Die Ehebeziehung im mittleren Erwachsenenalter
Dr. Marina Schmitt
Obwohl das mittlere Erwachsenenalter immer stärker zu einer eigenständigen Lebensphase mit ganz spezifischen Herausforderungen an die einzelne Person wird, wurde dieser Lebensabschnitt – im Gegensatz zu Kindheit, zu Jugend oder zum hohen Alter – in der Forschung bisher häufig vernachlässigt. Auch im Bereich der Ehe- und Partnerschaftsforschung konzentrieren sich viele Studien auf eher kritische Lebensereignisse wie den Beginn einer Ehe, den Übergang zur Elternschaft oder die Auflösung der Ehe durch Scheidung oder Verwitwung. Entsprechend ist über den “typischeren” Fall, nämlich die länger dauernden Beziehungen des mittleren Erwachsenenalters, bisher wenig bekannt. Dies wirft einige Fragen auf, wie z.B.:
- Welche Entwicklungen und Trends kennzeichnen Paare im mittleren Lebensalter?
- Wie sieht es mit der Zufriedenheit bei Paaren im mittleren Erwachsenenalter aus? Sind Ehepaare auch nach Jahrzehnten noch glücklich und zufrieden, oder macht die Liebe der Langeweile und Gleichgültigkeit Platz?
- Vor welchen Herausforderungen stehen Ehepaare im mittleren Alter?
- Wie können sie diese Herausforderungen meistern und ihre Beziehung auch zukünftig positiv gestalten?
- Wie kommt es zur Trennung nach langjähriger Partnerschaft?
Welche Entwicklungen und Trends kennzeichnen Paare im mittleren Lebensalter?
Langjährige Partnerschaften im mittleren Erwachsenenalter – ein neues historisches Phänomen
Die Auseinandersetzung mit langjährigen Partnerschaften im mittleren Erwachsenenalter ist von besonderem Interesse, da diese ein historisch neues Phänomen darstellen. Mit der Verdopplung der durchschnittlichen Lebenserwartung in den letzten 100 Jahren halten auch die Ehen im Durchschnitt immer länger – trotz der gleichzeitigen Zunahme von Scheidungen. Wer 1870 geheiratet hat, konnte sich auf durchschnittlich 28,2 Ehejahre einstellen. Die Ehe eines Paares, das 1970 geheiratet hat, wird durchschnittlich 43 Jahre dauern. Für Paare im mittleren Erwachsenenalter bedeutet dies, dass sie im Schnitt noch weitere 25 gemeinsame Jahre vor sich haben und sich vor die Aufgabe gestellt sehen, diese Zeit gemeinsam zu gestalten.
Die Beschäftigung mit Partnerschaften im mittleren Erwachsenenalter ist vor allen Dingen auch deshalb von besonderer Wichtigkeit, da sich in vielen Längsschnittstudien gezeigt hat, dass diese Lebensphase für die Bewältigung der späteren Lebensjahre vorentscheidend ist. Die häufig anzutreffende Kontinuität von Handlungs- und Bewältigungsstrategien weist darauf hin, dass Wohlbefinden und Verhalten der zukünftig Älteren in starkem Maße durch Gegebenheiten und Lebensperspektiven im mittleren Lebensalter geprägt werden.
Personen im mittleren Erwachsenenalter – eine relativ und absolut große Gruppe in unserer Bevölkerung
Als Folge der reduzierten Geburtenhäufigkeit im 20. Jahrhundert stellt die Bevölkerung im mittleren Lebensalter eine im Vergleich zu den anderen Altersgruppen relativ große Gruppe dar. Aufgrund der Zugehörigkeit zu den geburtenstarken Nachkriegskohorten ( “Baby-Boom-Generation” ) haben sie auch zahlenmäßig einen großen Anteil an der Bevölkerung. Verheiratet zu sein stellt für den Großteil dieser Personen die bevorzugte Lebensform dar: Etwa drei Viertel dieser Personen leben in einer Ehe.
