Empfängnisverhütung in der Stillzeit
Utta Reich-Schottky
Während der Stillzeit stehen Ihnen verschiedene Methoden zur Empfängnisverhütung zur Verfügung. Unter bestimmten Bedingungen wirkt auch ausschließliches Stillen in den ersten Monaten nach der Geburt empfängnisverhütend.
Nach der Geburt ist vieles anders. Körperlich und auch seelisch dauert es einige Zeit, bis alles sein neues Gleichgewicht gefunden hat. Diese Zeit des Übergangs und des Umbruchs ist zugleich eine Chance, Neues auszuprobieren und sich auch über die Frage der Empfängnisverhütung erneut Gedanken zu machen.
Die Rückkehr der Fruchtbarkeit beim Stillen
Nach der Entbindung kehrt die Fruchtbarkeit erst allmählich zurück. Wie schnell das geht, hängt hauptsächlich davon ab, ob und wie Sie stillen. Für das Baby ist Stillen die optimale Ernährung, ein guter Immunschutz und ein sicherer Hafen für seine seelische Entwicklung. Bei Ihnen fördert Stillen die Rückbildung der Gebärmutter nach der Geburt, verringert das Risiko, an Brustkrebs oder Osteoporose zu erkranken, und hilft Ihnen, die Beziehung zum Kind aufzubauen.
Das Stillen ist aber auch die älteste Form der Empfängnisregelung überhaupt und hat schon immer dazu beigetragen, die Abstände zwischen den Geburten zu vergrößern.
Seit den 80er Jahren wird in wissenschaftlichen Studien weltweit unter unterschiedlichen Bedingungen geprüft, ob das Stillen als moderne Empfängnisverhütungsmethode genutzt werden kann (siehe Literaturverzeichnis). Daraus entstand LAM, Lactational Amenorrhoic Method, die Methode des stillbedingten Ausbleibens der Regelblutung. Bei korrekter Anwendung bietet sie in den ersten 6 Monaten nach der Entbindung einen Empfängnisschutz von mindestens 98%. Danach nimmt der Schutz ab.
“Korrekte Anwendung” heißt:
- Sie haben noch keine Regelblutung;
- Sie stillen ausschließlich oder fast ausschließlich, das heißt, dass das Baby praktisch nur Muttermilch erhält;
- das Baby bekommt keinen Schnuller oder Teefläschchen;
- das Baby erhält mindestens sechs lange Stillmahlzeiten pro Tag oder mehr;
- der größte Abstand zwischen zwei Stillmahlzeiten beträgt nicht länger als sechs Stunden;
- das Baby ist jünger als 6 Monate.
Eine Trennung von Mutter und Kind erschwert die Anwendung von LAM; in einer Studie mit erwerbstätigen Frauen betrug die Empfängniswahrscheinlichkeit 5% (Valdés 2000).
Wenn Ihre Periode wieder einsetzt oder z.B. Ihr Baby nachts plötzlich sieben Stunden durchschläft, dann besteht nur noch ein geringer Empfängnisschutz.
Wie weit das Stillen eine neue Empfängnis hinauszögert, ist individuell verschieden. Bei vielen Frauen bleibt die Periode relativ lange aus, manches mal bis zum Ende der Stillzeit. Je länger jedoch die Geburt zurückliegt, desto eher kann es auch ohne Regelblutung zu einer neuen Schwangerschaft kommen.
Für die Empfängnisregelung gibt es auch in der Stillzeit viele Möglichkeiten, die im folgenden Text beschrieben werden:
Natürliche Familienplanung
Im Laufe eines Zyklus zeigen verschiedene Körperzeichen fruchtbare und unfruchtbare Tage an. Das sind u.a. die gleichzeitige Beobachtung der Körpertemperatur und der Beschaffenheit des Zervixschleimes, die nach einem festen Regelwerk beurteilt werden. Dazu bedarf es vor allem einer genauen Anleitung und etwas Übung (siehe hierzu http://www.natuerliche-familienplanung.org ). Diese Methode kann auch in der Stillzeit erlernt und angewendet werden. Solange noch keine regelmäßigen Zyklen wieder da sind, kann die Beobachtung und Bewertung der Körperzeichen gelegentlich erschwert sein.
