„Warum fahren Papas Gefühle Achterbahn?“ – Hilfe für Familien im Umgang mit einer manisch-depressiven Erkrankung (bipolaren Störung)

Mehr Zeit für Kinder e. V.

„Warum fahren Papas Gefühle Achterbahn?“ – das ist nur eine der unzähligen Fragen, auf die Kinder von Eltern mit bipolarer Störung eine Antwort suchen. Das gleichnamige Buch, das der Verein Mehr Zeit für Kinder herausgebracht hat, hilft, Antworten zu finden.

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Eine bipolare Störung kann Familien stark verunsichern. Für die Patienten selbst und den Partner ist es schon schwer genug, mit den Gefühlsschwankungen zwischen selbstüberschätzender Euphorie und tiefer Traurigkeit umzugehen. Ist die Person auch noch Mutter oder Vater, steht sie vor einer zusätzlichen Herausforderung: Wie gehe ich in der Familie damit um? Wie erkläre ich meinen Kindern, was mit mir los ist? Daher steht bei diesem zweiteiligen, farbig illustrierten Buch nicht das Krankheitsbild, sondern das Familienleben mit der Erkrankung im Vordergrund.

In der Vorlesegeschichte im ersten Teil des Buchs erlebt Emma, wie die Erkrankung ihres Vaters seine Stimmungen, sein Verhalten und damit auch den Familienalltag aus dem Gleichgewicht bringt. Das beunruhigt sie sehr. Bipolare Störungen haben viele Gesichter und verlaufen in unterschiedlichen Höhen und Tiefen, aber die kleinen Leser machen die wichtige Erfahrung: „Ich bin mit vielen meiner Sorgen nicht allein!“ Auf ihre Fragen erhält Emma altersgerechte Antworten und Erklärungen, die auch anderen Kindern zeigen: Papa, Mama und ich können Hilfe im Umgang mit „verletzten Gefühlen“ bekommen. Und mit dieser Hilfe ist ein Familienalltag mit „normalen“ Höhen und Tiefen wieder möglich.

Sind Papas oder Mamas Gefühle aus dem Gleichgewicht geraten, ist es oft gerade das Alltägliche, das verunsicherten Kindern und Erwachsenen mit seinen gewohnten Ruhepunkten und Ritualen Halt und Orientierung gibt. Der zweite Teil des Buches bietet Eltern praxisorientierten Rat für den gemeinsamen Alltag und für erklärende Gespräche mit den Kindern.

„Betroffene beschreiben das Leben mit einer bipolaren Störung oft als eine Achterbahnfahrt der Gefühle. Diese Achterbahnfahrt zwischen Manie und Depression beeinflusst auch das Leben und die Gefühlswelt der Familie sichtbar und fühlbar. Das veränderte Wesen eines an einer bipolaren Störung erkrankten Elternteils verunsichert die Familie in unterschiedlicher Weise.

Den Partnern wird manchmal schneller als dem oder der Erkrankten klar: “Das sind keine gewöhnlichen Stimmungsschwankungen. Hier stimmt etwas nicht!” Insbesondere auf kleinere Kinder kann Mamas oder Papas unberechenbares Verhalten sehr verstörend wirken. Denn sie vertrauen bedingungslos auf die Verlässlichkeit der Eltern – auch wenn es um Mamas und Papas Reaktionen auf das eigene Verhalten geht.

Unausgesprochen gehen Kinder beispielsweise davon aus: “Wenn ich fröhlich bin und lache, freuen sich die Eltern auch.” Oder: “Wenn ich etwas falsch mache, sagen mir Mama und Papa: ´Das darfst du nicht!'” Diese “Verlässlichkeit” setzt die Erkrankung mit ihren zwischen Extremen schwankenden Stimmungen und Verhaltensweisen über kürzere oder längere Zeit außer Kraft.

