Mann und Vater werden – Biegen oder Brechen

Mathias Voelchert
Mvoelchert

Ich glaube daran – und ich habe es erlebt – dass es möglich ist ein guter Vater zu werden. Ich glaube wir Männer müssen heute eine neue Art finden Mann und Vater zu sein. Da gibt es wenige Vorbilder, aber wir haben uns selbst und können uns gegenseitig stärken. Mehr in diesem Text:

  • Väter als Vorbilder
  • Initiation
  • Mann sein, der Ur-Mann in mir – im Anschluss sein mit mir – eine Vision nur für Männer!
  • Wie kann ich ein guter Vater sein?
  • Kompetente Kinder brauchen kompetente Väter

Ich war zu Anfang kein guter Vater. Im Frühjahr 1987 kam unsere Tochter auf die Welt. Es war die totale Veränderung unserer Partnerschaft, unserer kleinen Familie die von gemeinsamer, selbstständiger Arbeit geprägt war. Jetzt war es unser Kind worum sich alles drehte. Mit unserer erstgeborenen Tochter war es ziemlich einfach ins „Geschäft“ zu kommen, sie hat sich angepasst und ich dachte so sind Kinder.

Voelchert Bild1989 kam unser Sohn auf die Welt. Da wurde mir langsam klar, dass Kinder nicht „so“ sind; sondern einfach sind. – Unser Sohn war, für mich eine große Herausforderung. Er hat nicht einfach das gemacht was wir von ihm wollten sondern hatte bei ganz vielem seinen eigenen Willen, sein eigenes Tempo, seine Art zu sein. Diese eigene Art zu sein hat er verteidigt, das habe ich bewundert und gleichzeitig hat es mich auf die Palme gebracht. Innerhalb von Wochen hatte ich mein „Erziehungsprogramm“ – das ich von meinem Vater übernommen hatte und in den ersten zwei Jahren mit unserer Tochter gelernt hatte – durchgearbeitet. Mit verschwindendem Erfolg.

Langsam spürte ich, dass wir das was meine Frau und ich unter Gemeinsamkeit, Familie verstanden, nicht einfach durchsetzen konnten. Ich verstand, dass es um Biegen und nicht um Brechen ging. Und ich merkte langsam, dass ich mit dem Biegen, bei mir selbst zuerst, anzufangen habe. Es ging darum meine Haltung zu Verantwortung und Gehorsam klar zu stellen und entsprechend zu leben. Ich verstand: Hier geht es nur um mich, gar nicht um meinen Sohn, der einzige der hier was verändern kann bin ich, die Veränderung in der Familie war meine Selbstveränderung.

Menschen, egal ob Frauen oder Männer, wollen sich Verbunden fühlen und wollen Wachsen. Manchmal steht das eine dem anderen im Weg. Menschen wollen sich wertvoll für andere erleben und einen Sinn sehen in dem was sie tun. Das alles wollen Männer, in unserer Zeit haben sie dazu leider nicht viel Gelegenheit.

Es geht in der Schule los, an deutschen Gymnasien haben wir seit Jahren 60% Mädchen und 40% Jungen, der Grund dafür sind Lehrpläne die eher weiblichen Schülerinnen leicht fallen, aber Buben teilweise benachteiligen (Quelle: Remo Largo, Zürich). Besonders deutlich wird dieser Trend in der Pubertät: In einer Zeit des größtmöglichen Umbaus und Neu Verschaltung (in jedem Gehirn zwischen 14 und 18 Jahren) fordern wir schulische Lernleistungen wo doch soziales Lernen, und handwerkliche Tätigkeiten viel angebrachter wären.

