Distanz muss nicht gleich Trennung sein

Wie es gelingen kann, auch bei großer Entfernung und seltenem Kontakt Vater zu bleiben

Christian Niklis
Christian Niklis

Meine Kinder leben in Hamburg, ich selbst lebe in München. Zwischen uns liegt seit vielen Jahren ein ganzes Land. Mehr Distanz ist kaum möglich, ohne Deutschland zu verlassen.

Ich bin durch den Wegzug meiner Familie im Juli 2011 zum getrennten Vater geworden, wobei für mich die Betonung auf dem Vater liegt. Die 800 Kilometer Distanz zu meinen Kindern (einer Tochter und einem Sohn, heute 23 und 17 Jahre alt) sind immer wieder - bis heute - eine schwere Bürde für mich. Und der Gedanke, den Kontakt zu meinen Kindern einfach abzubrechen, um mich von dieser Bürde zu befreien, ist mir keineswegs fremd.

Im Folgenden möchte ich beschreiben, wie es gelingen kann, trotz einer großen Distanz zum Kind Vater zu bleiben. Ich meine nicht Vater auf dem Papier oder dem Kontoauszug - obwohl das auch dazu gehört - sondern Vater mit Leib und Seele und ganzem Herzen.

Besuche in den Schulferien und am Wochenende

Fast jeder kennt die beiden klassischen Modelle, die zum Tragen kommen, wenn es nach einer Trennung um die betroffenen Kinder geht. Zum einen wäre da das seltenere Wechselmodell, zum anderen das häufigere Residenzmodell. Beim Residenzmodell lebt das Kind in den meisten Fällen bei der Mutter, der getrennte Vater sieht sein Kind in regelmäßigen Abständen, zum Beispiel jedes zweite Wochenende.

Aber was ist, wenn der Vater sein Kind nur noch hin und wieder sieht, ohne Regelmäßigkeit, ohne Planbarkeit, ohne Zuverlässigkeit? Was geschieht, wenn die Entfernung zum Kind so groß ist, dass ein Besuch am Wochenende kaum noch lohnt? Wenn Besuche sich auf die Ferien beschränken und auch dann nicht regelmäßig stattfinden? Ich nenne dieses Residenzmodell deshalb das erschwerte Residenzmodell.

Beim erschwerten Residenzmodell kommt ein Besuch des Kindes beim Vater (oder umgekehrt) nur zustande, wenn sich Vater und Mutter rechtzeitig vorher auf einen Besuchstermin sowie auf die Modalitäten der Reise geeinigt haben. Dies setzt voraus, dass der Dialog zwischen dem getrennten Vater und der Mutter zumindest auf der sachlichen Ebene oder Elternebene einigermaßen funktioniert. Denn schließlich sollte Einigung erzielt werden zu folgenden Aspekten:

  • Wann findet der Besuch statt?
  • Wer kümmert sich um Flugtickets oder Bahnfahrkarten?
  • Wie werden die Kosten der Reise aufgeteilt?
  • Wenn das Kind zum Vater fährt: Was soll es im Gepäck haben?

Es setzt außerdem voraus, dass das Kind seinen Vater besuchen möchte, was keine Selbstverständlichkeit ist. Kinder haben einen eigenen Willen und eigene Vorstellungen, wie das Wochenende oder die Ferien verlaufen sollen. Irgendwann werden Freunde wichtiger als der Papa, und eines Tages kommt auch noch die erste Liebe ins Spiel. Dann sind sie nicht mehr bereit, sich einfach so in eine Abmachung zu fügen, die ihre Mutter und ihr Vater getroffen haben. Meine Erfahrung und die Lehre daraus sind, dass es unvernünftig wäre, diese Kindeswünsche einfach zu übergehen. Die Qualität der gemeinsamen Zeit gewinnt nicht, wenn diese Zeit erzwungen wird.

Die Entwöhnung - der Teufel im Detail

Je größer die Abstände zwischen den Besuchen sind, umso mehr spielt das Thema der Entwöhnung eine Rolle. Dass man sich als getrennter Vater von seinem Kind entwöhnt (und das Kind ganz sicher auch vom Vater), wenn man sich mehrere Wochen nicht gesehen hat, war für mich eine neue und auch sehr verwirrende Erfahrung. Ich musste feststellen, dass trotz der Vorfreude auf das Wiedersehen in den ersten Stunden des Zusammenseins die Nerven auf beiden Seiten etwas blank liegen konnten.

Es konnte passieren, dass Kleinigkeiten einen Streit ausgelöst haben, weil wir es einfach nicht mehr gewohnt waren, zusammen zu sein. Ich fühlte mich dann oft genervt, in meinen Gewohnheiten gestört oder unter Druck gesetzt, die bevorstehenden Tage mit Unternehmungen zu füllen und den Entertainer für meine Kinder zu spielen. Umgekehrt war es für meine Kinder ganz bestimmt auch nicht einfach, nicht bei ihrer Mutter und in ihrem gewohnten Umfeld zu sein.

