Geburtsvorbereitung – werdende Väter wollen mehr!
Eberhard Schäfer und Dr. phil Robert Richter
Viele Väter nehmen mittlerweile sehr großen Anteil am Verlauf der Schwangerschaft und auch der Geburt ihres Kindes. Dies betrifft auch das Interesse der Väter an Geburtsvorbereitungskursen. Nachfolgend wird auf die Gefühlswelt und die Bedürfnisse der werdenden Väter eingegangen. Als Beispiel wird ein Geburtshaus und eine Familienschule mit ihren jeweiligen Erfahrungen zu Väter- und Paarkursen vorgestellt.
Inhalt
- “Schwangere“ Männer in der emotionalen Achterbahn
- Geburtsvorbereitung - ”Hochzeit“ für aktive Vaterschaft
- Keine Lust auf "Hechelkurse"
- Wie wir Väter und Paare in die Elternschaft begleiten
- Besonderheiten in der Arbeit der Familienschule Fulda
- Muss Vaterschaft neu erfunden werden? Ein Ausblick
Werdende Väter nehmen mit immer größerer Selbstverständlichkeit an Geburtsvorbereitungskursen für Paare teil. Das ist gut so, denn: Diese Entwicklung zeugt vom großen Interesse, das Männer an Fragen und Themen rund ums Vaterwerden haben. Es ist ein Zeichen für einen deutlich sichtbaren Trend zur aktiven Vaterschaft.
Diesem Interesse und der Tatsache, dass rund 90 Prozent der Väter bei der Geburt ihrer Kinder anwesend sind (1), wird jedoch nach wie vor nicht die notwendige Wertschätzung zuteil. So werden in Deutschland die Kosten für die Teilnahme der werdenden Mütter an Geburtsvorbereitungskursen weitestgehend von den gesetzlichen Krankenversicherungen übernommen. Die werdenden Väter müssen jedoch in die eigene Tasche greifen – sie zahlen derzeit etwa 75 Euro dafür, dass sie sich zum kompetenten Geburtsbegleiter qualifizieren, so zu einer Senkung des Komplikationsrisikos bei der Geburt und damit letztlich auch zu einer Kostensenkung im Gesundheitswesen beitragen.
Trotz des großen Interesses der werdenden Väter kommen Männer- und Väterfragen in den bisherigen Konzeptionen der Geburtsvorbereitung nur am Rande vor. In der Geburtsvorbereitung dreht es sich nach wie vor zuallererst um alle Fragen, die die Mutter und das kommende Baby betreffen. Männer werden bisher in der Regel lediglich als “irgendwie auch dabei” , als Anhängsel oder “Beifahrer” (2) angesehen.
Dabei zeigt ein kurzer Einblick in die Gefühlslagen werdender Väter, dass sie, um ihren eigenen und gesellschaftlichen Erwartungen an eine “aktive” Vaterschaft gerecht zu werden, dringend vielfältige Unterstützung und Begleitung brauchen.
“Schwangere“ Männer in der emotionalen Achterbahn
Die meisten Männer, die wir in unseren Kursen erlebt haben, freuen sich, Vater zu werden.
- Sie verbinden mit ihrer Vaterschaft eine Bereicherung ihres Lebens.
- Sie freuen sich darauf mit ihrem Kind zu spielen, für es da zu sein, ihm Liebe, Wissen und Werte mit auf den Weg zu geben.
- Sie freuen sich auch darauf, selbst – zumindest zeitweise – wieder Kind sein zu können, zu schmusen, zu kuscheln, zu toben.
- Sie erleben die bevorstehende Vaterschaft als sinngebend für sich selbst, für ihr Leben, ihre Partnerschaft.
Die Gründe, Vater zu werden, sind meist emotionaler Natur und der ein oder andere Vater bemerkt von Zeit zu Zeit, dass wenig rationale Gründe für eine Vaterschaft sprechen.
In dieser Mischung aus emotionaler Begeisterung und meist überwiegend rationalen Bedenken fühlen sich viele werdende Väter während der Schwangerschaft zerrissen.
Ihre Freude wird häufig durch eine Vielzahl belastender Aspekte getrübt:
- Der Zeitpunkt für ein Kind erscheint fast nie der richtige.