Eher traditioneller Start in die Ehe – relativ geringes Heiratsalter und frühe Geburt des ersten Kindes
Die heute im mittleren Erwachsenenalter stehenden Personen traten in einer Phase in das “heiratsfähige” Alter ein, die gesellschaftlich (noch) durch eine starke Familienorientierung geprägt war und als “goldenes Zeitalter der Familie” bezeichnet wurde. Kennzeichnend für die heute im mittleren Alter stehenden Personen ist daher, dass sie in der Regel relativ früh geheiratet haben. So hatte z.B. jede zweite Frau des Geburtsjahrgangs 1950 im Alter von knapp 22 Jahren eine Ehe geschlossen. Auf diese relativ frühe Eheschließung folgte in der Regel relativ schnell die Geburt des ersten Kindes. Dies und das damals noch wenig verbreitete Zusammenleben vor der Ehe haben dazu geführt, dass die Partner oft nur wenig Zeit hatten, sich in der Partnerschaft ohne Kinder zu üben.
Nachelterliche Gefährtenschaft als neue Phase in der Partnerschaft – fehlende Vorbilder und Erfahrungen
Wenn die Kinder ausgezogen sind und das Paar nun in die so genannte Phase der nachelterlichen Gefährtenschaft eintritt, steht es vor der Aufgabe, die Partnerschaft umzugestalten und den veränderten Rahmenbedingungen anzupassen. Dabei hat die Gruppe der im mittleren Erwachsenenalter lebenden Personen historisch und gesellschaftlich relativ wenig Vorbilder zur Gestaltung dieses Lebensabschnitts, der immerhin rund die Hälfte des gemeinsamen Ehelebens umfasst.
Anstieg der Ehescheidungen nach der Silberhochzeit – zunehmende Gefährdung langjähriger Partnerschaften
Dass diese Anpassung teilweise zu unüberwindbaren Schwierigkeiten führt, zeigt der überdurchschnittliche Anstieg von Scheidungen nach der Silberhochzeit. Inzwischen sind in 9% aller Scheidungen Ehen mit einer Dauer von 26 und mehr Jahren betroffen.
Wie sieht es mit der Zufriedenheit bei Paaren im mittleren Erwachsenenalter aus?
Veränderungen der Ehezufriedenheit über die Lebensspanne – abhängig von Veränderungen im Familienzyklus
Betrachtet man langjährige Partnerschaften im mittleren Alter genauer, so zeigt sich, dass der einfache Schluss von der Stabilität einer Beziehung auf ihre Qualität und auf die Ehezufriedenheit nicht haltbar ist. Die Partnerschaftszufriedenheit wird in der Regel zwar in einer gewissen Stabilität resultieren; ein Umkehrschluss ist jedoch nicht möglich.
Selbst bei über den Lebenslauf stabilen langjährigen Beziehungen unterliegt die Zufriedenheit erheblichen Schwankungen. So zeigen sich in Untersuchungen zum Verlauf langjähriger Partnerschaften drei unterschiedliche Befundgruppen: Eine Gruppe geht von einer kontinuierlichen Verschlechterung der Beziehungsqualität aus. Andere nehmen einen eher statischen Verlauf der Ehequalität entweder auf hohem, mittlerem oder niedrigem Niveau an. Weitere Studien zeigen eine U-förmige Beziehung zwischen der Ehedauer bzw. dem Stadium im Familienzyklus und der Ehezufriedenheit. Sie beschreiben eine hohe Ehezufriedenheit nach der Heirat und stellen ein Absinken nach der Geburt der Kinder sowie in der Phase der Betreuung von jüngeren und jugendlichen Kindern fest. In dieser Phase gibt es jedoch weniger Scheidungen, da die Kosten einer Trennung besonders hoch sind. Häufig werden auch das Ende dieser Phase und eine Verbesserung der ehelichen Qualität nach Auszug der Kinder erhofft. Man verspricht sich nach Beendigung der Elternpflichten größere Freiräume und mehr Zeit für die Partnerschaft. Entsprechend steigt diesem Ansatz zufolge nach dem Auszug der Kinder die Zufriedenheit mit der Partnerschaft erneut an.
Überwiegende Zufriedenheit mit der Ehe im mittleren Lebensalter – jedoch auch Gefährdungspotenziale
Ergebnisse internationaler und auch nationaler Studien – wie z.B. der Interdisziplinären Längsschnittstudie des Erwachsenenalters (ILSE) – zeigen, dass ein Großteil, nämlich ca. 60-70% der Paare im mittleren Erwachsenenalter mit ihrer Ehe zufrieden ist. Diese zunächst optimistisch stimmende Nachricht bedeutet jedoch auch, dass 30-40% ihre Ehe ambivalent erleben, unzufrieden sind und mit Schwierigkeiten und Problemen kämpfen.