Dies war umso verstörender, weil seltene Besuche sehr kostbar und deshalb mit einer hohen Erwartungshaltung – zumindest von meiner Seite – verbunden waren. Es sollte alles klappen, vom Anfang bis zum Ende. Und am Tag der Abreise sollten alle sagen können, dass es toll war. Dazu passten keine Gefühle wie Verärgerung oder Stress, und es passte ganz sicher keine Auseinandersetzung dazu.

Ich durfte im Zuge mehrerer Besuche lernen, dass diese hohe Erwartungshaltung meinerseits bei meinen Kindern überhaupt nicht existiert. Meine Kinder freuen sich einfach darauf, mich zu sehen, ohne irgendwelche Erwartungen zu haben. Sie wollen bei mir sein, und sie wollen sich bei mir willkommen, wohl und geborgen fühlen. Das kann bedeuten, dass sie damit zufrieden sind, stundenlang in meinem Wohnzimmer zu sitzen und zu lesen oder mit ihrem Handy zu spielen.

Es ist sehr befreiend zu wissen, dass die kostbare gemeinsame Zeit nicht durch Highlights und Action geprägt sein muss. Es genügt, einfach zusammen zu sein und Alltägliches miteinander zu tun – eben wie Zuhause. Das kann ein Ausflug in den Tierpark sein, aber auch der gemeinsame Einkauf von Lebensmitteln.

Kontakt zum Kind per Telefon und soziale Netzwerke

Wenige Tage, bevor meine Kinder von München nach Hamburg zogen, machten wir einen Deal: Wir telefonieren jeden Dienstag und Freitagabend. Meine Kinder waren damit einverstanden, auch wenn ich den Eindruck hatte, nur mir zuliebe. Denn tatsächlich war es mein Wunsch – oder eher mein Verlangen – diese Regelmäßigkeit zu vereinbaren. Viel zu groß war damals meine Angst, die Verbindung zu meinen Kindern zu verlieren.

Diese Telefonate liefen ein paar Wochen mit Regelmäßigkeit ab, bis eines Tages der verabredete Anruf meiner Kinder ausblieb. Ich wartete den ganzen Abend, aber das Telefon schwieg beharrlich. Zuerst wunderte ich mich, dann kam Ärger in mir hoch: „Verdammt, wir haben doch einen Deal! Was soll das?“.

Am nächsten Tag rief ich bei meinen Kindern an und fragte enttäuscht nach, warum sie sich nicht bei mir gemeldet hatten. Als Antwort bekam ich zu hören: „Wir wussten nicht, was wir erzählen sollen. Es gibt nichts Neues!“.

Ich erklärte meinen Kindern, dass das so nicht gedacht war. Verabredung ist Verabredung, und mir war es sehr wichtig, regelmäßig zu telefonieren. Mir saß noch immer die quälende Angst im Nacken, die Verbindung zu meinen Kindern beziehungsweise meine Kinder selbst zu verlieren.

Also machten wir weiter, jeden Dienstag und jeden Freitag. Und zwar so lange, bis mir selbst die Luft ausging. Irgendwann sah ich es kommen, wollte es aber nicht wahr haben. Bis ich es nicht mehr ignorieren konnte: Eines Tages hatte ich keine Lust, mit meinen Kindern zu telefonieren. Und was nun?

Auf der einen Seite riesige Angst, meine Kinder zu verlieren und auf der anderen Seite keine Lust, sie anzurufen. Ich war verzweifelt und hilflos, merkte aber, dass ich mich dieser Tatsache stellen musste. Ich realisierte, dass es nicht funktionieren kann, solche Telefonate nach Terminplan abzuarbeiten.

Ich sprach viel mit meiner heutigen Frau über mein Dilemma. Sie riet mir, mit meiner Tochter und meinem Sohn nur dann zu telefonieren, wenn mir auch danach war. Und umgekehrt galt natürlich: Meine Kinder sollten mich nur anrufen, wenn sie wirklich Lust dazu hatten.

Hört sich einfach und irgendwie natürlich an, aber würde das funktionieren? Ich spürte ganz deutlich, dass mir das Vertrauen in die Verbindung zwischen meinen Kindern und mir fehlte. Ich dachte, wenn die Regeln wegfallen, dann kommt es unweigerlich zum Kontaktabbruch.

Andererseits war mir klar, dass wir auf die bisherige Weise nicht weitermachen konnten. Ich musste die Zügel nicht nur locker lassen, sondern aus der Hand legen. Also teilte ich meinen Kindern mit, dass es zukünftig keine Regeln mehr geben sollte – NO DEAL. Telefonate zu festgelegten Zeiten sollte es zukünftig nicht mehr geben.

Es gab und gibt Zeiten, in denen hören meine Kinder und ich länger nichts voneinander. 2011 war das für mich völlig inakzeptabel, heute ist es absolut in Ordnung. Wenn wir heute telefonieren, dann tun wir das aus einem inneren Bedürfnis heraus oder weil wir etwas mitzuteilen haben. Und inzwischen habe ich auch gelernt, dass ich keine Angst haben muss, meine Kinder zu verlieren.

Das bevorzugte Kommunikationsmittel

Für die kurze und schnelle Kommunikation zwischendrin gibt es heutzutage grenzenlose Möglichkeiten. Ich gehöre einer Generation an, die ohne Handy aufgewachsen ist. An erster Stelle steht bei mir noch immer das persönliche Gespräch.