Wir fordern von unseren Jugendlichen sich jeden Morgen aus dem Bett zu quälen, obwohl wir seit 15 Jahren wissen, dass in der Pubertät das Hirn erst gegen 10/11:00 h beginnt im üblichen Rahmen zu arbeiten und erst später in der Nacht zur Ruhe kommt. (Quelle: Prof. Dr. Till Roenneberg, München) Wir ändern nichts, weil z.B. die Schülertransportunternehmen Einspruch erhoben haben (wie im Fall des späteren Schulbeginns).

Wir müssen uns die Frage beantworten: Wollen wir die Menschen passend für dieses System machen, oder haben wir den Mut unsere Schul-und Arbeitssysteme an die Bedürfnisse der heutigen Menschen anzupassen. Der Wert einer sicheren, lebendigen Familie (oder auch Patchwork Familie) steigt in dem Maß indem die Arbeitswelt unsicher wird. Wir müssen die rigorose Trennung zwischen Arbeitswelt und Familie auflockern, um unser Gemeinsamkeitsbedürfnis zu befriedigen.

Heute Mann und Vater zu werden ist leichter und schwerer als früher. Leichter, weil es kaum mehr existentiellen Bedrohungen gibt wie Krieg, Hungersnöte, Epidemien. Schwerer, weil die meisten Männer deutlich wissen: Ich will ein anderer Vater werden, als es mein Vater es zu mir war. Wir alle haben die Tendenz das Verhalten unserer Eltern zu wiederholen, selbst wenn es schmerzvoll für uns war, oder wir das Verhalten unserer Eltern scharf kritisierten. Es scheint diesen Zwang zur Wiederholung zu geben, dem wir nur schwer ausweichen können. Der Grund für diesen Zwang zur Wiederholung des elterlichen Verhaltens liegt in der Tatsache, dass uns die Art und Weise, wie und wofür uns unsere Eltern geliebt haben, zu einem Teil unserer Selbst geworden ist. Wir meinen: Wir lieben unsere eigenen Kinder „richtig“, indem wir das wiederholen was wir selbst als Kinder erlebt haben. Die Art des Vaters, seinen Sohn zu lieben, zum Beispiel indem er ihn verbal bestraft, oder indem er ihn, immer wenn er in Not gerät, schlägt, wird sich später im Verhalten des Sohnes niederschlagen. Das einzige Mittel, das diese frühe Prägung heilen kann, ist eine nahe, verantwortungs- und pflichtbewusste Beziehung zum eigenen Kind zu entwickeln. Und wo lerne ich das als Vater? Das schaffe ich am besten, indem ich mich auf mein Kind beziehe und meine Tochter, meinen Sohn, ernst nehme, zuhöre was mein Kind zu mir sagt, oder wie es sich zu mir verhält.

Väter als Vorbilder

Väter sind immer Vorbilder für ihre Kinder, bis diese in die Pubertät kommen. Dann erkennen Jungs und Mädchen langsam, dass ihr Vater (und natürlich auch ihre Mutter) nicht der schnellste, beste, stärkste ist, sondern ein ganz normaler Vater mit Stärken und Schwächen. Das tut allen Beteiligten gut!

Müssen Väter und Mütter immer einer Meinung gegenüber Ihren Kindern sein? Natürlich nicht, wozu auch? Auf einem Symposium wurde ich von einer Mutter gefragt: Was sie tun soll: Ihr Sohn steigt durch das Dachfenster aufs Dach und sitzt dort stundenlang. Ihrem Mann ist es zu gefährlich, er will es verbieten und hat das Fenster zugeschraubt. Die Mutter erzählt, dass sie selbst viel auf dem Dach war als sie selbst Kind war und die Ängstlichkeit ihres Mannes nicht nachvollziehen kann, obwohl sie weiß, dass er als Kind viel krank war und sehr behütet aufgewachsen ist. Meine Antwort war: Zuerst einmal hört ihr Sohn die beiden Standpunkte seiner Eltern: Gute Gründe warum es Spaß macht auf’s Dach zu gehen und dass es auch gefährlich ist. Ich bin sicher er wird weiter auf’s Dach gehen (vielleicht mit einer Leiter), er wird aber auch besonders vorsichtig sein, seinem Vater zu liebe. Das Kind lernt: Aha, meine Mutter sieht die Sache so, würde mir dies und das erlauben – mein Vater dagegen sieht dieselbe Sache so und würde mir dies erlauben und das nicht. Das sind doch lebenswichtige Erfahrungen für Kinder. Zu sehen: Aha solche Eltern habe ich, so fühlen und denken die.

