Väter in Elternzeit – ein lebensweltorientiertes Bildungskonzept

Prof. Dr. Jack Weber, Jan Wulf-Schnabel (Master of Art, Diplom Sozialwirt),
Andrea Kawall (Master of Art, Diplom Sozialwirtin), Yvonne Rehmann (Diplom Sozialpädagogin)
Ein Kooperationsprojekt von: DGB Region KERN, Haus der Familie Kiel, Fachhochschule Kiel

Die Anzahl von Vätern in Elternzeit nimmt seit Einführung des Elterngeldes deutlich zu. Was von den Vätern in dem Glauben angetreten wird, es handle sich um eine Erholungs- oder Selbstverwirklichungszeit, entpuppt sich nicht selten als anstrengende Familienarbeit, die erst einmal erlernt werden muss. Dabei erleben Väter eine Alltagssituation, in der Zeit ein knappes Gut ist und in der sie mit widersprüchlichen Männlichkeitsanforderungen konfrontiert werden. Einerseits wird die aktive Vaterschaft begrüßt, aber anderseits wirken tradierte Vorstellungen vom männlichen Ernährerideal nach. Dazwischen konstruieren Väter in Elternzeit ihr eigenes Selbstbild, wobei sie inaktive Väter ablehnen und sich von Müttern abgrenzen. Sie fühlen sich gegenüber dem Kind als ‚anders kompetent’, verstehen ihre Vaterrolle als ‚Lehrer’ und ‚Spielgefährte’ und schreiben sich einen pragmatischen Erziehungsstil zu. Die aktive Elternzeit sehen Väter für das Kind positiv und für sich selbst entwickeln sie Fähigkeiten, die über den Kontext von Familie und Partnerschaft hinaus Bedeutung haben.

Gegenüber den Familienbildungsstätten positionieren sich Väter in Elternzeit distanziert, weil sie deren Angebote als defizitorientierte Hilfeleistungen verstehen, die sie nicht benötigen, und weil die weibliche Konnotation der Einrichtungen als geschlechtliche Trennlinie wahrgenommen wird. Anderseits werden klare Bildungsbedarfe und Wünsche deutlich.

Auf Grundlage dieser Erkenntnisse wurde ein Bildungskonzept entwickelt, das die Lebenswelten und die Lebenslagen von Vätern in den Focus nimmt. Daran orientiert wurden Bildungsgrundsätze und Bildungsziele formuliert, aus denen konkrete Bildungsangebote abgeleitet wurden. Weil herausgearbeitet werden konnte, dass Bildungsangebote allein nicht ausreichend sind, wurden zudem einrichtungsbezogene Maßnahmen und strukturelle Anforderungen für die Väterbildung an Familienbildungsstätten formuliert. Abgerundet wird das Konzept durch Marketingmaßnahmen und durch die Bereitstellung von Methoden und Indikatoren der Erfolgsmessung.

Inhalt

1. Einleitung und Zielsetzung

2. Vorgehen und Grundsätze

3. Befragung von Vätern

3.1 Eckdaten

3.2 Ausgewählte Ergebnisse

4. Bildungskonzept für Väter in Elternzeit

4.1 Lebensweltorientierung der Familienbildung für Väter

4.2 Lebensweltorientiertes Bildungsverständnis, offene Bildungsziele und –angebote

4.3 Einrichtungsbezogene Maßnahmen

4.4 Marketing

4.5 Evaluation der Angebote


1. Einleitung und Zielsetzung

In der Vergangenheit wurde die Vaterrolle vornehmlich durch den Status des Familienernährers bestimmt. In familiären Betrachtungen wurde dem Vater eine geringere Bedeutung als der Mutter zugeschrieben. Der Vater wurde von anderen, aber auch durch sich selbst auf bestimmte männliche Ergänzungshandlungen im Familienalltag reduziert. Diese Auffassungen von Väterlichkeit geraten seit Jahren ins Wanken. Väter sollen und wollen nicht mehr rein traditionellen Männlichkeitsidealen entsprechen. Was Vaterschaft und Männlichkeit heute bedeutet, bleibt dabei diffus und dies sorgt für Verunsicherung. Klar ist allerdings, dass die Lebenslagen und Lebenswünsche von Vätern relevanter werden.

