Trauern und trauern lassen – ist eine
Beerdigung etwas für Kinder?

Alexandra Krug

Verliert man einen Angehörigen oder andere geliebte Personen, ist diese schwere Zeit natürlicherweise mit viel Unsicherheit und zahlreichen Fragen verbunden. Wenn die Beerdigung ansteht, hadern gerade Eltern besonders mit sich und sind sich meist unsicher, ob sie ihr Kind dieser Ausnahmesituation aussetzen sollen. Schließlich gehen sie davon aus, dass eine Bestattungszeremonie einen negativen Einfluss auf die Psyche ihres Nachwuchses haben könnte. Dass es aber durchaus möglich und in den meisten Fällen sogar ratsam ist, Kinder in einer solchen Situation nicht auszuschließen, soll der folgende Artikel verdeutlichen.

Kinder verstehen mehr, als Eltern oft erwarten

Meist haben Eltern das natürliche Gefühl, ihre Kinder schützen zu wollen. Oft halten sie sie deswegen von vermeintlichen Negativerlebnissen, wie beispielsweise einer Bestattung, fern. Doch gerade wenn es sich um die Beerdigung eines nahen Verwandten – etwa der eigenen Großeltern – oder einer guten Bekannten, wie beispielsweise der besten Freundin der Mutter, handelt, kann es auch für Kinder hilfreich sein, sich zu verabschieden. Denn eine Beisetzung ist ein Abschluss, ist ein Abschied.

Dass gerade junge Menschen durchaus mit diesem schwierigen Thema umgehen können und dies auch können sollten, haben KinderbuchautorInnen bereits erkannt. Mittlerweile gibt es zahlreiche Kinderbücher, die ihre Zielgruppe an das Thema Trauer und Tod heranführen (z.B. "Ein Himmel für Oma"; "Adieu, Herr Muffin"; "Schaut Oma uns aus dem Himmel zu? Noemi und Benjamin fragen nach dem Tod"). Dies ist wichtig, da Kinder nicht selten damit in Berührung kommen – beispielsweise schon durch den Tod des geliebten Haustiers oder indem ein anderes Kindergartenkind oder Freunde einen Elternteil verlieren.

Kinder lernen früh, dass auch der Tod zum Leben gehört. Doch erst mit neun bis zwölf Jahren verstehen sie auch, dass er das unwiederbringliche Ende eines Lebens bedeutet. Bis zu diesem Alter gehen sie mit diesem Thema häufig weniger emotional, sondern sehr sachlich um. „Für Kinder im Vorschulalter ist der Tod nach wie vor reversibel: tot sein bedeutet Weggehen, ein Zurückkommen ist möglich. Leben und Tod können jederzeit getauscht werden, Verstorbenen wird das Denk- und Empfindungsvermögen nicht abgesprochen“ (Weiß 2006, S. 33f.). Kinder, die der Vorschule entwachsen sind, stellen meist interessierte Fragen – etwa nach dem Grund des Ablebens oder nach den biologischen Aspekten des Sterbens, wie beispielsweise: „Wie verändert sich ein Körper nach dem Tod?“ (vgl. Info-Broschüre 2010, S. 11f.). Hier ist wichtig, die Fragen mit Geduld und so wahrheitsgemäß wie möglich zu beantworten.

Kinder trauern anders als Erwachsene

Für Kinder ist der Umgang mit dem Tod meist wesentlich einfacher und selbstverständlicher als für Erwachsene. Sie versinken nicht in trübsinnigen Gedanken über den Sinn des Lebens oder die Nähe des eigenen Ablebens, sondern stellen sinnvolle und naheliegende Fragen, um das Geschehene unmittelbar verarbeiten zu können: Warum muss man eigentlich sterben? Sterben Mama und Papa auch bald?