Gestern: Abwesende Väter

Unsere Geschichte ist voll von Vätern die sich als unzureichend erlebten, das jedoch nie zugaben, und sich hinter autoritärem Gehabe versteckten nach dem Motto „Ohne Gehorsam bist du nichts“. Dabei sind Väter oft ängstlich im Umgang mit Kindern. Und das ist leicht zu erklären: Es kann einen schon erschrecken, wenn du dich plötzlich der bedingungslosen Liebe eines Kindes gegenübersiehst, dich nun auf das Kind beziehen sollst und dich ihm öffnen sollst. Denn bisher hattest du es nur mit der Liebe einer Frau zu tun, einer Liebe, die immer mit Bedingungen einherging. Zusätzlich wird der authentische Bezug der Väter zu ihren Söhnen durch die Tatsache erschwert, und sie dadurch eine Reihe von Rollen in der Phantasie ihrer Kinder eingenommen haben.

Ein Teil der Väter wurde von ihren Kindern, die sich stets nach einem Kontakt zu ihren Väter sehnten, idealisiert, ein anderer Teil der Väter wurde gefürchtet, weil die Väter mehr oder weniger aus eigenem Antrieb die Rolle der Familienpolizei oder des Familiengerichts übernahmen – von ihnen erwartete man korrigiert und bestraft zu werden, also hatte man als Kind vor ihnen zwangsläufig Angst. Die Geschichte der Menschheit, insbesondere der Literatur, ist voll von Beispielen unglücklicher oder gescheiterter Beziehungen zwischen Väter und Söhnen – von Söhnen, die lebenslang um die Anerkennung des Vaters rangen, oder von Söhnen, die ihren Vater aus lauter Hass ermordet haben. Viele Mädchen wuchsen mit einem äußerst idealisierten Vaterbild auf, weil ihre Väter sie zu ihrer persönlichen Prinzessin machten. So erleben wir häufig, dass sie als Frauen 30, 40 oder gar 50 Jahre alt werden müssen, um festzustellen, wie hohl die Beziehung zu ihrem Vater eigentlich war und dass sie in ihrer Rolle als Vaters Prinzesschen eher missbraucht als gefördert worden sind.

Heute und morgen: Anwesende Väter

Väter (nicht alle, aber immer mehr) wollen heute da sein für ihre Kinder. Sie wollen wissen wie es ihren Kindern geht, was für Computerspiele sie spielen, wollen Baumhäuser mit ihnen bauen, Rasen mähen, sie wollen was tun mit ihren Kindern. Kinder zum Kindergarten bringen, abholen, reicht nicht mehr. Anwesenheit ist mehr als sich hinter der Zeitung zu verstecken, mehr als nur physisch da zu sein. Anwesenheit bedeutet zu zeigen wer ich als Mann/Mensch bin, was ich kann, was nicht. Z.B. wie ich mit langer Weile umgehe: Mein Sohn und ich erlebten fast jedes Wochenende (wenn ich nicht beruflich unterwegs war) einen ähnlichen Ablauf: So gegen 10 Uhr in der Früh kam er zu mir (seine Schwester lag auf der Schaukel und las) und sagte: „Papa, mir ist so arg langweilig, was soll ich nur tun?“ Die ersten zehn Mal machte ich Vorschläge, die ihn nicht besonders beglückten. Danach sagte ich zu ihm: „Jetzt weißt du ja, das mit der Langeweile passiert immer wieder und jedes Mal ist uns was Tolles eingefallen, das ist bestimmt dieses Mal auch wieder so.“ Er ging missmutig weg, oder blieb und wir gaben uns der Langeweile hin, oder redeten so über dies und das. Jedes Mal kam uns nach einer Zeit der Unschlüssigkeit und des Aushaltens eine zündende Idee: Mal war es ein Baumhaus zu bauen, mal eine Kletterwand, mal ein kleines Häuschen in seinem Zimmer, Mal ein „fliegendes Brett“ (ein Brett ca. 3 m lang und 0,5 m breit, an den vier Enden an stabilen Seilen aufgehängt im Dachgeschoß) das war über zehn Jahre der Hit, oder das Weiterbauen an seinem Modellflugzeug.

