Eltern zwischen Glückssehnsucht und Alltagsstress – Eine Navigationshilfe für Väter und Mütter im Umgang mit ihren Kindern!

Dr. Albert Wunsch
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Wenn Paare Eltern werden, dann ist fast nichts mehr wie vorher. Liebe und Zuwendung, Zeit und Geld, alles ist neu zu verteilen. Auf der einen Seite konzentriert sich anfangs fast alles auf den Nachwuchs, trotzdem darf dabei die Pflege der Partnerschaft nicht aus dem Auge verloren werden. Denn alle Kraft der Elternschaft kann nur – neben akzeptablen Bedingungen der Erwerbstätigkeit – aus einem gut lebbaren und erfüllenden Beziehungsleben resultieren. Der Leitgedanke: ‚Beziehungsprobleme schaffen Erziehungsprobleme’ bzw. ‚Erziehungsprobleme schaffen Beziehungsprobleme’ bringt die gegenseitige Bedingtheit gut auf den Punkt. Der Artikel verdeutlicht wichtige Zusammenhänge und Handlungsbedarfe.

Ja, der Traum von der ewig jungen Liebe hat immer Konjunktur. Selbst Wirtschaftskrisen lassen die Schmetterlinge in den Bäuchen von Verliebten nicht in die Depression geraten. Sie tummeln sich unbeschwert – abseits von politischen Krisen und finanzieller Ebbe – und fahren Zusatz-Schichten beim Produzieren ihres sattsam bekannten Kribbel-Gefühls. So können selbst düsterste Euro-Perspektiven das Glück wahrhaft Liebender kaum trüben.

Gesellschaftliche Krisen steigern geradezu die Sehnsucht nach einer intakten oder gar heilen Welt. Denn wenn schon unser Erspartes keine Zinsen mehr bringt und auch der Arbeitsplatz unsicher ist, dann sollen wenigstens glückliche Beziehungen ein Hort der Geborgenheit und Sicherheit sein, unseren Sehnsüchten und Hoffnungen eine Zuflucht ermöglichen. So schaffen lebendige und stabile Partnerschaften eine solide Basis, um finanzielle Beeinträchtigungen, berufliche Rückschläge, heimtückische Krankheiten oder sonstige Schicksalsschläge zuversichtlicher tragen oder ertragen zu können.

Verlässlichkeit und Zutrauen als Voraussetzungen fürs Beziehungs-Glück

Wenn Sie – vielleicht als Kind oder Jugendlicher – die Möglichkeit hatten, Berichten von Großeltern oder anderen Zeitzeugen aus der Kriegs- beziehungsweise Nachkriegs-Generation lauschen zu können, dann werden solche Zusammenhänge ganz konkret spürbar. So berichtete mir eine 90-Jährige: „Wenn unser Glaube an unsere eheliche Treue nicht so groß gewesen wäre, wir nicht in der Zuversicht unserer tiefen Liebe gelebt hätten, woher hätten wir die Kraft nehmen sollen, selbst nach der zweiten Ausbombung in einem völlig zerstörten Köln und 10 jähriger kriegsbedingten Trennung die Hoffnung auf eine bessere Zukunft nicht aufzugeben?“ Es ist davon auszugehen, dass ganz viele Menschen dies ähnlich erlebt haben. Das so genannte Wirtschaftswunder ist auf diesem Hintergrund eigentlich ganz nüchtern betrachtet eine Groß-Demonstration der Lebenserfahrung: ‚Kraft wächst aus der Hoffnung auf bessere Zeiten, und stabile Weg-Gemeinschaften sind der Nährboden für starke und zufriedene Partnerschaften, welche somit die größte Aussicht auf den angestrebten Lebens-Erfolg bieten’.

