Der Keuchhusten wird erwachsen

Keuchhusten galt lange als klassische Kinderkrankheit. Seit einigen Jahren aber verlagert er sich immer mehr ins Jugendlichen- und Erwachsenenalter. Deshalb reicht es heute nicht mehr, nur Babys dagegen zu impfen: Auch Schulkinder, Jugendliche und Erwachsene benötigen einen Impfschutz gegen Keuchhusten (medizinisch: Pertussis), betont die Stiftung Kindergesundheit in einer aktuellen Stellungnahme

Die Impfung gegen Keuchhusten gehört bereits seit 1993 wieder zu den öffentlich empfohlenen Impfungen für alle Säuglinge und Kleinkinder. Die Impfung wird auch gut angenommen: Laut Robert-Koch-Institut waren im Jahre 2018 rund 93 Prozent der Schulanfänger gegen Keuchhusten geimpft. „Trotzdem war Keuchhusten 2018 mit 12.907 gemeldeten Fällen die insgesamt siebthäufigste gemeldete Infektionskrankheit“, sagt Prof. Dr. Johannes Liese, Professor für Pädiatrische Infektiologie und Immunologie an der Universitäts-Kinderklinik Würzburg und Kuratoriumsmitglied der Stiftung Kindergesundheit: „Keuchhusten tritt damit in Deutschland mindestens 25-mal häufiger auf als Masern“.

Zu den Komplikationen des Keuchhustens gehören zusätzliche Infektionen wie eine Lungenentzündung oder Mittelohrentzündungen, berichtet Professor Johannes Liese: „Zum Glück sind Todesfälle durch Keuchhusten in Deutschland auch im internationalen Vergleich sehr selten. So wurden seit 2013 lediglich ein Todesfall bei einem 84-jährigen Mann und drei Todesfälle bei Säuglingen übermittelt“.

Eine Kinderkrankheit als Todesursache bei einem 84-Jährigen? Das ist heute nichts Außergewöhnliches mehr. Seit einigen Jahren verlagert sich der Keuchhusten immer mehr ins Jugendlichen- und Erwachsenenalter. So lag das Durchschnittsalter bei den dem Robert-Koch-Institut Berlin gemeldeten Keuchhustenfällen 1995 noch bei 15 Jahren, seit 2013 liegt es jedoch bei rund 40 Jahren. Heute treten 75 Prozent der Fälle in der Altersgruppe der über 19-Jährigen auf. Unter den 1.069 Patienten, die laut Statistischem Bundesamt 2016 wegen Keuchhusten in einem Krankenhaus behandelt werden mussten, waren 515 Babys, aber auch 120 über 70-jährige Senioren.

Die Immunität hält nicht lebenslang

Warum kommt es trotz hohen Durchimpfungsraten zu so vielen Erkrankungen? Professor Johannes Liese nennt dazu zwei entscheidende Faktoren: „Eine durchgemachte Pertussis-Infektion hinterlässt keine lebenslängliche Immunität. Es kann deshalb auch nach der Erstinfektion im Kindesalter z.B. 20 Jahre später zu einer erneuten Erkrankung kommen. Sie verläuft allerdings in der Regel milder und weniger ausgeprägt als die Erstinfektion“.

Ein weiterer Grund liegt im unerwartet schnellen Nachlassen des Impfschutzes: „Durch die Impfung lassen sich zwar die Erkrankungen und insbesondere ihre Komplikationen erfolgreich reduzieren. Nach der Impfung mit den heute zugelassenen sogenannten azellulären Impfstoffen kommt es jedoch bereits ein bis zwei Jahre nach der Impfung zu einem allmählich nachlassenden Impfschutz“. Deshalb müssten neue Impfstoffe mit besserer Langzeitwirkung entwickelt werden, um die Prävention zu verbessern und zu vereinfachen, unterstreicht der Würzburger Experte.

Eines der Hauptprobleme liegt laut Stiftung Kindergesundheit in den bestehenden Impflücken bei Jugendlichen und Erwachsenen. Keuchhustenkranke Erwachsene stellen nämlich eine gefährliche Infektionsquelle dar. Mutter, Vater und Geschwister, sogar Großeltern können mit ihren Keimen Säuglinge und kleine Kinder anstecken und in höchste Lebensgefahr bringen.

Babys haben oft keinen „Nestschutz“

Leider können Babys erst ab dem vollendeten zweiten Lebensmonat geimpft werden und besitzen in der Regel keinen natürlichen Nestschutz gegen die Krankheit, betont die Stiftung Kindergesundheit. Deshalb sind sie darauf angewiesen, dass enge Kontaktpersonen in ihrer Umgebung wie Eltern, Geschwisterkinder oder Großeltern durch Impfungen geschützt sind.

