Bin ich jetzt nur noch Mutter?

Monika Maria Kuhn

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Dieser Artikel ist ein Plädoyer für die Familienarbeit und will versuchen der Abwertung durch Politik und Medien entgegenzuwirken. Geschichtliches und „Emanzipationskunde“ werden angerissen. Eine Aufforderung zum Dialog soll Toleranz gegenüber verschiedenen Lebensentwürfen fördern. Außerdem werden die Bedingungen der Familienarbeit beleuchtet, eine Ausbildung zur Mutter angedacht und davor gewarnt, sich ganz im Mütterberuf zu verlieren.

Kinder halten uns den Spiegel vor die Nase, ohne Beschönigung, kritisch, lehren uns, unserer Vergangenheit ins Auge zu sehen. Kinder – eine unglaubliche Chance zum eigenen Wachsen, zum Erkennen, zum Lieben, zum Reden, zum Lernen.

Keine Mutter ist eine Nur-noch-Mutter, auch wenn sie nicht zusätzlich erwerbstätig ist. Sie hat eigene Bedürfnisse, Träume und Wünsche, die zu verleugnen dazu führen kann, sie auf die Kinder zu projizieren, die sie dann stellvertretend verwirklichen sollen. Nur wenn sie auch für sich sorgt, sich ihre Wünsche eingesteht und sich für eigene Interessen Zeit nimmt, um wieder Kraft zu schöpfen, kann sie auch ihren Kindern gerecht werden. Sind Frauen einmal Mütter, sind sie immer Mütter, aber Auch-noch-Mütter, zu allem anderen, was sie schon sind. Familienhausarbeit ist nicht schlechter als irgendeine andere Arbeit, jedoch wird sie gesellschaftlich systematisch abgewertet, weil sie nicht bezahlt wird, und umgekehrt wird sie nicht bezahlt, weil das immer schon so war. Das ist ein Teufelskreis wie bei Obdachlosen, die Arbeit suchen, aber nur Arbeit finden, wenn sie eine Wohnung haben und nur eine Wohnung finden, wenn sie Arbeit haben…

Klischees

Der Beruf der Hausfrau und Mutter ist mit Klischees wie mit Zuckerguss überzogen, an dem das Mutterkreuz des Dritten Reichs genauso klebt wie Unterdrückung, Abhängigkeit, Eingesperrtsein und Beschränkung. Wenn wir aber den Guss abkratzen und einmal genauer hinschauen, können wir sehen, dass es gar nicht nur um die Mutter, sondern auch um die Kinder geht, die vor allem in den ersten Jahren vollkommen auf Hilfe und Zuwendung angewiesen sind. Die heutige Familienfrau wird nicht mehr dazu gezwungen zu Hause zu bleiben, sie kann sich frei dafür oder dagegen entscheiden (1). Das konnten die Frauen Anfang des 20. Jahrhunderts noch nicht. Sie hatten keine Wahl, es war die Norm, dass verheiratete Frauen zu Hause blieben und sie waren dem Manne untertan. Erst nach dem zweiten Weltkrieg wurde der Satz „Frauen und Männer sind gleichberechtigt" (2) auf Initiative von Elisabeth Selbert (3) in das neue Grundgesetz aufgenommen. Trotzdem dauerte es noch Jahre, bis er tatsächlich umgesetzt wurde. Das Letztentscheidungsrecht des Ehemannes in allen Eheangelegenheiten wurde erst am 1. Juli 1958 ersatzlos gestrichen. Und erst seit 1977 darf eine Frau ohne Einverständnis des Mannes erwerbstätig sein. Ebenfalls seit 1977 gilt das Partnerschaftsprinzip, nach dem es keine gesetzlich vorgeschriebene Aufgabenteilung in der Ehe mehr gibt.