Unterschiede und Gemeinsamkeiten bei Männern und Frauen – unterschiedliche Bedeutung verschiedener Partnerschaftsbereiche für die Zufriedenheit
Ob es Unterschiede zwischen Männern und Frauen hinsichtlich der Ehezufriedenheit gibt, ist vorliegenden Studien zufolge unklar. Fragt man allgemein nach der Zufriedenheit mit der Ehe, so finden sich häufig eher keine oder nur geringe Unterschiede zwischen den Geschlechtern. Fragt man jedoch nach verschiedenen Aspekten der Zufriedenheit, so zeigt sich, dass Frauen mit der Kommunikation, mit der Sexualität und mit der Unterstützung in der Ehe unzufriedener sind. Die Unzufriedenheit mit diesen Bereichen der Partnerschaft scheint sich besonders dann zu verstärken, wenn die Partnerschaft eher als belastend wahrgenommen wird. Dies scheint daran zu liegen, dass sich Frauen mit Beziehungsproblemen stärker auseinandersetzen und mehr Gefühle zum Ausdruck bringen, während Männer Probleme weniger wahrnehmen oder ihnen häufig aus dem Weg gehen.
Vor welchen Herausforderungen stehen Paare im mittleren Alter?
Obwohl im Alltag und in der Wissenschaft wenig beachtet, finden auch im mittleren Lebensalter bedeutsame Entwicklungsprozesse und Verschiebungen der Lebensperspektiven statt. Das Verständnis von Partnerschaften im mittleren Erwachsenenalter wird deshalb durch die Kenntnis von anstehenden Übergängen, Veränderungen und Aufgaben erleichtert. Wie aus der Lebenslaufforschung bekannt, können diese mit Verunsicherungen, der Aufgabe alter Rollen und der Auseinandersetzung mit neuen Rollen und neuen Selbstbildern einhergehen. Diese Übergänge und Veränderungen können je nach den körperlichen, psychischen und sozialen Ressourcen, die der einzelnen Person oder dem Paar zur Verfügung stehen, im positiven Falle Herausforderungen mit neuen Chancen bedeuten. Im negativen Fall können damit jedoch schwer zu bewältigende Probleme und Krisen einhergehen.
Bilanzierung und weitere Perspektiven – Blick zurück und Blick nach vorn
Mit dem Erreichen der Lebensmitte verändert sich auch die Zeitorientierung. Während bisher in Jahren seit der Geburt gedacht wurde, rückt jetzt stärker die Betrachtung der Jahre in den Vordergrund, die noch zum Leben bleiben. Dies führt sehr häufig zu einer Bilanzierung des bisher Erreichten in den verschiedensten Bereichen. Fragen wie “Was wollte ich eigentlich in meinem Leben erreichen?” , “Mit welchen Vorstellungen sind wir eigentlich gemeinsam in diese Ehe gestartet? Was haben wir davon verwirklicht?” oder “Wie soll es jetzt mit uns weitergehen?” stellen sich und verlangen eine Antwort. Das bisher Erreichte und auch das bisher Verfehlte werden vor dem Hintergrund sich allmählich eingrenzender beruflicher, familiärer, partnerschaftlicher und körperlicher Möglichkeiten in ihrer Bedeutung sichtbar. Möglicherweise drängen unerreichte Ziele und verpasste Chancen nach ihrer Realisierung.
So zeigt sich in Untersuchungen zur Veränderung der Persönlichkeit über die Lebensspanne, dass Männer und Frauen im jüngeren Erwachsenenalter eher durch eine starke maskuline bzw. feminine Geschlechtsrollenorientierung gekennzeichnet sind. In der Lebensmitte beginnen die Männer dann, auch verstärkt ihre weiblichen Eigenschaften wie Sensibilität, Zärtlichkeit, Sinn für Gemeinschaft und Passivität zu entdecken und auszuleben. Frauen entdecken ihre eher männlichen Seiten, setzen sich eher durch, werden macht- und selbstbewusster. Diese Veränderung in der Geschlechtsrollenorientierung eröffnet einerseits Möglichkeiten zu neuen Entwicklungen, kann aber auch mit Problemen in der Partnerschaft verbunden sein, wenn dieser Prozess nicht synchronisiert abläuft, da dann der Partner bzw. die Partnerin im Auftreten und Verhalten nicht mehr den bisherigen Vorstellungen entspricht.