In manischen Phasen klafft die Wahrnehmung einer bipolaren Störung in der Familie besonders stark auseinander. Was von den Erkrankten als Stimmungshoch empfunden wird, verursacht bei den (Ehe-)Partnern nicht selten Stress und Leid: Der unkontrollierbaren Gedankenflut des geliebten Menschen folgen mitunter “hemmungslose” Taten wie zum Beispiel Kaufrausch, provozierendes Verhalten am Arbeitsplatz oder im Verwandten-, Bekannten- und Freundeskreis. Das kann Familien finanziell, sozial und auch im eigenen Miteinander Schaden zufügen. Die Kommunikation fällt schwer. Depressionen werden durch das Schamgefühl über das eigene Verhalten, das beim Betroffenen zeitversetzt einsetzt, möglicherweise noch verstärkt.

Wie die Eltern brauchen auch Kinder Unterstützung im Umgang mit der Krankheit: damit wichtige Grundpfeiler für eine gesunde Entwicklung – Verlässlichkeit, Zuwendung, Vertrauen in die Eltern und in sich selbst – auch im Familienalltag mit bipolarer Störung gewährleistet sind.

In Zeiten, in denen beide Eltern stark mit sich und den Folgen der Krankheit beschäftigt sind, besteht die Gefahr, dass die Kinder zu kurz kommen. Eine mögliche Folge: Sie sind sich bei der Suche nach Erklärungen selbst überlassen. Ohne angemessene Information können Kinder das Wechselbad der Gefühle bei Papa und die damit verbundenen Sorgen von Mama, die ihnen doppelt Kummer bereiten, nicht richtig nachvollziehen. Gerade kleinere Kinder neigen dann völlig grundlos dazu, die Schuld bei sich selbst zu suchen. Zum Beispiel, wenn Papa so traurig ist, dass er nicht mehr aufstehen will, und Mama sich grämt, weil der Vater für alle sichtbar manchmal selbst wie ein Kind über die Stränge schlägt.

Das führt zu Fragen wie: “‘Ist Papa so traurig, weil ich den schönen, neuen Ball, den er mir geschenkt hat verloren habe?” Oder wie in Emmas Fall: “Weint Mama, weil Papa das Fahrrad gekauft hat, das ich mir so sehr gewünscht habe?” Bis hin zu einem Anliegen, das Kindern besonders schwer auf der Seele liegt: “Streiten sich die Eltern etwa meinetwegen?”

Kinder brauchen Antworten – auch auf unausgesprochene Fragen. Das Wissen “Ich bin nicht schuld. Papa/Mama verhält sich so, weil er/sie krank ist und für diese Krankheit gibt es eine Behandlung”, erleichtert und stärkt sie. Erklärungen der Eltern geben die nötige Sicherheit: “Auch wenn Papa oder Mama sich jetzt anders verhält und mich manchmal daran zweifeln lässt: Er/sie hat mich trotzdem lieb.”

Altersgerechte Informationen zu Auswirkungen und zum Umgang mit der Krankheit schaffen Verständnis: Das kann Betroffenen auch Schuld und Schamgefühle nehmen.

Dieser Text ist dem Buchratgeber: „Warum fahren Papas Gefühle Achterbahn?“ (Seite 26/27) entnommen.

Auf 38 Seiten nähert sich der Ratgeber dem Thema bipolare Störung kindgerecht und zuversichtlich an, thematisiert aber auch die Schattenseiten. Die zentrale Botschaft an betroffene Familien ist, sich Optimismus und Lebensfreude zu bewahren und gemeinsam erfolgreich gegen die Erkrankung zu kämpfen. Kurz: Ein Buch, das Mut macht.

Das Buch ist für 4,98 € erhältlich über  Mehr Zeit für Kinder e.V., Fellnerstr. 12, 60322 Frankfurt, Tel. 069/156896-0, E-Mail

Erstellt am 6. Oktober 2011, zuletzt geändert am 7. Oktober 2011