Väter im Erziehungsurlaub: Reaktionen, Erfahrungen, Erkenntnisse

Elisabeth Gräfinger

Die Schwierigkeit, Familien- und Arbeitsleben auf eine befriedigende Weise zu vereinen, beschäftigt nicht nur jeden von uns in unserem Alltag – unter dem Stichwort “Vereinbarkeitsproblematik” ist dieses Thema auch immer öfter Gegenstand wissenschaftlicher und politischer Diskussionen. Betrachtet man die Aufgabenverteilung in Familien, so liegt es weiterhin meist in weiblicher Hand, die gesellschaftlich wertvolle, jedoch unbezahlte Familienarbeit (d.h. Betreuungs- als auch Hausarbeit) zu erbringen – und das, obwohl Frauen zunehmend Erwerbstätigkeit leisten. Dadurch entstehen Doppel- und Mehrfachbelastungen zulasten der Frauen, deren Linderung meist den Fokus dieser Debatten bildet. Die Perspektive der Männer wird hier jedoch oft vernachlässigt.

Bei der oftmals geäußerten Forderung, Männer sollten sich stärker der Familienarbeit widmen, wird meist nicht mitgedacht, dass dies im Alltag nur verwirklichbar ist, wenn das Mehr an Familienarbeit mit einem Weniger an Erwerbsarbeit einhergeht. Damit gerät jedoch ein zentraler Pfeiler des gängigen Männlichkeitsbildes ins Wanken: die Funktion des Vaters als erwerbstätiger Hauptversorger der Familie.

Väter, die Karenz bzw. Elternzeit in Anspruch nehmen, stellen in gewissem Sinne Vorreiter einer neuen Verteilungspraxis von Erwerbs- und Familien-/ Hausarbeit dar. Sie verändern mit ihrer Lebenspraxis althergebrachte Vorstellungen, was Männer in unserer Gesellschaft zu tun und zu lassen haben, wozu sie geeignet und damit auch zuständig seien. An den Reaktionen, mit denen sich diese Väter in ihrem beruflichen und privaten Umfeld konfrontiert sehen, lassen sich darum Schlüsse auf die gesellschaftlich vorherrschenden Männlichkeitsbilder und deren Wandel ziehen. Dies war Ziel des Forschungsvorhabens, in dem Karenzväter zu ihren Erfahrungen befragt wurden und dessen Ergebnisse ich in diesem Artikel überblicksartig darstellen möchte:

Dabei soll zuerst die Motivation dieser Väter beleuchtet und das soziale Feedback in Form von Reaktionen im beruflichen und privaten Umfeld als auch im öffentlichen Raum dargestellt werden.
Weiters soll die ambivalente Haltung von Frauen gegenüber Männerkarenz thematisiert und die Erfahrungen der Väter während der Elternzeit dargestellt werden.
Abschließend werden Schlüsse auf den Wandel der vorherrschenden Männlichkeitsbilder gezogen.

Aus Gründen der Lesbarkeit als auch der Herkunft der Studie werde ich im Weiteren lediglich den in Österreich gebräuchlichen Begriff der “(Eltern-)Karenz” verwenden, der jedoch dem deutschen “Erziehungsurlaub” bzw. der “Elternzeit” entspricht.

Die Motivation der Karenzväter

Die Motivation der Väter, eine Elternzeit zu beanspruchen, hängt meist mit mehreren Faktoren zusammen. Hier spielen sowohl eigene Werthaltungen und die Paarbeziehung als auch die berufliche Situation des Mannes eine Rolle.

An erster Stelle steht zweifelsohne das Interesse an der Kindesentwicklung. Die Väter lehnen es ab, “Distanzvater” zu sein und weisen eine hohe Familienorientierung auf, d.h. sie orientieren sich in ihrer gesamten Lebensplanung sehr stark an ihrer Familie und stehen der zunehmend ökonomischen Ausrichtung unserer Gesellschaft oftmals skeptisch gegenüber.

