Als Vater bei der Geburt

Samuel François

In den letzten Jahrzehnten hat sich die Position der Männer bei der Geburt verändert, vom “Ausgeschlossensein” zum durchaus erwünschten Begleiter im Geburtszimmer. Dieser Entwicklung folgend, haben Hebammen, Gynäkologen und andere Fachleute Männern Aufgaben zugewiesen, damit sie sich nützlich machen.

Nur wenige Gesellschaftsformen gestehen dem Mann eine aktive Rolle bei der Geburt zu, oft werden sie von diesem exklusiv weiblichen Geschehen ausgeschlossen. In verschiedenen traditionellen Kulturen und früher auch in unseren Gegenden erhielten die Väter während der Geburt Aufmerksamkeit durch ein spezielles Ritual namens “Couvade” . Heute nehmen neue Traditionen diesen Platz ein, welche der eigenen Erfahrung, der eigenen Wahrnehmung der Männer bei der Geburt keinen Raum geben. Die neue Rolle des Vaters bei der Geburt definiert sich mehr aufgrund der Bedürfnisse der Frau als an seinen eigenen und verhindert so die Gelegenheit für den Mann, die Geburt für sich selbst zu erleben.

“Ich hatte mich sehr angestrengt, um die Richtlinien aus dem Geburtsvorbereitungskurs zu befolgen, habe versucht, das Personal zu unterstützen und meiner Frau beizustehen. Aber etwas fehlte (…). Die Aufgaben, die mir bei der Geburt zugewiesen waren, entsprachen nicht meinen Fähigkeiten oder meinen Bedürfnissen” (Richard Reed).

Es ist wichtig, den Mann bei der Geburt als eigene Person wahrzunehmen, mit seinem Erleben, und nicht nur als ein Assistent. Es muss daran erinnert werden, dass der Mann in dem Moment zum Vater wird, dies ist eine radikale, folgenschwere Veränderung. Diese Veränderung wird noch schwieriger dadurch, weil diese werdende Vaterschaft sehr wenig Unterstützung erfährt und weil der Fötus sich außerhalb des väterlichen Bereiches entwickelt. Außerdem können sich die Männer nicht auf diesbezügliche Erfahrungen ihrer Vorgänger berufen und Rituale, wie die “Couvade” sind verschwunden. Diese Tradition erkannte die Schwierigkeiten dieses Überganges an und half dem Mann dabei. Bei der “Couvade” ahmte der werdende Vater die Geburtsschmerzen seiner Frau nach und legte sich neben die Mutter.

Der Mann ist im Kreißsaal nicht nur der Begleiter seiner Frau, sondern vor allem ein Mensch mit seiner eigenen Geschichte. Seine Vergangenheit, sein Erleben müssen beachtet werden, um ihm zu ermöglichen an einem Ereignis teilzunehmen, das für ihn alles andere als unbedeutend ist. Außer der Möglichkeit, dass er seine eigene Geburt durch die seines Kindes durchlebt, wohnt er einem rein weiblichen Phänomen bei, das ihn zum Vater macht.

Angesichts dieser Verstrickungen und der neuen Vaterrolle, die sich den Männern eröffnet, scheint es wichtig zu sein, “schwangeren” Männern eine Hilfe und Begleitung bei ihrem “Vater-werden” zu bieten. Nur wenn sie ihre Vaterschaft mit Zuversicht angehen können, werden sie für ihre Partnerin und ihr Baby eine wirksame Unterstützung sein, nach ihrer Art und Weise.

Für den schwangeren Mann geht es darum, sich auseinanderzusetzen mit seiner Vaterrolle, um was es dabei geht, was sich für ihn verändert, was seine Phantasien und Anschauungen über Geburt sind. Kindheitserinnerungen, Ängste und Erinnerungen an sein Verhältnis zu seinem Vater können auftauchen. Der Mann braucht seine eigene Vorbereitung, ehe er die werdende Mutter begleiten kann. Gesprächsrunden für Väter in den Entbindungsstationen oder außerhalb, Begleitung durch Haptonomie (streichelndes Massieren des Bauches mit den Händen), Gespräche mit dem werdenden Großvater oder Freunden können eine beachtliche Hilfe sein.

