Empty Nest” – wenn die Kinder das Haus verlassen…
Bettina Levecke
Der Begriff “Empty Nest” beschreibt die Phase im Leben von Eltern, wenn die Kinder “flügge” werden und den familiären Haushalt verlassen. Das “Leere Nest” ist somit bezeichnend für eine strukturelle Veränderung innerhalb einer Familie: Die räumliche Trennung von Eltern und Kind(-ern). Doch was passiert mit den Eltern, wenn das Nest plötzlich leer ist und die Familie zur Zweierbeziehung wird?
Inhalt
In der amerikanischen Familienforschung der 60er Jahre wurde die Phase des “Empty-Nest” vor allem in ihren psychischen Auswirkungen auf die Mütter untersucht. Depressionen, Schlafstörungen und Lebenskrisen nach dem Auszug der Kinder wurden unter dem Begriff des “Empty-Nest-Syndroms” gebündelt. Diese generell negativen Auswirkungen durch den Auszug der Kinder lassen sich jedoch durch neue Forschungen nicht mehr belegen (Papastefanou 1997). Der Auszug der Kinder ist zweifelsohne ein einschneidendes Erlebnis, welches zu Trauer und Trennungsschmerz führen kann. Jedoch ermöglicht der Auszug der Kinder den Eltern auch eine neue Lebensphase mit Freiräumen und Möglichkeiten zu einer individuellen und unabhängigen Lebensführung, wie im Folgenden ausgeführt wird.
1. Was ist das “Empty Nest”?
Der Begriff des “Empty Nest” lässt sich zeitlich nicht genau definieren. Innerhalb der Forschungsliteratur herrscht Uneinigkeit über Beginn und Dauer der Empty-Nest-Phase. Nach Harkins beginnt der Zeitraum des Empty-Nest nach dem Auszug des letzten Kindes und beinhaltet einen Zeitraum von 18 Monaten bis maximal zwei Jahren.
Dabei bleibt jedoch unberücksichtigt, dass die Ablösung vom Elternhaus bereits vor der räumlichen Trennung durch den Auszug ihren Anfang finden kann. Das Empty-Nest muss kein abrupt stattfindender Vorgang sein, sondern kann schrittweise vorangehen. Wenn die Kinder zum Beispiel unter der Woche an ihrem Studienort wohnen und nur am Wochenende und in den Semesterferien bei den Eltern leben.
Auch Eltern, die mehrere Kinder haben, erleben das Empty-Nest eher als Ergebnis einer langen Phase, denn als abrupten Lebenswechsel, da sie sich bis zum Auszug des jüngsten Kindes bereits mehrmals mit dieser Situation auseinandergesetzt haben. Familiensoziologen sprechen daher von “Pre-Empty-Nest” oder “Partial-Nest”-Phase. Die Zeit nach dem “Empty-Nest” nach Harkins wird als “Post-empty-Nest” bezeichnet (Papastenfanou 1997).
Die Phase des Empty-Nest bringt nicht nur strukturell große Veränderungen in das familiäre System. Auch emotional, sozial und psychisch ergeben sich besonders für die Eltern neue Herausforderungen, die sich positiv, aber auch negativ auf ihr Leben auswirken können.
2. Wann entsteht das Leere Nest?
Hinsichtlich der demographischen Daten lässt sich das Eintrittsalter in die postparentale Phase im mittleren Erwachsenenalter zwischen dem 40sten und 60sten Lebensjahr ansiedeln. Durch den gesellschaftlichen Wandel der letzten 50 Jahre lässt sich jedoch eindeutig der Trend erkennen, dass der Auszug der Kinder die Eltern zu einem immer späteren Lebenszeitraum trifft. Dies ist bedingt vor allem durch den späten Zeitpunkt der Erstgeburt. Bekamen Frauen in den fünfziger Jahren noch mit Anfang Zwanzig ihr erstes Kind, liegt das Durchschnittsalter heute bei knapp dreißig Jahren. Des Weiteren hat sich der Auszug der Kinder aufgrund verlängerter Ausbildungszeiten und unsicherer Zukunftsperspektiven nach hinten verschoben. Die Phase der Postadoleszenz findet noch häufig im Elternhaus statt, so dass heute bei rund der Hälfte aller Eltern zwischen dem fünfzigsten und sechzigsten Lebensjahr zumindest noch ein Kind lebt. Hier bleibt zu berücksichtigen, dass das Zusammenleben mit erwachsenen Kindern das familiäre Nest zwar nicht leert, jedoch die Eltern von ihrer aktiven Verantwortung befreit.