Großen Einfluss auf die Karenzentscheidung haben erwartungsgemäß die eigenen Kindheitserfahrungen, d.h. das Erleben oder das Fehlen eines engagierten Vaters in der Herkunftsfamilie. So kann der eigene Vater zum Vorbild werden; er kann aber auch die Wirkung eines abschreckenden Beispiels annehmen, dessen vorgelebte Form von Männlichkeit und Vaterschaft keinesfalls wiederholt werden soll.

Auch der Anspruch, eine partnerschaftliche Beziehung zu führen und ein emanzipierter Mann zu sein, beeinflusst die Karenz. So sehen manche Männer diesen Schritt als “Einlösen der Theorie” , indem sie die bisherigen Lippenbekenntnisse in ihrem praktischen Lebensvollzug wirksam werden lassen. In den Partnerschaften existierte zumeist bereits zuvor der Anspruch, sich im Falle einer Familiengründung die Kinderbetreuung und Hausarbeit möglichst gerecht aufzuteilen.

Die Partnerinnen stellen mit ihren Forderungen und Wünschen einen “Motor” der Männerkarenz dar. Einerseits tun sie dies aktiv, indem sie eine derartige Beteiligung der Väter einfordern. Andererseits wollen die Väter ihren Partnerinnen damit auch die Möglichkeit und den Raum schaffen, ihre Berufs- und Lebensgestaltungswünsche zu verwirklichen.

Die Zufriedenheit mit der eigenen Berufssituation spielt ebenfalls häufig eine Rolle bei der Karenzentscheidung. Oft hängt der Wunsch nach einer beruflichen “Auszeit” zur Reflexion und Neuorientierung des Lebensplans mit der Entscheidung zusammen, eine Erwerbsunterbrechung in Form einer Karenz in Anspruch zu nehmen.
 

Soziales Feedback

Reaktionen am Arbeitsplatz

Die Karenz stellt als Arbeitnehmerrecht zunächst eine Angelegenheit zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer dar. Allerdings bedeutet die juristische Festschreibung noch keinen Freibrief für eine (unproblematische) Inanspruchnahme.

Wie ein Unternehmen auf den Wunsch eines Vaters, eine “Familienauszeit” zu nehmen, reagiert, wird unter anderem von folgenden Faktoren beeinflusst:

  • Dem Rechtsstatus des Unternehmens – der Wunsch einer Karenzierung wird in staatlichen Betrieben eher mit Toleranz und Unterstützung behandelt als in der Privatwirtschaft.
  • Der Branche bzw. dem Tätigkeitsfeld des Betriebs – so zeigt sich in Unternehmen, die im Sozialbereich tätig sind, eine weitaus höhere Akzeptanz gegenüber Männerkarenz. Auch die innerbetriebliche Unterstützung und Hilfestellung fällt hier tendenziell höher aus als beispielsweise in der IT-Branche.

Weiters hängen die Unterschiede im Umgang mit (Männer-)Karenz auch damit zusammen, ob in diesen Branchen der Beschäftigtenanteil von Frauen oder von Männern überwiegt. In “weiblichen “Branchen wie beispielsweise dem Sozialbereich werden emanzipatorische Schritte wie die Männerkarenz eher unterstützt als z.B. in der” Männerbastion “Computerbranche. In typischen Frauenberufen sind Karenzfälle üblicher; es existieren meist vielfältige Vorerfahrungen seitens des Arbeitgebers (und der KollegInnen), und das Anliegen einer gerechteren Verteilung der gesellschaftlichen Arbeit zwischen Mann und Frau wird eher unterstützt.

Lehnt der Arbeitgeber den Wunsch einer” Elternzeit “des Mannes ab, wird vorwiegend mit sachlichen Argumenten wie der schwierigen Ersetzbarkeit der Arbeitskraft argumentiert, wobei diese Probleme meist lösbar wären, wenn man es möchte. Hier übersehen Unternehmen häufig die längerfristig positiven Effekte, die eine Elternzeit – auch für ihre Produktivität – mit sich bringen kann (gesteigerte Motivation und Bindung an das Unternehmen, höhere Sozialkompetenz und Effizienz etc.). Dies wäre ein Ansatzpunkt, Unternehmen die Scheu vor Männerkarenz zu nehmen, der sowohl in der Organisationsberatung als auch von Betroffenen aufgenommen werden kann.