Frauen dürfen heutzutage studieren, einen Beruf erlernen und erwerbstätig sein, auch ohne die Erlaubnis der Männer. Viele versuchen sich zu emanzipieren, indem sie die Werte der Männer übernehmen und sich ihrem Weltbild anpassen. Aber ist der Maßstab des emanzipierten Menschen wirklich der berufstätige Mann, wie es bei Barbara Vinckenzu lesen ist (4)? Christa Wolf jedenfalls war überzeugt, dass es „anzuerkennen ist, dass die beiden Geschlechter unterschiedliche Bedürfnisse haben, und dass nicht der Mann das Modell für den Menschen ist, sondern Mann und Frau.“ Und weiter schreibt sie: „Ist es denn das Ziel der Emanzipation, kann es überhaupt erstrebenswert sein, dass die Frauen werden wie die Männer, … wo doch die Männer es so sehr nötig hätten selbst emanzipiert zu werden?“(5). Natürlich ist es gut, wenn Frauen ihre Möglichkeiten ausschöpfen und in alle bisher nur Männern vorbehaltenen Bereiche hineinströmen. Aber genau so wichtig ist es, ihr Selbstbewusstsein im weiblichen Bereich zu stärken und dort wirtschaftliche Unabhängigkeit zu erreichen, wo sie gerade (unbezahlt) arbeiten, nämlich in der Familie und im sozialen Umfeld.

In den letzten Jahren sind die Gräben zwischen erwerbstätigen und nicht erwerbstätigen Müttern immer tiefer geworden. Medien, Podiumsdiskussionen, Debatten und Talkshows sind voll gegenseitiger Schmähungen und Herabsetzungen. Dabei gibt es viel zu wenig wirkliche Dialoge und verständnisvolles Zuhören. Denn die Vorurteile auf beiden Seiten sind groß, so dass oft nur das herausgehört wird, was ins eigene Bild passt. Jede Seite sucht Argumente und versucht über Fachleute, diese Argumente zu untermauern, um den eigenen Standpunkt durchzusetzen und Recht zu bekommen. Die Meinungen, die über Medien und Politik vorwiegend propagiert werden, setzen sich durch, werden verinnerlicht und allgemein gültig. Aber gibt es überhaupt eine allgemein gültige Lösung für alle Mütter? Jede Mutter hat andere Ziele, andere Bedürfnisse und andere Voraussetzungen. Ebenso haben die Kinder unterschiedliche Bedürfnisse, unterschiedliche Reifegrade und unterschiedliche Charaktere, weswegen sie auch unterschiedlich offen und bereit sind, sich von der Mutter zu lösen und in fremde Betreuung zu gehen. Deshalb ist es so wichtig Möglichkeiten zu schaffen, dass verschiedene Lebensentwürfe gelebt werden können und dass wir lernen, diese zu respektieren.

Bedingungen

Auch wenn die Familienhausarbeit eine vollwertige und vielseitige Arbeit ist, so ist sie doch auch oft eine einsame Arbeit, die jede Frau alleine für sich und ihre Familie tut. Sie muss viel mehr Eigeninitiative aufbringen, um Kontakte zu knüpfen, als eine Frau, die im Erwerbsleben täglich mit anderen Menschen zusammen arbeitet. Weil aber immer mehr Frauen erwerbstätig sind, gibt es auch weniger Möglichkeiten der Begegnung und des Austausches.

Das Selbstbewusstsein leidet bei vielen Frauen durch die langjährige fehlende Anerkennung ihrer Arbeit. Für Frauen, die gerne wieder erwerbstätig sein wollen, wird die Chance auf einen Arbeitsplatz geringer, je länger sie mit dem „Wiedereinstieg“ warten. Es wäre hilfreich, wenn Mütter sich stückchenweise von ihren Kindern lösen und langsam einen (neuen) Tätigkeitsbereich für sich erschließen könnten.

Fasziniert haben mich die Berichte und Reflexionen über das Mütterzentrum in Salzgitter (6). Eine Utopie ist hier Wirklichkeit geworden: Eine Zelle in der Gesellschaft, die den Müttern Raum gibt, zuerst mit ihren Kinder zusammen dort Kontakte zu knüpfen. Hier können sich Kinder langsam abnabeln, sich von ihren Müttern freiwillig lösen, jedes auf seine Art und nach seinen Bedürfnissen. Die Mütter finden gegenseitige Hilfe und ein Betätigungsfeld innerhalb des Zentrums auch gegen Bezahlung. Hier sind Kinder nicht ausgeschlossen, sondern erwünscht und integriert. Alle Arbeit ist dort gleichwertig, Beziehungsarbeit eingeschlossen und die Mütter lernen Toleranz gegenüber anderen Meinungen und Lebensweisen.