Eine SMS zu schreiben ist in meinen Augen umständlich und irgendwie nervig. Es dauert viel zu lange, einen korrekt formulierten Satz in diese Miniatur-Tastatur zu tippen. Trotzdem nahm ich hin und wieder mein Handy und schickte kurze SMS-Nachrichten, bekam aber nur selten eine Reaktion von meiner Tochter oder meinem Sohn. Und selbst wenn meine Kinder sich meldeten, vergingen darüber mehrere Tage. Irgendwann sprach ich sie darauf an.

Ihre Antwort war: „Ach Papa, SMS nutzt doch heute kein Mensch mehr. Wir sind alle in WhatsApp!“. Wie bitte?

Obwohl ich wirklich kein Freund davon war, bin ich inzwischen ein echter Freund davon geworden! Warum? Weil ich per WhatsApp wenigstens Antworten von meinen Kindern bekomme, und zwar umgehend. Ich bin erstaunt, wie schnell meine Kinder reagieren, wenn ich per WhatsApp eine Frage schicke oder etwas mitteile.

Man kann über soziale Netzwerke geteilter Meinung sein, man kann stundenlang über Sicherheitslücken und Privatsphäre philosophieren, und man kann von den guten alten Zeiten schwärmen, in denen alles viel besser war. Aber wenn die Kommunikation mit dem Kind einigermaßen funktionieren soll, dann empfehle ich, sich ein Nutzerkonto einzurichten. Wo und wie? Fragen Sie Ihr Kind!

Kommunikation mit der Mutter des Kindes

Möchte ein getrennter Vater mit seinem Nachwuchs telefonieren oder das nächste Wiedersehen planen, bleibt in der Regel nur der Weg über die Mutter. Ab einem gewissen Alter oder vielmehr Entwicklungsstand seines Kindes kann ein Vater natürlich ohne Probleme den Kontakt direkt aufnehmen. Aber bis dahin – bis zu einem geschätzten Alter von ungefähr 15 Jahren – führt der Weg unweigerlich über die Mutter.

Es gibt noch viele weitere Gründe, die eine Kommunikation mit der Mutter erforderlich machen können. Es kann sich zum Beispiel um finanzielle Themen oder um Erziehungsfragen drehen. Oder vielleicht möchte der Vater sich über die Entwicklung seines Kindes, über dessen schulische Leistungen oder andere Neuigkeiten erkundigen.

Ich gehe an dieser Stelle davon aus, dass die Kommunikation mit der Mutter funktioniert – mehr oder weniger – mal so, mal so – mehr schlecht als recht. Ich unterstelle einfach mal, dass das in den meisten Fällen so läuft.

Was meine ich mit einer Kommunikation, die mehr oder weniger funktioniert? Zunächst einmal denke ich dabei an die Häufigkeit oder noch mehr die Regelmäßigkeit. Als getrennter Vater hängt man am Informationstropf der Mutter. Die Mutter bekommt alles mit, was sich beim Kind tut. Sie erlebt hautnah alle Freuden und Leiden, ist in die allermeisten Themen eingebunden und hat Informationen aus erster Hand.

Und der Vater? Durch die Trennung wird er von diesem Informationsfluss regelrecht abgeschnitten. Wenn keine regelmäßige Kommunikation zwischen Mutter und Vater passiert, dann steigt die Gefahr der Entfremdung zwischen Vater und Kind drastisch an. Der Vater bekommt nichts mehr mit, hat keine Ahnung und ist irgendwann komplett außen vor.

Die regelmäßige Kommunikation mit der Mutter ist deshalb – zumindest bei kleinen Kindern - absolut notwendig, um als Vater an Bord zu bleiben. Sonst kann es passieren, dass man irgendwann nicht einmal mehr in der Lage ist, für sein Kind ein Geburtstagsgeschenk auszusuchen, weil man keine Ahnung hat, wofür es sich gerade begeistert.

Somit würde ich an allererster Stelle die Regelmäßigkeit der Kommunikation nennen. Aber genügt alleine schon eine regelmäßige Kommunikation, um als getrennter Vater einen möglichst umfassenden Einblick in das Leben seines Kindes zu erhalten und zu behalten?

Nein, es genügt nicht, nur regelmäßig zu kommunizieren, sondern es kommt auch auf die Qualität der Kommunikation an. Hiermit meine ich die Objektivität, die Vollständigkeit und die Richtigkeit der Informationen oder Botschaften.

Die Gefahr ist sehr groß, dass durch einseitige, lückenhafte oder falsche Berichte ein Bild aufgebaut wird, das mit der tatsächlichen Lebenssituation des Kindes überhaupt nichts zu tun hat. Es spielt auch keine Rolle, ob das bewusst – verbunden mit einer Absicht – oder unbewusst geschieht. Denn so oder so ist der Schaden für die Vater-Kind-Beziehung enorm.

Väter tragen hierbei übrigens die Verantwortung, sich ernsthaft zu interessieren, aufmerksam zuzuhören und die richtigen Fragen zu stellen. Ich formuliere es so: Väter haben die Holschuld und Mütter die Bringschuld. Nur wenn beide ihre Aufgabe gewissenhaft erledigen, kann man von einer gelungenen Kommunikation sprechen.

