Alltag mit Zwillingen: Neuorganisation der Familie
Sigrun Rux
Da liegen sie nun und jeder bewundert sie. “Was gibt es Schöneres als zwei acht-Wochen-alte Babys aneinandergekuschelt schlummern zu sehen, da vergisst man so manche Nacht, wo man selbst nicht zum schlafen gekommen ist” , berichtet eine Zwillingsmutter aus Wien. Es ist eine wunderbare, sehr interessante Erfahrung Zwillinge – egal ob eineiig oder zweieiig – nebeneinander aufwachsen zu sehen, ihre im Kleinkindalter oft schon stark ausgeprägte Beziehung zueinander zu beobachten und die Besonderheiten im Zwillingsalltag tagtäglich zu erleben.
Der Zwillingsalltag bringt aber nicht nur “doppeltes Glück” : perfekte Organisation und ein starkes Nervenkostüm sind auf jeden Fall erforderlich. Doch mit der Routine, die sich auch im Zwillingsalltag irgendwann einmal einstellt, lernen selbst die unerfahrensten Zwillingsmütter bald auch dieses besondere Glück zu genießen. In erster Linie sollten Sie trotz Zeitmangel und eventueller Verständnislosigkeit durch die Umwelt darauf achten, dass auch Sie nicht zu kurz kommen.
Beinahe alle Zwillingseltern berichten von schwierigen Erfahrungen, solange die Babys im Säuglingsalter sind. Zuwenig Schlaf, Überbelastung der Mutter durch Babypflege, Haushalt, eventuell noch die Betreuung eines oder mehrer Geschwisterkinder sind ein gefährlicher Nährboden für partnerschaftliche Konflikte. Wenn sich beide Elternteile von vornherein darauf einstellen, dass die ersten Wochen und Monate eine große Umstellung erfordern, ist schon eine wichtige Basis für ein harmonisches Zusammenleben geschaffen. Trotz aller Strapazen sollte man nicht tatenlos zusehen, wie die Beziehung zum Partner schlechter und schlechter wird. Organisieren Sie zeitweise einen Babysitter und gönnen Sie sich hin und wieder einen Abend zu zweit. Trotz der Überbelastung, der Zwillingsmütter ausgesetzt sind, sollten sie aber auch daran denken, dass der Partner ebenfalls manchmal Ansprache braucht. Ein “Hallo Schatz, wie war Dein Tag” schafft eine entspanntere Atmosphäre, als wenn Sie ihm gleich ein schreiendes Baby in den Arm drücken, sobald er nach Hause kommt.
Ich erinnere mich noch gut, wie sehr ich im ersten Jahr unter der Isolation aber auch unter der Verständnislosigkeit der anderen gelitten habe. Keine der Mütter hat wirklich verstanden, was es bedeutet, zwei kleine Babys im Winter “einzupacken” und dazu noch ein drittes Kind für den Kindergarten “starklar” zu machen. Was für ein Stress entsteht, wenn auf einmal beide vor Hunger brüllen und nicht beide Fläschchen fertig sind. Die beste Möglichkeit, selbst ruhig zu bleiben ist, so viel wie möglich vorzubereiten. Milchfertignahrung lässt sich zum Beispiel auch gut im Kühlschrank einige Stunden aufbewahren. Und wenn Sie wissen, dass Sie in der Früh einen Termin haben, ziehen Sie den Kindern die Strampelanzüge schon am Vorabend an – das erspart viel Zeit und unnötigen Stress.
Eifersucht älterer Geschwister
Wie Sie als Eltern braucht auch Ihr älteres Kind etwas Zeit, sich an die neue, große Familie zu gewöhnen. Manche Kinder reagieren auf den doppelten Familienzuwachs mit Trotzreaktionen wie etwa “Wieder-in-die-Hose-Machen” . Unsere damals dreijährige Tochter kam fast zwei Jahre lang in der Nacht zu uns ins Bett, obwohl sie das bis zur Geburt der Zwillinge nie getan hatte.
Eifersüchtige Geschwister stellen auch gerade dann etwas “völlig Unmögliches” an, wenn sie wissen, dass man es am allerwenigstens jetzt brauchen kann. Trotzdem: Bestrafen Sie Eifersucht niemals, denn Ihr Kind will damit nur zum Ausdruck bringen, dass es Angst hat, Sie zu verlieren. “Meine Tochter war erst 15 Monate, als die Zwillinge geboren wurden” , erzählt Andrea aus München, “ich hatte natürlich kaum noch Zeit für sie, und ihre Reaktion war, die Babys grob zu attackieren. Da habe ich ihr vorgeschlagen, sie soll die Mama hauen, wenn sie unbedingt Dampf ablassen muss, und das hat dann nach einiger Zeit auch wirklich geholfen.”
Wenn Ihr “Einling” noch nicht in den Kindergarten geht, überlegen Sie sich die Möglichkeit einer Spielgruppe oder einer Tagesmutter zumindest zweimal in der Woche. Natürlich darf sich das Kind dabei nicht abgeschoben fühlen, sondern muss auf die Vorteile dieser Exklusivbeschäftigung aufmerksam gemacht werden. Wenn es gelingt, schon vor der Geburt der Zwillinge, das ältere Kind an andere Bezugspersonen zu gewöhnen, wird es weniger häufig zu Problemen kommen, wenn die Zwillinge einmal geboren sind. Die Mühe der ersten Jahre macht sich jedoch später bezahlt: Wenn Zwillinge ins Alter der Rollenspiele kommen, ist immer ein Kunde für den “Kaufmannsladen” oder ein “Patient” , der “verarztet” werden muss, zur Stelle, und dann können sich Zwillingsmütter auch einmal entspannt zurücklehnen – vielleicht sogar öfter als Mütter mit “Einzelkindern” .
Mehr Informationen zum Thema Zwillinge hier.
Literatur
- Bryan, E.: Zwillinge, Drillinge und noch mehr, Verlag Huber, Göttingen 1994.
- Veith, P.: Jedes Kind braucht seinen Platz – Geschwister in der Familie, Herder Verlag, Freiburg 2000.
Weitere Beiträge der Autorin hier in unserem Familienhandbuch
- Was Sie über Zwillinge wissen sollten
- Sind Entwicklungsverzögerungen bei Zwillingen häufiger?
- Muss man Zwillinge anders erziehen?
- Schwangerschaft und Geburt im Doppelpack: was ist anders?
Autorin
Sigrun Rux, Journalistin, Fachgebiete: Medizin und Psychologie
Erstellt am 29. Januar 2002, zuletzt geändert am 18. März 2010