- Ein Kind kostet unglaublich viel Geld und Zeit!
- Vater sein heißt Abschied nehmen von der Jugend, der Freiheit, von vielen Annehmlichkeiten.
- Die Beziehung zur Partnerin kann sich – auch negativ – verändern.
- Die Partnerin verändert sich körperlich und psychisch (” die Hormone spielen verrückt “-” plötzlich ist sie völlig unberechenbar! “).
- Die Sexualität kann sich verändern.
- Frau oder Kind können in der Schwangerschaft und bei der Geburt geschädigt werden oder sogar sterben.
Einige Wochen und Monate nach der Geburt befragt äußern viele Väter, dass eine der gravierendsten Umstellungen das Zurückstellen der eigenen Bedürfnisse war, dass sie damit zurechtkommen mussten, in dieser ersten Zeit mit Kind” hauptamtlich “und ausschließlich Versorger von Mutter und Kind zu sein.
Der selbstverständliche und natürliche Wunsch, selbst auch ein wenig versorgt zu werden, bleibt dabei oft auf der Strecke und es gilt für viele werdende Väter, sich auf eine mehr oder weniger lange Durststrecke einzustellen, was viel Kraft und Geduld kostet.
Vaterwerden ist also neben aller Vorfreude auf das Leben mit Kind eine sehr spannungsreiche und anstrenge Lebensphase mit vielen Sorgen und Befürchtungen.
Vielen Männern fehlt ein Repertoire von Verhaltensweisen und sozialen Netzen, in denen sie sich Unterstützung holen können, um über längere Zeit mit diesen Sorgen, Entbehrung und emotionalem Stress angemessen umgehen zu können. Räume zum eigenständigen und offenen Austausch mit anderen Männern und Vätern sind in unserer Gesellschaft selten. Wenn es sie gibt, sind sie oft mit Vorurteilen gegenüber Männergruppen behaftet, die viele an einer Kontaktaufnahme zu anderen Männern hindern.
Sind die Männer erst einmal Väter, ist ein kindzentrierter Austausch unter Vätern, z.B. im Rahmen einer Vater-Kind-Gruppe deutlich akzeptierter.
Geburtsvorbereitung - "Hochzeit" für aktive Vaterschaft
In dieser austausch- und begegnungsmäßig für Männer und werdende Väter recht kargen Landschaft sind Geburtsvorbereitungskurse für Paare ein wahrer Lichtblick!
”Geburtsvorbereitungskurse sind wohl der einzige halböffentliche Raum, in dem sich Männer eindeutig in ihrer Rolle als werdende Väter treffen und selbst erleben können.“(3)
Und unsere Erfahrung zeigt, dass viele Männer bei der Gelegenheit zum Austausch im Geburtsvorbereitungskurs kaum zu bremsen sind.
Nie haben sich Väter mehr für alle Fragen rund um die Geburt interessiert als heute. Der Wunsch nach einer intensiven Beziehung zum Kind wächst während der Schwangerschaft.
Deshalb verdienen Männer in ihrem Übergang zur Vaterschaft deutlich mehr Aufmerksamkeit und eine männergerechte Herangehensweise an ihr Vater-Werden. Werdende Väter sollten stärker als bisher als Subjekte mit eigenen Wünschen, Fragen, Interessen und Sichtweisen in den Prozess der Geburtsvorbereitung einbezogen werden. Warum? Die Schwangerschaft der Partnerin ist diejenige Phase im Leben des Mannes, in welcher er in einem Maße sensibel und aufgeschlossen gegenüber Fragen des aktiv gelebten Vaterseins sowie der Vereinbarung von Familie und Beruf ist, wie sonst nie zuvor und danach in seinem Leben. Dies zeigen Untersuchungen über den Wandel des Rollenverständnisses von Männern (4).