Seit 1999 hat das Mütterzentrum ein Mehrgenerationenhaus, das 2006 als erstes dieser Art in Deutschland in das Aktionsprogramm der Bundesregierung aufgenommen wurde. Die Idee dahinter ist, dass „Kinder, Jugendliche, aktive Erwachsene und alte Menschen Gelegenheiten finden, sich begegnen, den Tag aktiv miteinander gestalten und von einander lernen.“(7) Dies basiert auf dem Grundgedanken der früheren Großfamilie, die in der modernen Form einer Wahlfamilie wieder belebt wird. Das Angebot dort ist riesengroß und spricht alle Generationen an. Jede/r kann etwas dazu beitragen, aber auch Hilfe bekommen (8).

Mütter bekommen kein Gehalt (9) für die Arbeit in der Familie. Sie sind somit von ihrem Partner oder vom Sozialamt finanziell abhängig. Für die ersten 12 Monate nach der Geburt bekommen Mütter ein Elterngeld, das sich in der Höhe am laufenden durchschnittlich verfügbaren Erwerbseinkommen orientiert, welches der betreuende Elternteil im Jahr vor der Geburt hatte. (10) Das ist eine Ungerechtigkeit den Müttern gegenüber, die nicht erwerbstätig waren und die mehrere Kinder haben und zwischen den einzelnen Geburten nicht erwerbstätig sein konnten. Sie erhalten nur den Mindestsatz. Normalerweise bekommt ein Mensch keinen Lohnersatz für eine aufgegebene Arbeit, wenn er eine andere aufnimmt. Ebenso ist es absurd, Elterngeld für Familienarbeit als Ersatz für die vorher ausgeübte Erwerbsarbeit zu bezahlen und es am dafür gezahlten Gehalt zu messen.

Das geltende eheliche Güterrecht (11) unterstützt die Abhängigkeit von Müttern noch, weil das während der Ehe erworbene Einkommen demjenigen gehört, der es verdient. Erst bei Scheidung findet ein Zugewinnausgleich statt. Die nicht erwerbstätige Mutter ist während der Ehe Unterhalts- und Taschengeldempfängerin. Und obwohl sie durch Haushaltsführung zum Unterhalt der Familie beiträgt (12), erhält sie dafür keine angemessene Bezahlung. Kinder werden oft als Privatangelegenheit angesehen, aber durch die Alterung in unserer Gesellschaft und den Nachwuchsmangel wird immer mehr bewusst, welch ein Irrtum das ist. Kinder zahlen später die Renten der jetzt Erwerbstätigen. Die Personen, die hauptsächlich Familienarbeit leisten und somit dafür sorgen, dass es überhaupt Renten geben kann, gehen zwar nicht mehr leer aus, aber sie werden mit Almosen abgespeist. Dabei hatte Wilfrid Schreiber, ein deutscher Wirtschaftstheoretiker, in den 50er Jahren einen Entwurf zur Rentenreform entwickelt, den so genannten Generationenvertrag, der nicht nur eine Rente für die Alten vorsah, sondern auch für die Kinder und Jugendlichen bis zum Alter von 20 Jahren. Die Idee dahinter war, dass die arbeitende Bevölkerung (ohne Ausnahme!) (13) sich sowohl an den Kinderkosten beteiligt als auch an den Kosten derer, die nicht mehr arbeiten können, also die Alten. Adenauer allerdings soll gesagt haben: „Kinder kriegen die Leute sowieso“(14) und lehnte die Kinderrente ab. Die Juristin Eva Marie von Münch kritisierte schon damals, dass so die Alterslast kollektiviert wurde und die Kinderlast Privatsache blieb Und das ist bis heute so geblieben (15).

