Vermeidung von Frühgeburten

Prof. Dr. Erich Saling, Dr. Monika Dräger und Dr. Regina Hümmelink
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Frühgeburten sind nicht immer vorhersehbar und können unterschiedliche Ursachen haben. Eine gezielte Aufklärung und Selbstbeobachtung schwangerer Frauen kann einzelne Risikofaktoren aber möglicherweise minimieren. Der Artikel beschreibt Gründe für Frühgeburten, Möglichkeiten der Selbstuntersuchung, sowie bei hohem Risiko die Möglichkeit des Muttermund-Verschlusses.

Eine Frühgeburt ist mit erheblichen Risiken für das Kind verbunden. Frühgeburten können vielfältige Gründe haben. Einer der häufigsten sind aus der Scheide aufsteigende Infektionen.

Einige Anzeichen einer möglicherweise drohenden Frühgeburt können durch gezielte Beobachtungen und Untersuchungen, die die werdende Mutter zum Teil selbst zu Hause vornehmen kann, rechtzeitig erkannt werden. Diese Beobachtungen und Untersuchungen sind Teil der Selbstvorsorge-Aktion für Schwangere (SVA). Wir empfehlen jeder Schwangeren selber 2-mal wöchentlich ihren Scheiden-pH-Wert zu messen. So können oft, viel früher als sonst, Vorboten beginnender Scheideninfektionen erkannt und entsprechende Gegenmaßnahmen eingeleitet werden.

Wenn Sie bereits eine oder mehrere Fehl- oder Frühgeburten hatten, lesen Sie bitte auch unsere Informationen zum Frühen Totalen Muttermundverschluss (FTMV).

1. Vermeidung von Frühgeburten durch Selbstbeobachtung und Selbstuntersuchung während der Schwangerschaft

Leider werden, auch bei umfassender Vorsorge, immer noch zu viele Babys zu früh (vor 37+0 Schwangerschaftswochen) geboren. Trotz der modernen Neugeborenen-Intensivmedizin kann es bei einem Teil der Kinder dann zu beträchtlichen Problemen in der Säuglingsperiode und auch im späteren Alter kommen (mitunter zu Behinderungen, Seh- oder Hörstörungen, oder auch “nur” zu Lernstörungen im Schulalter). Besonders gefährdet sind die Kinder, die weit vor dem Termin (vor der 32+0 Schwangerschaftswoche) und/oder sehr untergewichtig (<1500 g Geburtsgewicht) geboren werden. Keineswegs jedes früh geborene Kind ist mit solchen Problemen behaftet, aber es hat ein deutlich erhöhtes Risiko im Vergleich zu reif geborenen Kindern. Das Ziel ärztlichen Handelns, aber auch das der Eltern, sollte also dahingehen, eine Frühgeburt nach Möglichkeit zu vermeiden.

Einige Anzeichen einer möglicherweise drohenden Frühgeburt können durch gezielte Beobachtungen und Untersuchungen, die die werdende Mutter zum Teil selbst zu Hause vornehmen kann, rechtzeitig erkannt werden. Diese Beobachtungen und Untersuchungen sind Teil der Selbstvorsorge-Aktion für Schwangere (SVA), die im Erich Saling-Institut für Perinatale Medizin entwickelt wurde und seit 1993 mit sehr guten Ergebnissen praktiziert wird.

Ursachen und Risikofaktoren für eine Frühgeburt

Für Frühgeburten gibt es eine Reihe von möglichen Ursachen und Risikofaktoren, z.B. vorangegangene Fehl- bzw. Frühgeburten, Mehrlingsschwangerschaften, Erkrankung der Mutter. Einige Ursachen und Risikofaktoren lassen sich gut, andere nur schwer oder gar nicht mehr beeinflussen (z.B. das Alter der Schwangeren). In allen genannten Fällen ist besondere Aufmerksamkeit erforderlich. Eine ausführliche Darstellung der Ursachen und Risikofaktoren finden Sie auf der Webseite des Saling-Institutes.

Aufsteigende vaginale Infektionen als eine der Hauptursachen der Frühgeburtlichkeit

Eine der häufigsten vermeidbaren Frühgeburtsursachen ist die oft unbemerkte Zunahme von infektionsauslösenden Erregern in der Scheide.

