Trennung in Liebe
Mathias Voelchert
Die Trennung, die Scheidung, ist nicht das Allheilmittel für schlechte Beziehungen. Sie ist überhaupt kein Heilmittel. Trennung ist ein traumatisches Ereignis, ein Aufschrei der Seele: »So kann ich nicht mehr weitermachen!« Trennung war bisher für alle Beteiligten das, was es immer zu vermeiden galt, koste es, was es wolle. Und so bleiben wir im Gefängnis der Beziehung, auch weil es sich so sehr nach Heimat anfühlt. Nach dem anfühlt, was wir vorgelebt bekamen, und sei es noch so schlimm. Mehr in diesem Text:
Trennung in Liebe – ist möglich wenn beide Partner auf ein gemeinsames Ziel schauen z. B. “Wir wollen gemeinsam eine gute Lösung für alle finden”.
Wir wissen noch nicht wie diese Lösung aussieht. Das werden wir gemeinsam aushandeln. Oberstes Gebot ist dabei, dass es keine Vereinbarung geben wird, bei der einer Nachteile hat. Dazu nehmen wir uns die nötige Zeit. Wir vereinbaren auch, dass keiner den anderen blockieren wird. Wenn ein Partner aus der Beziehung geht, kann ihn der andere nicht halten oder zwingen zu bleiben. Wir vereinbaren auch, dass wir respektvoll miteinander umgehen werden.
Trennung in Liebe wird möglich, wenn beide Partner aufhören nur auf den anderen zu schauen. Aufhören, dies und jenes am anderen zu bemängeln. Einig werden sich beide, indem sie auf etwas schauen lernen, das größer ist als sie selbst. Dass sie beide zusammen gebracht hat.
Wenn das Gemeinsame wichtiger ist als das Trennende
Wenn die beiden, die Partner waren, gemeinsam das anschauen was sie hatten und traurig sein dürfen, dass es vorbei ist, dann ist eine Trennung in Liebe möglich. Diese Liebe ist größer als der Trennungsschmerz. Diese Liebe verbindet die beiden, die ein Paar waren, bis in den Tod miteinander. Unabhängig ob sie eine neue Beziehung hatten oder haben.
Streit in der Beziehung und Streit am Ende der Beziehung entsteht, weil auf das Trennende und nicht auf das Verbindende gesehen wird. Das Trennende gibt es und wird es weiter geben. Es soll nicht verniedlicht werden. Ebenso gibt es das Verbindende, z.B. die gemeinsamen Kinder, die gemeinsame Arbeit, gemeinsame Sexualität, gemeinsame Interessen.
Wir haben es nicht in der Hand
Keiner kennt den ‚wahren Grund’ weshalb eine Partnerschaft sich in Richtung Trennung verändert. Ist denn ein Grund, oder mehrere Gründe, wichtig? Verführt uns solch ein Grund nicht zu der Illusion, wenn es anders gekommen wäre, hätten wir es verhindern können? Das ist eine Phantasie, die gut in unser heutiges Bild der Machbarkeitslügen passt. Wir haben es nicht in der Hand, wie sich unsere Beziehung entwickelt, weil wir weder den Partner in der Hand haben noch uns selbst unter Kontrolle haben. Gerne tun wir so und versichern uns gegenseitig ‚alles im Griff’. Was haben wir im Griff? Was haben wir wirklich im Griff von den Dingen, die wichtig sind? Weder unseren Partner noch unsere Kinder, noch uns selbst besitzen wir. Gott sei Dank. Wie könnten wir dann annehmen, dass unser Wille geschehe? Wir können die Liebe nicht besitzen, sie besitzt uns!
Die Ausgangssituation
Im Durchschnitt stehen uns 50 Lebensjahre für eine oder mehrere Partnerschaften zur Verfügung, Tendenz steigend. Ist es nicht absurd mit dem Diktat im Kopf von der einen Partnerschaft, diese Lebenszeit anzugehen? Es gibt den richtigen Zeitpunkt für eine Liebe, eine Partnerschaft, und es gibt den Zeitpunkt, wo diese Beziehung zu Ende gehen darf.