Vor dem Hintergrund gesetzlicher Neuregelungen wird eine Zunahme aktiver Vaterschaft konstatiert. Während vor dem Jahr 2007 nur 3,5 Prozent der Väter eine Auszeit für die Familie nahmen, waren es ein Jahr nach Einführung des Elterngeldes bereits rund 10 Prozent und für das Jahr 2009 werden 20 Prozent erwartet. Bei aller positiver Einschätzung dieser Entwicklung sollte bedacht werden, dass damit immer mehr Väter im Alltag mit dem Kind allein sind und sie diese Rolle bislang nicht vorgelebt bekamen.

Hier setzt dieses Forschungspraxisprojekt an. Um den Alltag von Vätern besser zu verstehen, wurden die Lebenslagen von Vätern in Elternzeit erforscht und deren Bedarfe in ein Bildungskonzept überführt. Ziel ist es, die Familienbildung stärker für Väter zu öffnen und für diese attraktiver zu machen, denn aktive Vaterschaft ist auf Orientierung, Anregung und manchmal auch auf Unterstützung angewiesen.

2. Vorgehen und Grundsätze

Mit dem Ansatz eines Forschungspraxisprojektes startete Anfang 2008 eine Kooperation der Fachhochschule Kiel, dem Haus der Familie Kiel und dem Deutschen Gewerkschaftsbund (DGB) in der Region KERN. Nach Klärung der jeweiligen Ausgangslagen und Erwartungen, wurde eine gemeinsame Projektarchitektur erarbeitet und das Projekt wurde an der Fachhochschule Kiel angesiedelt. Unter der Leitung von Prof. Dr. Jack Weber wurden zwei wissenschaftliche Mitarbeiterinnen tätig, deren Arbeit von einem Beirat kritisch begleitet wurde. Zudem gelang es, dass Projekt mit dem neuen Studiengang ‚Erziehung und Bildung im Kindesalter’ der FH Kiel zu verbinden, so dass auch Studierende aktiv in die Forschung einbezogen werden konnten.

Zunächst wurden die Bereiche Männlichkeit, Vaterschaft und lebensweltorientierte Bildung theoretisch vernetzt. Um die lebenslagen- und lebensweltbezogenen Bedarfe von Vätern in Elternzeit zu eruieren, wurden diese mittels Interviews erhoben. Zugleich wurde die Angebotssituation und Einrichtungskultur der Familienbildungsstätte, dem Haus der Familie Kiel, analysiert. Es wurde bewusst ein qualitativer Forschungsansatz gewählt, um offen für die subjektiven Erlebnisse und Bewertungen im Alltag der Lebenswelten zu sein – wenngleich damit (auch aufgrund der geringen Fallzahl) keine tragfähige Verallgemeinerung auf die Grundgesamtheit aller Väter oder die Einrichtungen der Familienbildung in Deutschland zulässig ist.

Nachdem beide Untersuchungsstränge erfolgreich absolviert waren, wurden die Forschungserkenntnisse in ein Bildungskonzept überführt. Neben bildungsbezogenen Elementen wurden auch einrichtungsbezogene Maßnahmen entwickelt. Mittels weiterer Bausteine (Marketing und Evaluation) ist das Konzept sowohl für die wissenschaftliche Forschung als auch für die Einrichtungsentwicklung als dauerhaftes Projekt von Wissenschaft und Praxis angelegt.

3. Befragung von Vätern

Um die alltäglichen Lebenslagen und die Lebenswelten von Vätern in Elternzeit zu erheben, wurden mit der qualitativen Methode des leitfadengestützten, problemzentrierten Interviews Gespräche mit sechs Vätern geführt, die im Anschluss tiefenhermeneutisch ausgewertet wurden. Die Interviews fanden unter Einbindung einer Gruppe Studierender des Studiengangs ‚Erziehung und Bildung im Kindesalter’ der Fachhochschule Kiel statt, um ihnen Elemente empirischer Sozialforschung unmittelbar zu vermitteln.