Eine möglichst frühe Vorbereitung in der Schwangerschaft auf die Vaterschaft wird ihm einen ausreichenden Raum schaffen, um dieses Gefühl wachsen zu lassen und wird es dem Mann ermöglichen, in der Geburt eher die Erfüllung dieser neuen Rolle zu sehen, als deren Beginn. Diese Vorbereitung wird auch eine zuversichtliche Geburtsbegleitung ermöglichen.

Nach dieser Vorbereitung und Verarbeitung kann an die Unterstützung bei der Geburt gedacht werden, aber unter Berücksichtigung seiner eigenen Erfahrungen und Grenzen. Es ist für den Mann wichtig, dass er das tut, was seinen Wünschen entspricht und machbar ist, sogar wenn das bedeutet, dass er bei der Geburt nicht anwesend ist, weil es für ihn zu belastend ist. Es gibt da keine Verpflichtung. Es wäre unüberlegt, jetzt alle Männer in den Kreißsaal zu bringen, und dies manchmal gegen ihren Willen, nachdem man sie vorher völlig ausgeschlossen hat.

An dieser Stelle muss die Wichtigkeit des Dialogs zwischen dem Paar über dieses Thema unterstrichen werden, um ein gemeinsames Projekt rund um die Geburt zu erschaffen. Was wollen wir, was wollen wir nicht, was passiert bei Komplikationen, was sind die eigenen Erwartungen und Grenzen? Diese fundamentale Diskussion wird es ermöglichen, sich am Tag X in der Partnerschaft nah zu sein. Manche dieser Erwartungen sollten auch der Klinik oder der Hebamme unterbreitet werden, damit die eigenen Vorstellungen mit den Möglichkeiten und Routinen der Fachleute abgeklärt werden können.

Für den Vater ist es außerdem wichtig, sich auf die Geburt selbst vorzubereiten. Für ihn ist es genauso wichtig wie für seine Frau, über den Verlauf der Schwangerschaft und der Geburt informiert zu sein, um sie auf möglichst positive Art und Weise erleben zu können. Lektüre, Geburtsvorbereitungskurse, Gespräche mit Freunden, können hier unter anderem wichtige Informationen bringen.

Das alles ermöglicht es dem Vater, die Geburt seines Kindes bewusster und verfügbarer zu begleiten. Aus dem physischen Abstand heraus – die Geburt passiert im Körper der Frau – kann er sich in aufmerksamer Bereitschaft seiner Frau widmen und die Rolle des Vermittlers zum Personal spielen, was die Wünsche des Paares anbelangt. Das ermöglicht es der Frau, im Vertrauen auf ihren Partner, sich ganz auf die Vorgänge in ihrem Körper einzulassen und loszulassen, was sehr wichtig ist für die Geburt ihres Kindes.

Der Mann kann die Gebärende auch ganz konkret unterstützen, indem er sie bei verschiedenen erleichternden Positionen unter der Geburt stützt, die Nabelschnur durchtrennt, das Neugeborene zum ersten Mal badet, das Baby zur Mutter reicht, alles Vorgänge, die eine wichtige Funktion erfüllen: das Kind empfangen und ihm die Welt eröffnen.

Um den Platz des Vaters bei der Geburt zu bestimmen, muss man seine Entwicklung zur Vaterschaft und seine Wahrnehmung dieser Geburt in Betracht ziehen. In dieser Hinsicht ist es vorrangig, dass es für werdende Väter Stellen gibt, wo ihnen zugehört wird und sie Unterstützung finden können. Das erleichtert es dem Mann zu seiner Vaterrolle zu finden, seine Partnerin bei der Geburt zu unterstützen und sein Kind beim “auf die Welt kommen” zu begleiten in seiner Sozialisierungsfunktion.

Angesichts dieser Aufgaben, die sich als physische und psychische Prüfungen offenbaren, wäre es wünschenswert, wenn den Männern mehr Pause nach der Geburt gewährt würde, wie bei der “Couvade” . Dies wäre ein besserer Rahmen für die lange Arbeit, in der Männer und Frauen zu Vätern und Müttern werden und würde optimale Rahmenbedingungen schaffen.

Autor

Samuel François

Übersetzung: Corinne Lauterbour-Rohla

Quelle

Initiativ Liewensufank – Institut für die Verbesserung der Bedingungen rund um die Geburt
L-5955 Itzig, (Luxemburg)

Erstellt am 6. September 2005, zuletzt geändert am 7. April 2010