Trennungen sind oft unausweichlich
Trennungen sind oft unausweichlich – auf das Wie kommt es an. Es gibt Trennungen – und wir haben die Möglichkeit damit umzugehen. Aktiv damit umzugehen. Eine Trennung in Liebe, eine Trennung ohne Verlierer, ist möglich. Trennung im Streit ist leicht, Trennung in Liebe ist mit Arbeit verbunden. Arbeit an mir. Mit Ihrem Rechtsanwalt können Sie den Krieg gewinnen, aber nicht den Frieden.
Der wahre Grund für eine Trennung ist ein Geheimnis
Der wahre Grund für eine Trennung ist ein Geheimnis. Oft ist es hilfreich dieses Geheimnis zu wahren. Denn was bleibt mir, wenn ich den Grund für meine Trennung zu kennen glaube? Ist dieser Grund denn wirklich der Grund, oder nur meine Begründung? Gewöhnlich bleiben nur Schuldige übrig bei der Suche nach Schuldigen. Die Schuldzuweisung hilft mir und meinem Partner/in nicht, schon gar nicht unseren Kindern.
Ich habe erlebt, dass es hilft, wenn wir auf das schauen was uns, den direkt Beteiligten, gut tut. Ist das was wir tun hilfreich für alle Beteiligten, im Hinblick auf eine Trennung in Frieden? Tut es Dir und mir gut?!
Die Art und Weise der Trennung stellt, nach meiner Erfahrung, eine Kurzform der Partnerschaft dar. Die Art und Weise der Trennung wird von dem beeinflusst, was in der Partnerschaft möglich war und was nicht.
Ich schaue auf das was möglich war
Wenn wir anschauen, was wir in der Zeit unserer Verliebtheit voneinander erwartet haben und was in unserer Partnerschaft wirklich möglich war, könnte Enttäuschung aufkommen. Es waren Erwartungen die nicht in Erfüllung gegangen sind; z. B. Die Erwartung: ‚Und sie lebten glücklich bis ans Ende ihrer Tage’. Das ist ein Märchen! Manche leben mit einem Partner glücklich bis an ihr Lebensende – manche nicht. Es ist schwer sich einzugestehen, nicht in einem Märchen zu leben.
Was Sie davon haben sich gegenseitig keine Schuld zuzuweisen
Schauen wir uns den Anfang unserer gemeinsamen Liebe an. Damals hatten wir viele Hoffnungen. Chancen haben sich verliebt. Große Gefühle. In Dir habe ich das gesucht, was mir fehlt, oft habe ich es gefunden, oft auch nicht. Wir hatten viele gemeinsame Interessen. Konnten wir unseren sich verändernden Wünschen, z.B. dem nach Nähe und Distanz, gerecht werden? Oder sind wir nur noch zusammen geblieben, eigentlich viel zu lang, aus Angst vor der Einsamkeit?
Heute, nachdem wir gemerkt haben, dass es gemeinsam nicht mehr geht, gibt es immer noch Gemeinsames: Kinder, Vermögen, Schulden. Damit gut umzugehen ist unsere Aufgabe. Ihre Trennung in Liebe kann Ihnen helfen auf Wichtiges zu achten, auf sich und den Partner. Sie können Ihre gemeinsame Zeit gut beenden. Was Sie davon haben, wenn Sie sich in Frieden trennen ist: Sie werden frei für eine neue Beziehung.
Wenn die Liebe geht
Als wir diese Partnerschaft begannen, wollten wir zusammenbleiben bis ans Ende unserer Tage. Es wäre undenkbar gewesen, die Partnerschaft zeitlich einzuschränken, oder Vorbehalte zu haben. Vorbehaltlos haben wir uns gegeben. Das brauchen wir nicht zurückzunehmen. Wir sind nicht daran schuld, dass es nicht geklappt hat. Weder ich noch der Partner ist schuld. Wir haben jeder unser Bestes gegeben, das was jedem zu dem Zeitpunkt möglich war. Es ist schwer ohne Schuldzuweisungen zu leben. Wir sind Schuldzuweisungen gewohnt. Täglich, in allen Medien, der Alltagshektik, sind Schuldzuweisungen und Entrüstung in Gebrauch.
