Partnerschaften – Entwicklungsphasen

Dr. Marina Rupp

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Partnerschaft hat viele Gesichter und gerade in letzter Zeit auch viele verschiedene Formen – und sie verändert sich im Laufe der Zeit. Von der jungen Liebe bis zur gesetzten Beziehung hat jede Phase ihr eigenes Thema und konfrontiert die Partner mit unterschiedlichen Aufgaben. Die größte Herausforderung stellt dabei sicherlich die Geburt des ersten Kindes dar. Daher wird dieses Thema hier an den Anfang gestellt. Daran anschließend wird auf die Entwicklung von Beziehungen eingegangen und erläutert, wie man Krisen vermeidet oder meistert. Aber nicht immer besteht die Lösung in der Fortsetzung der Beziehung. Partnerschaften und Ehen können scheitern. Wichtig ist dabei, dass Eltern weiterhin Partner bleiben, wenn es um ihre Kinder geht.

Wie schnell werden die Kinder "flügge" und gehen selbst Beziehungen ein. Wie sich das heute darstellt, welche Partner sich finden, wird im Anschluss ebenso geschildert wie die Formen, die junge Beziehungen heute durchlaufen, ehe sie – eventuell – in eine Ehe münden. Abschließend zeigt eine graphische Darstellung nochmals wesentliche Phasen und Aufgaben der Partnerschaft im Überblick.

Ein Partner ist jemand, der an derselben Sache teilhat, der auf derselben Seite steht wie ich. Partner sind gleichwertig und gleichberechtigt. Eltern sind Partner in ganz verschiedenen Bereichen – bei der Kinderziehung, bei der Haushaltsführung, bei der finanziellen Absicherung der Familie usw. – und jede einzelne Aufgabe fordert sie und ihre Partnerschaft tagtäglich neu.

Partnerschaft und Elternschaft

Das erste Kind wird nicht selten zur Herausforderung für die Paarbeziehung. Alles dreht sich zunächst nur noch um den Nachwuchs. Eltern vergessen dabei schnell, dass auch ihre Beziehung zueinander Pflege braucht – ganz besonders da sie jetzt neuen Belastungen ausgesetzt ist.

In aller Regel werden nun die Aufgaben anders verteilt. Westdeutsche junge Mütter übernehmen sehr oft die Kinderbetreuung und den Haushalt gleich mit. Die jungen Väter bleiben meist berufstätig, und so leben die Partner in ziemlich verschiedenen Welten. Da kann es schnell zu Unverständnis und Unzufriedenheit kommen. Sie fühlt sich überlastet durch Haus und Familienarbeit, für die zudem wenig Anerkennung zu ernten ist. Er hat zu wenig Zeit für die Familie und beneidet sie darum, den ganzen Tag zu Hause sein zu können. Sie muss sich an die materielle Abhängigkeit von einem Ernährer gewöhnen, er daran, dass er die finanzielle Verantwortung weitgehend alleine trägt. Sie sieht nicht ein, weshalb er im Haushalt nun sowenig mithilft. Er versteht nicht, was sie so beansprucht. Beide haben nicht selten zu wenig Schlaf und somit noch weniger Kraft, sich konstruktiv mit ihrer Situation auseinander zu setzen. Es wundert demnach nicht, dass die Ehezufriedenheit in der ersten Zeit nach der Familiengründung deutlich abnimmt (Vaskovics/ Schneewind 1996).

Besser geht es, wenn schon vorher darauf geachtet wird, dass die Voraussetzungen passen: Stabile Beziehungen, in denen die Partner zufrieden sind und nicht mehr nach neuen Abenteuern suchen, sind gute Startbedingungen. Gleiches gilt für eine ausreichende Ausstattung mit finanziellen Mitteln und Wohnraum. Ein Freundeskreis, auf den man sich verlassen kann, oder auch Verwandte, die im Notfall mal einspringen, sind hilfreich. Wichtig ist es aber auch, die "Kosten" der Elternschaft bewusst zu sehen und zu entscheiden, wie weit man gehen will: Muss wirklich auf jedes Ausgehen verzichtet werden? Kann man sich nicht einen Babysitterleisten? Muss das Baby im Ehebett schlafen und damit in jede Intimsphäre eindringen? Damit die Eltern auch über ihr gemeinsames Engagement für den Nachwuchs hinaus noch Partner bleiben, muss diese Beziehung ein wenig gepflegt werden.