Stolpersteine und Falltüren

Somit steht neben der Regelmäßigkeit auch noch die Qualität der Kommunikation. Hört sich doch ganz einfach an, wenn da nicht diese blöden Emotionen wären, die ständig dazwischen funken und alles so kompliziert machen. Aber warum ist es eigentlich so kompliziert?

Weil man nicht nur als Mutter und Vater miteinander kommuniziert, sondern auch als Ex-Eheleute, Ex-Liebhaber, Ex-Partner, Ex-Freunde, Ex-Mitbewohner oder Ex-Vertraute. Als Vater und Mutter käme man vermutlich gut miteinander klar, aber die anderen mischen auch noch mit, entweder einzeln oder im schlimmsten Fall alle zusammen.

Diese kleine Vorsilbe „Ex“ ist eng verbunden mit Verletzung, Enttäuschung, Frustration, Traurigkeit, Wut und Hass. Da kann es passieren, dass die Kommunikation zwischen Vater und Mutter immer wieder in dieselbe Ecke abdriftet, sodass der eigentliche Grund des Anrufs vollkommen in Vergessenheit gerät und schlussendlich außer gegenseitigen Schuldzuweisungen kein Austausch möglich ist. Kein Wunder, wenn unter solchen Umständen die nächste Kontaktaufnahme erst nach vielen Tagen oder Wochen geschieht.

Das ist natürlich fatal, wenn es eigentlich um die pubertären Kapriolen der Tochter gehen soll, aber letztendlich nur mit der emotionalen Keule aufeinander eingedroschen wird. Dass dabei in erster Linie das Kind und sein Wohlergehen auf der Strecke bleiben, brauche ich wohl nicht ausdrücklich zu erwähnen. Und dass darunter auch die Vater-Kind-Beziehung massiv leidet, weil die Mutter zur unüberwindbaren Hürde wird, ist ebenfalls nachvollziehbar.

Einen Versuch ist es wert

Meine Erfahrung ist, dass an erster Stelle die eigene Motivation überprüft und eventuell nachjustiert werden muss: Was ist mein eigentlicher Beweggrund für die Kontaktaufnahme? Geht es mir wirklich nur darum zu erfahren, wie es um mein Kind steht oder wann das nächste Treffen möglich ist? Oder ist das nur der Vorwand, um in Wirklichkeit meiner Ex-Frau mal so richtig die Meinung zu geigen?

Und es ist ebenfalls wichtig, diesen Beweggrund gleich zu Anfang der Kommunikation hervorzuheben. Es sollte beiden – Vater und Mutter – klar sein, warum das Telefonat stattfindet oder warum die E-Mail geschrieben wird. Nichts ist belastender, als die ganze Zeit darüber zu spekulieren, was der andere denn eigentlich will und permanent auf Schlimmeres gefasst zu sein.

Dieser Beweggrund gibt der Kommunikation einen Rahmen, in dem man sich hoffentlich einigermaßen entspannt und sicher bewegen kann. Und wenn Vater und Mutter es schaffen, bei der Sache zu bleiben und im Anschluss das Gespräch höflich zu beenden, dann macht das Mut für die nächste Kontaktaufnahme.

Ich bringe hier den Begriff der Gesprächshygiene ins Spiel: Kommunikation frei von Angriffen, Verletzungen, Klagen und sonstigen Nebensächlichkeiten. Kommunikation, die dem Wohl des Kindes und der Eltern-Kind-Beziehung dient.

Entfremdung zwischen Vater und Kind

Es geht an dieser Stelle um die verstörende Erkenntnis, dass man als Vater sein eigenes Kind nicht mehr richtig kennt. Und es geht um das Gefühl, zu seinem Kind keine innige Beziehung mehr zu haben.

Der Begriff „Entfremdung“ beschreibt nur sehr ungenügend, wie es sich anfühlt, wenn man mit seinem Kind zusammen ist und plötzlich diese Traurigkeit darüber spürt, dass man eigentlich keinen Kontakt mehr hat, nicht verbunden ist, keinen Draht zueinander findet.

Vermutlich kennt so gut wie jeder erwachsene Mensch das Thema „Entfremdung“. Man trifft einen alten Freund oder früheren Kollegen und weiß nicht mehr so recht, was man miteinander reden soll. Das ist für niemanden wirklich verwunderlich, schließlich hatte man sich schon seit langer Zeit nicht gesehen und nichts voneinander gehört.

Aber das eigene Kind? Keine gemeinsamen Themen? Kein Draht zueinander? Keine Vertrautheit? Nicht wissen, was man miteinander reden soll? Damit rechnet vermutlich kein Vater, wenn er nach mehreren Wochen den ersehnten Besuch bekommt. Dieses Gefühl der Entfremdung kommt aus heiterem Himmel und trifft einen Vater völlig unvorbereitet. Dementsprechend hilflos und überfordert ist er auch damit.

Entfremdung kann übrigens auch durch massive äußerliche Veränderung des Kindes entstehen. Gerade während der Pubertät können sich junge Menschen so sehr verändern, dass man sein eigenes Kind kaum wieder erkennt. Das ist gerade für getrennte Väter sehr belastend, weil sie den Prozess der Veränderung nicht oder nur zum Teil miterleben.