3.1 Eckdaten

Die befragten Väter lassen sich durch folgende Eckdaten charakterisieren:

  • Verhältnismäßig hohes Lebensalter (36-46 Jahre).
  • Zur Hälfte mit einem Kind, zur anderen Hälfte mit zwei Kindern.
  • Alle Väter leben in ehelicher Partnerschaft. Die Partnerinnen übernahmen die erste Elternzeit und arbeiten nun fast alle in Vollzeit.
  • Geringe bis mittlere Einkommenssituation.
  • Zur Hälfte akademisch gebildet, zur anderen Hälfte berufliche Bildung.
  • Zur Hälfte gewerkschaftlich organisiert.
  • Alle Befragten sind selbst mit Geschwistern aufgewachsen, z.T. in kinderreichen Familien.
  • Urbaner Lebensstil, familiäre Netzwerke überwiegend nicht oder nur bedingt vorhanden.

3.2 Ausgewählte Ergebnisse

Übergang Beruf – Familie: Vormals waren die befragten Männer im Beruf zum Teil zeitlich stark eingespannt, andere befanden sich in einer beruflichen Wechselsituation. Meist wurden kumulierende Ursachen für das ‚besondere Arrangement’ einer partnerschaftlichen Teilung der Elternzeit angegeben, aber in auffälliger Weise spielte dabei die finanzielle Situationen eine maßgebliche Rolle. Insgesamt lag der Entscheidung eine Kombination von sozialen Risiken (Arbeitsbelastung/ -verdichtung, Kündigung, Berufsunfähigkeit), gleichberechtigten Paaridealen und einer hohen Familienorientierung der Männer zugrunde. Letzteres kommt immer wieder dadurch zum Ausdruck, dass sich die Väter eine bessere Vereinbarung von Familie und Beruf wünschen. Sie formulieren das starke Bedürfnis, die eigenen Kinder aufwachsen sehen zu wollen.

Die Elternzeit wurde in dem Glauben angetreten, es handele sich bei der Auszeit eher um eine Erholungs- oder Selbstverwirklichungszeit. Tatsächlich erlebten die Väter den Übergang vom Beruf in die Elternzeit als Umbruch, auf den sie so nicht eingestellt waren. Zunächst mussten sie ihre Vorstellung von Elternzeit revidieren und Familienarbeit erst einmal lernen. Dies verlief nicht immer unproblematisch.

Alltag in der Elternzeit: Den Alltag in Elternzeit erleben die Väter als Leben in Zeitknappheit. Je jünger das zu betreuende Kind ist, desto eher beschreiben die Väter Probleme mit der Zeiteinteilung und anstrengende Alltagssituationen. Die Situationen zu Hause werden zum Teil als nicht planbar und das ‚Kind als Chef’ beschrieben. Väter von Kindern ab dem 3. Lebensjahr sind dann eher in der Lage, Zeitinseln für sich heraus zu wirtschaften. Zeit für die eigene Freizeit, für Fortbildung oder für die Partnerschaft wird als knappes Gut beschrieben. Dabei wird der Umgang mit Ressourcen in der Partnerschaft als ausgeglichen empfunden. Die Partnerin steigt nach ihrer Erwerbsarbeitszeit in die Betreuung des Kleinkindes mit ein, so dass die Familie gemeinsame Zeit verbringt oder getrennte Zeit verbracht werden kann.

Auf Entlastungen durch die Herkunftsfamilien können die Väter nur bedingt zurückgreifen. Der überwiegende Teil der Befragten lebt räumlich zu weit von der eigenen Herkunftsfamilie oder der der Partnerin entfernt. Auch auf soziale Netzwerke im Freundeskreis oder in der Nachbarschaft wird nicht zurückgegriffen.

Erziehung und Vaterschaft: Väter erleben ihre Elternzeit im Spannungsfeld unterschiedlicher Erwartungen. Einerseits wird von Vätern eine aktivere Rolle verlangt und die Entscheidung für Elternzeit wurde von Arbeitgebern, Freunden und Verwandten überwiegend begrüßt. Anderseits wirken tradierte Vorstellungen vom Ernährerideal nach, besonders wenn der Rollentausch von Frau und Mann längerfristig vollzogen wird. Dazwischen konstruieren Väter ihr eigenes Selbstbild, mit dem sie sich auch von inaktiven Vätern und von Müttern abgrenzen.