Diese Fragen machen schon deutlich, dass sich Kinder – schon ab einem Alter von 4 Jahren – weit mehr mit dem Tod selbst auseinandersetzen wollen als mit den Geschehnissen auf einer Beerdigung. Ob sie also daran teilhaben oder nicht – Eltern müssen sich in jedem Fall die Zeit nehmen, die grundlegenden Fragen mit ihrem Nachwuchs zu besprechen. Doch die Teilnahme an einer Bestattungszeremonie hilft den Kindern zumindest dabei, die Endgültigkeit des Todes zu verstehen. Sie sehen, wie sich Bekannte von einem geliebten Menschen verabschieden und wie der Sarg oder die Urne im Grab untergebracht werden. So erfahren sie, was mit einem Menschen passiert, nachdem er verstorben ist. Und sie verstehen, warum die eigenen Eltern in den vergangenen Tagen so trübsinnig waren. Wird es ihnen hingegen zu viel, so wenden sie sich ab und tauchen in die ihnen bekannte und vertraute Welt des Spielens ein.

Auch wenn sie diese Umstände verstehen, verarbeiten Kinder diese Informationen also anders als ihre Eltern. Viele Erwachsene können nicht damit umgehen, dass die Trauer eines Kindes meist in Schüben auftritt. Vom einen auf den anderen Moment kann sich ihr Gefühlsleben also verändern; doch auch wenn alles in Ordnung zu sein scheint, ist dem nicht immer so. In jedem Fall müssen Eltern sehr viel Geduld mit ihren Kindern haben.

Ausnahmen

Grundsätzlich macht es durchaus Sinn, sich als Elternteil Gedanken darüber zu machen, ob das eigene Kind an einer Bestattungszeremonie teilnehmen sollte – denn jedes Kind ist anders! Ist also der jeweilige Sprössling besonders sensibel und empathisch, empfiehlt sich ein höheres Alter als 4 Jahre. Auch wenn Kinder grundsätzlich sachlich mit dem Thema Tod umgehen und einen Verlust im Grunde schneller überwinden als Erwachsene, gibt es doch einige empfehlenswerte Ausnahmen. Wann also ist es nicht sinnvoll, den eigenen Nachwuchs mit zu einer Beerdigung zu nehmen?

„Das Todeskonzept von Kindern in einem Alter von bis zu vier Jahren zu erheben, ist mit erheblichen Schwierigkeiten verbunden. Es wird vom Hindernis der Sprachbarriere gesprochen: eventuell haben schon sehr kleine Kinder eine Art von Todesvorstellung, können diese jedoch nicht ausdrücken und beschreiben, denn es fehlt die Fähigkeit, Gedanken und Vorstellungen zu verbalisieren“ (Weiß 2006, S. 33). Die Entscheidung, sie zu einer Beerdigung mitzunehmen, hängt natürlich stark vom jeweiligen Kind ab, im schlimmsten Fall stören sie aber nur die anderen Trauergäste. Anders sieht es bei Kindern ab einem Alter von 4 Jahren aus. Diese können durchaus an einer Beerdigung teilnehmen, denn „ist das Kind gut vorbereitet, hat es eine Vertrauensperson an seiner Seite und möchte es an der Beerdigung teilnehmen, gibt es keinen Hinderungsgrund“ (Info-Broschüre 2010). Je nachdem, wie gesittet und ruhig das Kind ist, können das unter Umständen lange Stillsitzen und die für sie unverständlichen Reden bei Trauerfeierlichkeiten kleinere Kinder allerdings in Stress versetzen – und damit natürlich auch die Eltern. In diesem Fall empfiehlt es sich, gemeinsam mit der Tochter oder dem Sohn separat Abschied zu nehmen, ein eigenes kleines Abschiedsritual abzuhalten. So könnte man, nachdem die Trauergäste die Beerdigungsfeierlichkeiten verlassen haben, gemeinsam noch einmal zum offenen Grab gehen – mit einem selbstgemalten Bild oder etwa der Lieblingsblume des/der Verstorbenen. Man kann dem Sprössling Gelegenheit geben und ihn dazu ermutigen, über den/die Verstorbene/n zu reden und dabei hören, was ein Kind bezüglich der Erinnerungen an diese/n oder bei dem Gedanken an dessen/deren Tod bewegt. Nicht jedes Kind ist aber sofort dazu in der Lage, an ein Grab zu treten. Einfacher kann es sein, macht man es von klein auf mit dem Tod vertraut, beispielsweise indem man hin und wieder einen Spaziergang auf einem schönen Friedhof unternimmt und dabei aufkommende Fragen beantwortet und gemeinsam nach Antworten sucht oder indem man ein bereits bestehendes Grab gemeinsam liebevoll pflegt.