Anstatt aber diese Bedingungen zu ändern, um Frauen und auch Männern zu ermöglichen, sich frei zwischen Familien- und Erwerbsarbeit entscheiden zu können, wird die Erwerbstätigkeit und öffentliche Kinderbetreuung politisch als einzig erstrebenswerte und mögliche Lösung propagiert. Dass sich Frauen und auch Männer, wenn die Rahmenbedingungen stimmen, eventuell wenigstens einige Jahre ganz für Familienarbeit entscheiden könnten, wird nicht gewünscht und in Medien und Politik lächerlich gemacht. Dabei werden in keinem anderen Beruf so viele verschiedene Tätigkeiten ausgeübt. Von der Säuglingspflege angefangen über die Kinderbetreuung, Raum- und Wäschepflege, Krankenpflege, Kochen und Backen, Herstellung von Kleidung bis hin zur Nachhilfe für die Schule, psychologischen, therapeutischen und beratenden Aufgaben reichen die Leistungen einer Familienfrau. Und das ist noch lange nicht alles. Unter anderem haben viele noch einen Garten zu versorgen und bauen eigene Lebensmittel an. Sind die Kinder erwachsen und gehen aus dem Haus, kommen die Eltern oder Schwiegereltern in das Alter, wo sie mehr Hilfe und Unterstützung brauchen bis hin zur Rund-um-die-Uhr-Betreuung. Auch wenn sie nicht zu Hause gepflegt werden, muss für Betreuung und Versorgung Zeit investiert werden. Wie ist es möglich, dass dies alles in unserer Gesellschaft nicht als Arbeit zählt und entsprechend honoriert wird?

Schein oder Wirklichkeit?

Unsere Gesellschaft krankt daran, dass der Mensch immer mehr in den Hintergrund gerät. Die (Erwerbs-) Arbeit an sich ist das Maß aller Dinge und wird bisweilen exzessiv betrieben. Hauptsache sie bringt Geld. Es genügt nicht mehr gut zu leben und das Wichtigste zum Leben zu haben, es muss immer mehr sein. Es müssen nicht nur Gewinne erwirtschaftet werden, es müssen immer mehr Gewinne erwirtschaftet werden. Dabei sagt einem der gesunde Menschenverstand, dass ein Wachstum nicht ins Unendliche gehen kann. Ich muss unwillkürlich an „Des Kaisers neue Kleider“ denken (16). Hier machen zwei Betrüger allen Leuten weis, dass der Stoff, aus dem sie die Kleider für den Kaiser schneidern, so fein ist, dass nur kluge Leute ihn sehen können. Natürlich will niemand als dumm gelten und so tun alle so, als könnten sie die Kleider sehen, obwohl gar nichts da ist, bis ein Kind diesen Schwindel aufdeckt. Ist es in der Politik nicht genauso? Da behaupten auch so genannte Fachleute, dass die Wirtschaft immer weiter wachsen kann und muss. Und dass die, die sich dagegen aussprechen, keine Ahnung haben. Nichts kann in alle Ewigkeit weiter wachsen. Das wirtschaftliche Wachstum geht auf Kosten der Umwelt und vieler Armer und wirtschaftlich Schwacher. Angeblich ist kein Geld da, wenn es um soziale Belange geht oder wenn ein Gehalt für Familienarbeit gefordert wird. Stattdessen fließt das Geld in viele andere Kanäle, und nicht zuletzt in die Taschen der Politiker und Politikerinnen und der „Spitzen“kräfte. Zur Erhöhung der PolitikerInnen-Gehälter (Diäten) (17) reicht es seltsamerweise immer. Nur für den Nachwuchs ist nicht genug Geld da, weder für die Familien, noch für Kindergärten oder Schulen. Die Eltern sollen alle erwerbstätig sein und die Kinder sollen schnell mit der Schule und dem Studium fertig werden, damit sie möglichst früh auch Geld verdienen können. Aber bei über drei Millionen Arbeitslosen (18) in Deutschland hat gar nicht jede/r die Chance auf einen Arbeitsplatz. Deshalb ist es auch eine Illusion, dass alle Mütter und Väter erwerbstätig sein können. Oder aber sie müssen jeden Job annehmen, den sie angeboten bekommen. Und das kann zermürbend und entwürdigend sein.