Der Auszug der Kinder – das Paar im “leeren Nest”
Einen weiteren wichtigen Einschnitt für Paare im mittleren Lebensalter stellt der Auszug der Kinder und dessen Verarbeitung dar. Hinsichtlich der Frage, inwieweit der Auszug der Kinder (das” leere Nest “) als kritischer Einschnitt empfunden wird, sind die Ansichten geteilt.
Untersuchungen der schweizerischen Arbeitsgruppe um Pasqualina Perrig-Chiello verweisen darauf, dass Frauen und Männer den Auszug der Kinder im Vorfeld mehrheitlich positiv sehen. Mit dem Älterwerden der Kinder und mit ihrem Auszug aus dem Elternhaus eröffnen sich neue Chancen für die Partnerschaft: So können die Ehepartner einen Teil ihres gewonnenen persönlichen Freiraums positiv für die Partnerschaft nutzen. Mögliche Belastungen durch die Erziehung und Versorgung der Kinder verringern sich oder fallen ganz weg. Dadurch werden gegebenenfalls auch partnerschaftliche Spannungen reduziert. Das Mehr an Zeit führt zu neuen oder erweiterten Möglichkeiten der gemeinsamen Freizeitgestaltung, der (Wieder-) Belebung von gemeinsamen Interessen oder dem Aufbau sowie der Intensivierung von Kontakten zu Freunden und Bekannten. Gerade gemeinsame Beziehungen zu anderen Menschen (Kindern, Eltern, Freunden und Bekannten) erweisen sich neben den in der Vergangenheit liegenden positiven gemeinsamen Erlebnissen als wichtige Quelle einer positiven Partnerschaft.
Das Zusammenleben in der nachelterlichen Gefährtenschaft stellt jedoch die Paare auch vor die Aufgabe, sich stärker auf die Partnerschaft zu konzentrieren und gemeinsam neue Perspektiven zu entwickeln, z.B. bezüglich der Gestaltung der Partnerschaft oder der Rollenverteilung. Zudem können ungeklärte Konflikte, die bisher in den Hintergrund gedrängt wurden, neu zutage treten und zu einer geringeren Zufriedenheit oder problematischen Entwicklungen führen. Durch die Berücksichtigung der in der Geschichte der Beziehung erlebten Reziprozität und des Wissens um bereits erbrachte Leistungen wird jedoch häufig das Vertrauen in den Fortbestand der Beziehung gestärkt und so die Neuorientierung erfolgreich gemeistert.
Auftreten körperlicher Veränderungen – nicht mehr ganz jung und noch nicht alt
Die körperlichen Veränderungen aufgrund der biologischen Alterung (Absinken des Östrogen- bzw. Testosteronspiegels) wirken sich auf das Aussehen und das körperliche sowie psychische Wohlbefinden aus. Dies kann zu großen Belastungen führen, da man sich in unserer an Jugendlichkeit orientierten Gesellschaft nicht mehr attraktiv für den Partner oder die Partnerin und weniger leistungsfähig fühlt.
Neben diesen biologischen Veränderungen kann es im mittleren Erwachsenenalter ebenfalls zu ersten gesundheitlichen Beeinträchtigungen oder Erkrankungen kommen. Diese stellen ebenfalls erhebliche Anforderungen an die Beziehungsgestaltung der Paare, da sie zur Entstehung neuer Ungleichgewichte oder Abhängigkeiten führen können. So zeigt sich in Studien an Paaren mit einem gesundheitlich eingeschränkten Partner eine Abnahme der Ehezufriedenheit vor allem beim gesunden Partner. Negative Konsequenzen für das Paar treten hier durch Einkommenseinschränkungen, ein zunehmendes Ungleichgewicht bei der Aufgabenverteilung, Einschränkungen bei gemeinsamen Unternehmungen oder Verstimmungen auf (Stimmungsschwankungen, schneller Ärger, Schweigen, Gefühlsverletzungen oder überkritisches Verhalten).