Der letzte Satz gilt aber auch über die schwierige Eingewöhnungszeit hinaus. Wenn die Partner sich nur noch als Eltern wahrnehmen – z.B. nur noch von Mutti und Vati sprechen – verkümmert ihre Beziehung leicht. Dagegen hilft nur, sich öfter mal auf den anderen als Partner zu besinnen, etwas gemeinsam zu unternehmen und die gegenseitige Wertschätzung aufrecht zu erhalten und auch auszudrücken. Wichtig ist weiterhin, dass über Unzufriedenheit und Ängste offen gesprochen und konstruktiv damit umgegangen wird (Tillmetz/ Themessl 2004).

Mit Krisen umgehen

"... und waren glücklich bis an ihr Lebensende". Wie im Märchen läuft das "normale" Leben zumeist nicht ab, das haben die obigen Ausführungen schon gezeigt. Allen Harmonieforderungen und Glückwünschen zum Trotz ist eine Beziehung nicht immer "eitel Sonnenschein". Das heißt, eine dauerhafte Partnerschaft muss mit kleineren und manchmal auch größeren Krisen umgehen können.

Äußere Einflüsse

Nicht alle Schwierigkeiten sind "selbst gemacht" – der Alltag verlangt den Partnern vieles ab. Ob es sich um Arbeitslosigkeit, Krankheit, Probleme mit der Verwandtschaft, Dauerärger im Betrieb, Stress mit den Kindern etc. handelt – stets ist der Partner/ die Partnerin der/die Mitleidende. Wichtig ist es hier, dass beide akzeptieren, dass sie Belastungen unterschiedlich wahrnehmen, und damit umgehen können. Was für den einen als Katastrophe erscheint, ist für den anderen vielleicht gar nicht so tragisch. Einseitige Schuldzuweisungen sind keine Hilfe; sie belasten nur die Beziehung. Vielmehr ist es wichtig, auch gegen Selbstvorwürfe anzugehen (Parker 2002). Die gegenseitige Wertschätzung und Achtung zu bewahren, erleichterteine konstruktive Lösung und hilft, gestärkt als Paar aus Krisen hervorzugehen.

Das Risiko der Abwärtsspirale

Hat man einmal das Haar in der Suppe entdeckt, dann schmeckt das ganze Essen nicht mehr. Was passiert? Die negative Wahrnehmung dominiert den Gesamteindruck. Dasselbe kann Paaren passieren, die mit ihrer Partnerschaft unzufrieden sind. Werden Wahrnehmung und Kommunikation negativ eingefärbt, so verfestigt sich diese Haltung leicht. Die schwierigen Aspekte der Beziehung werden übertrieben, die positiven treten zurück. Am Ende sieht man nur noch schwarz. In diesem Zusammenhang wird von den "vier apokalyptischen Reitern" auf dem Weg zur Trennung gesprochen:

  • "Kritik (Vorwürfe, Anklagen, ständiges Nörgeln, sich Beklagen),
  • Verachtung/ Herabwürdigung (Beleidigungen, abwertende, zynische und sarkastische Bemerkungen),
  • Abwehr/ Verteidigung (Rechtfertigungen, Gegenvorwürfe, Schuldabweisungen) und
  •  Mauern/ Abblocken (Kommunikation verweigern, nicht Zuhören, den anderen ignorieren"(Lösel/ Bender 2003: 58).

Diese vier Strategien können jede Beziehung zerrütten. Aber man kann auch etwas gegen sie tun!

Gegenstrategien

Da alle Beziehungen Belastungen ausgesetzt werden, ist es interessant, nach den "Heilmitteln" zu fragen. Zunächst ist von Bedeutung, dass die Partner sich als aktive Gestalter ihrer Beziehung erleben und nicht als ohnmächtige Opfer eines widrigen Schicksals. Dann können konkrete Strategien der Belastungsbewältigung aufgenommen werden:

  • Wahrnehmung der Belastung: Erklärungen und Informationen suchen. Sich damit auseinandersetzen.
  • Verdeutlichung von Zuneigung, Kontrolle negativer Emotionen.
  • Kommunikation: Zuhören und Offenheit zeigen.
  • Bindung festigen: Vertrauen zeigen, kooperieren. Individuelle Entwicklung: Autonomie fühlen, Aktivitäten entwickeln.
  • Unterstützung von außen annehmen: z.B. durch Freunde und Verwandte.
  • Spirituell orientierte Paare können auch durch religiösen Aktivitäten und Glaubenszuversicht Stärke gewinnen (Lösel/ Bender: 64).

