In Sicherheit groß werden
Barmer und Mehr Zeit für Kinder e.V.
Gerade in den ersten Lebensjahren könnte Ihr Kind besonders durch Unfälle gefährdet sein. Wir möchten Ihnen einige Ratschläge geben, die Ihnen dabei helfen, daß Ihr Kleinkind eben nicht “in den Brunnen fällt” .
Unterschätzen Sie niemals die Fähigkeiten Ihres Kindes. Ihr Sprößling macht mitunter unvorhergesehene Entwicklungsfortschritte. Schon bevor Ihr Kind in eine neue Entwicklungsphase eintritt, sollten Sie sich darauf einstellen. Die Zeitangaben, wann ein Kind welche Fähigkeiten besitzen sollte, können dabei nur als Richtwerte dienen. Es gibt Kinder, die früher, und andere, die später ihre Fähigkeiten erlangen. Auf jeden Fall sollten Sie darauf vorbereitet sein, daß Ihr Kind beinahe tägliche seine Mobilität verändert.
Sie sollten sich auch immer bewußt machen, daß es eine hundertprozentige Sicherheit nicht gibt. Sie können zwar auf vieles achten, aber auch bei höchster Aufmerksamkeit passieren Unfälle.
Versuchen Sie, Ihrem Kind frühzeitig Gefahren zu erklären. Auch wenn es “Das ist scharf!” oder “Das ist heiß!” nicht sofort versteht, prägt es sich doch die Betonung ein, mit der Sie darauf hinweisen. Erschrecken Sie nicht, wenn sich Ihr Kind wirklich einmal die Finger verbrennt oder sich schneidet. Oft hilft eine solch relativ glimpflich verlaufende Panne, um Ihren Warnungen den nötigen Nachdruck zu verleihen. Schlimmeres wird dadurch meistens vermieden.
Gefahrenherde
In seiner täglichen Erfahrungslandschaft ist Ihr Kind mit einer Reihe von potentiellen Gefahrenherden konfrontiert:
- Die Küche
- Das Badezimmer
- Das Wohnzimmer
- Das Kinderzimmer
- Die Treppe
- Der Balkon
- Der Garten
- Die Autofahrt
Im Folgenden haben wir für diese Orte Sicherheits-Checklisten zusammengestellt. Sie erheben keinen Anspruch auf Vollständigkeit, enthalten aber praktische Tipps. Trotzdem müssen Sie unablässig ein Auge auf die kleinen “Abenteurer” haben.
Die Küche
Hier passieren viele und vor allem auch schwere Unfälle: Töpfe, deren Stiele über den Herdrand hinausragen, fallen schnell und führen zu schweren Verbrühungen. Gefliester Boden ist ohnehin glatt. Wenn darauf Flüssigkeiten überschwappen, wird er schnell zur Rutschbahn. Das ist häufig die Ursache böser Stürze. Außerdem sorgen Reinigungsmittel im Schrank unter der Spüle sowie scharfe Ecken und Kanten dafür, daß sich die Küche in der Liste der Gefahren weit oben findet.
Überprüfen Sie folgende Punkte in Ihrer Küche:
- Besitzen Sie ein Herdgitter oder stellen Sie zumindest die Töpfe mit Stielen und Griffen beim Kochen nach hinten?
- Kommt es vor, daß der Boden naß ist, ohne daß die Flüssigkeit gleich aufgewischt wird?
- Befinden sich Reinigungsmittel in der Reichweite Ihres Kindes oder sind sie durch eine Türsperre am Schrank gesichert?
- Gibt es scharfe Ecken und Kanten, die Sie eventuell abdecken können? Für diese Fälle gibt es im Fachhandel Schutzkappen.
- Sind Regale und Schränke ausreichend in der Wand verankert, falls Ihr Kind versucht, diese interessanten “Klettergerüste” zu erklimmen?
- Können die Schubladen herausfallen, wenn Ihr Kind daran zieht?
- Sind vor allem Schubladen gesichert, die Messer und Besteck enthalten?
- Haben Sie Sitzkissen auf Stühlen und Bänken, die mit Ihrem Sprößling herunterrutschen können?
Das Badezimmer
Viele der Unfallursachen aus der Küche lassen sich auf das Badezimmer übertragen: Rutschige Fliesen, scharfe Ecken und Reinigungsmittel sind für Ihr Kind auch hier gefährlich. Außerdem bewahren Sie im Bad wahrscheinlich Kosmetika und Arzneimittel auf.
Das sind ganz spezifische “Badezimmer-Gefahren” :
- Sind sämtliche Elektrogeräte, die im Badezimmer benutzt werden, außer Reichweite des Kindes untergebracht?