In ‚Sonntagsreden’ wird gern herausgestellt, dass „Partnerschaft und Familie“ des Deutschen höchstes Gut seien. Auch Meinungsforscher belegen kontinuierlich diese Einschätzung. Wenn dem so ist, kann es sich bei den hohen Ehescheidungszahlen und den vielen Beziehungsbrüchen unverheirateter Paare nur um ein nicht gewolltes oder allenfalls fahrlässig herbeigeführtes Desaster handeln. Wahrscheinlich liegt es auch daran, dass zu viele Männer und Frauen mit recht naiven Vorstellungen oder mangelhaften Voraussetzungen ins Beziehungsleben starten. Ungeübtheit in gelingender Kommunikation, zu geringe Kenntnisse über wichtige Voraussetzungen für ein ausgeglichenes Paar- und Familienleben, ein zu schwach ausgeprägtes gebendes und hörendes ICH führen solche Beziehungen zum Scheitern.

Ein Blick ins persönliche Umfeld offenbart: Immer mehr Paare, welche mit hoffnungsvollen Erwartungen ihre Lebensgemeinschaft begonnen haben, geraten zu schnell in beträchtliche Turbulenzen. Häufig wird dann in einer Trennung der einzige Ausweg gesehen. Nicht selten geschieht dies nach der Maxime: ‚Erst heiß begehrt, dann kalt abserviert’! In nahezu der Hälfte aller Scheidungen beziehungsweise Trennungen sind jedoch nicht nur die Partner selbst, sondern auch ihre Kinder betroffen, wenn getrennt wird, was einmal zusammengehörte. Würden die Paare vorher überblicken, dass der ins Visier genommene Abbruch einer Beziehung oft der Beginn von jahrelangen, häufig auch juristischen Auseinandersetzungen, Demütigungen, finanziellen Belastungen und beträchtlichen psychosomatischen Langzeitbeeinträchtigungen ist, würden Viele sicher anders handeln.

„Wir haben es nicht geschafft, unsere Ehe lebendig zu halten. Als Eltern lief unser Motor meist auf Hochtouren und wir funktionierten prächtig, aber als Paar haben wir zu wenig auf Pausen der Zweisamkeit geachtet und manch notwendigen Boxenstopp oder Ölwechsel aus dem Blickfeld verloren. Das sehe ich heute ganz klar, aber es dauerte lange, bis mir das klar wurde“, so eine End-Dreißigerin nach dem Beziehungs-Crash in einem Beratungsgespräch. Und sie ergänzt: „Ich werfe dies meinem Exmann nicht vor, wir haben uns in der Geschäftigkeit des Alltags verloren und es viel zu spät bemerkt.“

Auf dem Hintergrund meiner langjährigen Tätigkeit in der Paarberatung komme ich zu dem Ergebnis, dass fast 80% der Paare, welche auseinandergehen, dies bei besseren Voraussetzungen und regelmäßigerer Selbstkontrolle hätten vermeiden können. In Krisen wegzulaufen oder möglichst schnell in den Armen eines/einer Neuen abzutauchen und die Gründe für das Scheitern nicht aufzuarbeiten ist mehr als naiv. Es ist immer wieder neu faszinierend, wenn ein kleines Kind mitten in einem Raum stehend die Augen schließt und in altersgemäßer Unbekümmertheit fragt: ‚Wo bin ich?’ Aber wem nützt es, wenn nach Jahren Erwachsene so vor selbst verursachten Realitäten die Augen verschließen?

Egal, wo in den jeweiligen Partnerschaften ein Verbesserungsbedarf erkennbar wird, ignorieren Paare diese Zusammenhänge und schaffen sich nicht regelmäßig kleine oder größere Aus-Zeiten, um in Intensität miteinander emotional, geistig und körperlich das Leben zu teilen, wird dies auf Dauer zur Entzweiung führen. Denn die Energie-Stärke eines Paares beziehungsweise einer Familie ist neben einem gesunden und förderlichen Lebenswandel sowie erfüllend-herausfordernden Aufgaben auch von systematischer und sorgfältiger Pflege abhängig. Diese Erkenntnis ist eine ultimative Botschaft, weil das Zerbrechen von Partnerschaften kein Naturgesetz ist!