Unter den KollegInnen reagieren Frauen meist stärker als Männer. In den meisten Fällen bestärken und ermuntern sie den Vater in seinem Entschluss. Skepsis und Ablehnung zeigen – wenn überhaupt – ältere Kolleginnen, die noch traditionelleren Rollenbildern verhaftet sind. Männliche Kollegen äußern sich grundsätzlich weniger und wenn, thematisieren sie eher organisatorische Probleme rund um Ersatzregelungen als dass sie zu dem Thema selbst wertend Stellung zu beziehen. Tun sie dies doch, dann meist negativ und indirekter als Frauen. Oftmals wird in Form von spöttischen Bemerkungen und Scherzen die Entscheidung des Mannes, sich für eine Zeit der Familien- und Hausarbeit zu widmen, lächerlich gemacht und damit abgewertet.
 

Reaktionen im privaten Umfeld

Im Bekanntenkreis, der im Fall der Väter tendenziell mehr Männer umfasst als Frauen, fallen die Reaktionen auf die Entscheidung zur Karenz vielfältiger aus als in der beruflichen Umgebung. So reicht hier die Palette von Neugier und Zustimmung auch von männlicher Seite über völlige Gleichgültigkeit bis zu Vorwürfen, man würde sich nur vor der Erwerbsarbeit drücken wollen. Auch hier herrscht meist die Annahme vor, Hausarbeit sei mehr als Spaß und Freizeit zu betrachten denn als ernstzunehmende anstrengende Tätigkeit.

Die stärkste Rückmeldung erhalten Väter jedoch in der eigenen Familie und zwar von ihrem Kind bzw. ihren Kindern. Denn durch die erhöhte Zuständigkeit des Vaters für Erziehungs- und Haushaltstätigkeiten steigt unweigerlich die Bindungsqualität zwischen Kind und Vater. Es entsteht ein Vertrauensverhältnis, wie es weder Vater noch Kind vorher gekannt haben. So werten die Väter diesen Effekt als den wichtigsten und wertvollsten Gewinn ihrer Elternzeit.

Die neue familiäre Lebenssituation bewirkt, dass die Väter nun zu einer gleichwertigen Bezugsperson für das Kind werden. Die Anhänglichkeit der Kinder an die Väter steigt; sie lassen sich vom Vater ebenso beruhigen wie von der Mutter, haben keine Probleme, über längere Zeit ohne Mutter zu sein, etc. Sie akzeptieren den Vater also als gleichwertigen Elternteil, werden während dieser Zeit sogar oft zu” Väterkindern “- die ausschließliche Fixierung auf die Mutter schwächt sich ab. Durch das so erlangte familiäre Gleichgewicht dürften diese Kinder ausgeglichener und ruhiger werden, zumindest interpretieren Väter die Verhaltensweisen ihrer Kinder oft auf diese Weise. Von Seiten der Väter entwickelt sich ein ungekanntes Verständnis für ihre Kinder, deren Bedürfnisse und Verhaltensweisen. Sie lernen ihr Kind im Alltag auf eine Art kennen, die ihnen sonst nicht möglich wäre.

Die Auswirkungen der Karenzierung des Vaters bewirken mitunter eine schwierige und neue Situation für die Partnerin und Mutter. Sie muss sich oft erst an diese neue Konstellation gewöhnen, in der sie nicht mehr die alleinige Bezugsperson für das Kind darstellt. Ansonsten sind die Partnerinnen meist froh und erleichtert über den Entschluss ihres Partners.

Die Effekte, die die Karenzierung des Vaters auf das sonstige Familienleben und die Qualität der Partnerschaft hat, sind vielfältig. Sie können von einer Vertiefung und Verbesserung der Beziehung bis zur Verstärkung latent vorhandener Konflikte reichen.
 