Die hier genannten Gründe und unsere eigenen Erfahrungen als Väter haben uns tätig werden lassen. Wir – Mitarbeiter in der Väterbildung bei Mannege e.V. in Berlin und in der Familienschule Fulda – bieten seit einigen Jahren Kurseinheiten in Geburtsvorbereitungskursen speziell für werdende Väter an. Wir arbeiten mit Hebammen und Geburtsvorbereiterinnen in der Familienschule Fulda und im Geburtshaus Berlin – Charlottenburg in Geburtsvorbereitungskursen zusammen. In Kursabschnitten von ca. drei Stunden arbeiten wir in geschlechtshomogenen Gruppen mit den werdenden Vätern und bieten ihnen so Raum und Zeit, sich mit fachkundiger Leitung” unter Männern “über Männerfragen rund um die Geburt und um das Vaterwerden auszutauschen.
Keine Lust auf ”Hechelkurse”
Unsere Erfahrungen in der Geburtsvorbereitung mit werdenden Vätern zeigen:
- Werdenden Väter empfinden Geburtsvorbereitungskurse oft als zu stark frauenzentriert. Oft werden die Kurse als “Hechelkurse” belächelt. Auf der anderen Seite empfinden die Männer es jedoch als große Wertschätzung ihrer Situation und Rolle, wenn sie gezielt angesprochen werden: Schon bei der Begrüßung durch uns, als männliche Co-Leiter gibt es regelmäßig Äußerungen wie “endlich werden wir hier mal ernst genommen!”
- Die Teilnehmer haben ein großes Interesse, unter Männern über Themen rund ums Vaterwerden und Vatersein zu sprechen.
- Unter Männern thematisieren werdende Väter ihre Erfahrungen, Wünsche, Erwartungen, Ängste und ihre Vorstellungen vom Vatersein offener und aufrichtiger als im üblichen mütter- und frauenzentrierten Zusammenhang. Auch Unsicherheiten in Bezug auf die Geburt, ihre Anwesenheit bei der Geburt und ihren Umgang mit dem Neugeborenen können sie so leichter thematisieren. In der geschlechtshomogenen Gesprächssituation sind Männer unbelastet von angenommenen oder realen Erwartungen von Frauen – insbesondere ihrer Partnerin – und es fällt ihnen leichter, einmal aus der Rolle des starken Mannes und Unterstützers auszusteigen. (Diese Vorteile des geschützten, geschlechtshomogenen Rahmens gelten selbstverständlich auch für Frauen.)
- Werdende Väter empfinden den Austausch unter Männern über Themen und Fragen rund ums Vatersein als bereichernd und entlastend. Der Austausch schafft Situationen, die Wiedererkennung mit andern ermöglichen. Tipps und Ratschläge lassen sich von Männern oft besser annehmen als von Frauen. Häufig entstehen in diesen geschlechtsgetrennten Gruppen Einsichten wie “Ach, so machst Du das!” – “Und ich dachte, ich wäre der Einzige, dem es so geht” . Als männliche Kursleiter setzen wir dabei allein durch unsere Anwesenheit ein Zeichen dafür, dass traditionelle Frauenbereiche oder eher frauentypische Themen keine reinen Frauenbereiche bzw. -themen sein müssen.
- Uns fällt immer wieder auf, dass sich viele werdende Väter intensiv mit dem Leben nach der Geburt des Kindes im Spannungsfeld zwischen Beruf und Familie beschäftigen – sie nutzen die Gelegenheit, um die eigene Rolle und Situation als Vater in einem angeleiteten Rahmen zu reflektieren. Ein wichtiger Ausgangspunkt hierfür ist oft die Reflexion der einigen Kindheit und des Erlebens des eigenen Vaters als Folie, auf der das Bild der eigenen Vaterschaft entwickelt wird.
- Diese Erfahrungen unter Männern regen auch Gespräche mit der Partnerin über viele Fragen des Elternwerdens und -seins an. Die Partnerinnen der werdenden Väter – das zeigen viele Rückmeldungen – empfinden die gezielte Ansprache “ihrer” Männer als anregend für ihre Eltern- und Paarbeziehung und die Entwicklung gemeinsamer Vorstellungen vom Elternsein.
- Die Hebammen und Geburtsvorbereiterinnen, mit denen wir kooperieren, empfinden die gezielte Ansprache der werdenden Väter ebenfalls als bereichernd und teilweise als entlastend, da sie oft schon lange das Gefühl hatten, den werdenden Vätern als Kursleiterin nicht vollständig gerecht werden zu können.