- Ist Ihre Badewanne/ Duschwanne mit rutschfesten Aufklebern ausgestattet?
- Befinden sich Badeperlen, Seife, Kosmetika oder ähnliches in Reichweite der Kleinen?
- Ist der Toilettendeckel immer geschlossen?
Im Badezimmer, wie auch nach Möglichkeit sonst im Haus, sollten Sie Ihr Kind grundsätzlich nicht alleine lassen. Außer den hier aufgeführten Gefahren besteht immer noch die Möglichkeit, daß das Kind Wasserhähne öffnet, sich die Hände einklemmt, sich stößt oder auch die Schale der Toilettenbürste zum Planschen benutzt.
Das Wohnzimmer
Natürlich gibt es auch in Bad und Küche Steckdosen. Aber im Wohnzimmer befinden sich besonders viele in Fußbodennähe. Hier ist es manchmal schwer, die tatendurstigen Kleinen immer im Auge zu behalten. Es empfiehlt sich, gerade im Wohnzimmer Steckdosen mit einer Kindersicherung zu schließen, besser ist es natürlich, wenn Sie alle Steckdosen sichern.
- Sind Ihre Wohnzimmermöbel ausreichend gegen Umkippen gesichert?
- Stehen Gegenstände frei im Raum, die auf Ihr Kind fallen können?
- Haben Sie Pflanzen, die eventuell für Ihr Kind giftig sind? Im Zweifelsfall kann Ihnen ein Florist aus Ihrem örtlichen Blumengeschäft helfen.
- Liegen Kabel offen? Wenn es keine Möglichkeit gibt, sie unter Putz zu legen, helfen Kabelkanäle. Oder rollen Sie zu lange Kabel einfach auf.
- Gibt es scharfe Ecken und Kanten an Glastischen und Vitrinen? Schutzkappen runden sie ab.
Das Kinderzimmer
Da Ihr Kind später auch viel alleine in seinem Zimmer spielt, sollten Sie für das Kinderzimmer die höchsten Sicherheitsmaßstäbe ansetzen.
- Lassen Sie Ihr Kind niemals allein auf dem Wickeltisch liegen (die meisten schweren Verletzungen entstehen durch Stürze).
- Stellen Sie Babywippen nie auf den Tisch, sondern immer auf den Boden.
- Schon beim Möbelkauf müssen Sie auf Formaldehyd achten. Höchste Vorsicht ist geboten, wenn die Luft im Kinderzimmer beißend riecht und die Augen tränen – zu hohe Formaldehydwerte können vorliegen. Achten Sie auch beim Teppichkleber darauf, ob er Formaldehyd enthält.
- Der Fußbodenbelag im Kinderzimmer sollte auf jeden Fall weich sein. Ein Korkboden (mit Lack auf Wasserbasis versiegelt) oder ein Teppich mit kurzem Haar sind ideal.
- Die Sprossen des Gitterbettes Ihres Kindes sollten 4,5 – 6,5 Zentimeter auseinander stehen. Das Bett sollte keine Ritzen haben, in denen sich Ihr Kind die Finger einklemmen kann. Die Seitenwände sollten die Matratze um mindestens 60 Zentimeter überragen, damit Ihr Kind nicht aus seinem Bett stürzt.
- Achten Sie darauf, daß die Decke nicht zu schwer ist und unten am Bett fixiert werden kann. Damit verhindern Sie, daß Ihr Kind die Bettdecke im Schlaf über den Kopf zieht und Atemnot bekommt.
- Es empfiehlt sich, ein “mitwachsendes” Bett zu kaufen, das Sie in Höhe und Ausstattung an das Alter der Kinder (bis etwa vier Jahre) anpassen können.
- Wenn Sie Spielzeug kaufen, sollten Sie darauf achten, daß es keine beweglichen Teile enthält. Ihr Kind könnte sie verschlucken und daran ersticken. Achten Sie darauf, daß auf dem Spielzeug steht: Geeignet für Kinder unter drei Jahren.
- Wenn Sie für Ihr Kind Malstifte kaufen, achten Sie bitte immer darauf, daß sie einen neutralen, vielleicht sogar leicht unangenehmen Geruch haben. Auch ein bitterer Geschmack hält Kinder davon ab, die Stifte in den Mund zu nehmen. Stifte mit Erdbeer- oder Bananenduft verleiten Kinder dazu, sie zu probieren.
- Allgemein gilt für die Einrichtung des Kinderzimmers “weniger ist mehr” . Sie sollten dem Kind nicht zu viele Möbel zumuten, sondern eine möglichst große Spiel- und Bewegungsfläche vorsehen. Weniger Möbel bergen auch weniger Gefahren.