Der Kindermann

Mann werden war früher durch einen Übertritt, eine Initiation, gekennzeichnet. Ich gehe in der Initiation einen von anderen Männern begleiteten Schritt ins Mann werden. Andere Männer erzählten mir, dass es ihnen ähnlich ging, dass sie noch viel größere Schwierigkeiten hatten als ich. Andere Männer erzählten mir damals, vor langer Zeit, von einem, der keine Initiation hatte und als großes Kind weiterlebte: »Es war einmal ein Mann, der suchte als erwachsenes Kind Schutz bei einer Frau. Dafür bekam er von ihr Verachtung in vielen Lebenslagen. Um diese Verachtung aushalten zu können und zu überspielen, musste der kindliche Mann mit viel Macht hantieren. Macht, die er gegen seine aufsässigen Kinder missbrauchte. Macht, die er gegen seine Frau missbrauchte. Macht, die er gegen seine Kollegen/Innen missbrauchte. Im Gebrauch dieser dunklen Seite der Macht war der Mann unglücklich und starr, selbst bei seinen Freunden nur geliebt, wenn er diese ›Als-ob‹-Stärke zeigte. Tief innen war er unglücklich, hilflos. Doch es gab einen Weg für diesen Kindermann, der verlassen von seiner Frau, zurückblieb…

Unser Anteil ist, wir lassen uns: verachten, verlachen, missbrauchen und reagieren dann mit Gewalt. Unser Job ist es, hinzuschauen und Verantwortung für unser Handeln zu übernehmen. Die Frage ist auch, was machen wir stattdessen? Diese Frage beantwortet jeder für sich selbst. – Gehen wir nach vorn in unsere Veränderung. Jeden Tag neu, der Lebenswind kommt von vorn.

Initiation

Um die Transformation von einem funktionierenden Mitarbeiter zu einem verantwortungsvollen Mann und Vater zu schaffen brauchen Männer Initiation. Das Ziel von Initiation ist Erwachsen werden. Initiation und Erwachsenwerden dauern das ganze Leben. Bei Initiation gehe ich tiefer in die Wunde, die ich habe. Es bleibt eine Narbe sichtbar für alle. Initiation geschieht heute z.B. wenn wir mit unserer Trennung/Scheidung umgehen lernen (und nicht in die Schuldzuweisungsfalle tappen). Wenn ich beginne meinen Teil an meiner Trennung/Scheidung anzusehen, tut es weh. Erst nach dem Überstehen von Frustration, Wut und Trauer kann ich mich daran machen ein neues Leben anzufangen. Die Narbe bleibt, für alle sichtbar (z.B. der Familienstand »geschieden«).