Partner bleiben nach der Trennung

Manchmal ist ein Miteinander bei allem guten Willen nicht mehr möglich. Ehe und Beziehungen können aufgelöst werden; was jedoch bleibt, sind die Beziehung und Verantwortungden Kindern gegenüber. Und diese verbinden damit auch weiterhin die ehemaligen Partner .Hielt man es früher für besser, nach einer Trennung oder Scheidung "klare Verhältnisse zu schaffen" und die Kinder nur einem Elternteil "zuzusprechen", so ist das heute anders: Allein schon das Recht drängt auf eine gemeinsame Verantwortung der Eltern auch nach der Trennung. Die fortbestehende gemeinsame elterliche Sorge bedeutet, dass getrennte Eltern weiterhinin allen wesentlichen Fragen, die das Kind betreffen, gemeinsam entscheiden (z.B. bei Impfungen, Operationen, Auswahl des Kindergartens, der Schule, einer besonderen Förderung).

Diese gesetzliche Regelung entspricht dem Bedürfnis des Kindes nach Beziehung zu beiden Eltern und der Bereitschaft der meisten Eltern, trotz ihrer Trennung weiterhin Verantwortung für das Kind zu übernehmen. Damit stellt sie diese vor eine enorme Herausforderung. Eigene Verletztheit, Trauer, vielleicht auch Wut müssen überwunden werden, wenn diese neue Form der Partnerschaft gelingen soll. Da das in der ersten Zeit nach der Trennung besonders schwer fällt, empfiehlt es sich, feste Vereinbarungen über Häufigkeit und Dauer des Umgangs zu treffen. Das entlastet und schafft – sofern die Regeln gut eingehalten werden – auch Vertrauen. Später dann, wenn die Eltern in der Lage sind, wieder lockerer miteinander umzugehen, können sie auch wieder spontaner und flexibler über den Umgang entscheiden.

Für die Kinder bedeutet es Sicherheit, wenn bei Vater und Mutter die gleichen Regeln gelten. Sich darüber abzustimmen, hilft allen. Wenn Vater und Mutter aber total unterschiedliche Einstellungen haben, sollten sie diese den Kindern auch vermitteln. Dabei ist es wichtig, dass sie bei der Erklärung und Durchsetzung ihrer eigenen Vorstellungen die des ehemaligen Partners nicht schlecht reden oder abwerten. Auch hier ist Fairness das Ziel (Karst 2001).

Vorstellungen und Erwartungen

Die Vorstellungen von Partnerschaft und Ehe haben sich in den letzten Jahrzehnten stark verändert. Dominierten bei der Kriegsgeneration sachliche Vorstellungen und Versorgungsaspekte, so verlor diese Zweckorientierung schnell an Bedeutung: Die Liebes-Ehe war zum Leitmotiv der Partnerwahl geworden, das über sachliche und materielle Aspekte erhaben war. Geborgenheit und Glück wurden Ziele der Bindung. Dies wurde in den 1980er Jahren zunehmend erweitert um den Aspekt der Selbstverwirklichung. Die Partnerschaft soll nicht nur harmonisch und verlässlich sein, sie dient jetzt auch der persönlichen und der gemeinsamen Entwicklung ("Reifen").

Die Zweckorientierung ging in den 1990er Jahren dann fast völlig verloren. Heute wünschen sich Frauen Geborgenheit, Harmonie, Romantik, einen Mann zum Reden und für die gemeinsame Freizeitgestaltung. Die Kommunikation hat an Bedeutung gewonnen. Der Partner soll Freund, Partner, Geliebter und Liebhaber zugleich sein. Bei Männern steht der Wunsch nach Geborgenheit, Vertrauen und Nähe im Vordergrund. Kommunikation bedeutet ihnen weniger als Frauen; sie setzen auf gemeinsame Interessen und Alltagsgestaltung (Braun 2001).