- Die Fachwelt ist sich einig, daß ein eigener Raum für jedes Kind gut ist. Ein eigenes Zimmer, möglichst mindestens acht Quadratmeter groß und nicht weit vom Aufenthaltsort der Eltern entfernt, wäre optimal. Wenn Ihr Kind erst einmal allein spielen kann, möchte es Sie trotzdem immer in seiner Nähe wissen. Ist ein eigenes Reich nicht möglich, sollten Sie Ihrem Kind zumindest eine abgetrennte Nische in einem Raum zur Verfügung stellen.
- Halten Sie sich mit Farben im Kinderzimmer zurück. Zu viele und zu grelle Farben auf der Tapete haben einen negativen Einfluß auf die Entwicklung der kindlichen Phantasie.
Die Treppe
Auf Treppen ereignen sich leider sehr viele schwere Unfälle mit Kindern. Dabei ist ein wirksamer Schutz leicht möglich.
- Haben Sie rutschende Teppiche auf der Treppe, glatte Stein- oder Parkettstufen? Gummimatten oder Teppiche mit Rutschstop mindern die Gefahr.
- Es gibt auch sogenannte Treppengitter. Diese Gatter bringen Sie im Türrahmen an. Sie verhindern, daß Ihr Kind selbständig “auf Wanderschaft” geht.
Der Balkon
Auf dem Balkon sollte sich Ihr Kind niemals unbeaufsichtigt aufhalten.
- Auch hier müssen Sie auf rutschigen Boden und Klemm- oder Würgegefahren achten.
- Sonnenschirme, Blumentöpfe und ähnliches sollten Sie so anbringen, daß sie weder auf Ihr Kind, noch vom Balkon auf die Straße fallen können.
- Gegenstände, die Ihr Kind an das Balkongitter schieben und darauf klettern kann, verbannen Sie am besten vom Balkon.
- Balkonpflanzen sollten wie alle Pflanzen im Haus ungiftig für Ihren Sprößling sein.
- Beim Spielen im Freien auf Insekten achten. Wespen, deren Stich bei Erwachsenen “nur” unangenehme Erinnerungen hinterläßt, können für Kleinkinder lebensbedrohend sein.
- Vergessen Sie nie, daß Ihr Kind besonders empfindlich gegen Sonneneinstrahlung und hohe Ozonwerte ist. Meiden Sie daher den Balkon an besonders sonnigen oder ozonträchtigen Sommertagen.
Der Garten
So wichtig es für Ihr Kind ist, Natur zu erfahren, so viele Gefahren lauern auch hier. Ihr Kind begreift seine Welt nicht nur, indem es Dinge anfaßt – es will sie auch riechen und schmecken. Im Garten kann dieser Forscherdrang fatale Folgen haben.
- Der günstigste Aufenthaltsort für Ihr Kind ist der kurz gemähte Rasen. Er ist weich und birgt kaum Verschluck- oder Vergiftungsgefahren.
- Auch im Sandkasten können sich Kinder ab 6 Monaten relativ gefahrlos aufhalten.
- Wichtig ist, daß Ihr Kind nicht unbemerkt ausbüchsen kann. Auch im Garten gilt: immer mit Aufsicht!
- Höchste Vorsicht ist bei folgenden Pflanzen oder Pflanzenteilen geboten:
- Alpenveilchen
- Aronstab
- Eibe
- Eisenhut
- Engelstrompete
- Fingerhut
- Gelbe Narzisse
- Goldregen
- Herbstzeitlose
- Ligusterbeeren
- Maiglöckchenblätter
- Oleander
- Pfaffenhütchen
- Riesen-Bärenklau
- Stechapfel
- Stechpalme
- Thuja
- Tollkirsche
- Wunderbaumsamen
Das ist eine Auswahl an Giftpflanzen, die in unseren Gärten häufig zu finden sind. Im Zweifelsfall gilt für Kinder immer: Finger weg!
- In Gartenteichen und Regentonnen können Babys und Kleinkinder ertrinken. Decken Sie sie mit einem stabilen Armierungsgitter oder einer Holzplatte ab. Sie können auch einen Schutzzaun errichten.
- Gartenschläuche sind Stolperfallen, wenn sie herumliegen. Rollen Sie sie immer auf eine Trommel auf.
- Sobald Ihr Kind etwas älter ist, sollten Sie ihm eigenes Kunststoffgartenwerkzeug kaufen. Dadurch wird der Nachahmungstrieb befriedigt, und Ihr Kind greift nicht zu gefährlichen Gartengeräten. Vorher achten Sie immer darauf, daß sich keinerlei Garten- oder sonstiges Werkzeug in Reichweite Ihres Kindes befindet.
