Zahnpflege und Kariesprophylaxe
Dr. Andrea Thumeyer
Bereits mehr als 70% aller Kinder im Kindergarten- und Grundschulalter haben naturgesunde Gebisse. Daneben gibt es eine kleine Gruppe von Kindern, so genannte Kinder mit besonders hohem Kariesrisiko, die statistisch gesehen fast alle Löcher auf sich vereinigen. Bei diesen Kindern wird die Zahnpflege vernachlässigt, die Ernährung ist ungesund und der Zahnarzt wird erst dann aufgesucht, wenn das Kind bereits große Schmerzen hat.
Ob ein Kind zahngesund ist oder nicht hängt vom Verhalten der Eltern ab. Der Familie kommt in der Gesundheitserziehung eine große Bedeutung zu: Eltern können bei ihren Kindern durch ihr Verhalten gesundheitsbewusste Haltungen entwickeln. Für die Zahnpflege heißt das konkret:
- Eltern putzen so lange alle Zähne ihres Kindes von allen Seiten abends sauber, bis das Kind selbst zur gründlichen Mundpflege fähig ist (siehe Faltblatt “Eltern putzen Kinderzähne”). Dieser Zeitpunkt ist erst erreicht, wenn das Grundschulkind flüssig Schreibschrift schreiben kann.
- Eltern motivieren Kinder zur Zahnpflege durch ihr eigenes Zahnpflegeverhalten. Eltern haben dabei Vorbildfunktion; die Kinder ahmen ihre Eltern nach.
- Eltern sorgen für kindgerechte Zahnputzutensilien und deren regelmäßige Erneuerung.
Zahnerkrankungen
Karies, die Zahnfäule, entsteht durch Säuren, die den Zahnschmelz angreifen (Entkalkung) und im Zahn Löcher entstehen lassen. Diese Säuren bilden sich vor allem dann, wenn Bakterien im Mund Zucker “verdauen”. Aber auch andere Essensreste (z.B. Stärke) können sich zwischen den Zähnen festsetzen und von Bakterien verwertet werden. Hinzu kommt, dass aus Zucker eine zähklebrige Substanz entstehen kann, die als Bindemittel zwischen Bakterien wirkt. Durch sie können sich die Bakterien an den Zähnen anheften; dies bildet zusammen mit Nahrungsresten und Speichelbestandteilen die Plaque, den Zahnbelag. Die Bakterien haben sich mit Hilfe des Zuckers ein eigenes “Nest” gebaut! In und unter der Plaque erfolgt hauptsächlich die Säurebildung.
Eltern können mit ihren Kindern besprechen, wann besonders leicht Karies entstehen kann:
- Wenn wir häufig Süßigkeiten wie Bonbons, Kaugummi, Schokolade oder Eis naschen,
- wenn wir häufig süße Sachen wie Marmelade, Nougatcreme, Nachspeisen, Kuchen oder Plätzchen essen,
- wenn wir Limonaden, mit Zucker gesüßten Tee oder andere zuckerhaltige Getränke wie Eistee, Sportlergetränke u. ä. trinken,
- wenn wir uns nicht ausgewogen ernähren, also z.B. nicht genügend Mineralien wie Kalzium oder Phosphat zu uns nehmen,
- wenn wir unsere Zähne nicht regelmäßig oder gründlich genug (= plaquefrei) putzen.
Besonders gefährlich ist, wenn im Verlauf des Tages fortwährend etwas Süßes gegessen wird oder dieses lange im Mund bleibt (z.B. wenn wir Bonbons lutschen). Dann erfolgt immer wieder ein “Säureangriff” auf die Zähne. Dieser dauert rund 30 Minuten länger als das Lutschen der Süßigkeit (bzw. die Nahrungsaufnahme).
