakt und deshalb meiner Meinung nach für Grundschüler eher ungeeignet“, sagt Kettl-Römer. Dana Urban, Koordinatorin der Online-Beratung der Bundeskonferenz für Erziehungsberatung empfiehlt, schrittweise von der Barzahlung zur Kontoeinzahlung zu wechseln. „So gibt man zum Beispiel zwei Drittel weiterhin bar auf die Hand und zahlt den Rest ein, dann kann sich das Kind daran gewöhnen.“ Ein eigenes Bankkonto sei ein guter Anlass, um dem Kind zu erklären, wie Banken funktionieren – und warum auch die Eltern nicht einfach beliebig viel Geld aus dem Bankautomaten holen können.

Ist eine Taschengeld-Streichung eine sinnvolle Bestrafung?

Nein, aus zweierlei Gründen nicht. Erstens aus erziehungswissenschaftlicher Sicht: Räumt ein Kind sein Zimmer nicht auf oder hat einen Mitschüler geschlagen, ist die logisch nachvollziehbare Konsequenz nicht, ihm dafür das Taschengeld zu streichen – denn Geld hatte mit dem Fehlverhalten nichts zu tun. Anders wäre es beispielsweise, wenn das Kind seinen neuen Fußball im Wohnzimmer ausprobiert hat und dabei eine teure Vase kaputt gemacht hat. „Dann könnte es sich an den Kosten der Neuan-schaffung mit seinem Taschengeld beteiligen“, sagt Wirtschaftswissenschaftlerin Kettl-Römer. Sie hält eine Streichung des Taschengelds auch aus Sicht der Gelderziehung für ungeeignet: Den Umgang mit Geld kann das Kind nur dann richtig lernen, wenn es jede Woche oder jeden Monat mit einer verlässlichen Summe planen kann.

Sollte man gute Noten im Zeugnis mit Geld belohnen?

Bei dieser Frage sind sich Experten nicht einig. Dafür spricht, dass Geld durchaus ein Anreiz sein kann, um bessere Leistungen zu bringen. So ist es auch im späteren Berufsleben häufig so, dass derjenige besser bezahlt wird, der sich mehr anstrengt und erfolgreich ist. Und so geben in der aktuellen Forsa-Studie zum Taschengeld bei Grundschülern 16 Prozent der Männer an, dass sie die Höhe des Taschengeldes von den Noten abhängig machen. Bei den Frauen sind es dagegen nur fünf Prozent. Sie sehen es vielleicht eher so wie Taschengeld-Expertin Barbara Kettl-Römer: „Ein Kind kann sich ja auch sehr anstrengen und schafft trotzdem nur eine drei. Außerdem finde ich, dass eine Note an sich schon Lob oder Strafe genug sind.“

Taschengeldtabelle

Alter des Kindes

Taschengeld

4 - 5     Jahre

0,50 €/ Woche

6 - 7     Jahre

1,50 - 2 €/ Woche

8 - 9     Jahre

2 - 3 €/ Woche

10 - 11 Jahre

13 - 16 €/ Monat

12 - 13 Jahre

18 - 22 €/ Monat

14 - 15 Jahre

25 - 30 €/ Monat

16 - 17 Jahre

35 - 45 €/ Monat

18 Jahre

70 €/ Monat


Quelle: Taschengeldtabelle der Jugendämter 2016

Autorin

Sandra Markert ist Redakteurin für Verbraucherthemen in der Gemeinschaftsredaktion von Stuttgarter Zeitung und Stuttgarter Nachrichten und betreut eine täglich erscheinende Seite Namens Wissenswert.

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Artikel erschien am 12. Juli 2016 in den Stuttgarter Nachrichten und wird hier mit freundlicher Genehemigung des Verlags übernommen.

eingestellt am 22. Juli 2016