Ein regelmäßiger ‚Check up’ des Beziehungsalltags als Vorsorgemaßnahme

Aber was muss passieren, damit eine Partnerschaft nicht zwischen alltäglichen Termindruck und wichtigen Erfordernissen im Desaster endet? Wir müssen uns besser auf die verschiedensten erwartbaren Herausforderungen vorbereiten und kräftig unseren eigenen Mut- und Fähigkeits-Pegel erhöhen. Ergänzend müssten Paare ihr Zusammenwirken regelmäßig – mindestens einmal pro Jahr – einem Check up unterziehen, so wie regelmäßig Ärzte zum Erhalt der Gesundheit aufzusuchen sind und Autos turnungemäß beim TÜV auf den Prüfstand kommen. Dann wäre zu klären, welche Schwachstellen im Miteinander auszugleichen, wie Brachliegendes sinnvoll zu füllen und jeweilige Stärken zu optimieren sind.

Konkreten Fragestellungen können – in Anlehnung an eine Auto-Werkstatt – sein:

  • Ist das Fahrgestell noch in Ordnung, bzw. – was ist das tragende ihrer Beziehung?
  • Welche Aggregate könnten heiß gelaufen sein, bzw. – wo stehen konkret Nachbesserungen an?
  • Wie funktionsfähig sind die Bremsen, bzw. – haben Sie sich ausreichend unter Kontrolle?
  • Funktioniert die Zündung noch, bzw. – wo existieren Störungen in Ihrem Beziehungsalltag?
  • Ist der Reservetank groß genug, bzw. – sind Sie für Durststrecken gut gerüstet?

Werden solche oder ähnliche Fragen zur Selbstvergewisserung nicht regelmäßig gestellt und gewissenhaft abgearbeitet, werden bald größere Probleme im Beziehungsalltag einsetzen. Im anderen Fall werden Verbesserungsbedarfe zeitiger erkannt und effektiver angegangen. Es lohnt sich, die Zeit für diese Kursüberprüfung regelmäßig zu intensivieren. Denn: Beziehungsprobleme schaffen Erziehungsprobleme, Erziehungsprobleme schaffen Beziehungsprobleme, berufliche Probleme schaffen familiäre Probleme, familiäre Probleme schaffen berufliche Probleme. Und alle diese Probleme sind der Nährboden für vielfältige Krankheiten und Konflikt-Szenarien.

Eine neue – und von den meisten Paaren auch bewusst herbeigeführte – Herausforderung setzt dann mit der Geburt des ersten Kindes ein und wird in der Regel durch weitere Kinder verstärkt. Oft steht nach kurzer Zeit, wenn die Geburtsfreude von schlafarmen Nächten, wiederkehrenden neuen Abläufen und notwendigen Umstellungen kräftig überlagert wird, der Satz im Raum: ‚Als wir noch kinderlos waren, da klappte es meist recht gut’. Einige Argumente liegen auf der Hand:

Kinder stiften Sinn, machen Arbeit und bringen etliche Veränderungen

  • Das Geld auf der Hand ließ viel mehr Spielraum für dies und jenes!
  • Die Zeit bzw. Freizeit konnte viel unkomplizierter eingeteilt werden!
  • Es gab noch keine zeitlichen oder körperlichen Belastungen im Umgang mit Kindern!
  • Im Bereich Erotik und Sexualität war Vieles spontaner und unkomplizierter!
  • Die Frage, machst Du’s oder soll ich …, wenn sich der Nachwuchs meldet, gab es noch nicht!
  • Über den Umgang mit Stillen, Quengeln und Schreien brauchte nicht diskutiert oder gestritten werden!
  • Und die Frage: wer sorgt nach der Mutterschutzfrist in welchem Umfang für das/die Kinder, kann nicht mehr verschoben werden!

Ja, Kinder wirbeln das Leben in der Partnerschaft kräftig durcheinander. Werden hier keine tragfähigen und zufriedenstellend-lebbaren Entscheidungen zwischen den jungen Eltern getroffen, die sowohl die Bedürfnisse der Väter und Mütter und auch die des Säuglings bzw. der Kinder insgesamt angemessen berücksichtigen, geraten die Beteiligten rasant in eine Schieflage. Bezogen auf die Aufgabenverteilung zwischen Familienarbeit (Haushalt, Kinder, Orga-Abwicklung) und beruflicher Erwerbarbeit wird häufig zu Recht eine fehlende Anerkennung der häuslichen Leistungen beklagt. Dabei geht es oft nicht um die Tätigkeit innerhalb alter oder neuen Rollenverteilungen, sondern um eine fehlende gesellschaftliche und innerfamiliäre Anerkennung. Zufriedenheit und Ausgeglichenheit sind immer das Ergebnis von konkret erfahrener Wertschätzung über erbrachte Leistungen. Bleibt sie aus, egal ob im Erwerbsleben oder innerhalb familiärer Aufgabenstellung, wird dies auf Dauer immer zu Konflikten führen.