Trotzdem müssen Kinder nicht auf Süßigkeiten verzichten. Ein Verbot von Süßigkeiten lässt sich im Alltag nicht durchhalten und ist auch nicht nötig, wenn Eltern folgende fünf Punkte beachten:
- Zähne putzen nach dem Frühstück
- Zuckerfreier Vormittag
- Weniger häufig zuckerhaltige Lebensmittel bzw. Getränke am Nachmittag
- Zähne putzen direkt vor dem Schlafengehen, danach nichts mehr essen oder trinken (außer Wasser bzw. Mineralwasser)
- Zusätzlich putzen Eltern abends die Kinderzähne von allen Seiten sauber bis ins Schulalter hinein
Die fünf Punkte sind das zahnmedizinisch begründbare Ergebnis einer sinnvollen Kombination von effektiver Mundhygiene und (zahn-) gesunder Ernährung.
Unsere Zähne und unser Zahnfleisch bleiben gesund, solange Angriff und Abwehr im Gleichgewicht sind. Zucker greift die Zähne an – dabei spielt es keine Rolle, welche Art von Zucker es ist, ob Haushaltszucker, Honig, Frucht- oder Traubenzucker oder andere versteckte Zuckerarten. Häufige Angriffe führen langfristig zu einer Karies am Zahn. Der Speichel dagegen ist unser wichtigstes natürliches Schutzsystem im Mund. Speichel spült, schützt, repariert und härtet die Zähne. Der Speichel ist sozusagen die Reparaturwerkstatt für die Zähne und damit der Abwehrspieler gegen den Angreifer Zucker.
Damit das körpereigene Abwehrsystem “Speichel” auch wirken kann, muss der Speichel
- an den Zahn herankommen, d.h. der Zahn muss frei von Zahnbelag sein und
- genügend Zeit ohne Zuckerimpulse haben: Ca. 16 Stunden Abwehr können 8 Stunden Angriff ausgleichen.
Unsere sauber geputzten Zähne brauchen also eine zuckerfreie Zeit. Diese bekommen sie zum einen in der Nacht, wenn wir nach dem Zähneputzen am Abend nichts Süßes mehr essen oder trinken, und am Vormittag, wenn wir ihn “zuckerfrei” gestalten.
Zuckerfreier Vormittag heißt, nach dem morgendlichen Zähneputzen bis zum Mittag kauaktive, naturbelassene Lebensmittel als Zwischenmahlzeit auszusuchen und Getränke ohne Zucker (z.B. Mineralwasser, ungesüßte Tees) zu wählen. Hier eine kleine Auswahl empfehlenswerter Zwischenmahlzeiten: mit Wurst oder Käse belegte Brötchen oder Brote, Mohn-, Sesam- und Käsestangen, frisches Obst und Rohkost (z.B. Möhren, Paprika, Tomaten oder Gurken). Diese zuckerfreien Zeiten erlauben einen süßen Nachtisch nach dem Mittagessen und das Naschen am Nachmittag, wobei gilt: Lieber mit Genuss und ohne schlechtes Gewissen ein leckeres Eis, ein Stück Kuchen, ein paar Gummibärchen auf einmal genießen, als in kleinen Portionen über den ganzen Nachmittag verteilt essen.
Kariöse Stellen bzw. Löcher verschwinden nicht von selbst. Mit der Zeit werden sie immer größer und tiefer, sodass wir sie schließlich mit der Zunge fühlen können. Der Zahn tut zuerst nur weh, wenn etwas sehr Heißes oder Kaltes, Süßes oder Saures mit ihm in Berührung kommt. Später kann es zu dauerhaftem Schmerz, Entzündungen und schweren Allgemeinerkrankungen kommen. Deshalb muss Karies von einem Zahnarzt behandelt werden.
Zähneputzen
In der Familie können Eltern das richtige Zähneputzen vormachen. Dabei müssen sie bedenken, dass sie als Eltern die wichtigsten Vorbilder für ihre Kinder sind – nur wenn sie selbst im Beisein der Kinder regelmäßig und gründlich ihre Zähne putzen, werden diese sich ein entsprechendes Verhalten aneignen. Das Zähneputzen sollte einen bestimmten Platz im Verlauf des Tages (morgens nach dem Frühstück, abends vor dem Schlafengehen) haben, also eine Gewohnheit sein. Eignen sich Kinder diese Gewohnheit in frühen Jahren an, werden sie sie meist ihr ganzes Leben lang praktizieren. Wie sich die Kompetenz des Zähneputzens im Verlauf der ersten Lebensjahre entwickelt, zeigt das Informationsblatt “Zähneputzen nach KAI”.