“…und ruf` uns an, wenn du was brauchst!!”
Hinsichtlich der familiären Rollenaufteilung sind es vor allem die Mütter, die durchschnittlich ab dem fünfzigsten Lebensjahr von der aktiven Kinderbetreuung befreit sind. Die Beendigung der aktiven Mutterrolle ist daher nach Papastefanou (1997) auch als eine Form des Empty-Nest zu bezeichnen, da Frauen sich neue Lebenswege und individuelle Gestaltungsformen suchen müssen.
Doch auch wenn sich das familiäre Nest immer später leert: Die Phase der aktiven Elternschaft ist heute in etwa genauso lang wie die Phase der Nach-Elternschaft. Das heißt: Das Empty-Nest ist nicht mehr, wie in früheren Generationen, am Ende des eigenen Lebens angesiedelt, sondern der Beginn eines neuen Zeitraumes. Bei der durchschnittlichen Lebenserwartung ergibt sich für Eltern eine postparentale Phase von 30 bis 35 Jahren.
3. Wie Mütter den Auszug der Kinder erleben
In früheren Untersuchungen über die postparentale Lebensphase bei Frauen ist überwiegend davon ausgegangen worden, dass sich der Auszug der Kinder in negativen Folgen für die psychosoziale Gesundheit der Mütter auswirkt. Mit den Kindern gehen auch die täglichen Aufgaben und Verantwortlichkeiten in Haushalt und Erziehung. Der Verlust des Lebenssinns “Kind” führt zum Empty-Nest-Syndrom: Verlust des Selbstwertgefühls, Selbst- und Zukunftszweifel und Depressionen.
Neuere Forschungen haben jedoch aufgezeigt, dass die Mehrheit der Mütter den Auszug der Kinder akzeptiert und den neu gewonnenen Freiraum und die Arbeitsentlastung in Haushalt und Erziehung genießt. Die Fähigkeit, den Auszug der Kinder als eine selbstverständliche Entwicklungsstufe zu bewerten und positiv damit umzugehen, ist stark mit der eigenen Zufriedenheit von Müttern verbunden.
Die emotionalen Höhen und Tiefen sind dabei geprägt von individuellen Einflussfaktoren. So fällt es Frauen, die bereits während der aktiven Elternzeit einer Berufstätigkeit nachgegangen sind, erwiesenermaßen leichter, loszulassen. Die Trauer über die Trennung von den Kindern und das zumindest räumliche Ende der Familienzeit ist bei Frauen mit familienunabhängigen Lebens- und Beschäftigungskonstanten wesentlich kürzer.
Bei Hausfrauen kann der Trennungsschmerz hingegen stärker und dauerhafter auftreten. Nach jahrelanger Identitätsfindung über die Betreuung und Arbeit mit den Kindern treten hier leichter Sinnfindungsschwierigkeiten auf. Das Haus ist leer und ein beruflicher Neuanfang häufig nur schwer umzusetzen. Der Auszug der Kinder wirkt hier jedoch als Auslöser, nicht aber als Verursacher für eine Lebenskrise, da die Identität der Frauen zuvor nicht ausreichend über ihre eigene individuelle Lebensgestaltung, sondern verstärkt über die Mutterrolle aufgebaut wurde.
Die dauerhafte Hausfrauentätigkeit als familienzentrierte Lebensführung bildet jedoch in Deutschland immer mehr eine Ausnahme: Nach den Daten des Mikrozensus 2002 sind rund 61 Prozent aller Mütter erwerbstätig. Je älter die Kinder werden, desto höher wird dabei auch die Arbeitszeit. Knapp 40% aller Mütter mit Kindern zwischen 15 und 18 Jahren arbeiten Vollzeit, ein weiterer großer Teil arbeitet in Teilzeit. Bedenkt man weiterhin, dass Frauen trotz beruflicher Belastung noch überwiegend für Hausarbeit und Kinderbetreuung zuständig sind, so erklärt sich, warum der Auszug der Kinder von vielen Frauen eher als persönliche Ent- denn als Belastung empfunden wird.
Ein Wechselbad der Gefühle
Generell treten bei den meisten Frauen jedoch ambivalente Gefühle auf, die sowohl Freude als auch Trauer beinhalten und zum Teil für ein Wechselbad der Gefühle sorgen. Es ist die Leere nach dem Sturm. Einerseits freuen sich Mütter über die Entlastung und Ruhe, andererseits fehlen der Lärm und das kindliche Chaos, welche das Familienleben zuvor geprägt haben.