Mehr gesellschaftliche Ankerkennung für die Familie als Keimzelle der Gesellschaft

Die Familie ist die ‚Erneuerungszelle der Gesellschaft in biologischer, moralischer und kultureller Hinsicht‘, so der Wiener Sozialethiker Johannes Messner. In auffallendem Kontrast zur Bedeutung der Familie steht jedoch der im öffentlichen Handeln ablesbare niedrige Stellenwert in einer markt- und erwerbszentrierten Gesellschaft. ‚Diese vernachlässigt weithin sträflich die Belange von Familien und Haushalten und geht mit dem familialen Leistungspotential eher ausbeuterisch als stärkend um’, so Max Wingen in seinen „Familienpolitische(n) Denkanstöße(n)“. Da wirtschaftliche Interessen und Kinder-Bedürfnisse meilenweit auseinander liegen, fühlen sich viele Eltern in dieser Erziehungs-Phase recht allein gelassen:

  • Weil die Wirtschaft größtmögliche Flexibilität verlangt, die Familie aber auf Stabilität und Kontinuität beruht und dabei den Kürzeren zieht’, sagt der Philosoph Dieter Thomä. Und am stärksten Betroffen sind die Kinder.
  • Weil die aktuelle – durch Wirtschafts-Lobbyisten geprägte – Politik sich gegen Kinder richtet. Familienverbände fordern, dass sich Wirtschaftprozesse viel stärker an Kinderbedürfnissen zu orientieren haben, weil sich ‚Nähe, Geborgenheit und Verlässlichkeit’ nicht reglementieren und kontingentieren lassen.
  • Weil zuviel Egoismus und Karriere-Streben unsere Gesellschaft prägen. Ein häufig festgestellter Zusammenhang: ‚Je stärker sich Gesellschaften an Konsum und Wohlstand orientieren, je bedrohter ist der Lebensraum von Kindern.
  • Weil viele Eltern sich – meist parallel zu diesen negativen gesellschaftlichen Einwirkungen – mit der Erziehungsaufgabe überfordert sehen. Ein häufiges Argument: ‚Wenn das mit der Erziehung doch so schwierig ist, dann sollten wir diese Aufgaben doch besser outsourcen’

Wirtschaftslobbyisten und zu viele Politiker haben noch nicht begriffen, dass unsere Gesellschaft bessere Rahmenbedingungen für Familien um der eigenen Zukunft willen schaffen muss. Denn neben preiswerten Rohstoffen oder gut funktionierenden Maschinen kommt der ‚Human-Ressource‘ die größte Bedeutung zu. Politiker und Unternehmer behandeln die Familie in der Regel als unwirtschaftliches Abschreibe-Gut, weil es nur koste und nichts bringe. Dieser folgenschwere Trugschluss offenbart ein beschränktes Verständnis von Produktivitätszusammenhängen. Würde berücksichtigt, dass Familien durch die Erziehung geeignete nachwachsende Produzenten und Konsumenten ‚schaffen‘, müsste in diesen Bereich genauso investiert werden, wie in die Entwicklungs- oder Personalabteilungen von Betrieben. Alle gesellschaftlichen Kräfte – insbesondere Politik und Wirtschaftsverbände – müssten viel deutlicher in ihrem Alltagshandeln berücksichtigen: ‚Kinder sind das Erbgut einer Gesellschaft und starke Familien ihr Rückgrat’!