Reaktionen in der Öffentlichkeit

Wie reagieren die Menschen auf der Straße, in der U-Bahn, beim Einkaufen, wenn ihnen ein Vater mit einem kleinen Kind begegnet? Es zeigt sich, dass hier in den letzten Jahren Veränderungen stattgefunden haben. Väter mit Kindern sind vor allem abends oder am Wochenende Teil des normalen Stadt- oder Ortsbilds geworden und erregen nur noch wenig Aufmerksamkeit. Hier zeigt sich allerdings die unterschiedliche Wahrnehmung und Bewertung von Vätern, die neben ihrer Arbeit versuchen, viel Zeit mit ihrem Kind zu verbringen, und solchen Männern, die ihre Erwerbsarbeit zugunsten der Familie eine bestimmte Zeit unterbrechen und sich auch untertags um die Hausarbeit kümmern. Väter, die sich zu” untypischen “Zeiten mit ihrem Kind in der Öffentlichkeit bewegen, fallen stärker auf als Abend- oder Wochenendväter.

Auch im öffentlichen Raum sind es vor allem Frauen, die stärkere und emotionalere Reaktionen mitteilen. Auch hier zeigen sich wieder Generationsunterschiede sowie ambivalente Bewertungen, auf die ich später noch genauer eingehen möchte. Ferner zeigen sich regionale Unterschiede: Im ländlichen Raum, wo Karenzväter seltener und damit weniger sichtbar sind, fallen die Reaktionen anders aus. Klassische Vorstellungen von männlichen und weiblichen Zuständigkeiten und Charaktereigenschaften sind hier stärker verwurzelt. Allerdings scheint die geringe Anonymität innerhalb der Ortsgemeinschaft dazu beizutragen, dass die Väter weniger oft mit direkten Reaktionen auf ihren Lebensstil konfrontiert werden.
 

Wohlwollen und Widerstand seitens der Frauen

Wie bereits erwähnt wurde, zeigen überwiegend Frauen deutliche Reaktionen und äußern diese auch direkt:

  • Zum einen teilen vor allem jüngere Frauen den Männern ihre Achtung mit, beglückwünschen sie zu ihrem lobenswerten Verhalten und sehen sie als Vorreiter einer neuen Männlichkeit. Ihre Reaktionen beziehen sich eher auf eine allgemein-gesellschaftspolitische Ebene. Sie scheinen auch eher bereit zu sein, persönliche Opfer oder Nachteile (z.B. am Arbeitsplatz) in Kauf zu nehmen, da es die” übergeordnete Sache “- die Förderung einer gerechten Arbeitsverteilung zwischen Männern und Frauen – zu unterstützen gilt.
  • Ältere Frauen äußern erwartungsgemäß häufiger Skepsis und Ablehnung als jüngere. Sie identifizieren sich stärker mit ihrer weiblichen Identität als Hausfrau und Mutter und vertreten eher traditionelle Geschlechtsvorstellungen.

Grenzverschiebungen im Geschlechterverhältnis haben notwendigerweise immer Auswirkungen auf beide Seiten. So bekommen auch Frauen” Veränderungen der Männlichkeit “zu spüren, und das ist nicht immer nur positiv. Die ältere Generation dürfte davon zwar stärker betroffen sein, jedoch sehen sich auch Jüngere zwiespältigen Emotionen und widersprüchlichen Empfindungen ausgesetzt. Der Versuch der Männer, ihre Zuständigkeiten und Arbeitsbereiche zu erweitern, bringt auf weiblicher Seite Konsequenzen mit sich, die oftmals als Bedrohung und Eindringen in das eigene” Revier” empfunden werden. Auf emotionaler Ebene haben die Frauen mit einem massiven Eingriff in ihre Identität zu kämpfen, auch wenn sie diese Verschiebungen gesamtgesellschaftlich gesehen gutheißen und fordern. Kurzum, wenn Männer Frauen vermehrt Arbeit abnehmen sollen, muss den Frauen dabei zwangsläufig “etwas weggenommen” werden. Es entwickelt sich oft Widerstand von weiblicher Seite, solche angestammten Verantwortungen abzugeben.