Zu allem kommt noch unser Gewissen mit ins Spiel. Das Gewissen besteht unter anderem aus: Moral, die oft zu spät kommt, aus Geboten und Verboten, aus ‚so macht man das bei uns’. Dieses Gewissen steuert uns nach dem was ‚‚bei uns’’als ‚richtig’ gilt und uns einfach vorgelebt wurde. Dieses Gewissen ist mit Vorsicht zu genießen, weil es als oberste Instanz daher kommt. Als ‚das Richtige’! Es ist deshalb mit Vorsicht zu genießen, weil dieses ‚Richtige’ nicht bei allen gleich ist! In jeder Familie/Gesellschaft gelten ähnliche und auch konträre Gewissensgesetze. Das Gewissen gaukelt uns Allgemeingültigkeit vor. Spätestens beim Zusammentreffen von Schwiegersohn/-tochter bzw. Schwiegermutter/-vater und dem Ablehnen der ‚anderen Sitten’ ist dies nicht mehr zu übersehen.
Wir fühlen uns im Recht, wenn wir mit den Gesetzen der Familie, aus der wir kommen, übereinstimmen. Dann gehören wir dazu. Schlecht fühlen wir uns, wenn wir gegen die Gewissensgesetze unserer Familie handeln. Im Verlauf der Partnerschaft wäre es eine lohnende Aufgabe, die Familiengebräuche der jeweiligen ‚‚Schwieger’’-Familie sich deutlich zu machen und die Vor- und Nachteile abzuwägen.
Es ist nie zu spät eine gute Partnerschaft gehabt zu haben…
Vielleicht war es nur Sinn und Zweck dieser Beziehung, die gemeinsamen Kinder zu bekommen. Oder diese Zeit zusammen zu erleben. Oder diese Arbeit gemeinsam zu beginnen, diese Idee in die Welt zu bringen… Die meisten Menschen waren zu irgendeiner Zeit ihres Lebens für irgendeinen Menschen ein ganz wichtiger Partner.
Trennung ist kein Allheilmittel für schlechte Beziehungen
Die Trennung, die Scheidung, ist nicht das Allheilmittel für schlechte Beziehungen. Sie ist überhaupt kein Heilmittel. Trennung ist ein traumatisches Ereignis, ein Aufschrei der Seele:
„ So kann ich nicht mehr weitermachen!“ Trennung ist eigentlich für alle Beteiligten das, was es immer zu vermeiden gilt, koste es, was es wolle. Dann bleiben wir im Gefängnis der Beziehung, auch weil es sich so sehr nach Heimat anfühlt. Nach dem anfühlt, was wir vorgelebt bekamen, und sei es noch so schlimm. Trennung kann der Tod des sinnlos gewordenen sein, dann ist es keine leichtfertige Trennung.
Trennung ist wie ein kleiner Tod. Wenn ich mich wirklich trenne, stirbt etwas in mir. Es stirbt das Idealbild von Dir und von mir. Danach brauchst Du nicht mehr das zu sein, was ich mir erträume, sondern mir genügt was Du bist. Manchmal geht das nur mit einem anderen Menschen weiter. Wenn das Idealbild stirbt, in das ich mich verliebt habe, genügt ein ganz normaler Mensch als Partner.
Beziehung ist Entwicklung
Die Paarbeziehung entwickelt sich, indem ich die Träume, die ich vom anderen hatte, loslasse und auf das schaue, was in unserer Beziehung möglich ist. Die Träume, die ich vom anderen hatte sind schlicht und einfach Träume. Ich habe Dich mit einem Traumbild verwechselt. Das bist Du nicht, und ich muss dieses Ideal auch nicht für Dich sein. Gott sei Dank!
Damit es gut für uns weitergeht
Damit es vielleicht allein oder mit einem Partner gut weitergeht und ich mein eigenes Leben aufbauen lerne, braucht es meine lebendige Phantasie. Meine Vision und meinen Willen und meine Kraft diese zu leben. Und es braucht die Sicherheit, dass es genügt wenn ich selbst mir wichtig bin.
