Was Sie über Zwillinge wissen sollten
Sigrun Rux
Zwillinge sind inzwischen gar nicht mehr so selten. In Europa entfällt etwa auf jede 70. Geburt eine Zwillingsgeburt; für Deutschland bedeutet das etwa 10.000 Mehrlingsgeburten (Drillinge und Vierlinge miteingerechnet) pro Jahr. Insgesamt betrachtet sind von allen Zwillingen auf der Welt etwa zwei Drittel zweieiig und ein Drittel eineiig.
Sind sie eineiig oder zweieiig?
Diese Frage bekommen werdende Zwillingseltern am häufigsten zu hören, wenn sie auf “den doppelten Segen” angesprochen werden. Für viele lässt sich das zwar nicht immer eindeutig beantworten, aber Sie sollten wenigstens über den Unterschied Bescheid wissen. Eineiige Zwillinge entstehen, wenn sich die Eizelle teilt, nachdem sie befruchtet wurde. Es entstehen dann zwei Hälften mit haargenau dem gleichen Erbgut – deshalb sehen sich eineiige Zwillinge ja auch zum Verwechseln ähnlich. Sie haben natürlich auch immer das gleiche Geschlecht, was aber nicht heißen muss, dass sie sich auch wirklich wie “ein Ei dem anderen” gleichen.
Es gibt einige wahrscheinliche Ursachen, warum auch eineiige Zwillinge nicht immer ganz gleich sind. So kann z.B. die Lage der Kinder in der Gebärmutter oder die Versorgung im Mutterleib zu unübersehbare Unterschieden führen. Auch der Umwelt kommt eine bedeutende Rolle zu, was dazu führt, dass selbst Zwillinge mit exakt dem gleichen Erbgut im Wesen oft recht unterschiedlich sind.
Anders ist das bei zweieiigen Zwillingen: Hier werden zwei Eizellen gleichzeitig oder hintereinander von jeweils zwei Samenzellen befruchtet. Interessantes Detail am Rande: Zweieiige Zwillinge müssen nicht unbedingt zur gleichen Zeit empfangen werden – es können einige Stunden oder sogar Tage dazwischen liegen, da eine Frau auch über mehrere Tage hinweg fruchtbar sein kann. Zweieiige Zwillinge könnten theoretisch sogar von zwei verschiedenen Vätern stammen.
Zwillinge, die aus zwei befruchteten Eizellen entstehen, teilen sich im Durchschnitt die Hälfte des Erbguts – manchmal ist es mehr, manchmal weniger. Das erklärt, warum manche Zwillinge einander sehr ähnlich sind, während sich andere zueinander verhalten wie Tag und Nacht. Es gibt bei ihnen sowohl die Kombination Mädchen – Junge als natürlich auch zwei Mädchen oder zwei Jungen. Diese Art von Zwillingen kommt übrigens viel häufiger vor als die eineiigen Zwillinge.
Dank des modernen Ultraschallverfahrens kann ein geübter Arzt schon in einem sehr frühen Schwangerschaftsstadium feststellen, ob die Zwillinge eineiig oder zweieiig sind. Andernfalls verschafft die Untersuchung der Eihäute nach der Geburt oder ein Chromosomentest darüber Klarheit. Die Diagnose kann sehr bedeutend für den Verlauf der Schwangerschaft sein: Eineiige Zwillinge müssen z.B. besonders gut überwacht werden, da manchmal Komplikationen mit der Nabelschnur auftreten können.
Denken Sie auch daran, dass Ihre Kinder Sie eines Tages fragen werden, ob sie eineiig oder zweieiig sind. Sollte Ihr Gynäkologe die Eiigkeit nicht feststellen können, zögern Sie nicht, einen Spezialisten aufzusuchen.
Welche Frauen bekommen Zwillinge?
Je später eine Frau im Leben schwanger wird, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit, Zwillinge zu bekommen (allerdings nur zweieiige). Der Grund hierfür ist, dass das follikelstimulierende Hormon FSH mit zunehmendem Alter nicht mehr so gut funktioniert, so dass zwei Eizellen statt einer heranreifen, die dann wahrscheinlich auch beide befruchtet werden.
Auf demselben Prinzip beruht eine Hormonbehandlung, weil durch die erhöhte Ausschüttung von Hormonen mehrere Eizellen gleichzeitig heranreifen. Aber keine Angst: Wer die Pille nimmt, braucht deshalb keinen doppelten Nachwuchs zu befürchten.
Wenn jahrelange Versuche, schwanger zu werden, erfolglos bleiben, entschließen sich viele Frauen zu einer künstlichen Befruchtung. Dabei muss man fast damit rechnen, Zwillinge oder sogar Drillinge zu bekommen, denn es werden immer mehrere Eizellen außerhalb des Körpers befruchtet und in die Gebärmutter eingesetzt. Wenn alle diese Eizellen den langen, mühsamen Weg in die Gebärmutter schaffen, müssen sie sich dort den Platz teilen.
Die Wahrscheinlichkeit für eine Frau, zweieiige Zwillinge zu bekommen, ist im Allgemeinen größer, wenn sie selbst Zwilling ist oder es in der Familie der Mutter schon irgendwann einmal Zwillinge gab. Übrigens: auch noch so eifrige Samenspender haben keinen erwiesenen Einfluss auf die Möglichkeit, Zwillinge zu zeugen, und es spielt auch keine Rolle, ob in der väterlichen Linie Zwillinge vorkommen. Bei eineiigen Zwillingen haben diese Faktoren überhaupt keine Bedeutung – sie sind ein reines “Zufallsprodukt” .
Weitere Informationen zum Thema Zwillinge hier.
Literatur
- Hauenschild, L.: Zwillinge – die doppelte süße Last, Buchverlag Für die Frau, Leipzig 1998.
Weitere Beiträge der Autorin hier in unserem Familienhandbuch
- Alltag mit Zwillingen: Neuorganisation der Familie
- Sind Entwicklungsverzögerungen bei Zwillingen häufiger?
- Muss man Zwillinge anders erziehen?
- Schwangerschaft und Geburt im Doppelpack: was ist anders?
Autorin
Sigrun Rux, Journalistin, Fachgebiete: Medizin und Psychologie
Erstellt am 30. Januar 2002, zuletzt geändert am 30. Januar 2002