Somit ist von großer Bedeutung, dass Kinder selbst Verantwortung für ihre Zähne und deren gründliche Pflege übernehmen. Nur am Abend sorgen Eltern selbst für plaquefreie Zähne, indem sie zusätzlich alle Zähne von allen Seiten sauber putzen – bis ins Schulalter hinein (siehe Faltblatt “Eltern putzen Kinderzähne”).
Und so werden Zähne richtig geputzt:
Zunächst werden die Kauflächen der Backenzähne kräftig gebürstet, wobei die Zahnbürste parallel zu den Zähnen geführt wird. Danach werden alle Außenflächen der Zähne in kleinen Kreisbewegungen gebürstet – begonnen wird mit den hinteren Zähnen. Es werden sowohl das Zahnfleisch als auch die Zähne gebürstet (dafür darf die Zahnbürste nicht zu hart sein bzw. zu fest aufgedrückt werden). Das Zahnfleisch sollte “massiert” werden, wobei dem Zahnsaum besonders viel Aufmerksamkeit gewidmet werden sollte. Zum Reinigen der Rückseiten der Schneidezähne wird die Zahnbürste senkrecht gehalten. Das Zähneputzen sollte mindestens zwei Minuten lang dauern.
Die verwendete Zahnbürste sollte kindgerecht sein, also einen dicken, möglichst abgewinkelten Griff und eine kleines, kurzes Borstenfeld haben. Die Borsten sollten vielbüschelig und elastisch sein, dicht stehen und an ihren Enden rund geschliffen sein. Nach dem Gebrauch sollte die Zahnbürste gründlich gespült, am Waschbeckenrand ausgeklopft und so aufbewahrt werden, dass sie leicht trocknen kann. Die Trocknung entzieht Bakterien den Nährboden. Zahnbürsten sollten nach circa drei Monaten durch neue ersetzt werden. Bis Kinder kontrolliert, d.h. vollständig ausspucken können, sollten sie Kinderzahnpasta mit maximal 500 ppm Fluorid verwenden, und zwar nicht mehr als eine erbsengroße Menge. Mit Schuleintritt können sie auf Erwachsenenzahnpasta umgestellt werden.
Auch das Ausspucken der Zahnpasta sollte geübt werden. Es sollte nur einmal mit wenig Wasser ausgespült werden, damit durch den Fluoridanteil in der Zahnpasta die Remineralisation des Zahnschmelzes gefördert werden kann. Zum Schluss sollten die Kinder ihre sauberen Zähne im Spiegel betrachten. Mit der Zungenspitze können sie die Zähne abtasten. Raue Stellen verweisen auf Beläge, die noch entfernt werden müssen. Wenn Eltern ihren Kindern Heidelbeeren zum Essen geben (sodass sich der Zahnbelag verfärbt), wird deutlich, wie lange es dauert, bis die Zähne wirklich sauber sind.
Auf Zahnpasta bzw. ein Gel kann nicht verzichtet werden. Zahnpasten bestehen aus Putzkörpern, einer Pastengrundlage, Wirkstoffen (evtl. medizinischen Substanzen), Aromastoffen u.a. Sie sollten unbedingt Fluoride enthalten, die den Zahnschmelz widerstandsfähig machen, indem sie z.B. die Remineralisierung fördern. Wenn Eltern ein Stück Tafelkreide in Tinte tauchen und dann durchbrechen, können sie ihren Kindern verdeutlichen, wie Fluor in den Zahnschmelz dringt. Fluoride sind in den meisten Zahnpasten und Gelen vorhanden, werden aber auch als Bestandteile von Tabletten, Kochsalz oder Lack verabreicht (der Lack kann nur vom Zahnarzt aufgetragen werden).