Die Lösung liegt hinter dem Problem und ich kann sie sehen
Lösungsmöglichkeiten, oder: Was ich tun kann!
1. Es gibt eine gute Lösung für mich! Ich kann eine Veränderung meiner Situation bewirken. Dazu brauche ich nur mich und ich kann sofort damit anfangen. Ich brauche niemanden und nichts dazu, ich brauche es nur für möglich zu halten: Es ist möglich, eine gute Lösung und Trennung in Liebe zu schaffen. Ich kann mir Unterstützung holen. Es gibt viele Menschen, die ähnliche Situationen gut erlebt haben. Auch ich schaffe das.
2. Ich orientiere mich daran, was mich und die anderen stärkt.
3. Ich schaue auf das was ist. Ich stimme dem zu was in unserer Partnerschaft möglich war und was nicht.
4. Die Entpersonalisierung des Problems. Oft streiten sich zwei, aber eigentlich liegt eine Verwechslung vor. Es streiten gar nicht die Partner, sondern z.B. Mann und Frau stellvertretend für Vater und Tochter. Unter diesen Umständen kann auf der Partnerebene keine Lösung gefunden werden. Wenn es doch eigentlich um einen früheren Konflikt geht, den Vater und Tochter miteinander hatten. Dann trennt sich das Paar und wundert sich, dass sie sich in der nächsten Partnerschaft erneut in Vater bzw. Tochter verlieben und der gleiche Konflikt wiederholt wird. Sie fühlen sich dann oft in einer ausweglosen Situation und verlieren den Mut.
5. Dann regieren die Schuldzuweisungen an sich selbst und an andere und von anderen, und das Beziehungskarussell beginnt sich erneut zu drehen. Bis einer ermattet, resigniert aufgibt und sagt oder denkt: ‚Für mich gibt es keinen Partner mehr’.Mittels professioneller Hilfe kann ich mir über so manches Klarheit verschaffen: Gibt es eine Verwechslung? Wenn ja mit wem? Was habe ich davon, wenn ich so weiter mache? Welchen Antrieb habe ich, um mich zu verändern? Will ich wirklich Veränderung bei mir? Und so manches andere…
Anmerkung
Weitergehende Informationen finden Sie in meinem Buch »Trennung in Liebe – Partnerschaft in Liebe« und in der Neuerscheinung im Kösel-Verlag »Trennung in Liebe…damit Freundschaft bleibt«. Auch auf der Seite: http://www.trennung-in-liebe.de. Auf der Seite http://www.familylab.de/train-the-trainer.asp finden Sie Angebote für Kursangebote zum Thema. Vielfältige Informationen, Angebote zur Unterstützung, kostenfreie Downloads, etc. finden Sie auch auf der Seite »Paare im Wandel« http://www.paareimwandel.de und http://chancen-verlieben-sich.de
Autor
Mathias Voelchert (1953) ist Betriebswirt, Ausbilder, Praktischer Supervisor, Coach mit systemischer Aus- und Weiterbildung, Autor und seit 30 Jahren selbstständiger Unternehmer. Bislang sind mehrere Artikel von ihm in Publikums- und Fachzeitschriften wie auch Bücher zum Thema Beziehung & Partnerschaft, erschienen. Buchtitel sind »Trennung in Liebe«, »Paare im Wandel«, »Chancen verlieben sich« u.a. Er ist Herausgeber verschiedener Bücher und der Mehrzahl der in deutsch erschienen DVDs mit Jesper Juul z.B. »Schulinfarkt«, »Neue Führungskompetenz«, »4 Werte, die Kinder ein Leben lang tragen«, »Die kompetente Familie«, »Pubertät«. 2006 hat er familylab.de in Deutschland gegründet und leitet die Familienwerkstatt seit dem in Zusammenarbeit mit Jesper Juul.
Weitere Beiträge des Autors hier in unserem Familienhandbuch
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Erstellt am 4. Juni 2010, zuletzt geändert am 21. April 2021