Der erste Kuss, die erste Liebe, die erste Beziehung

Jungen und Mädchen können nichts miteinander anfangen, finden sich langweilig ... bis zur Pubertät. Im Durchschnitt mit 12 Jahren (bei Mädchen, bei den Jungs etwas später) setzt diese Veränderung ein, und das andere Geschlecht wird interessant. Auf Schwärmerei und Anhimmeln folgen bald erste "Gehversuche" in Sachen Beziehung. Da die Geschlechtsreife immer früher eintritt, werden auch Beziehungen und sexuelle Kontakte immer früher ausprobiert .2001 hatten nur 28% der 14jährigen Mädchen und 32% der gleich alten Jungen noch keine sexuelle Erfahrung gesammelt (BZgA 2002: 44). Es beginnt mit einem Kuss. 70% der Mädchen und 62% der Jungen haben mit 14 bereits"Kusserfahrung". Mit 17 haben 92% der Mädchen und 90% der Jungen diese Form der Zärtlichkeit für sich entdeckt und mit einem Partner/ einer Partnerin ausprobiert (BZgA 2002: 45). Mit zunehmendem Alter folgen weitere sexuelle Zärtlichkeiten, so dass jede(r) zweite Jugendliche zwischen 14 und 17 Jahren Erfahrungen mit Petting hat (ebd.: 47). Auch beim ersten Geschlechtsverkehr sind die Teenies von heute oftmals noch recht jung. Beiden Mädchen steigt die Quote derjenigen, die bereits Erfahrung mit Geschlechtsverkehr haben,von 11% mit 14 Jahren über 25% mit 15 und 40% mit 16 bis auf zwei Drittel bei den17Jährigen. Die Jungen bleiben auch in diesem Punkt etwas länger unerfahrener (8%, 18%, 37%, 61%) (BZgA 2002: 48). Allerdings wurde der Abstand zwischen den Geschlechtern seit 1980 immer geringer – die Jungen holen also auf. Unter den Jugendlichen gibt es allerdings eine relativ stabile Gruppe, die erst spät im "vollen Umfang in das Geschlechtsleben eintritt" (ebd.:49).

 Tabelleerstergeschlechtsverkehr

Problematisch empfunden wird an dieser Entwicklung vor allem das mangelhafte Wissen der Jugendlichen. Sie sind über Fruchtbarkeit und Verhütung, aber auch das Risiko, sich mit Aids anzustecken, nicht gut oder sogar falsch informiert. Dies ist der Hauptgrund dafür, dass trotz allgemeiner Verfügbarkeit von Verhütungsmitteln relativ  viele Jugendliche "leichtsinnig" sind: 18% der ganz jungen Mädchen verhüten beim ersten Geschlechtsverkehr nicht (vgl. Gille/Klapp 2002). Vor diesem Hintergrund sind in den letzten Jahren auch die Schwangerschaften bei Teenagern gestiegen. Die Tatsache, dass diese jungen Mütter zumeist alleine dastehen, zeigt, dass die frühen Beziehungen noch wenig tragfähig und belastbar sind. Eltern sind hier die wichtigste Unterstützungsinstanz.

Wer mit wem?

Ähnlichkeit charakterisiert viele Paare, vor allem hinsichtlich der sozialen Schicht und des Bildungsniveaus. Die Neigung zur Homogamie – also der Wahl eines gleichwertigen oder sehr ähnlichen Partners – lässt sich nicht nur durch persönliche Präferenzen, sondern auch durch Gelegenheitsstrukturen erklären. Schließlich sind Schule, Universität, Ausbildungs- und Arbeitsplatz die Orte, an denen sich die meisten Paare kennen lernen (Blossfeld 2003). Die Partner ähneln sich in verschiedenen Dimensionen, so z.B. religiösen Überzeugungen, Bindungsmustern, Einstellungen und Temperament. Diese Übereinstimmungen sind wichtig für den Aufbau konfliktfreier Bindungen und fördern die Beziehungszufriedenheit (Lösel/ Bender:57).

War es früher sehr verbreitet, dass Frauen "nach oben" heirateten, also einen Mann mit bessererBildung und/oder Einkommen, nehmen infolge der Bildungsexpansion homogame Paare zu (Rupp 1999). Dagegen ist eine Umkehr der geschlechtsspezifischen Wahl, also dass Frauen über höhere Qualifikationen oder Einkommen verfügen als ihre Partner, noch sehr selten. Hier wirken offenbar normative Vorstellungen hemmend.