Die postparentale Phase beinhaltet für Frauen einen Veränderungsprozess: Alte Rollen müssen aufgegeben und neue Rollen gefunden werden. Frauen erhalten die Chance sich neu zu orientieren. Dies kann eine berufliche Veränderung beinhalten, zum Beispiel der Wechsel von der Teilzeit- in die Vollzeitbeschäftigung, aber auch ganz individuelle Lebensentwürfe können nun realisiert werden.
4. Wie Väter den Auszug der Kinder erleben
“Er/Sie ist doch nicht aus der Welt…”
So oder ähnlich könnte die rationale Sichtweise eines Vaters lauten, wenn die Ehefrau ihren Trennungsschmerz über den Auszug des Kindes äußert. Doch auch Väter kann die plötzliche Leere nach dem Auszug des Kindes belasten. Gerade in den ersten Jahren nach der Familienbildung sind Väter beruflich stark gefordert. Sie versuchen ihre berufliche Position zu festigen und auszubauen, um für die Familie finanzielle Sicherheiten zu gewährleisten. In dieser beruflichen Entwicklungsphase bleibt für die Familie oft nur wenig Zeit. Väter kommen spät nach Hause und sehen ihre Kinder oft nur wenige Stunden.
Wenn die Kinder erwachsen werden, sind Väter in der Regel am Ende der beruflichen Karriereleiter angekommen. Dieser Lebensabschnitt wird auch als Time-Shift bezeichnet, denn Väter kommen beruflich zur Ruhe und haben nun mehr Zeit für ihre Familie. Doch zu diesem Zeitpunkt sind die Kinder selbständig und verlassen das Elternhaus. Papastefanou (1997) führt auf, dass Väter in dieser Altersgruppe ein größeres Bedürfnis nach Nähe und Familienleben besitzen. Der Auszug der Kinder kann Vätern somit auch ein Gefühl des “Verlassenwerdens” vermitteln.
Aufgrund der beruflichen Einbindung haben Väter viele Erlebnisse ihrer Kinder, Entwicklungen und besondere Leistungen nicht miterlebt. In der Empty-Nest Phase kann sich daher bei Vätern das Gefühl einstellen, das Leben ihrer Kinder verpasst und ihre Rolle als Vater nicht ausreichend ausgelebt zu haben. Eine Kompensierung dieser Gefühle können Männer nachträglich in der Betreuung der Enkelkinder finden: “An diesen wird nachgeholt, was sie bei den Kindern versäumt haben” (Papastefanou, 1997).
5. Auswirkungen auf die Partnerschaft
Nach verschiedenen Erhebungen lässt sich die erste gravierende Krise innerhalb von Partnerschaften in den so genannten “Babyflitterwochen” finden. Die Zeit mit kleinen Kindern stellt vor allem junge Paare häufig vor große Rollenkonflikte und partnerschaftliche Probleme.
Das zweite große Krisengebiet ist die Empty-Nest-Phase, wenn die Kinder das Haus verlassen haben. Nun zeigt sich, ob das Band der Liebe stark genug und die Beziehung für beide Partner auch ohne Kinder ausfüllend ist. Die Betreuung und Verantwortung für die Kinder ist keine tägliche Aufgabe mehr und die so entstandenen Leerräume müssen partnerschaftlich aufgefangen werden. Viele Ehen zerbrechen zu diesem Zeitpunkt, wie die Scheidungsstatistiken aufweisen.
Aber auch hier gilt: Der Auszug der Kinder ist nur als Auslöser der Scheidung zu sehen, nicht als Verursacher. Es ist davon auszugehen, dass diese Paare bereits seit mehreren Jahren nur noch als Eltern fungiert haben und nicht mehr als Paar. Die Verantwortung für die Kinder und finanzielle Abhängigkeiten haben zusammengeschweißt. Es gab gemeinsame Ziele und ausreichende Kommunikation über Familienthemen.