Die Autofahrt
Autofahrten werden von jedem Kind anders wahrgenommen. Es gibt Kinder, die gern Auto fahren, und andere, die es nicht mögen. Autofahren macht Ihrem Kind mehr Spaß, wenn es während der Fahrt ausreichend Beschäftigung hat.
Für Sicherheit sorgen Sie mit folgenden Tipps:
- Bis Ihr Kind neun Monate alt ist, setzen Sie es bei jeder Autofahrt in eine Baby-Spezialwanne. Sie wird entgegen der Fahrtrichtung auf dem Beifahrersitz angebracht.
- Danach bis etwa zum dritten Lebensjahr empfiehlt sich ein Kindersitz auf dem Rücksitz mit weichem Prallpolster. Schützen Sie Ihr Kind bei jeder Fahrt – auch wenn Sie “nur mal kurz um die Ecke” wollen.
- Ihr Schoß kann den Kindersitz im Auto nicht ersetzen. Bei einem Aufprall können Sie das Kind auf keinen Fall halten! Außerdem besteht erhöhte Quetsch- und Würgegefahr.
- Manche Autositze wachsen mit. Erkundigen Sie sich im Fachhandel.
- Vorsicht! Airbags können Einfluß auf die Installation von Kindersitzen haben. Achten Sie auf die Hinweise in der Produktbeschreibung oder fragen Sie Ihren Autohändler.
- Lassen Sie niemals lose Gegenstände ungesichert im Fahrgastraum liegen. Bei einem Aufprall werden sie mit ungeahnter Wucht durch das Auto katapultiert – mit oft tödlicher Wirkung. Gerade die Heckablage sollte frei von Gegenständen sein.
Allgemeines
- Im Haus ist Ihr Kind mit rutschfesten Socken bestens ausgestattet. Sie gewähren den kleinen Füßen ein Maximum an Freiraum und sind dabei die sicherste Variante auf allen Böden. Im Freien achten Sie bitte auf passendes Schuhwerk: Zu große Schuhe können sich zu bösen Stolperfallen entwickeln.
- Ein Luftzug, und der Finger Ihres Kindes ist in der Tür eingeklemmt. Abhilfe schafft ein Türstopper. Sie bringen ihn am Rahmen an, und er verhindert, daß die Tür unbeabsichtigt zuschlägt.
- Zigaretten müssen Sie immer außerhalb der Reichweite Ihres Kindes aufbewahren. Zigaretten und auch die Reste davon im Aschenbecher enthalten für Kleinkinder tödliche Nikotinmengen. Davon abgesehen ist auch das Passivrauchen für Babys und Kinder ungleich schädlicher als für Erwachsene.
- Denken Sie immer daran: Ihr Kind ahmt nach, was Sie ihm vormachen. Alkoholgenuß oder die Einnahme von Tabletten sollen niemals vor den Augen Ihres Kindes passieren. Lassen Sie keine halbvollen Gläser nach Partys stehen.
- Vielleicht haben Sie selbst schon die Erfahrung gemacht, daß Streß ansteckend ist. Das gilt um so mehr für Ihr Kind. Vermeiden Sie es, Ihr Kind Streß spüren zu lassen. Unruhe, Nervosität und Unachtsamkeit wären die Folge.
- Wie bei Erwachsenen ist auch bei Kindern zu bestimmten Tageszeiten die Konzentrationsfähigkeit herabgesetzt. Vor dem Schlafengehen gilt erhöhte Wachsamkeit.
Produkte zur Kindersicherheit werden zum Beispiel von der Stiftung Warentest geprüft. Testergebnisse können Sie dort anfordern.
Viele Organisationen, wie das Rote Kreuz oder der Malteser Hilfsdienst, bieten Kurse in Erster Hilfe an. Dabei geht es speziell auch um Unfälle und Verletzungen von Kindern. Wenn Sie Fragen zu Vergiftungsgefahren haben, können Sie sich unter anderem an die Infozentrale gegen Vergiftung, Zentrum für Kinderheilkunde der Universität Bonn, Adenauerallee 119, 53113 Bonn wenden (Tel.: 0228/2873211). Fragen Sie Ihren Kinderarzt nach örtlichen Giftnotrufzentralen. Belegen Sie eine Speichertaste Ihres Telefons mit dieser Nummer. Bei kaum einem anderen Unfall müssen Sie so schnell handeln wie bei Vergiftungen!
Quelle
- Eltern sein – Die ersten Jahre.
Ideen, Informationen und Gesundheitstipps für die junge Familie. Hrsg. von Barmer und Mehr Zeit für Kinder e.V., 2. Auflage 2002.
Das Buch ist erhältlich bei Mehr Zeit für Kinder e.V.
Erstellt am 27. März 2003, zuletzt geändert am 19. Februar 2010