Unterschiede können anziehend wirken und damit wichtige Elemente einer Partnerschaft begründen. Wir finden dies aber eher auf der Ebene der Persönlichkeit, also dass sich Partner mit unterschiedlichen Eigenschaften finden (so z.B. sehr ruhige Personen mit quirligem Partner),oder im Hinblick auf die Rollen, die Männer und Frauen in der Beziehung übernehmen.

Wichtig ist dabei, dass sich Übereinstimmungen im Verlauf einer Beziehung entwickeln. Dabei können verschiedene Stadien unterschieden werden, in denen unterschiedliche Aspekte wichtig sind:

  • Zu Beginn ist meist die Anziehung entscheidend; äußere Merkmale stehen im Mittelpunkt,wie das Aussehen oder die Beliebtheit.
  • Es folgt eine Phase, in der die Werte abgeglichen werden: Sind die Interessen, Ansichten,Bedürfnisse, Ein- und Wertvorstellungen der Partner kompatibel?
  • In einem weiteren Stadium der Bindung werden die Rollenvorstellungen und Erwartungenauf ihre Übereinstimmung hin geprüft. Schließlich ist es wichtig, dass Paare eineAufgabenteilung finden, die für beide Partner tragfähig ist (Lenz 1998).

Beziehungsformen, Beziehungsstadien

Bis vor nicht allzu langer Zeit gab es nur drei typische Stadien der Beziehung: das so genannte "Miteinander-Gehen", das in der Regel sexuelle Beziehung noch ausschloss, das Stadium des Verlobtseins und schließlich die Ehe. Mit der Heirat wurden zugleich verschiedene Übergänge gekoppelt: der Auszug aus dem Elternhaus in eine eigene Wohnung, die Zulässigkeit sexueller Beziehungen und für Frauen oftmals auch die Aufgabe der eigenen Berufstätigkeit. Diese Verbindung ist heute aufgelöst, und demzufolge können wir verschiedene Formen von Partnerschaften unterscheiden, die teils auch aufeinander folgende Stadien zunehmender Verbindlichkeitder Partnerschaft darstellen.

Paare ohne gemeinsamen Haushalt

Am Beginn einer Partnerschaft leben die Partner in aller Regel getrennt, entweder noch im elterlichen oder bereits im eigenen Haushalt. Die Beziehung entwickelt sich über Verabredungen, gemeinsame Aktivitäten und den Aufbau einer sexuellen Beziehung. Dies ist zugleich die Phase, in der die Übereinstimmung der Interessen geprüft wird.

Früher oder später stellt sich die Frage, ob ein Zusammenleben möglich ist. Dass Paare für
lange Zeit in getrennten Haushalten leben, hat im Wesentlichen zwei sehr unterschiedliche Gründe: Ein (kleinerer) Teil schätzt seine Freiheit und seinen eigenen Bereich so sehr, dass eine gemeinsame Wohnung nicht gewünscht wird. Viele Paare aber sind durch Studium oder Beruf an unterschiedliche Orte gebunden, so dass das Zusammenleben davon abhängt, ob und wie eine Veränderung in der beruflichen Situation erreicht werden kann.

Nichteheliche Lebensgemeinschaften

Das Zusammenleben ohne Trauschein ist – nachdem es längere Zeit verpönt war – salonfähig geworden. Es wird gerne als "erweiterte Such- oder Testphase" bezeichnet, da in diesem Stadium das gemeinsame Leben entwickelt wird und diese Beziehungen ein vergleichsweise hohes Risiko des Scheiterns tragen. Nichteheliche Lebensgemeinschaften haben aber nicht ausschließlichden Charakter einer Testphase vor der Ehe; sie sind vielmehr ein inzwischen selbstverständliches Stadium der Beziehungsentwicklung. Und ein Teil lebt dauerhaft ohne Trauschein.

Die nichteheliche Lebensgemeinschaft ist für die meisten jungen Menschen ein normales Stadium einer sich festigenden Beziehung. Mit dem Zusammenziehen werden nach und nach immer mehr Lebensbereiche geteilt. Weiß man am Anfang noch sehr genau, wem was gehört, und achtet auf getrennte Konten, so verwischen sich diese Grenzziehungen im Laufe der Zeit, und das Gemeinsame gewinnt an Bedeutung.