Neudefinition der Beziehung zu den eigenen Eltern und Schwiegereltern – Konfrontation mit Abhängigkeit, Hilfs- und Pflegebedürftigkeit
Neben den eigenen körperlichen Veränderungen und dem Auszug der Kinder werden Personen aufgrund der zunehmenden Abhängigkeit, Hilfs- und Pflegebedürftigkeit der Eltern oder Schwiegereltern vor die Aufgabe gestellt, ihre Rolle als erwachsene Kinder neu zu definieren. Die Ansprüche der Eltern sowie der Gesellschaft bezüglich der Hilfe- und Unterstützungsleistungen durch die Kinder stehen häufig im Gegensatz zu den Möglichkeiten und Bedürfnissen der heute im mittleren Lebensalter stehenden Personen. Nichtsdestotrotz sind es häufig gerade die im mittleren Lebensalter stehenden Töchter und Schwiegertöchter, die Hilfe- und Pflegeleistungen für die (Schwieger-) Eltern übernehmen. Eine positive Begleitung, Entlastung und Unterstützung durch den Partner im Pflegeprozess verringern hier verschiedenen Studien zufolge die mit der Pflegesituation einhergehenden Belastungen.
Übergang in die nachberufliche Phase – ambivalente Gefühle und Notwendigkeit der Vorbereitung
Eine Veränderung, mit der sich Paare im mittleren Lebensalter auseinander setzen müssen und die gesellschaftlich häufig den Beginn des Alters signalisiert, ist der Übergang in die nachberufliche Phase. Obwohl bei vielen Paaren keine Schwierigkeiten auftreten oder es sogar zu einer Verbesserung der Ehezufriedenheit kommt, kann die Verrentung auch Anpassungsleistungen erfordern: Schließlich verlieren ältere Menschen mit dem Ausscheiden aus dem Berufsleben auch eine zentrale Rolle, was die Entwicklung von Selbstwertproblemen zur Folge haben kann. Zudem erweisen sich manche Vorstellungen von der Verrentung, wie z.B. die ganze Zeit mit der Ehefrau zu verbringen, als unrealistisch. Frauen sehen der Verrentung des Mannes oft mit gemischten Gefühlen entgegen. Sie befürchten, Freiräume zu verlieren und sich nach den Bedürfnissen des Mannes richten zu müssen.
Hier ist es wichtig, dass beide Partner ein neues Gleichgewicht zwischen Abstand und Intimität finden. Deshalb ist es besonders für Männer wichtig, Kontakt- und Aktivitätsbereiche auch außerhalb von Partnerschaft und Familie auf- bzw. auszubauen. Eine gemeinsame, frühzeitige einsetzende Vorbereitung und offene Auseinandersetzung mit den anstehenden Veränderungen dienen dabei der Vermeidung negativer Folgen. Da zunehmend Frauen bis zur Altersgrenze einer Erwerbstätigkeit nachgehen, stellt sich nun auch die Frage, wie Frauen mit der Verrentung zurecht kommen, wie diese ihre Ehe beeinflusst und wie das Paar damit umgeht, wenn z.B. die Frau noch arbeitet, während der Mann bereits im Ruhestand ist.
Wie können Ehepaare im mittleren Alter diese Herausforderungen meistern und ihre Beziehung auch zukünftig positiv gestalten?
Verschiedene Untersuchungen über Faktoren, die zu einer zufrieden stellenden Beziehung beitragen, betonen die Bedeutung bestimmter Persönlichkeitseigenschaften, einer guten Kommunikation, des richtigen Umgangs mit Konflikten, der gegenseitigen Unterstützung und von gemeinsamen Aktivitäten.
Persönlichkeitseigenschaften – Merkmale, die in die Beziehung mitgebracht werden
Vielfältig untersucht sind Persönlichkeitsmerkmale. Diese sind in der Regel schon im frühen Erwachsenenalter relativ gefestigt und werden von den Partnern in die Beziehung eingebracht. Offenheit für neue Erfahrungen, Verträglichkeit, das Gefühl, Situationen meistern zu können, eine gute Portion Gewissenhaftigkeit im Umgang mit sich und anderen, ein positives Selbstwertgefühl, eine soziale Orientierung und das Bedürfnis nach Intimität gehen mit einer positiven Ehequalität einher. Ängstliches und feindseliges Verhalten und eine geringe Gefühlskontrolle sind mit geringerer Ehezufriedenheit verbunden.