Unverständnis herrscht gegenüber Männern, die ihren Frauen die Sorgearbeit überlassen. Sie vertreten die Meinung, dass Vätern ihren Kindern zu persönlicher Zuwendung und Betreuung verpflichtet sind. Frauen wird mit Naturalisierungen bei der Familienarbeit begegnet, die teilweise parallel zu alltäglichen Problemstellungen von Vätern verlaufen. So werden die Hausarbeit und die Versorgung von Säuglingen als naturgemäß besser für Frauen geeignet beschrieben und Erziehungsstile von Müttern und Vätern würden nicht erlernt, sondern seien vorgegeben. Gerade bei der alltäglichen Haus- und Pflegearbeit traten bei einigen Männern die größten Probleme auf. In der eigenen Erzieherrolle verstehen sich Väter oft als ‚Lehrer’ und als ‚Spielgefährten’. Den eigenen Erziehungsstil bezeichnen Väter als unkompliziert und pragmatisch, den von Müttern eher be- statt umsorgend. Die befragten Väter nehmen also Rekurs auf bestimmte Zuständigkeiten von Frauen und Männern, aus der eine tendenzielle Abgrenzung und Aufwertung der eigenen Vaterschaft folgt.

Insgesamt bewerten Väter ihre Erfahrungen als Gewinn für das Kind und für sich selbst. Sie fühlen sich erzieherisch anders kompetent als Mütter. Darüber hinaus erwerben sie Sozialkompetenzen, deren Bedeutung weit über den Kontext von Familie und Partnerschaft hinaus reicht.

Familienbildung: Gegenüber Einrichtungen der Familienbildung bestehen bei den befragten Vätern unterschiedliche Barrieren. Einerseits wurde formuliert, dass kein ausgeprägtes Bedürfnis existiert, sich mit anderen Vätern zusammen zu schließen und auszutauschen. Anderseits sind die Aktivitäten, die Väter mit ihrem Kind unternehmen, vielfältig und es bestehen vielmehr grundsätzliche Bedenken, den Einrichtungen und ihren Angeboten näher zu treten. Mit Familienbildungseinrichtungen verbinden viele Befragten einen defizitären Charakter und Hilfen im Haushalt. Ein Vater bringt diese Ansicht wie folgt auf den Punkt: „Und da ich bisher noch nicht der Meinung war, die Hilfe nötig zu haben, hatte ich sie bisher auch noch nicht in Anspruch genommen.“ Ein anderer Vater geht nach eigenen Angaben ganz selbstbewusst in einen weiblich dominierten Kurs, doch scheint die Partnerin zentralen Einfluss auf die Kursauswahl genommen zu haben. Insgesamt erscheinen Einrichtungen der Familienbildung als stark weiblich konnotiert.

Bei näherer Betrachtung sind eine Reihe von Wünschen und Bildungsbedarfen identifizierbar, die entsprechend der Selbstdefinition von Vätern einen hohen Aktivitätsgrad oder einen klar ersichtlichen Nutzen bzw. Wert für das Kind haben müssen. Darüber hinaus sind Bedarfe zur Bewältigung von Alltagssituationen (Zeit, Organisation, Haushalt) erkennbar, die jedoch keinen defizitären Eindruck vermitteln dürfen.

4. Bildungskonzept für Väter in Elternzeit

Lebensweltorientierte Väterbildung baut auf zwei Säulen auf. Die eine ist das Konzept der Lebensweltorientierten Sozialarbeit, die andere basiert auf der Frage, was Bildung für bzw. von Vätern sein kann und was sie leisten soll.

4.1 Lebensweltorientierung der Familienbildung für Väter

Lebensweltorientierung bedeutet, sich auf die gegebenen Struktur-, Verständnis- und Handlungsmuster von Vätern einzulassen. Dabei ist zu berücksichtigen, wie, wo und mit wem Väter leben, und welche Lebensverhältnisse ihre alltägliche Situation prägen. Letztendlich zielt Lebensweltorientierung immer auf die Befähigung, spezifische Probleme, Fragestellungen und Herausforderungen selbstständig zu lösen.

Einrichtungen der Familienbildung, die das Ziel verfolgen, Väter als Zielgruppe besser anzusprechen, spezifische Angebote der Väterbildung zu entwickeln und verstärkt in das Repertoire aufzunehmen wollen, müssen sich mit ihrer sozialen und kulturellen Einrichtungsstruktur befassen. In der Geschichte der Familienbildung waren Väter eher Randfiguren, da sich die Bildungsstätten vorrangig an Mütter und ihre Kinder richteten, denen sie auch Schutzräume vor patriarchalen Gesellschaftsstrukturen boten.