Ursachen für die Entfremdung

Der Grad der Entfremdung hängt natürlich stark von der Häufigkeit und Regelmäßigkeit der einzelnen Kontakte ab. Je öfter und ausführlicher man sich austauscht, umso weniger oder  langsamer entfremdet man sich voneinander. Aber nach meiner Erfahrung ist es eine Illusion zu glauben, man könnte, wenn man nur häufig genug miteinander telefoniert, einer Entfremdung dauerhaft vorbeugen. Denn gemeinsames Erleben kann nicht durch ein Telefonat oder einen Post in Facebook ersetzt werden.

Was ist denn eigentlich die Ursache für die Entfremdung zwischen Vater und Kind? In erster Linie kommt die Entfremdung daher, dass die große räumliche Entfernung sowie seltene Kontakte zwischen den beiden zu einer Störung der natürlichen Beziehung führen, die idealerweise sehr eng und intensiv ist.

Diese Störung in der Beziehung führt dazu, dass gemeinsames Erleben und Erfahren kaum noch gegeben ist. Die individuelle Entwicklung des einen kann vom anderen nicht mehr beobachtet, miterlebt und verstanden werden. Es gibt immer weniger verbindende Erlebnisse, verbindende Orte oder verbindende Menschen.

Die fehlende Möglichkeit gegenseitiger Anteilnahme ist es also, die zur Entfremdung führt. Und wenn man es dann miteinander zu tun bekommt, zum Beispiel während eines gemeinsamen Wochenendes, dann fragt man sich: Wer ist denn der andere? Was ist ihm wichtig? Was macht ihm Freude? Was interessiert ihn? Was will er, was nicht? Worüber können wir sprechen, worüber nicht?

Je stärker die Entfremdung fortgeschritten ist, umso mehr Fragen stellen sich, und umso mehr Antworten bleiben aus. Das wiederum ruft Gefühle hervor, welche im harmlosen Fall einfach nur Ratlosigkeit sind. Es können aber auch Gefühle der Wut, der Frustration und des Ärgers sein. Wie auch immer, diese Gefühle machen es nicht gerade leicht, ein paar schöne Stunden miteinander zu genießen.

Entfremdung als Chance

Was kann ein Vater tun, wenn er spürt, dass er seinem Kind entfremdet ist? In meinen Augen kann er es zunächst einmal schlicht und ergreifend akzeptieren. Wenn er sein Kind schon lange nicht mehr gesehen und keinen Kontakt gehabt hat, ist es doch kein Wunder, wenn diese innige Vertrautheit, die er vielleicht noch von früher kennt, verschwunden ist.

Natürlich tut es weh, aber warum sollte es mit dem eigenen Kind anders sein als mit einem guten alten Freund oder einem früheren Arbeitskollegen? Es gibt da zwei Menschen, die haben sich in den letzten Wochen oder Monaten individuell weiterentwickelt, ohne dass der eine vom anderen viel mitbekommen hat. Man nennt das auch „Auseinanderleben“. Woher soll da die Nähe und Verbundenheit kommen?

Als Vater sollte man möglichst  gelassen bleiben, nicht nach einem Schuldigen suchen und auch niemandem Vorwürfe machen – auch sich selbst nicht. Vielleicht kann man diesen ungeliebten und unerwünschten Zustand sogar als Ansporn verstehen oder als Einladung?

Ich verstehe das so, dass für den Vater und sein Kind die Einladung im Raum steht, aufeinander neugierig zu werden und sich wieder neu kennenzulernen. Wenn meine Kinder mich besuchen oder wir uns irgendwo treffen, dann hat das auch immer ein wenig von einem Neuanfang. Diese Neuanfänge sind das pralle Leben, voller Gefühle und mit einer innigen Nähe. Ich würde es mit einer Perlenkette vergleichen: Die Perlen sind die Neuanfänge, dazwischen ist ein ziemlich dünner Faden. Aber was wirklich zählt: Die Kette reißt nicht.

Und um beim Bild der Perlenkette zu bleiben: Falls sie doch einmal gerissen ist, lässt sie sich in vielen Fällen wieder flicken. Man sagt dazu auch Anknüpfen, was sowohl auf die Beziehung zwischen zwei Menschen wie auch auf eine Perlenkette zutrifft.

Familienfeiern und Festtage

Viele getrennte Väter kennen vielleicht im Vorfeld zu Familienfeiern und Festtagen und auch an den Festtagen selbst folgende Gefühle: Zurückweisung, Traurigkeit, Wut und Einsamkeit. Was macht es denn für getrennte Väter so schwer, im Zusammenhang mit solchen Festtagen nicht zu verzweifeln? Welche Strategien gibt es aus meiner Sicht, nicht in den Alkohol oder in eine andere Stadt flüchten zu müssen? Wie können diese Tage auch für getrennte Väter ein Grund zum Feiern sein?

Zunächst einmal ein paar Gedanken zu der Frage, was es für getrennte Väter so schwer macht. Zum einen liegt es wahrscheinlich daran, dass man es von früher so kennt: Traditionell feiern Eltern solche Feste mit ihrem Kind gemeinsam. Alle sind zusammen, gestalten miteinander den Tag und den Ablauf des Festes. So war das schon mit den eigenen Eltern, und so sollte es auch mit dem eigenen Kind sein.