Kommunikation und der richtige Umgang mit Konflikten – Reden ist Gold
Mehr als Persönlichkeitseigenschaften tragen jedoch Merkmale zur Ehezufriedenheit bei, die sich innerhalb der Beziehung entwickeln. Dabei tragen vor allem die Kommunikation und der Umgang mit Konflikten zur Ehezufriedenheit bei.
Viele Paare entwickeln im Laufe der Beziehung Formen des Miteinanders, die tief greifende Konflikte gar nicht erst entstehen lassen. Falls dies doch einmal der Fall ist, können diese Paare auf bewährte Mechanismen der Kommunikation und der Problemlösung zurückgreifen: Sie tauschen sich häufiger aus und ihre Kommunikation ist stärker von positiven Gefühlsbewegungen wie Wärme, Einfühlungsvermögen und Zärtlichkeit begleitet. Sie stimmen sich häufiger zu, erleichtern sich gegenseitig die Kommunikation durch versöhnende und Interaktion begünstigende Handlungen (z.B. durch Humor, Akzeptanz und Themenwechsel im richtigen Moment). Sie tauschen weniger negative Inhalte aus (sarkastische und verächtliche Bemerkungen, Kritik und Vorwürfe) und reden seltener in einem abwertenden genervten Tonfall.
Gemeinsam gegen Probleme anzugehen, stärkt das Wir-Gefühl und wirkt als Stabilisator für die Partnerschaft. Dabei ist es wichtig, Stress beim Partner richtig erkennen und wahrnehmen zu können, seinen eigenen Stress verständlich und für den Partner nachvollziehbar auszudrücken, Unterstützung beim Partner zu suchen und diese auch anzunehmen.
Dazu ein Beispiel: Häufig sind es nicht die zehn Minuten, die der Ehemann zu spät kommt, die seine Frau wütend machen, sondern” tief drinnen “das Gefühl der Enttäuschung oder Angst, für ihn nicht mehr so wichtig zu sein. Gelingt es aber, dem Partner die Gründe des Ärgers verständlich zu machen, kann dieser auch besser verstehen, was denn an zehn Minuten Verspätung so schlimm ist.
Die wirklichen Ursachen herauszufinden ist oft schwierig; dies braucht Zeit und den Wunsch nach Veränderung. Gelingt es, dem Partner verständlich zu machen, was stört oder problematisch ist, kann dieser angemessen auf die Situation eingehen und entsprechend reagieren.
Unterstützung und gemeinsame Aktivitäten – besondere Bedeutung für Frauen
Einen wichtigen Beitrag zur Ehezufriedenheit im mittleren Lebensalter leisten nach eigenen Ergebnissen anhand von Daten der Interdisziplinären Längsschnittstudie des Erwachsenenalters (ILSE) das Erleben von Unterstützung durch den Partner und gemeinsame Aktivitäten. Gerade in Belastungsphasen verhindert Unterstützung den emotionalen Rückzug oder die Flucht in die Isolation oder Depression und stärkt die emotionale Bindung. Die erlebte Unterstützung durch den Ehemann trägt besonders zur Zufriedenheit der Frau bei. Dieser Zusammenhang ist bei den Männern geringer.
Gemeinsame Aktivitäten der Partner geben Gelegenheiten zum Austausch von Gefühlen und zur Kommunikation. Sie stärken somit die Identität als Paar. Dabei geht es nicht darum, alles immer gemeinsam zu tun, sondern darum, neben eigenen Aktivitäten bewusst gemeinsame Hobbys und Unternehmungen einzuplanen.
Erfolgsrezepte für die Ehe – Toleranz, Vertrauen, Liebe
Fragt man – wie die Münchner Arbeitsgruppe um Klaus A. Schneewind – Personen in langjährigen Beziehungen selbst nach dem Erfolgsrezept für ihre Ehe, so nennen diese mit jeweils über 40%” Toleranz/ Verständnis “,” Vertrauen/ Offenheit “und” Liebe “als die wichtigsten Kriterien. Jeweils zwischen einem Drittel und einem Viertel nennen” Konfliktlösung/ Kommunikation “,” gemeinsame Lebensbereiche “und” Solidarität/ Unterstützung “als wichtige Voraussetzungen.