Initiation ist der erste Schritt vom Jugendlichen zum Mann. Initiation beginnt normalerweise bei Jungen nach der Pubertät mit ca. 16 bis 18 Jahren. Sie markiert das Ende der Kindheit. Das Erwachsenwerden beginnt. Initiation dauert das ganze Leben. Initiation ist der Anfang von etwas Neuem (lat. initiare = beginnen). Das Ende von etwas Bekanntem. Initiation geht weiter bis zum Tod. Natürlich sind die Zeitpunkte, an denen ein Lebensabschnitt endet oder beginnt, von Mensch zu Mensch unterschiedlich. Durch das Ritual wird der Übertritt in einen neuen Lebensabschnitt bewusst vollzogen. All das geschieht bei der Initiation in den traditionellen Stämmen Afrikas und Südamerikas und ebenso bei einer heutigen Scheidung. Holen wir damit die nicht gemachten Schritte unserer Jugend nach?

Schritte der klassischen – heute im Westen nicht mehr praktizierten – Initiation:
a) Ich werde initiiert, d. h. ein anderer stellt die Bedingungen, da ich das Wasser (die Bedingungen) zu heiß oder zu kalt machen würde.

b) Initiation geschieht zu einem Thema, z. B. Angst. Ich erlebe meine Angst sehr verstärkt in mir. Verstärkt durch meine gesteigerte Aufmerksamkeit.

c) Trennung ist ein Teil von Initiation. Trennung von den Eltern, der Eltern-Kind-Beziehung. Neue Bindung mit den Ahnen, den Mythen, mit dem Tod entsteht. Initiation ist der Tod von etwas. Tod und Initiation sind Partner. Ich nehme meinen Tod als etwas Unausweichliches wahr.« Dann kann ich das Leben, welches mir bleibt, ganz leben.

d) Initiation ist unumkehrbar. Initiation hat mehr mit erwählt zu tun als mit Wahl. Es gibt keine Wahl bei Initiation, es passiert mir. Das ist schwer anzunehmen in einer Zeit, in der wir meinen, bei allem die Wahl zu haben. Und die Machbarkeitsphantasien uns vorgaukeln, dass alles möglich sei.

e) In Initiation gehe ich tiefer in die Wunden, die ich habe. Nach der Initiation ist etwas für immer in mir geändert. Es bleibt eine Narbe, sichtbar für andere, bei Scheidung der Ehestand »geschieden«.

f) Initiation macht mich vertraut mit meinen Schwächen. Ich lerne, meine Schwächen zu mir zu nehmen, anzuerkennen. Indem ich diese Verletzungen spüre, fühle, anschaue, werde ich ganz. Kann ich Menschen mit ähnlichen oder anderen Verletzungen achten.

Mir erwächst Stärke und Klarheit, indem ich dort schwach sein darf, wo ich es bin. Fast alle genannten Schritte erfahren Menschen, die sich trennen: Trennung bei Paaren hat die Qualität von Initiation. Es wird, manchmal zum ersten Mal, ernst. Ich muss mich mit meinen Ängsten auseinandersetzen. Eine extreme Veränderung in der Qualität der Partnerschaft ist gefordert, sonst geht alles so weiter wie bisher. Alles steht auf dem Spiel. Trennung passiert. Mindestens einer in der Beziehung wird davon überrascht, indem der andere die Trennung will, der Partner/die Partnerin aber nicht. Ziel von Initiation ist Erwachsenwerden. Dasselbe Ziel hat Partnerschaft auch. Ist Erwachsenwerden in der Partnerschaft nicht möglich, wird es möglicherweise durch Trennung erlebt, weiter ausgehalten, oder es wird eine gemeinsame Entwicklung/Wachstum eingeleitet.