Selbstbewusst eingebrachtes All-Round-Management zur Gestaltung des Familienlebens

Hat sich in der Gesellschaft ein unfreundliches Erziehungs- und Familienklima entwickelt, wird das tägliche Vielerlei im häuslichen Umfeld leicht als stupide empfunden. Dagegen wird das außerhäusige Berufsleben, trotz allem Stress oft in den schönsten Farben dargestellt. Selbst wenn der Rücken schmerzt und Eintönigkeit obsiegt, auch wenig anspruchsvolle Tätigkeiten werden in der Regel als höherwertiger und erfüllender dargestellt, als eigene Kinder auf das Leben vorzubereiten. Viele nehmen Einiges auf sich, um die herabwürdigende – meist von Frauen vorgenommene – Etikettierung ‘Nur-Hausfrau’ abzuwehren.

Dazu eine kleine, schon Jahre zurückliegende Begebenheit. Frau Pfiffig war einer Abendeinladung gefolgt, welche sie mit vielen erwerbstätigen Frauen zusammen bringen würde. Als ihr dann als mutmaßlicher ‘Vollzeit Hausfrau und Mutter’ zum Start einer Small-Talk-Runde die ‘Frage der Fragen’ gestellt wurde, was sie denn beruflich mache, kam eine sichtlich irritierende Antwort. Sie sagte: “Ich bin Managerin eines sehr wachstumsorientierten Klein-Unternehmens im Bereich Human-Ressource. In ihm bin ich verantwortlich für die Entwicklung von zukunftsfähigen Lebensmodellen, speziell für Kinder und Jugendliche. Diese Aufgabe ist sehr abwechslungsreich, erfordert reichlich Engagement und Kreativität und macht mir viel Freude.” Darauf eine der Zuhörerrinnen etwas verdutzt: “Und ich dachte, Sie seien Nur-Hausfrau”. Worauf der vielsagende Hinweis kam: “Da können Sie mal sehen, wie breit das familiäre Aufgaben-Spektrum zwischen Kinder, Küche, Terminorganisation und Karriereplanung für den Nachwuchs ist.” Dass diese selbstbewusste Tätigkeitsbeschreibung natürlich auch von einem Hausmann vorgenommen werden kann, ist selbstverständlich.

Qualifizierungsimpuls zur besseren Bewältigung der Erziehungsaufgabe

Unabhängig von diesen gesellschaftlichen Implikationen: Kinder brauchen zum Erwachsenwerden Eltern, die Zeit für positive Zuwendung einbringen und personale Kompetenz vermitteln. Um dieser Aufgabe gerecht zu werden, benötigen Eltern neben der entsprechenden Zeit und besseren gesellschaftlich-beruflichen Rahmenbedingungen auch eine angemessene Qualifizierung. Nur so können sie für ihr Aufgabenspektrum zwischen

  • biologischer
  • emotionaler
  • sozialer und
  • fertigkeitsorientierter Lebensvorbereitung

gut gerüstet sein, um die ihnen anvertrauten Kinder liebevoll-konsequent ins Leben zu führen!

Aber es gibt immer noch zu viele Menschen die davon ausgehen, mit dem Zeugungsakt gleichzeitig im Schnellverfahren auch eine Befähigung zur Erziehung des bald auf die Welt kommenden Nachwuchses erlangt zu haben. Daher wird hier verdeutlicht: Schon in der Schwangerschaft sollte für die werdenden Väter und Mütter ein Elternqualifikationsseminar auf dem Programm zu stehen. Das Projekt des Kinderschutzbundes ‚Starke Eltern starke Kinder’, Step-Seminare, Triple P-Kurse oder die von Familienbildungsstätten hier und da angebotenen Erziehungs-Führerscheine sind hier beispielhaft. Ein Merksatz: Schwangerschaftsgymnastik erleichtert die biologische Entbindung, Erziehungs-Seminare sorgen für eine angemessene und nachhaltige Eltern-Kind Verbindung.

Ein ausgeprägtes Konfliktvermeidungs-Management als Basis des Familienlebens

„Anders als bei der Anschaffung High-Tech-Geräten werden Männer und Frauen meist nicht mit einer Bedienungsanleitung für den Einsatz in Partnerschaften ausgeliefert, auch wenn einige spezielle Nutzungshinweise manche Störung vermeiden oder reduzieren könnte“ (Wunsch 2013). Außerdem wäre zu klären, wer für erkennbare Gewährleistungsansprüche zuständig wäre.