Wie kommt es zur Trennung nach langjährigen Partnerschaften?
Scheidungsursachen – vielfältige Gründe für die Auflösung der Partnerschaft
Hinsichtlich der Gründe für eine Scheidung nach langjährigen Beziehungen werden zumeist die eigenen Persönlichkeitsveränderungen als positive Entwicklungsschritte bewertet, wohingegen die des Partners negativ akzentuiert werden. Insbesondere gilt der Mangel an Kommunikation, besonders der fehlende verbale Ausdruck positiver Gefühle, als ein zentraler Hinweis auf zunehmend weniger Gemeinsamkeit und Nähe und allmählicher Entfremdung.
Auch sexuelle Untreue wird bei älteren Ehepaaren ursächlich mit einer nachfolgenden Scheidung in Verbindung gebracht. Dabei wird grundsätzlich sowohl von vielen Männern als auch von den meisten Frauen die eheliche Sexualität als unbefriedigend eingeschätzt. Aber in den älteren Studien sind es fast nur die Männer, die dies als Ursache für ihr Trennungsbedürfnis angeben.
Weiterhin gelten veränderte Werthaltungen in Bezug auf die Bedeutung der Institution Ehe und der damit verbundenen geschlechtstypischen Arbeitsteilung gleichfalls als typische Gründe für Trennungen nach langen Ehejahren. Wie Untersuchungen des amerikanischen Scheidungsforschers Gottman zeigen, stellt die Scheidung das Ende eines längerfristigen Prozesses dar. Nach Unzufriedenheiten treten ernsthafte Auseinandersetzungen mit Gedanken an eine Scheidung auf; dann folgt häufig eine Trennung auf Probe und schließlich die endgültige Auflösung der Beziehung.
Scheidungsfolgen – Krise und Notwendigkeit der Neuorientierung
Als Folgen einer Scheidung nach langjähriger Ehe können starke emotionale Belastungen sowie ein vorübergehender Verlust von Wohlbefinden, Einschränkungen der körperlichen und seelischen Gesundheit, ein Mangel an Selbstbewusstsein und die Notwendigkeit der Umstrukturierung der bisherigen Identität als verheiratete Person auftreten. Die Scheidung nach langjähriger Partnerschaft stellt somit eine Krise dar, deren Bewältigung die Person auf verschiedenen Ebenen zu einer Neuorientierung herausfordert.
Wesentliche Aspekte, die zu einer Bewältigung dieses Ereignisses beitragen, sind der sozioökonomische Status, die Länge der Vorbereitung auf die Scheidung, eine externale Begründung des Scheiterns der Ehe (Verhalten des Partners, äußere Umstände) sowie die soziale Unterstützung durch Familie, Freunde und Bekannte.
Schlussfolgerungen
Dieser Beitrag soll dazu motivieren, die Wirkung von Veränderungen und Belastungen in Partnerschaften des mittleren Lebensalters nicht zu unterschätzen, der Partnerschaft jenen Wert im Leben zu gewähren, der ihr gebührt, und Probleme aktiv anzugehen. Wie gezeigt werden konnte, sind Kommunikation, soziale Unterstützung, gemeinsame Aktivitäten und ein gelungener Umgang mit Veränderungen und Belastungen auch im mittleren Erwachsenenalter ausschlaggebend für die Zufriedenheit mit der Partnerschaft. Darin liegt eine ermutigende Konsequenz: Auch nach einer langjährigen Beziehung ist es möglich, diese Kompetenzen zu erlernen, zu entwickeln und auszubauen.
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Autorin
Marina Schmitt, Dr. phil., geb. 1965, Studium der Psychologie und Gerontologie in Mainz und Heidelberg, wissenschaftliche Mitarbeiterin am Deutschen Zentrum für Alternsforschung (DZFA) in Heidelberg. Interessensgebiete: Partnerschaften im mittleren und höheren Erwachsenenalter, soziale Beziehungen und soziale Unterstützung, kritische Lebensereignisse.
Kontakt
Dr. Marina Schmitt
Erstellt am 23. November 2004, zuletzt geändert am 28. Januar 2010