Mann sein, der Ur-Mann in mir – im Anschluss sein mit mir – eine Vision nur für Männer!
Alle Männer haben Anschluss an den Ur-Mann in sich. Dieser Ur-Mann ist ein starker Krieger, der beschützt, aber niemals andere belästigen oder gar verletzen würde, ohne selbst angegriffen zu werden. Dieser Ur-Mann achtet das Revier der anderen Männer und deren Frauen und Kinder. Der Ur-Mann wird nicht mit der Frau seines Freundes oder Feindes schlafen, nur um sich zu befriedigen, denn er hat seinen Frieden in sich gefunden. Er hat das brennende Verlangen in seinem Penis nach Befriedigung tausend Mal verspürt und es überlebt. Der Ur-Mann, der in allen Männern wohnt, hat die Gewalt der Lust kennengelernt, leiten gelernt, nutzen gelernt, hin zu der Frau, die ihn begehrt. Mit ihr teilt er seine Wildheit, die nicht brutal ist, sondern stark und lustvoll. Der Ur-Mann leitet jeden Mann an, die Gewalt seiner Lust zu benutzen und nicht von dieser Gewalt benutzt zu werden. Der Ur-Mann schenkt seine gewaltige Lust der Frau, die ihn liebt, dort gehört sie hin. Langsam und ausdauernd liebt er diese Frau für alles, was sie ist, und dafür, wie sie ist. Ohne sich Bilder zu machen davon, wie seine Partnerin sein sollte, oder von anderen Frauen, während sie sich lieben. Der Ur-Mann zeigt den jungen Männern, wie sie ihre Stärke und Ruhe finden, die sie bei ihm bewundern. Junge Männer spüren, dass sie sich ihm anvertrauen können. Junge Männer spüren diesen Ur-Mann in sich. Er ruft sie über die Vorbilder, Idole, die sie sich suchen. Leider werden die jungen Männer immer wieder enttäuscht. Bis sie die Suche aufgeben und in fürchterlichen Beziehungen gefangen sind und aufhören, nach dem Ur-Mann in sich selbst zu suchen. Der Ur-Mann sagt jungen Männern in erwachsenen Körpern, dass die Liebe eine Kunst ist, die es zu erlernen gilt. Zuerst die Liebe zu sich. Danach die Liebe zu einer Frau, zu Kindern, und die zum Beruf.

Ältere Männer kräftigen junge Männer im Gespräch, indem sie darüber reden und durch ihr Handeln zeigen, was es bedeutet, Frauen zu ehren. Sie weisen auf Werte hin, die Bestand haben: Den Wert, allein draußen in der Natur zu sein. Mich selbst kennen zu lernen, was ich liebe, was mich stärkt. Was es bedeutet, leidenschaftlich zu lieben, leidenschaftlich zu arbeiten. Was es bedeutet, Kinder zu begleiten, bis sie selbst stark sind. Was es bedeutet, Kinder zu ehren. Diese Männer versagen sich der Gewalt gegen Schwächere, andersdenkende, andersfarbige Menschen, Gewalt und sexuellen Missbrauch gegen Frauen und Kinder. Diese Männer sagen: Wir werden dich daran hindern, z. B. deine Frau und Kinder zu schlagen, weil es dir und uns allen schadet.

Männer sind im Moment allein. Männer haben den tiefen Punkt eines langen Weges erreicht. Männer haben seit vielen Generationen vergessen, was ihnen gut tut, was ihre Frauen brauchen, was ihre Kinder haben müssen. Nur Männer können sich aus dieser Falle herausziehen, indem Männer sich gegenseitig erinnern, was ihnen gut tut und was schadet. Indem wir langsam »Mann und Vater sein« wieder zu einer Ehre machen. Indem wir dem Elend, das von so vielen Männern angerichtet wurde, ein gutes Ende setzen. Indem wir aufhören, uns in sinnlose Kriege schicken zu lassen, uns betrügen zu lassen, von alten, bösartigen Männern mit selbstsüchtigen Phantasien, die uns opfern für ihre Machtbedürfnisse in Weltkriegen, in Kriegen in Vietnam, Bosnien, Israel, Palästina, Irland, Afrika, Asien, Südamerika, Afghanistan und am World Trade Center in New York.

Wie kann ich ein guter Vater sein?