Auf Väter wirkt die weibliche Konnotation als geschlechtliche Trennlinie. Bei einem lebensweltlich ausgerichteten Bildungsangebot für Väter sollten diese Sicht- und Denkweisen bedacht werden. Dabei darf jedoch nicht das Missverständnis entstehen, dass Mutter- und Vaterschaft sich grundsätzlich gegenüber stehen. Ob in Partnerschaft oder alleinerziehend sind sie auf ihre Weise wichtig für die Entwicklung des Kindes. Im Kontext des sich insgesamt wandelnden Familienverständnisses ist eine breitere gesellschaftliche Öffnung für unterschiedliche Familienformen und eine differenziertere Ansprache für verschiedene Familienmitglieder sinnvoll.

Lebensweltorientierte Väterbildung braucht einen eigenen Ansatz. Bekannte Themen der Elternbildung, die sich vorrangig an Frauen richten, sind nicht eins zu eins auf Väter übertragbar. Väterbildung braucht einen geschlechtersensiblen Blick, der Raum lässt für die individuellen Formen von Männlichkeit und nicht versucht, für Vaterschaft ein von außen definiertes Bild zu erzeugen.

4.2 Lebensweltorientiertes Bildungsverständnis, offene Bildungsziele und –angebote

Lebensweltorientierte Väterbildung setzt eine bestimmte professionelle Haltung derer voraus, die Bildungsangebote konzipieren, konkret planen und durchführen. Eine an der Lebenswelt von Vätern in Elternzeit orientierte Grundhaltung einzunehmen und in der Arbeit mit ihnen umzusetzen, umfasst die folgenden Aspekte:

  • Unter Väterbildung wird der fortwährende Prozess verstanden, in dem sich Väter mit der Welt auseinandersetzen und sie sich aneignen. Bildung dient in erster Linie dem, der sich bildet. Bildungsarbeit leistet primär auch immer der, der sich bildet, denn Bildung findet in Koproduktion zwischen Vätern als Teilnehmenden und Kursleitenden statt. In diesem Sinne wird Väterbildung als Selbstbildung verstanden.
  • Väterbildung findet immer im Rahmen der männlichen (Lebens-)Erfahrungen statt. Diese sind eng verknüpft mit der eigenen, geschlechtsspezifischen Sozialisation, den eigenen Ressourcen und Grenzen sowie mit dem sozialen, dinglichen, räumlichen und materiellen Umfeld.
  • Die Lebenswelten von Vätern weisen an bestimmten Stellen Übereinstimmungen und Gegensätze unter Vätern und gegenüber Müttern auf. Damit sind Lebenswelten unterschiedlich kollektiv und individuell zugleich. Lebensweltorientierte Väterbildung bedeutet daher nicht, dass Mütter und Väter in Konkurrenz zueinander stehen und separiert werden müssen. Für die Entwicklung des Kindes haben mütterliche und väterliche Ressourcen ihre jeweiligen Bedeutung und Potentiale, ob in bisherigen oder neuen Partnerschaften oder auch alleinerziehend.
  • Jede Lebenswelt jedes Bildungsteilnehmers bietet Ressourcen. Von der Mitgestaltung der Angebote durch die Teilnehmer bis zur Bildungsrealisierung ist Partizipation ein zentrales Element der Bildungsarbeit mit Vätern.

Im Ergebnis befähigen sich Väter durch professionelle Anregung und Unterstützung dazu, alltägliche und besondere Aufgaben des Lebens besser zu bewältigen, zu gestalten und eigene Wege zu gehen. Die entwickelten Bildungsangebote greifen daher folgende Punkte auf:

  • Väter reflektieren die Bedeutung und lernen den Gehalt aktiver Vaterschaft besser kennen.
  • Väter erleben sich selbst und ihr Kind aktiv in einer wechselseitigen Beziehung und ohne Konkurrenz zur Mutter, so dass jede/r seine Anteile einbringen kann. Väter können ihre eigene Rolle im Familienzusammenhang finden.
  • Väter nehmen bewusst wahr, was ihre Kinder können und wissen die Lern- und Entwicklungsfortschritte des Kindes zu würdigen.
  • Väter lernen, ihren Alltag zeitlich und strukturell so zu organisieren, dass genügend Zeit mit dem Kind, aber auch für den Vater selbst bleibt. Sie entdecken an sich und im Alltag Ressourcen.