Auf der Messung dieser zyklischen Veränderungen beruhen verschiedene neu entwickelte Technologien – Temperaturcomputer, Hormontests und Geräte zur Messung von Speichel und Zervixschleim. Bislang erwiesen sich nur die Temperaturcomputer als ausreichend zuverlässig. Damit diese Geräte die fruchtbaren und unfruchtbaren Tage anzeigen können, werden mindestens drei stabile Zyklen als Ausgangspunkt benötigt. Die ersten Zyklen nach der Geburt sind häufig noch unregelmäßig, so dass diese Geräte für die erste Zeit nach der Entbindung nicht brauchbar sind.
Chemische Verhütungsmittel
Nonoxinol-9 ist der gebräuchlichste Wirkstoff in Zäpfchen und Sprays. Manchmal werden auch Zitronensäure oder Milchsäure verwendet. Die Mittel können in der Stillzeit angewandt werden.
Barrieremethoden
Diaphragma: Da sich durch eine Geburt die körperlichen Verhältnisse verändern können, muss die Größe des Diaphragmas etwa 6 bis 8 Wochen nach der Geburt neu angepasst werden. Bei korrekter Anwendung ist es für stillende Frauen ein sicheres, geeignetes und unschädliches Verhütungsmittel.
Kondom: Das Kondom ist das einzige Verhütungsmittel für den Mann (abgesehen von der Sterilisation). Es kann in der gesamten Stillzeit problemlos und sicher angewandt werden.
Spirale: In der Stillzeit kann auch die Spirale verwendet werden. Sie kann etwa 6 bis 8 Wochen nach der Geburt in die Gebärmutter eingelegt werden. Vorher sollten ein ausführliches Beratungsgespräch und eine ärztliche Untersuchung erfolgen.
Eine Wirkung der Kupferspirale auf die Muttermilch ist nicht anzunehmen. Bislang hat sich auch kein Einfluss der Hormonspirale auf die Zusammensetzung der Muttermilch nachweisen lassen.
Hormonelle Methoden
Die Pille enthält Östrogene und Gestagene. Östrogene bewirken einen Rückgang der Milchmenge. Dieser Effekt ist um so stärker, je eher nach der Entbindung mit der Einnahme begonnen wurde. Gestagene verändern zwar die Zusammensetzung der Muttermilch – allerdings nur geringfügig -, aber verringern die Milchmenge nicht. Deshalb empfiehlt die Bundesärztekammer für die Stillzeit die Minipille, die nur Gestagene enthält. Mit der Einnahme sollte frühestens 6 bis 8 Wochen nach der Entbindung begonnen werden, möglichst erst später.
Die “Pille danach” enthält Östrogene und Gestagen in hoher Dosierung. Da diese Dosis nur kurzzeitig gegeben wird, ist eine längere Stillpause nicht nötig.
Sterilisation
Rein technisch hat die Sterilisation auf das Stillen keinen Einfluss. Nach der Narkose kann die Mutter wieder stillen, sobald sie dazu wach genug ist. Allerdings sollte dieser endgültige Schritt sehr gut und in Ruhe überlegt sein.
Literatur
- Kennedy, K./Visness, C.(1992): Contraceptive efficacy of lactational amenorrhoea. Lancet 339, 227-230.
- Labbok, M.H. et al (1997): Multicenter study of the lactational amenorrhea method (LAM) I. Efficiacy, duration, and implications for clinical application. Contraception 55/6, 327-336.
- Pérez, A./Labbok, M./Queenan, J. (1992): Clinical study of the lactational amenorrhoea method for family planning. Lancet 339, 968-970.
- Peterson, A.E. et al (2000): Multicenter study of the lactational amenorrhea method (LAM) III: effectiveness, duration, and satisfaction with reduced client-provider contact. Contraception 62, 221-230.
- Short, R./Lewis, P./Renfree, M./Shaw, G. (1991): Contraceptive effects of extended lactational amenorrhoea: beyond the Bellagio Consensus. Lancet 337, 715-717.
- Tommaselli, G. et al (2000): Using complete breastfeeding and lactational amenorrhoea as birth spacing methods. Contraception 61, 253-257.
- Valdés, V. et al (2000): The efficacy of the lactational amenorrhea method (LAM) among working women. Contraception 62, 217-219.
Weitere Beiträge der Autorin hier in unserem Familienhandbuch
Autorin
Utta Reich-Schottky, Studienrätin für Biologie und Chemie, ist Stillberaterin DAIS - Deutsches Ausbildungsinstitut für Stillbegleitung.
Tel.: 0421/273401
Erstellt am 5. Februar 2002, zuletzt geändert am 26. März 2015