Alles dreht sich in unserer Gesellschaft um die Erwerbsarbeit – ums Geld. In der Familie muss alles so geregelt werden, dass die Erwerbsarbeit reibungslos klappt. Anstatt alles um die Kinder herum zu organisieren, wird alles um die Erwerbsarbeit herum organisiert. Viele Eltern kommen dabei an ihre Grenzen, vor allem, wenn sie isoliert sind oder sich zwischen Erwerbs- und Familienarbeit fast zerreißen. Zwei Väter schildern in einem Artikel der ZEIT, dass Vereinbarkeit von Kindern und Karriere eine Lüge ist, das ständige Gefühl zu wenig Zeit für alles zu haben vorherrscht: zu wenig Zeit für die Kinder, für den Job, für die Partnerin, für sich selbst und dass es keinen Ausweg aus dem Dilemma gibt. Sie stellen die Frage nach der Konsequenz, lehnen aber sofort ab, dass „Mutti wieder an den Herd und Vati arbeiten geht“. Sie nennen es „Zurück in die Fünfziger“(19) Es ist ihr gutes Recht, sich so zu entscheiden, aber es ist nicht in Ordnung, Familienarbeit als etwas abzutun, das überholt ist. Schade, dass Erwerbsarbeit und Familienarbeit konkurrieren. Besser wäre es, eine Balance zu finden, denn beides ist gleich wichtig (20). Und beides müsste bezahlt werden.

Brauchen wir eine Ausbildung zur Mutter?

Die meisten Frauen bewältigen das Muttersein auch ohne Ausbildung, wachsen in ihre Aufgabe hinein und eignen sich vielfältige Kompetenzen an. Und trotzdem wäre der Start sicher leichter und die Unterstützung größer durch eine Ausbildung und begleitende Weiterbildung. Frauen wären schon durch den Austausch nicht mehr so alleingelassen und isoliert und der Beruf der Hausfrau und Mutter hätte einen ganz anderen Stellenwert. Was fehlt, ist eine Grundausbildung für Frauen und Männer, Mädchen und Jungen, die sie befähigen, für sich und andere sorgen zu können. In der heutigen Zeit bekommen Mütter einen immer schlechteren Ruf. Hin und wieder liest man von Müttern, die ihre Kinder misshandelt oder getötet haben. Kinder werden vernachlässigt, oder wollen aus der Kindertagesstätte nicht nach Hause. Was ist mit unseren Müttern los? Sicher gibt es viel mehr Mütter, die gute Familienarbeit leisten und ihre Kinder liebevoll großziehen. Aber auch diese Mütter würden von einer Grundausbildung profitieren, die sich gleichermaßen an Mädchen und Jungen richten sollte. Eine SOS-Kinderdorfmutter, zum Beispiel, muss vorher oder berufsbegleitend eine pädagogische Ausbildung absolvieren. Es gäbe aber noch viele andere Bereiche, in denen eine Schulung sinnvoll wäre. Dazu gehören umweltfreundliche Methoden der Raum- und Wäschepflege, gesunde Ernährung (21) von unabhängigen Ernährungs- bzw. GesundheitsberaterInnen (22), Entwicklungspsychologie des Kindes und Kommunikationstraining (23). In der Familienphase wären regelmäßig Fortbildungen und Gesprächskreise zum Erfahrungsaustausch hilfreich. Eine SOS-Kinderdorfmutter (24) bekommt jede erdenkliche Hilfe (25). Von ihr wird erwartet, dass sie „den Bedürfnissen der Kinder gerecht wird und sie auf ein selbstständiges Leben vorbereitet. Sie soll eine engagierte Persönlichkeit mit Herz und Verstand sein, die ein großes Einfühlungsvermögen mit pädagogischer Sachkenntnis verbindet, individuell auf die Kinder eingeht und ihnen die Aufmerksamkeit, Geduld und Fürsorge schenkt, die sie brauchen.“(26) Warum soll das nicht auch für die Mütter gelten, die ihre eigenen Kinder erziehen? Wenn Frauen bzw. Männer wieder erwerbstätig sein wollen, sollten sie trotzdem die Möglichkeit haben, sich um ihre Kinder zu kümmern, wenn diese krank und hilfsbedürftig sind. Kinder brauchen das Gefühl, dass sie geliebt werden, dass jemand Zeit für sie hat. Gerade auch in dem Alter, wo sie sich abnabeln, ist es wichtig, dass jemand für sie da ist und ihnen zuhören kann.