Die Herausforderung in dieser Phase der Partnerschaft ist es, einen gemeinsamen Alltag zugestalten: Die Rollen und Aufgaben im Haushalt sind zu verteilen – wirklich keine einfache Aufgabe. Bringt man zu Beginn seine Wäsche vielleicht noch zur Mama, so wird spätestens mit der Anschaffung der eigenen gemeinsamen Waschmaschine das Paar vor die Frage der Rollengestaltung gestellt. Da in dieser Phase meist beide Partner berufstätig oder in Ausbildung sind, werden noch eher gleichberechtigte Arrangements getroffen, obwohl sich schon traditionelle geschlechtstypische Linien abzeichnen. Die Frauen sind also auch hier eher für den Haushalt, die Männer eher für Auto und Reparaturen zuständig.

Unverheiratete Paare stellen an ihre Beziehungen sehr ähnliche Anforderungen wie Ehepaare: Gegenseitiges Verständnis und Akzeptanz sind wichtige Werte, Gleiches gilt für Zuverlässigkeit und Treue. Die Frage, ob man dieselben Werte teilt, ob sich aus dieser Beziehung eine tragfähige und langfristige Partnerschaft entwickelt und – nicht zuletzt – ob an eine Familiengründung gedacht wird, ist entscheidend dafür, ob auch eine Heirat geplant wird.

Da nicht eheliche Lebensgemeinschaften oftmals in Lebensphasen beginnen, in denen die sozialen und finanziellen Verhältnisse noch nicht perfekt sind, müssen die Partner nicht selten verschiedene Veränderungen bewältigen. In vielen Beziehungen schließt einer der Partner seine Ausbildung ab und startet seine berufliche Laufbahn. Findet sich nichts Geeignetes am Wohnort, so steht das Paar der Entscheidung, eine Wochenendbeziehung zu führen. Das kann auf Dauer sehr belastend sein.

Aber auch ohne solche zusätzlichen Erschwernisse stellt der Übergang in das Berufsleben nicht selten eine Herausforderung für die Beziehung dar. Gerade gefundene Aufgabenarrangements müssen verändert werden, Rhythmus und Gleichgewicht sind neu auszutarieren. Nicht selten ergeben sich Entwicklungen in der Persönlichkeit durch die neuen Rollen, auf die sich der Partner/ die Partnerin erst einstellen muss. Der Übergang vom Auszubildenden zum Berufstätigen stellt damit ein Risiko für die Beziehung dar, an dem einige scheitern (Vaskovics/Rupp/ Hofmann 1997).

Der Übergang zur Ehe

Wenn nichteheliches Zusammenleben so einfach ist, wieso heiraten die jungen Leute dannnoch? Was verbinden sie mit der Ehe? In Westdeutschland spielt der Wunsch nach Kindern eine sehr wichtige Rolle. Die Familiengründung wird daher zumeist noch mit einer Eheschließung verbunden. Die Ehe gilt somit als die Sozialisationsinstanz für Kinder. Sie hat aber auch einige andere Vorteile zu bieten, insbesondere wenn man bedenkt, dass westdeutsche Paare sehr häufig eine traditionale Arbeitsteilung wählen, sobald Kinder da sind. Durch sie wird die soziale Absicherung der Partner automatisch gewährleistet. Neben den kindbezogenen Heiratsmotiven kommen religiöse Vorstellungen, romantische Aspekte, aber auch die Erwartung höherer Stabilität der Beziehung zum Tragen. Geheiratet wird heute erst relativ spät: Die Frauen sind im Durchschnitt schon 29 Jahre alt, Männer etwas mehr als 30. Erklärt wird dies mit "Hemmnissen", die aus unvollständigen Lebensbedingungen resultieren (fehlende berufliche/ materielle Sicherheit). Unter solchen Voraussetzungen wird nicht geheiratet, u.a. auch weil man unter diesen Umständen keine Kinderbekommen will. Zugleich ist es auch nicht nötig zu heiraten, solange eine unformelle Bindung ausreichend erscheint .Mit dem Übergang zur Ehe ändert sich an der Beziehung selbst kaum etwas – die meisten haben ja bereits längere Zeit zusammen gelebt. Man kann jedoch eine größere Neigung zu gemeinsamen Investitionen feststellen (Eigenheim etc.) und eine Zunahme des gemeinsamen Wirtschaftens über einen längeren Zeitraum rund um die Heirat feststellen. Wirklich gravierende Änderungen für die Beziehung treten erst mit der Geburt des ersten Kindes ein (siehe oben).