Trotz der verklärten Romantik und der anstrengenden Momente sind solche Feste auch immer etwas Besonderes im ansonsten eher gleichförmigen Alltag. Man verbringt Zeit miteinander, lässt sich gutes Essen schmecken, erzählt sich die neuesten Geschichten und frischt auf diese Weise die vielleicht etwas eingeschlafene Verbundenheit wieder auf. Familienfeiern können Wärme und Geborgenheit schenken – wenn man daran teilnimmt.

Die Rolle der Kindsmutter

Was aber einem getrennten Vater wohl am meisten zusetzt ist das Wissen, dass die Mutter des Kindes solche Festtage nicht alleine verbringen muss. Während man selbst nur einen Haufen sentimentaler Erinnerungen hat und mit seiner Traurigkeit alleine ist, feiert die Mutter Weihnachten oder Geburtstag mit dem gemeinsamen Kind. Sie kann genießen, was einem selbst verwehrt bleibt. Und da soll man als getrennter Vater noch guter Dinge sein?

Wenn es gelungen ist, zur Mutter des Kindes eine gute Beziehung zu erhalten und eine ausgewogene Besuchsregelung auch für solche Festtage aufzustellen, dann ist man rein statistisch gesehen nur jeden zweiten Geburtstag und jedes zweite Weihnachten ohne sein Kind. Das ist eine faire Vereinbarung, und damit ist es auch zu verkraften, wenn das Kind – jedes zweite Fest - bei seiner Mutter feiert.

Gibt es diese faire Vereinbarung aber nicht, dann muss Jahr für Jahr neu verhandelt werden, und zwar nicht nur mit der Kindsmutter, sondern ab einem gewissen Alter auch mit dem Kind selbst. Wie ich bereits erwähnt habe, lassen ältere Kinder nicht mehr einfach so über sich bestimmen. Freunde werden mit der Pubertät allmählich wichtiger als die Eltern, und Besuche beim Papa stehen nicht unbedingt ganz oben auf der Liste. Dann bleibt man als getrennter Vater eben an Weihnachten alleine, weil das Kind keine Lust hat zu kommen. Aus Sicht des Kindes nur allzu verständlich, aus Sicht des Vaters aber eine ziemlich harte Nuss.

Wie lässt sich diese harte Nuss knacken? Ich habe selbst die Erfahrung gemacht, dass es hilft, den Blick auf das zu richten, was in meinen Augen wirklich von Bedeutung ist. Ich habe festgestellt, dass es zwar schön und willkommen ist, wenn mich meine Kinder besuchen, ihr Wohlergehen aber sehr viel wichtiger für mich ist. Ich kann damit leben, wenn meine Kinder nicht bei mir sind, aber ich kann in keinster Weise damit leben, wenn es ihnen schlecht geht.

Wenn die Bedürftigkeit nicht wäre

Ich traue mich mal zu behaupten, dass der Nussknacker darin liegt, die eigene Bedürftigkeit wahrzunehmen und sich davon zu befreien.

Was meine ich mit Bedürftigkeit? Wenn es mir nur mit meinem Kind zusammen gut geht oder ich nur in der Gegenwart meines Kindes fröhlich sein kann, dann macht mich das bedürftig nach meinem Kind. Wenn die Quelle meiner Fröhlichkeit aber nicht in meinem Kind liegt, sondern in mir selbst, dann gibt es auch keine Bedürftigkeit. Dann geht es mir gut, wenn mein Kind bei mir ist, und es geht mir gut, wenn es nicht bei mir ist.

Mir ist klar, dass der Begriff „Bedürftigkeit“ im Zusammenhang mit dem eigenen Kind nicht ganz passend ist. Selbstverständlich hat man sein Kind gerne um sich, und natürlich geht es einem Vater oder einer Mutter nicht so blendend damit, wenn das Kind weit weg ist. An dieser natürlichen Bedürftigkeit ist nichts verkehrt, aber sie wird problematisch, wenn man davon abhängig ist, dass sie gestillt wird.

Es geht also darum, eine Abhängigkeit aufzulösen und zu erkennen, dass das eigene Befinden unabhängig davon ist, ob man alleine ist, oder ob man mit guten Freunden, mit Kollegen, den Eltern, den Nachbarn oder seinem Kind zusammen ist.

Könige und Krieger

Wenn man das schafft, kann man Weihnachten oder jedes andere Fest ohne sein Kind verbringen. Und nicht nur das, man kann auch selbst feiern, vielleicht mit seinem Kind im Laufe des Tages telefonieren und ihm von Herzen ein schönes Fest sowie alles Gute wünschen. Dies ist die Fähigkeit eines Königs, finde ich.

Ich will damit aber nicht ausdrücken, dass der Vater in Zukunft jedes Jahr der König ist, während die Mutter mit dem Kind feiert. Wenn es dieses Jahr so ist, dann sollten im kommenden Jahr die Rollen vertauscht sein, denn einer Mutter steht die Rolle der Königin ebenfalls gut zu Gesicht. Dafür sollte ein Vater sich einsetzen, wobei ihm aber eher der innere Krieger hilft, weniger der König.