Kinder

Es sind die Kinder, um die es hier eigentlich geht. Über sie wird entschieden und die Meinungen, was für sie gut ist, gehen weit auseinander. Was brauchen sie wirklich? Wo sind sie am besten aufgehoben? Sie brauchen einen Menschen, der für sie Zeit hat. Sie brauchen Liebe, Halt, Wärme und Geborgenheit. Und sie sind dort gut aufgehoben, wo sie dies alles bekommen können. Sie selbst werden meistens nicht gefragt, was sie wollen, können es oft auch gar nicht sagen. Aber wir haben die Verantwortung für sie und müssen dafür sorgen, dass sie bestmöglichst aufwachsen können. Wir haben die Aufgabe unseren Kindern bei ihrer Entwicklung und ihrer Bewusstwerdung zu helfen, für sie da zu sein. Kinder lernen nicht nur von uns, sondern wir lernen auch von ihnen. Wir können lernen alles in Frage zu stellen, unser Leben zu überdenken, einen anderen Blickwinkel einzunehmen, die Welt mit den staunenden Augen des Kindes zu betrachten. Wir können lernen, dass wir nicht immer Recht haben, auch wenn oder gerade weil unsere Lebenserfahrung eine andere ist, als die unserer Kinder. Kinder müssen ihre eigenen Erfahrungen machen, auch wenn das für beide Seiten schmerzlich ist. Wir lernen uns selber und unsere Grenzen, Fehler und Schwächen kennen, müssen aber auch unsere Bedürfnisse wahrnehmen lernen und dadurch den Kindern Grenzen setzen. Kinder sind nicht unser Eigentum (27) und sie haben ein Recht darauf als Person ernst genommen zu werden und Antworten auf ihre vielen Fragen zu bekommen. Sie haben ebenfalls ein Recht darauf ihr Leben zu leben. Wenn wir sie sich entfalten lassen, können wir zusehen, wie sie langsam flügge werden. „Wenn Kinder klein sind, gib ihnen Wurzeln, wenn sie groß sind, gib ihnen Flügel“(28). Das Schwere am Mutterberuf ist, sich ständig darauf einstellen zu müssen, was Kinder gerade brauchen, ihre Entwicklung zu begleiten, aber trotzdem sich selbst dabei nicht zu vernachlässigen, die eigenen Bedürfnisse nicht zu vergessen. Wir dürfen uns im Mutter-sein nicht verlieren, so dass wir nicht mehr in der Lage sind, die Kinder ihren Weg gehen zu lassen, weil wir den eigenen verpasst haben. Das bedarf eines ständigen Jonglierens und einer ständigen Entwicklung der eigenen Persönlichkeit. Wir müssen lernen, dass wir nur eine begrenzte Zeit Wegbegleiterinnen der Kinder sein können. Irgendwann gehen sie ihre eigenen Wege. Wir dürfen sie nicht zwingen in unsere Fußspuren zu stapfen, denn dann werden sie uns nie überholen können. Genauso wenig dürfen wir den Fußspuren der Kinder folgen, wenn sie uns überholt haben, denn wir haben einen anderen Weg. Jeder Mensch hat seinen eigenen Weg, den nie ein anderer Mensch vor ihm gegangen ist und keiner nach ihm gehen wird.

Fußnoten

(1) Allerdings frei nur im rechtlichen Sinne. Viele andere Gründe lassen oftmals eine freie Wahl gar nicht zu. Siehe auch unter „Bedingungen“ im Text.