Die im Rahmen des Forschungsprojektes entworfenen konkreten Bildungsangebote setzen diese Punkte, angepasst an die jeweiligen Bildungsinhalte, um. (Aus Platzgründen und aufgrund der Aktualität des Bildungsangebotes sind diese nicht Teil der Kurzkonzeptausführungen.)

4.3 Einrichtungsbezogene Maßnahmen

Während der Erarbeitung der vorliegenden Konzeption wurde deutlich, dass es nicht allein ausreichend ist, neue Bildungsangebote zu entwickeln. Es sind darüber hinaus grundsätzliche Maßnahmen erforderlich, die über den Zusammenhang der Kursangebote hinausgehen und die auf der Einrichtungsebene vollzogen werden müssen. Anforderungen an die Familienbildungsstätten für eine lebensweltorientierte Väterbildung sind u.a. folgende Aspekte:

  • Offensive Bereitschaft zur Veränderung der gewachsenen Strukturen der Familienbildung. Väterfreundlichkeit muss sichtbar und erlebbar sein.
  • Einwirken auf die politischen und sozialen Rahmenbedingungen für eine verbesserte Ressourcenausstattung der Väterbildung. Hierfür sind Kooperationen erforderlich.
  • Weiterte Erfassung und Einbindung der Bildungsbedarfe von Männern und Vätern durch wissenschaftliche Begleitforschung.
  • Entwicklung und Umsetzung von männer- und väterspezifischen Angeboten, die ggf. eine neue Didaktik/ Methodik benötigen sowie Ausbildung und stärkere Einbindung männlicher Kursleiter. Dafür ist ein hauptamtlicher, fester Ansprechpartner an der Familienbildungsstätte erforderlich.
  • Stärkere Vernetzung der Bildungsangebote mit den Sphären von Arbeit und Leben, von Familie und Beruf durch die Zusammenarbeit mit Unternehmen, Wirtschaftsverbänden und Gewerkschaften.

Diese Maßnahmen bedeuten eine neue gesellschaftliche Öffnung der Bildungsstätten, die durch Marketingmaßnahmen flankiert werden sollte.

4.4 Marketing

Die Marketingarbeit sollte unter Einbindung der Einrichtungsentwicklung unter zwei Zeitperspektiven erfolgen. Zum einen sind eher kurzfristige Maßnahmen der Öffentlichkeitsarbeit mit dem vorrangigen Ziel der Erhöhung des Bekanntheitsgrades des Bildungsangebotes für Väter notwendig. Im Rahmen dieses Bildungskonzeptes wurden hierfür Flyer, Pressemitteilungen, Verteiler und andere Bausteine der Öffentlichkeitsarbeit entworfen, die auf eine verstärkte Zusammenarbeit mit Unternehmen, Wirtschaftsverbänden und Gewerkschaften zielen und so neue Wege der Verbreitung und Werbung erschließen.

Mittel- bis langfristige Maßnahmen sollten die externe Ausrichtung und Profilierung der Familienbildungsstätte in den Focus nehmen. Damit ist die Analyse, Planung, Umsetzung, Verbreitung und Kontrolle der Bildungsangebote hinsichtlich der gegenwärtigen und zukünftigen Zielgruppen gemeint. Da spezifische Marketinginstrumentarien für Familienbildungsstätten bzw. für eine geschlechtersensible, lebensweltorientierte Bildung bislang nicht erzeugt wurden, empfiehlt sich hierzu eine wissenschaftlich begleitete Praxisentwicklung.

4.5 Evaluation der Angebote

Um ein Konzept der Väterbildung nachhaltig in der Familienbildungsstätte zu implementieren und den Erfolg der Maßnahmen zu messen, ist eine zielorientierte Evaluation notwendig. Ziel der Überprüfung ist es, festzustellen, ob die für die Zielgruppe festgesetzten Ziele erreicht wurden. Hierfür wurden Indikatoren und Methoden entwickelt, die der Familienbildungsstätte im Rahmen der Konzeptumsetzung zur Verfügung stehen.

Weitere Informationen und Möglichkeiten zur Kooperation unter www.vaeterprojekt.de

Erstellt am 23. Januar 2009, zuletzt geändert am 15. April 2010