Zusammengefasst lautet das Ergebnis unserer Erfahrungen: Gut vorbereitete und zufriedene Väter tragen zu einer zufriedeneren Partner- und Elternschaft und damit zu stabileren Familien bei.
Wie wir Väter und Paare in die Elternschaft begleiten
Von Anfang 2001 bis Ende 2004 haben wir in der Familienschule Fulda rund 18 Kurse mit je 4 zusätzlichen Kurseinheiten á 2 Stunden für insgesamt ca. 110 werdende Väter bzw. Elternpaare durchgeführt. Über den Mannege e.V. in Berlin waren es in Zusammenarbeit mit dem Geburtshaus Berlin-Charlottenburg rund 15 Kurse mit jeweils 6 – 8 teilnehmenden werdenden Vätern.
Das Angebot in Fulda und Berlin
Die Kurse im Geburtshaus Charlottenburg und in der Familienschule Fulda laufen etwa folgendermaßen ab:
Rahmenbedingungen
Wir gestalten die etwa ein- bis dreistündigen Kursabschnitte für die werdenden Väter als offenes, moderiertes Gespräch. Im Verlauf eines Geburtsvorbereitungskurses ist dies meist der Sonntagvormittag (bei Kursen, die am Wochenende stattfinden, in Berlin deutlich häufiger als in Fulda) oder zwei Abende (bei Kursen, die sich über mehrere Wochen erstrecken bei einem Treffen an einem Abend in der Woche, in Fulda eher die Regel).
Bereits zu Beginn des Kurses in der Gesamtgruppe ist uns wichtig, dass die Männer nicht nur physisch präsent sind. Deshalb laden wir sie immer wieder ein, die Schwangerschaft und die bevorstehende Geburt auch aus ihrer Sicht zu schildern und sich nicht nur auf das Befinden Ihrer Partnerin zu beziehen.
In der Gesprächseröffnung der getrennten Einheiten laden wir sie erneut zum Gespräch ein. Wir betonen, dass wir die werdenden Väter mit ihren Themen und Fragen ernst nehmen, und dass – nach unserer Erfahrung – Väter eigene Fragen zum Vaterwerden haben, die sie auch gern unter sich besprechen.
Wir ermuntern die Teilnehmer, ihre eigenen Themen, Fragen, Gesprächsinteressen, Sorgen oder Probleme in das Gespräch einzubringen. Wir leiten eine Eröffnungsrunde ein, die auch mit einer persönlichen Vorstellung der Teilnehmenden verbunden ist. Dabei stellt sich häufig heraus, dass sich die Männer noch gar nicht kennen, bestenfalls die Namen voneinander wissen. In dieser Vorstellungsrunde stellt sich oft erstmals im gesamten Kurs eine gewisse Verbundenheit her, und diese erhält sich dann über den Kursabschnitt.
Typische Themen
Die teilnehmenden Männer und wir als Kursleiter bringen regelmäßig folgende typische Themen und Fragen ins Gespräch ein:
Die Schwangerschaft
- Wie ist mir klar geworden, dass ich Vater werde?
- Was hat sich in der Schwangerschaft bisher für mich / für uns als Paar verändert?
Die Vorbereitung auf die Zeit mit Kind / der “Nestbau-Trieb”
- Wie kann ich mich auf die Geburt und die Ankunft des Kindes vorbereiten?
- Bis wann macht ein Umzug, Umbau, Veränderung der Wohnung Sinn?
- Was muss ich beim Kinderwagenkauf beachten?
- Wo bekomme ich günstig Kinderkleidung?
- etc.
Die Geburt
- Welche Erwartungen, Hoffnungen, Befürchtungen verknüpfe ich mit der Geburt?
- Welche Aufgaben kann ich während der Geburt übernehmen?
- Wie kann ich mit Nervosität und Unsicherheiten umgehen?
- Will ich wirklich bei der Geburt dabei sein?
- Was will ich sehen, was nicht?
- Wo liegen meine Grenzen?
- Was kann ich direkt nach der Geburt mit meinem Kind machen (auch z.B. nach einem Kaiserschnitt)?
Das Wochenbett / die erste Zeit nach der Geburt
- Welche Aufgaben stehen in der ersten Zeit mit Kind an?
- Welche Aufgaben kann und will ich übernehmen?