Abschließend möchte ich noch erwähnen, dass es unter Umständen auch denkbar wäre, das eine oder andere Familienfest gemeinsam zu feiern. Warum immer darüber verhandeln, wer in den Genuss des Kindes kommen soll, wenn es auch anders geht?

Abbruch der Verbindung zum Kind - reiner Selbstschutz?

Im Laufe der Jahre, in denen meine Kinder in Hamburg leben, sind viele Ereignisse geschehen, an denen ich nicht teilhaben konnte. Von so manchem Ereignis habe ich erst im Nachhinein erfahren, von einigen weiß ich vermutlich bis heute nichts. Die Entwicklung meiner Kinder ist im Großen und Ganzen buchstäblich an mir vorbei gegangen.

Es gab und gibt Momente, in denen ich es so empfinde, als wäre mir das Vater-Sein gestohlen worden. Eine bedeutende Phase in meinem Leben – im Leben eines Mannes – die für immer fehlt. Die Lücke, welche dadurch aufgerissen worden ist, ist riesig und kann durch nichts gefüllt werden.

Der Schmerz darüber ist manchmal so groß, dass ich denke, es wäre leichter für mich, den Kontakt zu meinen Kindern ganz abzubrechen. Einfach nichts mehr von ihnen hören und sehen, und vielleicht wäre irgendwann der Abstand zu ihnen, zu meinen Gefühlen und Erinnerungen groß genug. Vielleicht wäre ich irgendwann schmerzfrei!

Es gibt mehr als einen Weg

Vater-Sein kann viele Gesichter haben: Es gibt nicht nur einen Weg, die Rolle des Vaters auszufüllen, sondern viele verschiedene. Jeder dieser Wege hat seine Berechtigung, jeder kann der richtige Weg sein. Es gibt auch keinen Halb-Vater oder Voll-Vater, abhängig von der Häufigkeit der Kontakte.

Vater-Sein bedeutet in erster Linie, von Herzen mit seinem Kind verbunden zu sein. Vater-Sein ist ein Gefühl, das man in sich trägt und das zu einem großen Teil aus Liebe besteht. Diese Liebe zum Kind ist die Kraft, die es ermöglicht, den Schmerz über den Verlust zu halten. Und diese Liebe ist es auch, die einen Kontaktabbruch niemals zulässt.

Ich versuche, meine Rolle als Vater so zu gestalten, wie es mir möglich ist und wie ich es für richtig halte. Mag sein, dass der Rahmen, in dem ich mich bewegen kann, kleiner ist als bei anderen Vätern. Und womöglich kann ich viele Geschichten nicht teilen, die andere Väter erzählen. Aber das, worauf es wirklich ankommt, ist uneingeschränkt und jederzeit vorhanden: Vaterliebe!

Alleine der Gedanke, meinen Kindern einen Kontaktabbruch anzutun, ist für mich vollkommen undenkbar. Es sieht zwar auf den ersten Blick nach reinem Selbstschutz aus, aber in Wirklichkeit wäre es schwach, feige und sehr grausam. Zunächst vielleicht nur für meine Kinder, aber am Ende ganz bestimmt auch für mich selbst!

Freund oder Erziehungsberechtigter?

Als getrennter Vater fühlt man sich oft in der Rolle eines Beobachters. Ich selbst erlebe meine Kinder leider nur punktuell, aber bei jeder Begegnung erkenne ich bei ihnen Verhaltensweisen oder Denkmuster, die mir neu und vielleicht sogar fremd sind.

Ich gebe es ganz offen zu, dass ich mich ab und zu bei dem Gedanken ertappe: „Von wem hat mein Sohn das? Von mir nicht!“. Oder auch: „Wenn ich mehr Einfluss auf meine Tochter hätte, dann wäre sie jetzt anders!“.

Solche Gedanken entbehren jeglicher Grundlage, denn mit einem Kind wächst ein eigenständiger Mensch heran. Natürlich wird dieser Mensch durch seine Eltern geprägt, aber nicht ausschließlich. Es spielen auch andere Umweltfaktoren eine Rolle, und über den Einfluss dieser Faktoren forschen und diskutieren seit Jahrzehnten Wissenschaftler weltweit. Klar ist jedoch, dass bereits bei der Geburt des Kindes viele Wesenszüge und Charaktereigenschaften genetisch angelegt sind. Darauf haben weder Mutter noch Vater noch das Kind selbst einen Einfluss.

Es ist also reichlich vermessen, wenn ein Vater behauptet, allein die Erziehung der Mutter hätte das Kind ängstlich oder phlegmatisch gemacht. Und es ist noch vermessener, wenn er sagt, er hätte verhindern können, dass das Kind ängstlich oder phlegmatisch wird.

Was aber in jedem Fall bleibt, ist das eigenartige Gefühl, nur ein Beobachter zu sein. Eigenartig deshalb, weil man als Vater gerne auf die Entwicklung seines Kindes Einfluss haben möchte und als Erziehungsberechtigter auch haben soll. Aber wie viel Einfluss ist denn möglich, wenn man nur an wenigen Tagen im Jahr Kontakt zu seinem Kind hat?