(2) Grundgesetz; Gleichberechtigung

(3) Elisabeth Selbert

(4) Die deutsche Mutter, der lange Schatten eines Mythos, S. 96

(5) Frauen schreiben, Jürgen Serke, S.167

(6) Sozialpädagogisches Institut im SOS-Kinderdorf e. V. (Hg.), 2000

(7) Basisinformationen: Alles-unter-einem-Dach

(8) Mütterzentrum Salzgitter: Unser-Angebot

(9) Der Verband Familienarbeit e.V. (seit 2012), ehemals Deutsche Hausfrauengewerkschaft e. V. (dhg), im Jahr 2000 Umbenennung auf dhg-Verband der Familienfrauen und –männer, wurde 1979 gegründet und setzt sich u. a. für die Anerkennung und Bezahlung der Familienarbeit ein. siehe auch Quellenangaben und Literaturverzeichnis.

(10) Weitere zwei Monate können nur vom Vater in Anspruch genommen werden, ansonsten verfallen sie Das Elterngeld wird an Väter und Mütter für maximal 14 Monate gezahlt; beide können den Zeitraum frei untereinander aufteilen. Ein Elternteil kann dabei mindestens zwei und höchstens zwölf Monate für sich in Anspruch nehmen, zwei weitere Monate gibt es, wenn sich auch der andere Elternteil an der Betreuung des Kindes beteiligt und den Eltern mindestens zwei Monate Erwerbseinkommen wegfällt. Alleinerziehende, die das Elterngeld zum Ausgleich des wegfallenden Erwerbseinkommens beziehen, können aufgrund des fehlenden Partners die vollen 14 Monate Elterngeld in Anspruch nehmen. In der Höhe orientiert sich das Elterngeld am laufenden durchschnittlich monatlich verfügbaren Erwerbseinkommen, welches der betreuende Elternteil im Jahr vor der Geburt hatte. Es beträgt mindestens 300 Euro und höchstens 1.800 Euro.

(11) BGB: Zugewinngemeinschaft

(12) BGB § 1360 Die Ehegatten sind einander verpflichtet, durch ihre Arbeit und mit ihrem Vermögen die Familie angemessen zu unterhalten. Ist einem Ehegatten die Haushaltsführung überlassen, so erfüllt er seine (=sogenanntes „generisches Maskulinum“, obwohl in der Regel immer noch ihre) Verpflichtung, durch Arbeit zum Unterhalt der Familie beizutragen, in der Regel durch die Führung des Haushalts.

(13) Heute zahlt nur ein Teil der arbeitenden Bevölkerung in die Rentenkasse. Die Beamten und Selbstständigen sind davon ausgespart und sind anders abgesichert. Dadurch ist das ganze System „durchlöchert“ und von einem Generationenvertrag kann keine Rede mehr sein!

(14) Wilfrid Schreiber; Abschnitt: Kinder und Jugendrente; andere Quellen zitieren: „Kinder kriegen die Leute immer“; Konrad Adenauer: Abschnitt: Wirtschafts- und Sozialpolitik

(15) Wilfrid Schreiber; Abschnitt: Der „Generationenvertrag“

(16) Märchen von Hans Christian Andersen

(17) Paradoxerweise hat Diät noch eine gegensätzliche Bedeutung, nämlich Einschränkung (im Essen). Bei den Diäten der PolitikerInnen merkt man allerdings wenig von Einschränkung.

Gerade wieder ist eine Diätenerhöhung beschlossen; Bundestag Diäten

(18) Januar 2014; Arbeitsagentur/Oeffentlichkeitsarbeit/Allgemein/Arbeitsmarkt

(19) DIE ZEIT, 30. Januar 2014, Seite 6

(20) Oder ist Familienarbeit angesichts des demografischen Fiaskos wichtiger?

(21) Viele Kinder leben von Fastfood, bekommen nichts Frisches mehr gekocht. Es gibt durch die fehlerhafte Ernährung nicht nur dicke Kinder, sondern auch viele ernährungsbedingte Zivilisationskrankheiten. (Bruker, Kollath) Unabhängige Ernährungsberater deshalb, weil oftmals Werbung für Nahrungsmittelfirmen über Berater und Prospekte vermittelt wird, die eigene Produkte anpreisen wollen, wie z. B. die Zuckerindustrie. (Bruker, Grimm)

(22) Gesellschaft für Gesundheitsberatung e. V.