Frauen müssen hier die Fähigkeit entwickeln, Männer, die bereit sind, Hausarbeit zu verrichten, diese auch eigenverantwortlich durchführen zu lassen. Ansonsten laufen sie Gefahr, den Männer zu signalisieren: “Eigentlich kannst du diese Arbeit nicht anständig verrichten. Ich kann das besser, lass mich das machen” . Und solche Kritik wird nur zu gern als Aufforderung verstanden, diesen Arbeitsbereich – sei es nun Einkaufen, Abspülen oder Bügeln – guten Gewissens wieder abzugeben.

Die Mutterrolle und die Vorstellung einer naturgegebenen höherwertigen Bindung zwischen Mutter und Kind stellt einen der wichtigsten Eckpfeiler der weiblichen Identität in unserer Kultur dar. Sind nun aber Väter hauptverantwortlich für Haus- und Familienarbeit und verbringen mehr Zeit mit dem Kleinkind, entwickelt sich zwischen ihnen oft eine stärkere Bindung (zumindest für diese Zeit) – die zu beobachten und zu akzeptieren Müttern oft nicht leicht fällt. Diese Dynamik aus Loslassenwollen auf der einen Seite und Festhaltenwollen auf der anderen Seite führt oft zu Verwirrung und Eifersucht. Damit wird einmal mehr deutlich, dass Veränderungen im Geschlechterverhältnis Aktivität und Anpassung von beiden Seiten benötigen, um sich langfristig verfestigen zu können.
 

Erfahrungen und Erkenntnisse der Väter

Eine der interessantesten Aspekte der Karenzerfahrungen der Männer ist ihr verändertes Verständnis für die Intensität und Belastung, die Haus- und Familienarbeit mit sich bringen. Durch die Erwerbsunterbrechung erfahren sie, was es heißt, 24 Stunden am Tag für ein Kind zu sorgen, den Haushalt zu führen, Einkäufe zu erledigen, Arztbesuche zu organisieren – kurz die gesamte häusliche Koordination einer Familie zu übernehmen.

Dass diese Tätigkeiten Arbeit sind, Kraft erfordern und Schwierigkeiten aller Art mit sich bringen, ist gesellschaftlich immer noch nicht völlig anerkannt. Diese Arbeit wird oft als Spaß oder Freizeit klassifiziert, und Menschen, die hauptsächlich mit solchen Tätigkeiten beschäftigt sind, wird vorgeworfen, sie würden nichts tun, faulenzen, sich ein gemütliches Leben ohne Anstrengung und Stress gönnen. Selbst jene Männer, die den Schritt einer Karenzierung verwirklichen und sich bewusst für diese zeitweilige Lebensweise entscheiden, gehen meist mit solchen Annahmen über Hausarbeit in die Karenz. Und das auch dann, wenn sie vorher bereits versucht haben, eine egalitäre und partnerschaftlich-gerechte Aufteilung der Hausarbeit zu leben. Bei Männern, die diese Arbeit bisher kaum verrichtet haben, fällt die Überraschung freilich dementsprechend noch stärker aus.

In ihrer Beschreibung des Arbeitsalltags während der Karenz stimmen die meisten Männer überein. Diese Familien- und Hausarbeit bedeuten enorm viel Anstrengung und Stress; sie werden sogar mitunter belastender eingestuft als Erwerbsarbeit im Rahmen einer Berufsausübung. Das Arbeitsausmaß, das sich aus einem Dasein als Vater und Hausmann ergibt, hat die Männer in den meisten Fällen überrascht – genauso wie die Tatsache, dass einem neben all diesen Tätigkeiten kaum Freizeit bleibt. Denn gerade das Zusammensein mit kleinen Kindern lässt kaum eine längerfristige Planung und Koordination zu. Flexibilität und starke Nerven sind notwendig, um dieses Familienmanagement zu meistern, außerdem ein hohes Maß an Disziplin und Konsequenz. Somit erleben diese Männer die Ausrichtung des gesamten Tagesablaufs auf das Kind als eine neue und durchaus anstrengende Erfahrung.