Normalerweise gibt es in der Scheide in hoher Konzentration milchsäurebildende Bakterien (Laktobazillen), welche ein saures Scheidenmilieu herstellen und dadurch die Vermehrung von krankheitserregenden Bakterien behindern. Werden die milchsäurebildenden Bakterien aufgrund verschiedener Ursachen verringert und damit deren Schutzfunktion gestört, kommt es zu einer Verringerung des Säuregehaltes der Scheide und damit zu einem Anstieg des pH-Wertes (hoher pH-Wert = niedriger Säuregehalt). Dann kann es zu einer massiven Vermehrung der krankheitserregenden Bakterien kommen.

Wenn diese Bakterien bis in die Gebärmutter aufsteigen, kann es zu vorzeitigen Wehen, einem vorzeitigen Blasensprung und schließlich zur Frühgeburt kommen – eventuell auch zu Infektionen des Kindes. Deshalb kann durch frühzeitiges Erkennen des verringerten Säuregehaltes der Scheidenflüssigkeit und Behandlung der Ursachen das Risiko einer Frühgeburt häufig gesenkt werden.

Vaginale pH-Selbstmessung

Um Störungen des Säuregehaltes frühzeitig zu erkennen, führen Frauen im Rahmen der Selbstvorsorge-Aktion selbst regelmäßig Messungen des Säuregehaltes der Scheidenflüssigkeit durch (pH-Wert-Messung). Diese Messung ist einfach und ungefährlich. Sie wird mit Hilfe indikatorbeschichteter Messhandschuhe (oder auch Messstäbchen) durchgeführt, wobei der Zeigefinger in die Scheide eingeführt wird. Auf der Zeigefingerspitze des Messhandschuhes ist ein Messfeld, das entsprechend dem Säuregehalt der Scheidenflüssigkeit seine Farbe ändert. Anhand einer Farb-Vergleichsskala kann dann der Säuregehalt (pH-Wert) abgelesen werden. Wie die Messungen vorgenommen werden, wird im Informationsmaterial ausführlich erklärt.

Normale pH-Werte für den Scheideneingangsbereich liegen zwischen 4,0 und 4,4 (bei Messung mit den Messhandschuhen). Ist der Wert zu hoch (zu niedriger Säuregehalt), sollte die/der behandelnde Frauenärztin/Frauenarzt aufgesucht werden, um die Ursache abklären und sich gegebenenfalls behandeln zu lassen.

Selbstbeobachtung von Warnhinweisen

Auch bei folgenden Warnhinweisen sollte umgehend die/der Frauenärztin/ Frauenarzt aufgesucht werden:

  • wiederholte Messung eines Scheiden-pH-Wertes von 4,7 oder höher. Achtung: Besonders hohe Werte können durch Abgang von Fruchtwasser (vorzeitiger Blasensprung) bedingt sein. (Bei Verdacht auf einen vorzeitigen Blasensprung sofort Praxis oder Krankenhaus aufsuchen!)
  • Schmierblutungen,
  • Juckreiz oder Brennen in der Scheide oder im äußeren Intimbereich,
  • übelriechender oder deutlich vermehrter Ausfluss (eine geringe Vermehrung ist in der Schwangerschaft normal),
  • auffallend häufiges Wasserlassen (auch hier ist eine gewisse Zunahme normal) oder Brennen beim Wasserlassen,
  • Fieber und/oder Durchfall (mit diesen Ereignissen gehen oft gesteigerte Aktivitäten der Gebärmutter einher),
  • vorzeitige Wehen:
    o stärkere menstruationsähnliche Beschwerden,
    o Ziehen in den Leistenbeugen oder im “Kreuz” ,
    o vorübergehendes, wiederholtes Hartwerden des Unterbauches.

Über das normale physiologische Maß hinausgehende Wehen sind als kritisch bis bedrohlich anzusehen. Dies ist in etwa der Fall, wenn sie häufiger als 2mal pro Stunde oder mehr als 10mal über den ganzen Tag verteilt auftreten.

Ergebnisse der Selbstvorsorge-Aktion

Die Erfolge sind, wie die bisherigen Ergebnisse zeigen, beträchtlich. Die Ergebnisse können Sie hier nachlesen.

Bietet die Selbstmessung des vaginalen pH-Wertes einen vollkommenen Schutz?