Auch wenn man als getrennter Vater per Gesetz erziehungsberechtigt ist, stellt sich trotzdem die Frage, ob man denn sein Kind noch erziehen kann oder die wenigen Stunden des Miteinanders überhaupt für leidige Erziehungsfragen nutzen soll. Ist man als getrennter Vater auch noch Erzieher, oder ist man besser ein Freund seines Kindes?

Die Erziehungsaufgabe ist keine Option

Grundsätzlich braucht ein Kind für die gesunde Entwicklung beide Elternteile, also Mutter und Vater. Die Rollen zwischen den Eltern sind unterschiedlich verteilt, was durch Kultur, Religion, Bildung, gesellschaftlichen Status und andere Aspekte bedingt ist. Aber eine Mutter kann niemals einen Vater ersetzen und ein Vater keine Mutter. Deshalb dient es dem Kindeswohl nicht, wenn sich ein getrennter Vater aus der Erziehung zurückzieht, weil er denkt, er hat sowieso keinen Einfluss mehr.

Ich erlebe es ab und zu, dass ich bei einem meiner beiden Kinder Verhaltensweisen bemerke, die ich als Vater nicht gutheißen kann. Ich stelle mir dann schon die Frage: „Genieße ich lieber das Wochenende mit meinem Kind und sehe über das Thema hinweg, oder spreche ich mit ihm darüber und riskiere eine problematische Situation?“.

Nach meiner Erfahrung gibt es in solchen Fällen keine allgemeingültige Lösung. Es hängt zum einen davon ab, um welches Thema es sich handelt und wie gewichtig es in meinen Augen ist. Zum anderen hängt es von der momentanen Situation, meiner Stimmung und auch der Stimmung meines Kindes ab.

Grundsätzlich würde ich aber sagen: Kneifen gilt nicht!

Wenn es sich um ein Thema handelt, welches wichtig für die Entwicklung und das Wohlergehen des Kindes ist, dann muss ein Vater das Gespräch suchen. Es geht hierbei nicht nur darum, dass er seiner Vaterrolle beziehungsweise seiner Erzieherrolle gerecht wird. Es geht auch darum, dass das Kind einen legitimen Anspruch darauf hat, von beiden Eltern erzogen zu werden.

Es kann sogar sein, dass ein Vater sich strafbar macht, wenn er sein Kind nicht vor bestimmten Situationen bewahrt oder es daran hindert, bestimmte Dinge zu tun. Gerade Jugendliche können, wenn sie sich im falschen Freundeskreis bewegen, auf die dümmsten Gedanken kommen und sich dabei ernsthaft gefährden oder strafbar machen. Eines von vielen Beispielen ist der Umgang mit Drogen. Wenn ein Vater davon erfährt, ist er in der Pflicht, sofort zu handeln.

Wie sag ich´s meinem Kinde?

Solche Gespräche können richtig anstrengend und nervenaufreibend sein, denn vermutlich wird ein Vater nicht immer auf offene Ohren und Verständnis bei seinem Kind stoßen. Ich habe es schon erlebt, dass Stunden für ein solches Gespräch nötig waren. Das ist natürlich bitter in Anbetracht der kurzen Zeit, die bei unseren Treffen zur Verfügung steht. Da wäre es wirklich bequemer, auf die Diskussion zu verzichten und stattdessen den Tag zu genießen.

Für einen getrennten Vater tut sich dabei noch ein ganz anderes Risiko auf: Es geht nicht nur um das aktuelle Treffen, welches vielleicht unter dem schwierigen Thema leidet. Es geht auch um zukünftige Treffen, die eventuell in Gefahr geraten, weil das Kind keine Lust auf schwierige Gespräche mit dem Papa hat. Dann wird der Papa eben nicht mehr besucht, wenn er immer so nervt.

Hierbei wird deutlich, dass ein getrennter Vater für ein schwieriges Gespräch mit seinem Kind sehr viel mehr Diplomatie und Einfühlungsvermögen, aber auch Mut und Entschlossenheit benötigt als die Mutter des Kindes. Denn es steht viel mehr auf dem Spiel, was dann auch nicht mal eben am nächsten Tag wieder bereinigt werden kann. Umso wichtiger ist die sorgfältige Abwägung der Notwendigkeit für ein solches Gespräch.

Unter Umständen kann es auch helfen, sich mit der Mutter zu unterhalten, bevor der Vater mit seinem Kind redet. So erfährt er vielleicht Dinge, die ihm helfen zu entscheiden, ob das Gespräch sinnvoll ist und worüber er am besten nicht mit seinem Kind spricht.

Zwei kleine Hinweise zum Schluss: Das Gespräch mit dem Kind sollte einen klaren Anfang und auch möglichst bald darauf ein klares Ende haben. Außerdem sollte das Gespräch – soweit möglich und planbar – nicht unmittelbar am Anfang oder am Ende des Besuchs passieren. Eingebettet in unproblematische, fröhliche und leichte Phasen lässt sich ein solches Gespräch von allen Beteiligten gut verdauen.

Autor

Christian Peter Niklis, Dipl.- Ing.(FH) , Betreiber der Website "Leben als getrennter Vater - Papa sein auf Distanz"

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eingestellt am 15. Januar 2020

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