- Was ist machbar und empfehlenswert?
- Wo sind meine Grenzen?
- Wo kann ich mir Unterstützung holen?
Umgang mit dem Baby (5)
- Wie bekomme ich Sicherheit in der Handhabung meines Kindes?
- Wie kann ich es halten, tragen, wickeln?
- Wie kann ich meine Partnerin beim Stillen unterstützen?
- Welche Wünsche, Erwartungen, Befürchtungen habe ich bzgl. des Stillens?
- Wenn mein Kind nicht gestillt wird, wie kann ich ihm ein Fläschchen geben?
Arbeit und Urlaub um die Geburt
- Wie kann ich die Zeit um den errechneten Geburtstermin sinnvoll planen?
- Wie kann ich möglichst viel Urlaub bekommen, um die erste Zeit mit Kind auch wirklich zu erleben?
Spannungsfeld zwischen Beruf, Familie und selbst bestimmte Zeit
- Wie will ich mit meiner Partnerin Erwerbs- und Familienarbeit aufteilen?
- Welche gesetzlichen und individuellen Möglichkeiten gibt es für Väter, Elternzeit zu nehmen?
- Wie kann ich, auch wenn ich (zunächst) Vollzeit erwerbstätig bin, einen intensiven Kontakt zu meinem Kind aufbauen?
Partnerschaft und Sexualität
- Wie hat sich die Schwangerschaft bisher auf unsere Partnerschaft und Sexualität ausgewirkt?
- Wie glaube ich, wird sich unsere Beziehung durch ein Kind verändern?
Alles in allem ist es uns ein besonderes Anliegen, den werdenden Vätern zu vermitteln, dass Vaterwerden eine Zeit der Freude ist, die aber – vor allem im ersten Lebensjahr des Kindes – auch eine sehr anstrengende Zeit ist!
Auch wenn im Kurs viele Fragen und Problemlagen ähnlich erscheinen, wir geben keine Patentrezepte. Die Situationen der einzelnen Väter sind sehr unterschiedlich, auch z.B. was berufliche Anforderungen und Arbeitszeiten angeht. Wir, die Kursleiter, empfehlen immer wieder: Nehmt euch so viel Zeit wie irgend möglich. Fast alle Väter wollen das auch tun, schaffen es aber aufgrund beruflicher Anforderungen kaum,” genug “Zeit zu finden. Häufig fällt die Zeit des Vaterwerdens zusammen mit dem Berufseinstieg bzw. der Phase kurz nach dem Berufseinstieg, wo auch der Aufstieg auf der Karriereleiter lockt. Hier, bei der Frage nach Vereinbarung von Familie und Beruf, äußern Väter häufig stärkste Gefühle der Zerrissenheit.
Besonderheiten in der Arbeit der Familienschule Fulda
In den geschlechtshomogenen Einheiten arbeiten wir in der Familienschule und bei Mannege e.V. sehr ähnlich. Die Einheiten für die Väter sind in der Familienschule jedoch eingebunden in ein Gesamtkonzept zur Geburts- u n d Familienvorbereitung, das darauf abzielt, sowohl die werdenden Väter als auch die werdenden Mütter nicht nur auf die Geburt, sondern auch auf das Leben als Familie vorzubereiten. Die Einheiten für die Väter finden so in enger Abstimmung mit der jeweiligen Kursleiterin statt, die gleiche oder ähnliche Inhalte auch mit den Frauen bearbeitet.
Diese getrennten Einheiten werden ergänzt durch gemeinsame Themen wie
- Aufgaben und Zeitverteilung nach der Geburt,
- Partnerschaftliche Kommunikation,
- Konstruktive Konfliktlösungsstrategien,
- Gegenseitige Wertschätzung in der Partnerschaft,
- Umgang mit” anstrengenden “Babys.
Die Kurstermine vor der Geburt werden ergänzt durch zwei Nachtreffen nach der Geburt, in denen wir auch teilweise geschlechtsgetrennt arbeiten und die Inhalte aus den Kurseinheiten vor der Geburt wieder aufgreifen, um die Wünsche, Erwartungen und Befürchtungen aus der Schwangerschaft mit der Familienrealität abzugleichen. Besonders wichtig ist auch hier der Austausch mit anderen Vätern und Müttern, um Vereinzelung aufzubrechen, Solidarität zu schaffen und sich Anregungen aus dem Alltag anderer zu holen.