Auf die Ernährung achten
Wichtig ist auch eine abwechslungsreiche und ausgewogene Ernährung, die dem Körper – und damit auch den Zähnen – genügend Mineralien und Vitamine zuführt. Das Konzept “5 am Tag” der Deutschen Gesellschaft für Ernährung ist einfach und hilfreich: Fünf Portionen (1 Portion = 1 Hand voll) Obst und Gemüse am Tag stellen die Basis einer gesunden und gleichzeitig zahngesunden Ernährung dar. Eine “derbe Kost” wie Vollkornbrot, Mohrrüben oder Nüsse ist notwendig, da kräftiges Kauen den Zahnhalteapparat stärkt. Bei Zwischenmahlzeiten, nach denen nicht die Zähne geputzt werden können, sollten zuckerarme/ -freie Lebensmittel wie Obst (Ausnahmen sind Bananen, Trockenfrüchte und Eingemachtes), Gemüse, (Vollkorn-) Brot/ Brötchen, Butter/ Margarine, Käse, Quark und Wurst gegessen sowie Milch, Mineralwasser, ungesüßter Tee u.ä. getrunken werden.
Zudem darf zwischendurch auch mal zahnfreundlich genascht werden. Zahnfreundliche Süßwaren erkennt man an dem “Zahnmännchen mit Schirm” auf der Verpackung – ein Markenzeichen, das nur anhand strenger Kriterien nach einer wissenschaftlichen Untersuchung des jeweiligen Produkts vergeben wird. Sie sind mit Zuckerersatzstoffen gesüßt, die von den Mundbakterien nicht oder kaum zu zahnschädigenden Säuren abgebaut werden können. Zudem wird weniger Plaque gebildet. Zudem wirkt das häufig enthaltene Xylit der Kariesbildung entgegen. Zuckeraustauschstoffe können auch verwendet werden, um z.B. Kuchen, Plätzchen oder Desserts zu süßen. Im Übermaße verzehrt, können sie aber abführend wirken. Außerdem reduzieren sie nicht die Süßschwelle. Deswegen sollten sie nicht regelmäßig verwendet werden.
Kinderbücher rund um den Zahn
- Iwona Radünz/ Thomas Röhner: Das Wackelzahnbuch. Münster: Coppenrath Verlag 1999
- Friederike Wilhelmi/ Sophie Schmid: Meine Zähne putz ich nicht! München: Prestel Verlag 2002
- Katja Reider/ Sabine Scholbeck: Mein erstes Zahnputzbuch. Ravensburg: Ravensburger Buchverlag 2004
- Anne-Marie Frisque/ Julia Boehme: Niki putzt seine Zähne selbst. München: arsEdition 2004
- Heike Ellermann: Die blaue Maschine. Oldenburg: Lappan Verlag 2002
- Ian Whybrow/ Adrian Reynolds: Harry und die Dinosaurier sagen “Raahh!” Berlin: Buchverlag Junge Welt 2002
- Liane Schneider: Conni geht zum Zahnarzt. Hamburg: Carlsen Verlag 1996
- Verein für Zahnhygiene e.V.: Der kleine Brummbär im Zahnzauberland (Bestelladresse siehe unten)
- Jane Clark/ Cecilia Johansson: Keine Angst vorm Zahnarzt, Wilbert! Gießen: Brunnen Verlag 2003
Weitere Informationen
Deutsche Gesellschaft für Zahn, Mund und Kieferheilkunde
Deutsche Gesellschaft für Ernährung e. V.
Verein für Zahnhygiene
Feldbergstraße 40
64293 Darmstadt
Autorin
Dr. Andrea Thumeyer ist Vorsitzende der Landesarbeitsgemeinschaft Jugendzahnpflege in Hessen (LAGH)
Rhonestraße 4
60528 Frankfurt am Main
Tel.: 069/427275-201
Erstellt am 18. April 2005, zuletzt geändert am 19. Dezember 2013