Die Fähigkeit, in Konflikte hineinzugeraten bzw. diese auszulösen scheint bei den meisten Paaren (und Menschen) viel ausgeprägter zu sein, als diese vermeiden zu können. Dabei geht es nicht um das Erstreben einer ‚Friede-Freude-Eierkuchen-Welt’, sondern um die Fähigkeit, unterschiedliche Sichtweisen, Wünsche oder Bedürfnisse so einbringen zu können, dass Lösungen bzw. Kompromisse möglich sind. Instabile Menschen fassen ständig – manchmal selbst einfache Fragen oder Hinweise – als Entwertung oder Angriff auf, rutschen dann sofort in den Widerspruch und reagieren mit aggressiven oder depressiven Reaktionsmustern. Menschen mit einem stabilen ICH dagegen lassen sich nicht vom ‚ersten Gegenwind‘ um pusten, sehen sich nicht als den Mittelpunkt der Welt, bringen sich förderlich in die Gemeinschaft ein, gehen gekonnt mit Spannungen und Konflikten um, können nachgeben ohne aufzugeben und schaffen sich einen Gelassenheitsvorrat. Johann Wolfgang von Goethe hinterließ uns: „Unsere Eigenschaften müssen wir kultivieren, nicht unsere Eigenheiten.“

Typische Störungen im Miteinander und einige praktische Hilfestellungen

Wenn es häufig Streit wegen der Erziehung gibt, ungerechte Verteilungen in der Kinderversorgung und Haushaltsführung existieren, gemeinsame Entscheidungen einseitig gekippt werden, dann geht den Beteiligten bald die Luft aus. Um erst gar nicht in solche Situationen zu geraten oder wenigstens schnell wieder heraus zu kommen, hier ein paar Praxis-Tipps:

Eine gute Start-Frage zur Vergegenwärtigung des Zustandes ihrer Beziehung zwischen Wohlbefinden und Unzulänglichem: ‚Was sind die Haupt-Hinderungsgründe, umfassender auf den Partner/ die Partnerin einzugehen, um so für eine harmonische Beziehung zu sorgen?’ Nehmen Sie sich zur Beantwortung die notwendige Zeit und tauschen Sie sich anschließend über ihre Ergebnisse aus. Dann kann Punkt für Punkt eine Klärung/ Neupositionierung eingeleitet werden. Die Ergebnisse werden schriftlich festgehalten und erste Schritte zur Verbesserung abgestimmt. Die wichtigsten Fakten: Wer macht was ab … anders oder lässt es, werden ebenfalls notiert und abschließend wird ein Datum zur Nachkontrolle festgehalten.

Damit Eltern sich mit der Erziehungsaufgabe nicht überfordert fühlen, hier eine Basis-Position:

  • Beziehung ist die Basis allen menschlichen Lebens!
  • zielgerichtetes Erziehungs-Handeln ist notwendig und lernbar!
  • Eltern können nur wirksam aus einer soliden Autorität (nicht mit autoritär zu verwechseln) heraus handeln
  • Wichtige Handlungsziele sind in Partnerschaft und Ehe miteinander zu vereinbaren!

Wichtig: Nur wer regelmäßig das Ausmaß innerer Spannungen oder Stress-Situationen überprüft, kann frühzeitig für einen ausgeglichenen Innendruck sorgen, bevor man/frau zu platzen beginnt. Ad hoc–Prüffragen bei Konflikten:

  • Liegt’s an mir?
  • Liegt’s am Gegenüber?
  • Liegt’s an der Situation?

„Sich gegenseitig ‚Ins-Wort-Fallen‘ erhöht zwar die Intensität der Silben-Produktion pro Minute und häufig auch die des Blutdrucks, aber die Verständigungsfähigkeit wird im gleichen Maße extrem reduziert“ (Wunsch 2013).

Innerhalb des elterlichen Umgangs mit Kindern ist die Verwöhnung ein Grundübel. Dies schafft viel Stress für die Eltern. Die Kinder werden gleichzeitig entmutigt und ihre Entwicklung zur Eigenständigkeit und sozialen Kompetenz wird gezielt verhindert! Hier sind Eltern und andere Erziehungskräfte gefordert, die gravierend-negativen Folgen von Anstrengungsvermeidung zu begreifen. Der Klick im Kopf ist also die wichtigste Voraussetzung, nicht in die Verwöhnungsfalle zu tappen.