Verstörend kann es für junge Menschen sein, wenn jemand – etwa durch einen Unfall oder gar durch Suizid – zu jung aus dem Leben geschieden ist. Wenn ein Tod aufgrund einer langen Krankheit oder aufgrund hohen Alters vorhersehbar ist und das Kind demnach schon darauf vorbereitet werden konnte, ist eine Verabschiedung am Grab meist natürliche Folge und kein großer Schock. Ist jemand aber plötzlich verstorben oder handelt es sich um einen Menschen, zu dem das Kind keinen engen Bezug hat, so sollten junge Menschen der Beerdigung fern bleiben dürfen.  

Doch auch in diesen Fällen kann es vorkommen, dass Kinder sich wünschen, Abschied zu nehmen. Diesem Wunsch sollte man in jedem Fall nachkommen, auch wenn das bedeutet, sich vor der Bestattung sehr intensiv mit seinem Nachwuchs auseinanderzusetzen und zu versuchen, etwas Unbegreifliches begreifbar zu machen.

Das richtige Vorgehen

Wie aber macht man etwas Unbegreifliches begreifbar? Wie bereite ich mein Kind auf einen solchen Anlass vor? Und wie gehe ich in Gegenwart meines Sohnes oder meiner Tochter überhaupt mit dem Thema Tod um? Dies alles sind gleichsam wichtige und schwierige Fragen. Fragen, auf die es in erster Linie nur eine grundsätzlich richtige Antwort gibt: Seien Sie immer ehrlich!

Der Umgang mit dem Thema Tod

Wenn Kinder nach dem Tod fragen, ist es stets wichtig, einfache Sprache zu verwenden und belastende, nicht essenzielle Details auszulassen. Wichtig dabei ist, wie bereits erwähnt, nur, dass Sie keine unnötigen Euphemismen verwenden. Denn dies kann gehörig nach hinten losgehen. Gewisse Ausdrucksweisen, die bei Erwachsenen meist gut anschlagen, können auf Kinder eine ganz andere Wirkung haben. So kann der Satz „Opa ist friedlich eingeschlafen“ kleinen Kindern durchaus Angst vor dem Einschlafen machen, da sie befürchten, anschließend nicht mehr aufzuwachen. Diese gut gemeinte Notlüge hilft Ihrem Kind ohnehin nicht dabei, den Tod zu verstehen; denn jemand, der eingeschlafen ist, wacht wieder auf!

Neben der Ehrlichkeit als Grundvoraussetzung ist es auch wichtig, Kindern beizubringen, wie man trauert. Denn das müssen sie in der Regel erst lernen! Und am besten lernen sie durch ihre Vorbilder – durch Mama und Papa. Verbergen Sie also ihre Trauer nicht, lassen sie ihr freien Lauf. Nur dadurch merkt Ihr Nachwuchs, dass es völlig in Ordnung ist, Gefühle zu zeigen und zu weinen. Und mit ihren feinen Antennen merken Kinder ohnehin, dass die eigenen Eltern bedrückter sind als noch am Tag zuvor.

Wichtig: Vor- und Nachbesprechung einer Bestattungszeremonie

Auch der Besuch einer Beerdigung kann dabei helfen, Ihrem Kind das richtige Trauern beizubringen. Wenn Sie aber beschließen, mit ihrem Sprössling gemeinsam Abschied von einem geliebten Menschen zu nehmen, ist es von großer Wichtigkeit, im Vorfeld zu besprechen, wie die Bestattung samt Trauerfeier ablaufen wird, was etwa auch die Funktion der Trauerkleidung ist oder was Aussprüche wie „Herzliches Beileid“ bedeuten und wer zu dieser Zeremonie erscheint. Ist ein Kind dazu bereit – das heißt, es entscheidet zu jedem Zeitpunkt selbst, was es tun möchte –, dann können Eltern gemeinsam mit ihm auch direkt am Sarg Abschied nehmen oder es Erinnerungsstücke in den Sarg legen lassen.