In der Charakterisierung der Karenzzeit werden der eingeschränkte Aktionsradius sowie die reduzierten Kommunikationsmöglichkeiten als herausragende Veränderungen gewertet. Für die Paarbeziehung der Eltern bleibt meist kaum Zeit. Das Leben wird plötzlich in seiner Ausrichtung von außen nach innen gekehrt, und diese Umstellung wird auf Dauer als sehr unbefriedigend und belastend empfunden. Man hat tagsüber kaum Ansprache, eine wirklich befriedigende Kommunikation mit dem Kind ist noch nicht möglich, und so bringt diese Routine eine Tendenz zur sozialen Isolation mit sich. Die Kontakte zu Freunden und Bekannten verringern sich drastisch bzw. auch die Zusammensetzung des Freundeskreises verändert sich, da sich der Lebensrhythmus mit einem Kind meist nicht mit dem eines kinderlosen Menschen verträgt.

Als eine der wichtigsten Einsichten und Erkenntnisse aus dieser Zeit wird die Einsicht in weibliche Lebenszusammenhänge genannt. Es entsteht beispielsweise ein neues Verständnis für Frauen, die nicht nur Hausfrau und Mutter sein wollen. Die Männer entwickeln zudem Verständnis und Solidarität für die Probleme allein erziehender Elternteile als auch generell für die Belastungen, denen berufstätige Mütter ausgesetzt sind, die sich zusätzlich hauptverantwortlich um Haushalt und Kinder kümmern müssen. Dieser Erkenntnisgewinn wird von den Vätern als besonders auffälliges “Nebenprodukt” ihrer Karenzzeit bewertet. Meist wird zum ersten Mal ein nach innen, auf die Familie und das Privatleben hin ausgerichteter Alltag erlebt, die damit einhergehende sowohl physische als auch vor allem psychische Belastung kennen gelernt und verstanden. Erst der praktische Vollzug lässt hier echtes Verständnis entstehen.

Die Väter erlernen zudem Fähigkeiten und Fertigkeiten im Haushalt. Sie bemerken, dass auch sie diese Arbeit verrichten können, und erweitern dadurch das Wissen um ihre Fähigkeiten und Möglichkeiten. Ihre Ansichten über Haus- und Familienarbeit ändern sich drastisch, und die neue Selbsterfahrung bringt oftmals den Vorsatz mit sich, Männer, die diese Erfahrungen noch nicht gemacht haben, aufzuklären und ihnen eine Karenzierung als horizonterweiternde Erfahrung zu empfehlen.
 

Veränderungen im Männlichkeitsbild

Es zeigt sich, dass sowohl in den Erfahrungen der Männer selbst als auch in den Reaktionen des Umfelds vor allem die Hausarbeit jener Teil ist, der “nicht so ganz ins Bild passt” und daher vorrangig thematisiert wird. Die Abwertung bisher vorwiegend weiblicher Arbeit gehört (leider) zum Standardrepertoire unserer Geschlechtsvorstellungen. Männer seien dafür nicht zuständig, heißt es, sie könnten diese Arbeiten nicht richtig und ordentlich verrichten etc. Der Mann habe als Familienoberhaupt für die Erwerbsarbeit und damit für den primären Lebensunterhalt in Form von Einkommen zu sorgen; die Frau habe hingegen die Obsorge für Haushalt sowie Kinderversorgung und -erziehung.

Mit dieser Differenzierung geht eine kulturelle Bewertung und Hierarchisierung einher, in der Erwerbsarbeit im wahrsten Sinne des Wortes “belohnt” und Hausarbeit unbezahlt verrichtet wird. In der unterschiedlichen gesellschaftlichen Wertschätzung dieser Arbeitsbereiche gilt Erwerbsarbeit als wichtige, anstrengende und lohnende Arbeit, die mit Prestige und gesellschaftlichem Aufstieg verbunden ist, während Haus- und Familienarbeit kaum als Arbeit im Sinne einer anstrengenden und gesellschaftlich höchst notwendigen Tätigkeit wahrgenommen wird.