Vor allem das Leben mit pubertierenden Kindern kann für Eltern eine harte Bewährungsprobe darstellen. Die Kinder fangen an, sich von den Eltern abzugrenzen, suchen eigene Erfahrungen als junge Erwachsene. Die Pubertät kann viele Familienkämpfe fordern. Oft ist es für Eltern schwierig in dieser Phase an einem Strang zu ziehen, gemeinsam konsequent oder nachgiebig zu sein. Unter Umständen vergehen nun einige Jahre, in denen den Eltern viel Kraft und Nerven mit dem störrischen Nachwuchs abverlangt werden und die Harmonie der Paarbeziehung erste Risse bekommt. Das Leben in der Familie fordert viel Zeit, die Paarbeziehung kommt häufig zu kurz
Kommunikation ist wichtig für die Paarbeziehung
So stellt die Empty-Nest Phase die Eltern nicht nur als Individuum, sondern auch als Paar vor einen grundlegenden Veränderungsprozess. Es kehrt Ruhe ein und das tägliche Leben bekommt einen neuen Charakter. Die Beziehung muss neu definiert werden, gemeinsame Ziele und Interessen neu entdeckt und gelebt werden. So schreibt Papastefanou, dass gerade der gewonnene Freiraum und die finanzielle Entlastung für Eltern in der postparentalen Phase einen großen Zugewinn bringen kann. Spontane Ausflüge, Reisen und die Verwirklichung lang ersehnter Träume sind nun realisierbar. Der Familienkombi kann gegen ein Cabriolet eingetauscht werden, die Kinderzimmer in Hobbyräume umgewandelt werden.
Der wichtigste Motor für eine glückliche Paarbeziehung nach dem Auszug der Kinder ist das Opening Up, wie es Psychologen nennen. Nach Jahren voller Familienalltag, beruflichem und finanziellem Stress, den Belastungen durch die pubertierenden Kinder, müssen Paare sich die Chance geben, sie neu zu entdecken. Vieles an wichtiger Kommunikation ist in den Jahren zuvor verloren gegangen. In der Empty-Nest-Phase gilt es, durch Auseinandersetzung und Austausch miteinander, wieder eine Kommunikationsplattform zu finden. 87 Prozent der von Papastefanou befragten Paare registrieren positive Veränderungen nach dem Auszug der Kinder. Knapp die Hälfte haben sich einander wieder angenähert.
6. Die Beziehung zu den Kindern in der Post-Empty-Nest-Phase
Der Vater hat in der Regel Recht, wenn er seine Frau mit den Worten tröstet: “Sie sind ja nicht aus der Welt”. Junge Erwachsene sind nach ihrem Auszug noch häufig auf die Unterstützung der Eltern angewiesen. Nahezu 50 Prozent der Eltern fördern nach einer Studie von Vaskovics (1990) die Autonomie ihrer Kinder durch regelmäßige Finanzspritzen oder Sachleistungen. So wird vielleicht noch die Miete übernommen, bis der junge Erwachsene beruflich Fuß gefasst hat, das Auto finanziert oder wichtige Gebrauchsgegenstände für die neue Wohnung gesponsert. Viele Mütter nehmen sich auch regelmäßig der Unterstützung im Haushalt an. Es ist keine Seltenheit, dass die wöchentliche Schmutzwäsche wieder von der elterlichen Waschmaschine gereinigt wird und mütterliche Carepakete zur Sicherstellung einer ausgewogenen Ernährung gepackt werden. Wenn es darum geht, dem Nachwuchs auf die Beine zu helfen, unterstützend tätig zu sein, sind Eltern in der Regel sofort bereit.
“Wie … – du hast Tim verlassen und willst wieder in dein altes Zimmer einziehen…!?!”
Distanz schafft Nähe
Für eine positive Beziehung zwischen Eltern und Kind ist es sehr förderlich, wenn die Eltern unterstützen ohne sich aufzudrängen oder zu belehren. Es ist wichtig, dass die Autonomie des Kindes akzeptiert und anerkannt wird. Spätestens mit dem Auszug sollte das Hierarchiegefälle zwischen Eltern und Kind in eine gleichberechtigte Partnerschaft umgewandelt werden. Der Satz “Distanz schafft Nähe” ist dabei für viele Eltern-Kind Beziehungen in der Post-Empty-Nest Phase bezeichnend.
Nach der Loslösung in der Pubertät, den Machtkämpfen und Familienschlachten, ist es für junge Erwachsene eine wichtige Erfahrung, sich den Eltern gleichberechtigt zu fühlen und von ihnen Anerkennung zu erfahren. Wurde in der Pubertät Distanz durch Abgrenzung und “Anderssein” geschaffen, so kann nun Annäherung und Nähe entstehen. Die Kinder besuchen ihre Eltern dann nicht “nur” um die Wäsche zu waschen, sondern auch um Rat zu bekommen oder vom eigenen, neuen Leben zu erzählen. Sie lassen ihre Eltern am eigenen Leben teilhaben.