Leider nicht. Erstens kann es bei jeder Messmethode – auch wenn sie noch so gut ist – manchmal zu Fehlmessungen kommen. Außerdem wird mit den Testhandschuhen nur der Säuregehalt des Scheidenmilieus gemessen. Wie oben dargestellt, behindert das saure Scheidenmilieu die Vermehrung der meisten frühgeburtsauslösenden Erreger. Aber einige Erreger können sich leider auch im sauren Scheidenmilieu vermehren. So können einige Pilze nicht nur im “gestörten”, sondern auch im sauren Scheidenmilieu wachsen (Pilzinfektionen führen aber glücklicherweise in der Regel nicht zu Frühgeburten. Sie sollten dennoch behandelt werden, da sie u. a. das Scheidenmilieu verschlechtern).

Außerdem stellen aufsteigende vaginale Infektionen zwar die häufigste vermeidbare Frühgeburtsursache dar, aber es gibt noch eine Reihe anderer Frühgeburtsursachen. Die Selbstmessung des vaginalen pH-Wertes kann daher einen regelmäßigen Arztbesuch nicht ersetzen!

Wo sind die Handschuhe erhältlich?

Die Handschuhe können über jede Apotheke oder auch über das Internet bezogen werden (CarePlan VpH-Testhandschuhe).Es gibt Packungen mit 20 oder 50 Stück. Die Kosten werden nicht von den Krankenkassen übernommen (Stand 2013). In Einzelfällen haben Krankenkassen die Kosten aber aus Kulanzgründen doch übernommen, so dass sich eine Nachfrage bezüglich der Kostenbeteiligung bei Ihrer Krankenkasse durchaus lohnt.
Zurzeit können die Handschuhe auch noch im Rahmen der Selbstvorsorge-Aktion über das Erich Saling-Institut für Perinatale Medizin zum ermäßigten Preis bestellt werden: Handschuh-Bestellung

Weitere Informationen

Genauere Informationen über die Selbstvorsorge-Aktion für Schwangere und auch über das Erich Saling-Institut erhalten Sie auf der auf Homepage des Institutes.

2. Früher Totaler Muttermund-Verschluss (FTMV) zur Vermeidung wiederholter Frühgeburten

Der Frühe Totale Muttermund-Verschluss (FTMV) kommt für Patientinnen in Betracht, die bereits eine oder mehrere späte Fehlgeburten oder Frühgeburten hatten und bei denen damals

  • Anhaltspunkte für eine aufsteigende Infektion bestanden oder
  • keine andere offenkundige Ursache feststellbar war. (Nicht selten bestand doch eine Infektion, ohne dass mit den routinemäßig durchgeführten Labormethoden Kriterien dafür nachweisbar waren.)

Beim Totalen Muttermundverschluss wird der Gebärmuttermund operativ nach Entfernung des oberflächlichen Gewebes, des Epithels, durch Zunähen und anschließendes Zuwachsen vollständig verschlossen (im Gegensatz zur weit weniger wirksamen Cerclage, bei der der Muttermund nur enger gestellt wird). Durch den Muttermundverschluss wird ein Aufsteigen von Keimen aus der Scheide in die Gebärmutter durch die gesetzte Barriere verhindert (nicht so durch eine Cerclage).

Beim “Frühen” Totalen Muttermundverschluss (FTMV) erfolgt der Verschluss laut unseren Empfehlungen am Besten mit 12 (nach Möglichkeit nicht später als mit 14) vollendeten Schwangerschaftswochen (SSW) und noch bevor anatomische Veränderungen am Gebärmutterhals feststellbar sind.

Bei manchen Schwangeren wird ein Muttermundverschluss auch „spät“ durchgeführt, d.h. später in der Schwangerschaft oder wenn sich z.B. der Gebärmutterhals (Zervix) schon verkürzt hat. Die Erfolgsrate beim Frühen Totalen Muttermundverschluss ist aber wesentlich höher.

Genauere Informationen zum Muttermundverschluss sowie Adressen von Kliniken, die den Verschluss durchführen, finden sich auf der Webseite des Erich Saling-Institutes im ausführlichen Beitrag Früher Totaler Muttermundverschluss.

Autoren

Prof. Dr. med. Erich Saling, Emeritierter Univ. Professor der Charité, Humboldt Universität zu Berlin
Dr. med. Monika Dräger
Erich-Saling-Institut für Perinatale Medizin e. V. im Vivantes Klinikum Neukölln
Rudower Str. 48
12351 Berlin (Neukölln)

Tel.: 030/13014-8335

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Erstellt am 27. Februar 2002, zuletzt geändert am 19. September 2013