Ein guter Vater wird Mann durch Tun, durch Zeit mit dem eigenen Kind. Väter wickeln anders, tragen das Kind anders, füttern anders, spielen anders mit ihren Kindern – als Mütter. Das müssen Väter ihren Frauen zumuten und durchhalten. Mütter haben eine „gewachsene“ Verbindung zu ihrem Kind, sie sind der Überzeugung immer zu wissen was ihr Kind braucht. Männer müssen sich Zeit nehmen um wichtig für ihre Kinder zu werden und zu lernen wie sie mit ihrem Kind umgehen wollen. Dazu ist Mutterfreie Zeit, nur Vater mit Kind, notwendig. Manche Mütter wissen das, und sind froh wenn sich der Vater so einbringt. Manche Mütter wollen, dass ihr Kind um jeden Preis so versorgt wird wie sie es für richtig halten, sie gehen per se davon aus, dass es ihr Mann nicht kann.

Der Versorger, der geschiedene Mann

Geschiedene und nicht bei den Kindern lebende Väter haben die Pflicht und oft auch den Wunsch, ihre Kinder bestmöglich zu fördern und zu unterstützen. Die Umstände der Scheidung und der Trennungsphase davor können diesen Wunsch stören oder verändern. Trotz all dem haben Väter Verantwortung für das Wohl ihrer Kinder. Sorgen, fördern und unterstützen bedeutet, dass Väter Zeit mit ihren Kindern haben. Kinder brauchen den Vater, sowohl finanziell wie auch seine Zuwendung, seine Liebe, seine Art Mann und Mensch zu sein. Es ist sein Job, dafür zu sorgen, dass seine Kinder und auch deren Mutter, ein Dach über dem Kopf haben und versorgt sind. So lange bis die Kinder größer sind und die Mutter wieder arbeiten kann. Das scheint ein entlastendes Prinzip zu sein, das die Beteiligten stärkt. Sollten in der neuen Partnerschaft des Mannes ebenfalls Kinder da sein, bleibt es beim vorher Gesagten. Es ist die Pflicht des Vaters für seine Kinder zu sorgen. Sorgt der neue Partner ebenso für die Kinder, darf er dem leiblichen Vater seine Position und Sorgepflicht nicht wegnehmen oder abnehmen. Unterstützt dieser Mann bei der Erziehung usw., weil der eigentliche Vater ausgefallen ist, gebührt ihm der Dank der Mutter. Gleichzeitig ist er jederzeit frei, seine übernommenen Pflichten abzugeben.

Kompetente Kinder brauchen kompetente Väter

Es ist hilfreich, sich einmal zu fragen, welche Haltung und welches Denken wir mit unserer Erziehung und unseren Beziehungen in unserer Familie eigentlich fördern möchten. Wollen wir noch Untertanen heranziehen, die auf Anweisungen und Befehle handeln? Oder wünschen wir uns, dass unsere Kinder zu Menschen heranwachsen, die ein hohes Maß an Selbstständigkeit, Kompetenz und ein starkes Selbstwertgefühl mitbringen? In letzterem Fall brauchen Kinder Väter, die bereit sind, sich zu entwickeln. Väter, die wie Leuchttürme sind, die ständig klare Signale geben und deutlich sagen, was sie wollen (statt bloß zu sagen, was sie nicht wollen). Sie brauchen Väter, die wie Sparringspartner der Kinder sind, die zu Hause gleichsam eine Trainingssituation bieten und dabei den größtmöglichen Widerstand leisten und zugleich den geringstmöglichen Schaden anrichten. Väter, die bereit sind, mit ihren Kindern zu wachsen. Väter, die täglich viele Fehler machen und keine Lust mehr haben, perfekt zu sein. Väter, die sich entspannen und die Kraft haben, Nein zu sagen, wenn ihnen danach ist. Väter, die ihre Verantwortung nehmen – wissend, dass diese Kinder nicht ihr Besitz sind, sondern das Geschenk des Lebens, wie sie selbst es sind. Väter, die wissen, dass ihre Kinder nicht wie ihre Väter und Mütter werden müssen, um gut zu sein. Väter, die die Kraft in sich entwickelt haben, sich und ihren Kindern immer mehr zu vertrauen. Väter die an ihre Kinder glauben, so wie sie sind.