Die Erfahrungen, die wir bisher in diesen Kursen der Familienschule Fulda gewonnen haben, bilden die Grundlage für ein bundesweites, verbandsübergreifendes Fortbildungsprojekt, das sich unter dem Arbeitstitel” Familienführerschein – Familien- und Partnerschaftskompetenz in der Geburtsvorbereitung “derzeit in der Entwicklung befindet. Ziel des Projekts ist, Kursleiterinnen und Kursleiter in der Geburtsvorbereitung weiter zu qualifizieren, um werdende Eltern in Geburtsvorbereitungskursen umfassend auf die Mutter- und Vaterschaft vorzubereiten. Wichtige Schwerpunkte bilden dabei die Integration der Perspektiven und Bedürfnisse werdender Väter und die präventive Stabilisierung der Paarbeziehung im Übergang zur Elternschaft.
Muss Vaterschaft neu erfunden werden? Ein Ausblick
Viele werdende Väter fühlen sich in ihrer Situation unsicher, wenngleich sie sich sehr auf ihr Vatersein freuen. Es gibt kein gültiges Rollenmodell für den Vater von heute (6). In der Kursarbeit wird immer wieder ein enormer Beratungsbedarf der Väter deutlich.
Diesem Bedarf steht eine Realität gegenüber, in der
es kaum Hilfestellung, Unterstützung und wenig Vorbilder für eine neue Vaterrolle gibt.
Viele Männer wissen, wie sie nicht Vater sein wollen und grenzen sich oft gegen den eigenen Vater ab. Vorbilder, denen sie nacheifern wollen, haben wenige.
Es kaum auf Männer abgestimmte Infrastrukturen in der Familienbildung und -beratung gibt.
Vaterschaft muss sicher nicht komplett neu erfunden werden – die Zeiten vorgefertigter Rollenmuster sind ohnehin schon lange vorbei. So hat jeder (werdende) Vater die Aufgabe und die Chance, seine Vaterrolle immer wieder neu zu definieren. Die Rahmenbedingungen dafür sind nicht immer leicht und häufig sehen sich engagierte, enthusiastische Väter ernüchternden Realitäten gegenüber, die ihren Eifer bremsen und ihre tatsächlichen Wahlmöglichkeiten stark einengen.
Gerade deshalb ist es dringend nötig, (werdende) Väter auf ihrem Weg zu begleiten und ihnen (institutionalisierte) Hilfen anzubieten, ihr Vatersein aktiv zu gestalten.
Der Ansatz, werdende Väter in die Geburtsvorbereitung aktiv mit einzubeziehen, ist nur ein Beispiel – vielleicht aber das wichtigste – für die Herausforderung, der sich die Familien- und Elternbildungsarbeit insgesamt gegenüber sehen. Väter wenden sich immer stärker der Familie und ihren Kindern aktiv zu; die Rolle des Familienernährers tritt demgegenüber in den Hintergrund. Dies ist eine große Chance für eine egalitäre Gestaltung von Partnerschaft in der Familie. Die Familienbildung sollte diesen Trend aufgreifen und verstärken – das heißt, sich viel stärker als bisher an die Vätern wenden. Derzeit werden über 80 Prozent der Angebote der Familienbildung von Müttern bzw. Frauen wahrgenommen (7). Experten in den USA empfehlen zudem die Einrichtung spezieller Väterzentren (8).
Soll Väterarbeit in Deutschland etabliert werden, ist Geburtsvorbereitung eine der entscheidenden Schnittstellen, an denen Väter erreicht werden können. Dabei sollten sie auch auf Väter als Kursleiter treffen, die ihnen zeigen, dass sie rund um Schwangerschaft, Geburt, Kind, Familie und Erziehung nicht nur Gäste sind, sondern wichtige und aktive Beteiligte, deren Standpunkt gefragt ist.