So wird deutlich, dass sich die Verantwortung von Vätern für Kinderbetreuung und -erziehung bereits stärker in ein breit anerkanntes Männlichkeitsbild eingefügt hat als die Verantwortung für Hausarbeit. Sich als Vater soweit als möglich um seine Kinder zu kümmern und seine Verantwortung als Elternteil wahrzunehmen, ist mittlerweile zur Norm geworden. Man verbringt abends und an den Wochenenden Zeit mit seinen Kindern, versucht, ein vertrauensvolles Verhältnis aufzubauen, und bemüht sich, ein vorhandener und verfügbarer Vater zu sein. Das heißt:

  • Eine aktive Vaterrolle ist mittlerweile in das Männlichkeitsbild integriert worden; sie hat sich als akzeptierte und sogar normativ geforderte Verhaltensweise flächendeckend durchgesetzt.
  • Der Schritt, als Vater zumindest eine Zeit lang ausschließlich Hausmann sein zu wollen, ist hingegen noch nichts Selbstverständliches und bedarf weiterhin Erklärungen und Rechtfertigungen.

Vater und Partner in einer neugegründeten Familie zu sein, verschafft einem Mann nicht automatisch die Legitimation, den Beruf für eine Zeit hinter die Familie stellen zu dürfen. Es braucht immer noch zusätzliche Erklärungen in der Art von: “Er hat ja Kinder immer schon so gern gemocht” oder “Er war immer schon ein bisschen anders als andere Männer” . Das zeigt einmal mehr, dass Männerkarenz auch heute noch etwas Erklärungsbedürftiges, weil kulturell Ungewohntes darstellt.

Die Veränderung des Männlichkeitsbilds in den letzten Jahrzehnten scheint also die Zuständigkeit für die Beschaffung des Familienunterhalts nicht beeinträchtigt zu haben. Kurz und gut: Dass sich Männer intensiv um ihre Kinder kümmern, ist kein Grund für sozialen Widerstand mehr. Dass sich ein Mann (vielleicht sogar ohne Kind) hauptsächlich um den Haushalt kümmert und diese Form der Arbeit über die Erwerbsarbeit stellt, jedoch sehr wohl.

Es lässt sich also die These formulieren, dass aktive und engagierte Teilnahme eines Mannes an der Kinderbetreuung (Vater-Kind-Achse) bereits in die Charakterisierung von Männlichkeit aufgenommen wurde, eine Zuständigkeit für häusliche Belange und Hausarbeit (Mann-Frau-Achse) jedoch noch nicht. Die vorherrschende Definition von Männlichkeit hat sich zwar mittlerweile um den Aspekt der engagierten Vaterschaft erweitert – dass Männer jedoch freiwillig Erwerbsarbeit (zeitweise) hinter ihre Familie stellen und die Hauptverantwortung für Haus- und Familienarbeit übernehmen, ist noch immer nicht sozial anerkannt. Karenzväter sind maßgeblich daran beteiligt, dies zu ändern.
 

Literatur

  • Gräfinger, Elisabeth: Die Welt von innen – Männer in Karenz. Wien 2001 (Diplomarbeit)
     

Autorin

Mag. Elisabeth Gräfinger studierte Soziologie und Pädagogik an der Human- und Sozialwissenschaftlichen Fakultät der Universität Wien, arbeitete als freiberufliche Sozialforscherin mit Schwerpunkt Familien- und Geschlechterforschung und ist derzeit als Trainerin in der Erwachsenenbildung tätig.
 

Kontakt

Mag. Elisabeth Gräfinger
Friedhofstraße 1c/5
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Erstellt am 6. Februar 2003, zuletzt geändert am 23. März 2010