Wichtig beim Umgang mit Kindern: Viele Eltern und andere Erziehungskräfte pendeln zu häufig zwischen Unterforderung, Durchgehen-Lassen und Härte. Daher hier die Drei-Einigkeit einer wirkungsvollen Erziehung:

  • wohlwollend
  • vorlebend und
  • konsequent

Wichtig: Konsequenz ohne Wohlwollen ist Härte! Konsequenz ohne Vorleben ist Lüge! Wohlwollen ohne Konsequenz ist Feigheit!

Zum Umgang mit Erwartungen!

  • Wie werden Sie geäußert?
  • Um welche Erwartungen geht es?
  • An wen werden sie gerichtet?
  • Wer ist für die Erfüllung zuständig?
  • Wie ist die Reaktion bei Nicht-Erfüllung?

Merksatz: ‚Erwartungen sind meist Vereinbarungen mit einem Anderen ohne seine Einbeziehung’!

Ein wunder-wirkender Handlungsansatz: ‚Was kann/könnte/sollte ich dazu beitragen, dass die ungute Stimmung und das aktuelle Miteinander besser, beziehungsweise das Problem kleiner wird?’ Durch eine Differenzierung zwischen Handlung und Handelndem! Durch Verzeihen, Versöhnen und perspektivischem Verdeutlichen! Eine Erfolgsformel: ‚Was Du willst, dass Dir geschieht, das tue für den Anderen!’

Ein aufrüttelnder Schluss-Satz: „Wenn die Liebe schlafen geht, sollten Sie einen tauglichen Wecker haben!“

Trotz aller hier zusammengetragenen Praxistipps und manch hoffungsschwangeren Appellen ein abschließender Gedanke zur Erdung: Wer in einer Partnerschaft (aber auch im Single-Leben) den Himmel auf Erden sucht, hat sowohl in Erdkunde als auch im Religions- oder Weltanschauungsunterricht nicht gut aufgepasst.

Weiterführende Literatur des Autors

  • Wunsch, Albert (2013): Boxenstopp für Paare – damit ihre Beziehung rundläuft. München 2011, 2. Aufl.
  • Wunsch, Albert (2013): Die Verwöhnungsfalle. Für eine Erziehung zu mehr Eigenverantwortlichkeit, München 2000; 14. restlos überarbeitete und wesentlich ergänzte Neuauflage, München.
  • Wunsch, Albert (2015): Mit mehr Selbst zum stabilen ICH. Resilienz als Basis der Persönlichkeitsbildung. Heidelberg 2013, zweite Auflage.
  • Wunsch, Albert (2007): Abschied von der Spaßpädagogik. Für einen Kurswechsel in der Erziehung. München 2003, 4. Auflage München.
  • Wunsch, Albert (2014): In Verlässlichkeit und Liebe das Leben teilen. In: Kirche und Gesellschaft. Mönchengladbach, Heft 407/2014.

Weitere Beiträge des Autors hier in unserem Familienhandbuch

Autor

Dr. Albert Wunsch ist Psychologe, Diplom Sozialpädagoge, Diplom Pädagoge und promovierter Erziehungswissenschaftler. Bevor er 2004 eine Lehrtätigkeit an der Katholischen Hochschule NRW in Köln (Bereich Sozialwesen) begann, leitete er ca. 25 Jahre das Katholische Jugendamt in Neuss. Im Jahre 2013 begann er eine hauptamtliche Lehrtätigkeit an der Hochschule für Ökonomie und Management (FOM) in Essen / Neuss. Außerdem hat er seit vielen Jahren einen Lehrauftrag an der Philosophischen Fakultät der Uni Düsseldorf und arbeitet in eigener Praxis als Paar-, Erziehungs-, Lebens- und Konflikt-Berater sowie als Supervisor und Konflikt-Coach (DGSv). Er ist Vater von 2 Söhnen und Großvater von 3 Enkeltöchtern.

Kontakt

Dr. Albert Wunsch, Im Hawisch 17, 41470 Neuss

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eingestellt am 16. Juni 2015

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