Um diese Anliegen umzusetzen und auch entsprechende Anschlussangebote für Väter in Betrieben, Gewerkschaften, Kirchen, Vereinen, Verbänden usw. zu schaffen, ist es noch ein langer Weg. Auf diesem Weg muss Väterarbeit zunächst politisch gewollt sein, um sie aus ihrem Nischendasein zu befreien. Der vielversprechende Ansatz des gender-mainstreamings muss in der Realität – und damit auch auf politischer Ebene – um die Männer- und Väterperspektive erweitert werden, damit im Bereich der Gleichstellung nicht weiterhin Frauen für Männer mitdenken- und handeln müssen. In der Politik wie in der Familie müssen Frauen hierbei bereit sein, Verantwortung abzugeben und Männer im Gegenzug Verantwortung im Sinne wirklicher Geschlechterdemokratie übernehmen.
Weitere wichtige Schritte sind, Kursleiter für die Arbeit mit Männern und Vätern zu finden und entsprechend aus- und weiterzubilden, Einrichtungen zur Väterarbeit zu vernetzen, die Auseinandersetzung mit der Vaterrolle auch in der Öffentlichkeit als gut, wichtig und richtig darzustellen und vor allem, Vätern ressourcenorientiert Lust auf eine aktive Vaterschaft zu machen.
In diesem Sinne haben wir uns viel vorgenommen, aber vereinzelte Entwicklungen in Deutschland (z.B. in NRW) oder in unseren europäischen Nachbarländern zeigen uns, dass wir auf einem guten Weg sind. Die Zeiten für aktive Väterarbeit scheinen günstiger zu werden.
Quellen
(1) Vgl. NAVE-HERZ, Rosemarie [1994]: Familie heute. Wandel der Familienstrukturen und Folgen für die Erziehung. Darmstadt, S. 51
(2) So der Titel einer Broschüre für werdende Väter, die die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung herausgebracht hat.
(3) Gonser, U., Helbrecht-Jordan, I. 1994a: ”…Vater sein dagegen sehr!“ Wege zur erweiterten Familienorientierung von Männern. Materialien zur Väter- und Männerarbeit in der Familien- und Erwachsenenbildung. Bielefeld. S. 84
(4) FTHENAKIS, Wassilios E. u.a. [1999]: Engagierte Vaterschaft. Die sanfte Revolution in der Familie. Leske & Budrich, Opladen, S. 83,VASKOVICS, Laszlo A. [1999]: Väter und Erziehungsurlaub. Hrsg.: Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ),RICHTER, Robert & VERLINDEN, Martin [2000]: Vom Mann zum Vater. Praxismaterialien für die Bildungsarbeit mit Vätern, S. 11ff.
(5) Gerade beim Thema ”Umgang mit dem Baby“ haben wir den Eindruck, dass Väter ihre Unsicherheit im Umgang mit dem Baby in Gegenwart von Frauen kaum zur Sprache bringen würden.
(6) SCHORN, Ariane (2003): Männer im Übergang zur Vaterschaft. Das Entstehen der Beziehung zum Kind. Gießen
(7) Vgl. Kinder-, Jugend- und Familienbericht 2003 der Freien Hansestadt Bremen (Hg.): Familienbildung in Bremen. Der Senat in Zusammenarbeit mit dem Institut für Entwicklungsplanung und Strukturforschung Hannover, SCHIERSMANN, Christiane, THIEL, Heinz-Ulrich, FUCHS, Kirsten & PFIZENMAIER, Eva [1998]: Innovationen in Einrichtungen der Familienbildung. Eine bundesweite empirische Institutionenanalyse. Opladen, S. 72-73, 109-117, 121-220
(8) LEVINE, J. A. & PITT, E. W. [1995]: New Expectations – Community Strategies for Responsible Fatherhood. New York: Families and Work Institute
Autoren
Eberhard Schäfer
(Jg. 1962, 1 Kind)
Dipl.-Pol., Projektleiter ”Familienbildung für Väter“ (gefördert von der Senatsverwaltung für Bildung und Jugend, Berlin)
Träger: Mannege e.V. Information und Beratung für Männer
Tucholskystr. 11
10117 Berlin
Tel.: (030) 28 38 98 63
E-Mail
Website
Dr. phil. Robert Richter
(Jg. 1969, 2 Kinder)
Dipl.-Päd., Systemischer Berater (SG)
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Erstellt am 9. Februar 2005, zuletzt geändert am 29. November 2012