Phasen Der Paarentwicklung3

 

 

Literatur

Ratgeber für Eltern

  • Karst, Patrice: Tipps für turbulente Zeiten. Survival Guide für Alleinerziehende. Freiburg im Breisgau 2001.
  • Lederle von Eckardstein, Osterhold/ Niesel, Renate/ Salzgeber, Joseph/ Schönfeld, Uwe: Eltern bleiben Eltern. Hilfen für Kinder bei Trennung und Scheidung. Hrsg. von der Deutschen Arbeitsgemeinschaft für Jugend- und Eheberatung e.V. (DAJAEB). Detmold. O.J.
  • Braun, Annegret: Ehe- und Partnerschaftsvorstellungen von 1948-1996. Münster 2001.

Allgemeine Literatur

  • Blossfeld, Hans-Peter/ Timm, Andreas: Who marries whom? Educational Systems As Marriage Markets in Modern Societies (European Studies of Population, 12). Dordrecht 2003.
  • Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung: Jugendsexualität. Wiederholungsbefragung von 14- bis 17-Jährigen und ihren Eltern. Ergebnisse einer repräsentativen Befragung aus 2001.
  • Burkart, Günter: Lebensphasen – Liebesphasen. Vom Paar zur Ehe zum Single und zurück. Opladen 1997.
  • Gille, Gisela/ Klapp, Christine: Schwanger nicht selten bereits mit 14 Jahren! Arbeitsgemeinschaft Kinder- und Jugendpsychologie e.V., http://www.kindergynaekologie.de/html/kora30html, 2002.
  • Grau, Ina/ Bierhoff, Hans-Werner: Sozialpsychologie der Partnerschaft. Berlin 2003.
  • Lenz, Karl: Soziologie der Zweierbeziehungen. Eine Einführung. Opladen 1998.
  • Lösel, Friedrich/ Bender, Doris: Theorien und Modelle der Paarbeziehung. In: Grau, Ina/ Bierhoff, Hans-Werner: Sozialpsychologie der Partnerschaft. Berlin 2003.
  • Matthias-Bleck, Heike: Warum noch Ehe? Erklärungsversuche der kindorientierten Eheschließung. Bielefeld1997.
  • Reichle, Barbara: Partnerschaftsentwicklung junger Eltern. Wie sich aus der Bewältigung von Lebensveränderungen Probleme entwickeln. Opladen, 2002, in: Schneider, Norbert F./ Matthias-Bleck, Heike (Hrsg.): Elternschaftheute. Gesellschaftliche Rahmenbedingungen und individuelle Gestaltungsaufgaben. Zeitschrift für Familienforschung.S. 75-121.
  • Rupp, Marina: Die nichteheliche Lebensphase als Bindungsphase. Paarkonstellationen und Bindungsprozesse.Hamburg 1999.
  • Schneewind, Klaus/ Vaskovics, Laszlo A.: Optionen der Lebensgestaltung junger Ehen und Kinderwunsch.Verbundstudie-Endbericht. Schriftenreihe des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend,Bd. 128.1. Stuttgart 1996.
  • Schneewind, Klaus/ Wunderer, Eva: Prozessmodelle der Partnerschaftsentwicklung. In: Grau, Ina/ Bierhoff, Hans-Werner: Sozialpsychologie der Partnerschaft. Berlin 2003.
  • Tillmetz, Eva/ Themessl, Peter: Eltern werden – Partner bleiben. München 2004.
  • Vaskovics, Laszlo A./ Rupp, Marina/ Hofmann, Barbara: Lebensverläufe in der Moderne: Nichteheliche Lebensgemeinschaften. Eine soziologische Längsschnittstudie. Opladen 1997.
  • Parker, Robyn: Why marriages last. A discussion of the literature. Research Paper No. 28. Melbourne 2002.

Weitere Beiträge der Autorin hier in unserem Familienhandbuch

Autorin

Dr. (rer. pol.) Marina Rupp ist stellvertretende Leiterin des Staatsinstituts für Familienforschung an der Universität Bamberg. Sie beschäftigt sich seit langem mit Fragen der Beziehungsentwicklung, insbesondere mit nichtehelichen Lebensgemeinschaften. Daneben bilden heute die Familienbildung, Gewalt in der Familie sowie die verschiedenen Lebensformen die Schwerpunkte ihrer Arbeit.

Kontakt

Dr. Marina Rupp
Staatsinstitut für Familienforschung an der Universität Bamberg
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Tel.: 0951/96525-27

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