(23) Thomas Gordon, 1972. Er hat eine Methode des aktiven Zuhörens entwickelt, die verblüffende Wirkung zeigt. Es geht bei ihm auch um die niederlagelose Methode, das heißt sich einigen auf eine Lösung, mit der jede beteiligte Person zufrieden ist, sowohl Eltern als auch Kinder.

(24) SOS-Kinderdorfmutter

(25) „Die Kinderdorfmutter bezieht ein Gehalt und verfügt über ein Familienbudget, mit dem sie ihren Haushalt eigenverantwortlich führt. Sie wird von einer Familienhelferin, in vielen Ländern “SOS-Tante” genannt, in ihren Aufgaben unterstützt. Je nach Bedarf kann sie auf andere professionelle Angebote zurückgreifen, wie zum Beispiel Lernhilfe oder Freizeitangebote, die vom pädagogischen Mitarbeiter organisiert werden, Therapieangebote für die Kinder oder psychologische Beratung für sich selbst.“ Und sie bekommt nach ihrer Berufstätigkeit eine monatliche Pension.

(26) SOS-Kinderdorfmutter: Einblicke

(27) Deine Kinder sind nicht deine Kinder, sie sind die Söhne und Töchter der Sehnsucht des Lebens nach sich selbst. Sie kommen durch dich, aber nicht von dir und obwohl sie bei dir sind, gehören sie dir nicht, du kannst ihnen deine Liebe geben, aber nicht deine Gedanken, denn sie haben ihre eigenen Gedanken, du kannst ihrem Körper ein Heim geben, aber nicht ihrer Seele, denn ihre Seele wohnt im Haus von morgen, das du nicht besuchen kannst, nicht einmal in deinen Träumen. Du kannst versuchen, ihnen gleich zu sein, aber suche nicht, sie dir gleich zu machen, denn das Leben geht nicht rückwärts und verweilt nicht beim Gestern. Du bist der Bogen, von dem deine Kinder als lebende Pfeile ausgeschickt werden. Lass deine Bogenrundung in der Hand des Schützen Freude bedeuten. Khalil Gibran

(28) Sprichwort oder Weisheit, Herkunft unbekannt

Literatur

  • Arn, Christof/Stump, Doris, Von der Hausfrau zum Facility Manager? Strategien zur Entdiskriminierung der Haus- und Familienarbeit, eFeF-Verlag, 2004, 142 Seiten
  • Bruker, Dr. M. O., Unsere Nahrung, unser Schicksal, 45. Auflage, 2011; Zucker, Zucker – Krank durch Fabrikzucker, Neuauflage 2011
  • Chicago, Judy, Durch die Blume, Meine Kämpfe als Künstlerin, Reinbek bei Hamburg, Rowohlt, 1984. 252 Seiten
  • Gibran, Khalil, Der Prophet, Düsseldorf, Patmos, 2004, 110 Seiten
  • Gordon, Thomas, Familienkonferenz Die Lösung von Konflikten zwischen Eltern und Kind, Hamburg, Hoffmann und Campe, 1972, 336 Seiten
  • Grimm, Hans-Ulrich, Garantiert gesundheitsgefährdend, Wie uns die Zucker-Mafia krank macht, Droemer Verlag
  • Jünemann, Elisabeth/Ludwig, Hans, Vollbeschäftigung ist möglich! Makroökonomische Simulation der Wirkungen eines zusätzlichen Erziehungseinkommens, Merzig, Merziger Druckerei und Verlag, 2002, 152 Seiten
  • Kollath, Werner, Die Ordnung unserer Nahrung, 17. Auflage, 2005
  • Sozialpädagogisches Institut im SOS-Kinderdorf e. V. (Hg.), Die Rückkehr des Lebens in die Öffentlichkeit Zur Aktualität von Mütterzentren, Neuwied/Kriftel/Berlin, Luchterhand 2000

Quelle

Erziehungsgehaltsmodelle in dhg-Rundschau 4/98, Seite 5: „Gehalt für Familienarbeit – Lösung oder volkswirtschaftlicher Unsinn?“ in Familienarbeit heute 1/2003, Leitartikel

Autorin

Monika Maria Kuhn
Hammanstr. 23
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Erstellt am 23. August 2004, zuletzt geändert am 3. Juni 2014