Wenn Eltern dann zu Großeltern werden, kann sich die Beziehung weiter intensivieren. Großeltern übernehmen häufig die Betreuung der Enkelkinder, um den jungen Eltern Freiräume für Beruf und Freizeit zu ermöglichen. Die Zeit mit den Enkelkindern wird dabei oft als sehr bereichernd empfunden. Ohne beruflichen und finanziellen Stress können Großeltern in der Zeit mit ihren Enkelkindern vieles nachholen, was sie mit den eigenen Kindern verpasst haben. Sie müssen sich nicht kümmern. Ihre Dienste beruhen auf Freiwilligkeit und dem Wunsch, mit den Enkelkindern eine schöne Zeit zu verbringen. Hierfür bekommen sie die Zuneigung der Enkel und den Dank der Kinder.
Die Post-Empty-Nest Phase kann somit Eltern durchaus die Möglichkeit geben, ein intensives Verhältnis zu ihren Kindern aufrecht zu erhalten.
7. Zusammenfassung
Der Begriff “Empty Nest” als Synonym für den Auszug der Kinder beinhaltet eine negative Assoziation. Ein leeres Nest ist nicht mehr warm, es ist verlassen und steht als Zeichen vergangener Nestwärme. Und natürlich sorgt der Auszug der Kinder bei den Eltern für Trauer. Ein Lebenskapitel ist zu Ende gegangen und die Kinder gehen eigene Wege. Wenn das Haus plötzlich leer ist, müssen Eltern sich an ihr neues Leben gewöhnen und ihre Paarbeziehung mit neuen Inhalten füllen und ihre Rollen neu definieren.
Eltern sollten sich bewusst halten, dass der Zeitpunkt des Auszuges kommen wird und einen natürlichen Prozess in der Entwicklung ihrer Kinder darstellt. Besonders für Frauen ist es wichtig neben den Aufgaben für Haushalt und Familie, individuelle Interessen zu pflegen oder den Weg in die Berufstätigkeit zu suchen. Wenn die eigene Identität allein über die Mutterrolle definiert wird, kann die Empty Nest Phase zu einer schweren Krise führen.
Paare können vorbeugen, in dem sie, sobald die Kinder groß genug sind, wieder eigene Unternehmungen in Angriff nehmen. Gemeinsame Zeit und Kommunikation fördert die Rolle des Paares neben der täglichen Verantwortung durch die Elternschaft. Zudem ist es für die Kinder in der Regel ein Kompliment, wenn die Eltern ihnen das Haus anvertrauen, um mal ganz alleine ins Theater oder Essen zu gehen. Eltern können so lernen, loszulassen und entspannte Zweisamkeit genießen.
Es ist ein Prozess des Lernens. Oft fällt es Eltern schwer zu glauben, dass ihre Kinder schon so “groß” sind. Die Zeit zwischen Pampers und dem Auszug ist im Rückblick schnell vergangen und nun kommt alles so plötzlich und scheint unwiederbringlich. Vieles hätten Eltern gerne besser gemacht oder sie spüren den Wunsch, ihren Kindern noch mehr “mit auf den Weg zu geben”.
Doch der Auszug ist nur eine räumliche und keine familiäre Trennung. Die Kinder geben den Eltern in der Regel noch viele Möglichkeiten zur Unterstützung, für Gespräche und gemeinsame Aktivitäten. Wenn Eltern sich bewusst machen, dass sie nicht ihre Kinder verloren, sondern Zeit und Freiraum gewonnen haben, kann die postparentale Lebensphase eine schöne Aussicht für die Zukunft sein.
Literatur
- Sozialwissenschaftliche Forschungsstelle der Universität Bamberg. Bamberger Ehepaar Panel. 1995
- Papastenfanou, Christiane (1997): Auszug aus dem Elternhaus. Aufbruch und Ablösung im Erleben von Eltern und Kindern. Weinheim, München.
- Dobrick, Barbara (1996): Abschied von Kindern. Loslassen und sich neu begegnen. München.
- Vaskovics, L.A., Buba, H.P., Eggen, B. & Junge, M.(1990). Forschungsbericht zum Projekt “Familienabhängigkeit junger Erwachsener und ihre Folgen”. Universität Bamberg.
- Statistisches Bundesamt (2002) (Hrsg.): Datenreport 2002. Zahlen und Fakten über die Bundesrepublik Deutschland. In Zusammenarbeit mit dem Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung und dem Zentrum für Umfragen, Methoden und Analysen. Mannheim. Schriftenreihe. Bd.376. Bundeszentrale für politische Bildung. Bonn
Autorin
Bettina Levecke, freie Journalistin
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Gaby Petersen Karikaturistin
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Erstellt am 6. Juli 2004, zuletzt geändert am 13. Januar 2014