Führungskräfteschulung beginnt mit Vater und Mutter

Vater und Mutter, die Familie, ist der Ausgangspunkt für die gute Entwicklung der eigenen Kinder. Väter und Mütter sind verantwortlich für die Wertebildung und letztlich auch dafür, ob und wie ihre Kinder lebensfähig werden. Wenn von Vater und Mutter keine Werte vorgelebt werden, dann wird es sehr schwierig, diese zu einem späteren Zeitpunkt noch einzupflanzen. Gemessen an dieser schwierigen Aufgabe wird zu wenig getan, damit Familien diese Aufgaben bewältigen können. Infolgedessen werden Familien auch immer fragiler. Wirtschaft und Politik haben die Relevanz der Familie für Werteentwicklung – und was man dafür tun muss – noch gar nicht begriffen. McKinsey, der Bund der deutschen Wirtschaft, amerikanische Untersuchungen bestätigen unser Gefühl, jeder Euro den wir in die frühkindliche Entwicklung, in Institutionen und in der Familie investieren, zahlt sich für die Gesellschaft aus mit 12 – 14 % (je nachdem welche Untersuchung man nimmt).

Langsam beginnt das Umdenken: In mancher skandinavischen Firma sagt der Chef zu seinem Abteilungsleiter: „Es ist schon 18:00h, jetzt aber nach Hause zu ihrer Familie.“ Im Gegensatz dazu sagen viele Chefs in Deutschland: „Können Sie das noch bis morgen früh erledigen“? – Väter die den Mut, die Kraft und die Verantwortung gegenüber Ihrem ersten Kind – der Partnerschaft mit ihrer Frau – und gegenüber ihren Kindern haben, werden sich bald trauen zu sagen: „Ich will heute mit meinem Sohn das Modellflugzeug weiter bauen, ich habe es ihm versprochen.“ Wird das immer gehen? Nein, aber immer öfter!

Anmerkung

Weitergehende Informationen finden Sie in meinem Buch »Trennung in Liebe – Partnerschaft in Liebe« und in der Neuerscheinung im Kösel-Verlag »Trennung in Liebe…damit Freundschaft bleibt«. Auch auf der Seite: http://www.trennung-in-liebe.de. Auf der Seite http://www.familylab.de/train-the-trainer.asp finden Sie Angebote für Kursangebote zum Thema. Vielfältige Informationen, Angebote zur Unterstützung, kostenfreie Downloads, etc. finden Sie auch auf der Seite »Paare im Wandel«  und http://chancen-verlieben-sich.de.

Autor

Mathias Voelchert (1953) ist Betriebswirt, Ausbilder, Praktischer Supervisor, Coach mit systemischer Aus- und Weiterbildung, Autor und seit 30 Jahren selbstständiger Unternehmer. Bislang sind mehrere Artikel von ihm in Publikums- und Fachzeitschriften wie auch Bücher zum Thema Beziehung & Partnerschaft, erschienen. Buchtitel sind »Trennung in Liebe«, »Paare im Wandel«, »Chancen verlieben sich« u.a. Er ist Herausgeber verschiedener Bücher und der Mehrzahl der in deutsch erschienen DVDs mit Jesper Juul z.B. »Schulinfarkt«, »Neue Führungskompetenz«, »4 Werte, die Kinder ein Leben lang tragen«, »Die kompetente Familie«, »Pubertät«. 2006 hat er familylab.de in Deutschland gegründet und leitet die Familienwerkstatt seit dem in Zusammenarbeit mit Jesper Juul.

Weitere Beiträge des Autors hier in unserem Familienhandbuch

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eingestellt am 04. Juni 2013