Selbstverständlich ist die Betreuung beziehungsweise Trauerbegleitung des eigenen Kindes eine große Aufgabe – gerade in einer Zeit, in der man auch mit der eigenen Trauer zu kämpfen hat. In jedem Fall kann es sehr hilfreich sein, wenn ein anderer Vertrauter – etwa der/die Pate/in des Kindes oder ein/e enge/r Freund/in der Eltern –, die/der nicht so stark von dem Trauerfall betroffen ist, helfend zur Seite steht. Auch für den Fall, dass es sich das Kind in letzter Minute anders überlegt oder von den Beerdigungsfeierlichkeiten überforderter ist als erwartet, kann eine helfende Hand, die mit dem Kind ohne großes Aufsehen die Bestattung verlässt, von Vorteil sein.

Sind die Beerdigung und die abschließende Trauerfeier überstanden, so ist es wichtig, das Geschehene in den darauffolgenden Tagen mit den Kindern nachzubesprechen. Was ist genau passiert? Welche Gefühle wurden dadurch ausgelöst? Gibt es offene Fragen oder gar Ängste? Ist dem so, so können auch diese mit Geduld, viel Feingefühl und vor allem ehrlichen Antworten verjagt werden. Denn Kinder verstehen mehr, als Eltern oft erwarten.

Literatur

  • Ennulat, Gertrud: Kinder trauern anders. Wie wir sie einfühlsam und richtig begleiten. 4. Aufl. Freiburg [u. a.] 2008.
  • Franz, Margit: Tabuthema Trauerarbeit. Kinder begleiten bei Abschied, Verlust und Tod. 3. Aufl. München 2008.
  • Kern, Tita; Rinder, Nicole; Rauch, Florian: Wie Kinder trauern. Ein Buch zum Verstehen und Begleiten. München 2017.
  • Nilsson, Ulf; Tidholm, Anna-Clara: Adieu, Herr Muffin. 2. Aufl. Frankfurt/Main 2010.
  • Schneider, Antonie; Gotzen-Beek, Betina: Ein Himmel für Oma. Ein Bilderbuch über das Sterben und den Tod. Münster 2010.
  • Voß, Birgit: Kinder in Trauer. Kinder beim Abschiednehmen begleiten. Saarbrücken 2012.
  • Voß, Elke: Schaut Oma und aus dem Himmel zu? Noemi und Benjamin fragen nach dem Tod. 2. Aufl. Neukirchen-Vluyn 2007.
  • Weiß, Sabine: Die Trauer von Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen um den verstorbenen Vater. Diss. München 2006. Online abrufbar unter: https://edoc.ub.uni-muenchen.de/7351/1/Weiss_Sabine.pdf (zuletzt abgerufen am 29. Juli 2019).
  • Der Schmerz kommt in Schüben. Wie Kinder trauern. Online abrufbar unter: https://www.br.de/themen/ratgeber/inhalt/familie/wie-kinder-trauern100.html (zuletzt abgerufen am 29. Juli 2019).
  • Info-Broschüre: Wie Kinder trauern. Kinder in ihrer Trauer begleiten. Durchgesehene und aktualisierte Neuauflage 2010. Hrsg. vom Diakonischen Werk der Evangelischen Kirche in Deutschland e.V. Online abrufbar unter: https://www.diakonie.de/fileadmin/user_upload/Diakonie/PDFs/Broschuere_PDF/kinder-trauern_2010.pdf (zuletzt abgerufen am 29. Juli 2019).

Autorin

Alexandra Krug, 81539 München

Der Text wurde erstellt in Zusammenarbeit mit dem Bestattungsinstitut Männer. Das Bestattungsinstitut Joachim Männer begleitet Trauernde durch die schwere Zeit des Abschieds und unterstützt bei der Ausgestaltung eines würdigen Abschlusses.  

 

eingestellt am 18. September 2019

 

Staatsinstitut für Frühpädagogik und Medienkompetenz
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