Neugeborene und junge Säuglinge sind besonders gefährdet und haben die höchsten Komplikationsraten, sagt Professor Johannes Liese. Im ersten Lebensjahr verläuft die Ansteckung mit Keuchhustenbakterien äußerst heimtückisch. Die Säuglinge sind zwar infiziert, husten aber oft nicht oder untypisch. Sehr gefährlich für diese Altersgruppe sind krankheitsbedingte Unterbrechungen der Atmung, sogenannte Apnoe-Anfälle. Sie setzt mitunter 15 Sekunden und länger aus.

Während solcher Apnoe-Anfälle kommt es zu einem Sauerstoffmangel im Gehirn, der bleibende Hirnschäden hervorrufen und sogar tödlich enden kann. Deshalb gehören Babys, bei denen der Verdacht auf Keuchhusten besteht, unbedingt in eine Klinik, in der ihre Herztätigkeit und Atmung ständig überwacht werden. „Von den im Krankenhaus betreuten Säuglingen weisen bis zu 61 Prozent eine Apnoe auf, 23 Prozent entwickeln eine Lungenentzündung, etwa ein Prozent bekommen Krampfanfälle oder Störungen der Gehirnfunktionen“, erläutert Professor Johannes Liese.

Heranwachsende und Erwachsene sind sich meist nicht bewusst, welche Gefahr sie für Babys und kleine Kinder darstellen. Sie kommen oft gar nicht auf den Gedanken, dass sich hinter einem hartnäckigen, trockenen Husten ein ansteckender Keuchhusten verbergen könnte. Bei Erwachsenen fehlen nämlich häufig das charakteristische „Einziehen“ und die typischen bellenden Hustenattacken. Damit lässt sich erklären, dass sich Babys oft bei ihren eigenen Eltern anstecken - meist bei der Mutter. In vielen Fällen sind auch Großeltern die Ansteckungsquelle.

Neue Strategie: Impfung schon in der Schwangerschaft

„Als erfolgreiche Strategie zur Verbesserung des Schutzes von Neugeborenen hat sich die Pertussisimpfung in der Schwangerschaft vor allem in England und USA bewährt“, berichtet Professor Johannes Liese. „Dort konnte gezeigt werden, dass eine Pertussisimpfung von Schwangeren im letzten Trimenon der Schwangerschaft eine über 90-prozentige Schutzwirkung gegen Keuchhusten in den ersten beiden Lebensmonaten vermittelt. Entsprechend sind die Erkrankungszahlen bei Neugeborenen seit Einführung der Schwangerschaftsimpfung deutlich zurückgegangen. Auch in Australien und der Schweiz wurden entsprechende Impfprogramme für Schwangere etabliert“.

Diesen Beispielen folgt nun auch die Ständige Impfkommission STIKO beim Robert-Koch-Institut: Seit März 2020 empfiehlt auch sie eine Keuchhusten-Impfung für schwangere Frauen zu Beginn des 3. Schwangerschaftsdrittels. Wenn eine Frühgeburt wahrscheinlich ist, soll die Impfung ins 2. Trimenon vorgezogen werden. Die Impfung soll unabhängig vom Abstand zu vorher verabreichten Pertussis-Impfungen und in jeder Schwangerschaft erfolgen.

Zusätzlich sollten enge Kontaktpersonen (Eltern, Geschwister, Freunde) und Betreuer (z. B. Tagesmütter, Babysitter, Großeltern), die in den letzten 10 Jahren keine Pertussisimpfung erhalten haben, möglichst schon bis vier Wochen vor der anstehenden Geburt geimpft werden. Auch Beschäftigten in Gesundheits- und Gemeinschaftseinrichtungen wird die Pertussisimpfung von der STIKO als Indikationsimpfung alle zehn Jahre empfohlen.

Keuchhusten-Impfstoffe sind gut verträglich

Einen Einzelimpfstoff gegen Keuchhusten gibt es nicht mehr, heißt es in der Stellungnahme der Stiftung Kindergesundheit. Alle Impfungen erfolgen mit einem Kombinationsimpfstoff, der gleichzeitig Bestandteile gegen Diphtherie, Tetanus, Pertussis und eventuell auch Polio enthält.

Die Impfstoffkomponenten gegen Keuchhusten werden heute nicht mehr wie früher aus ganzen Keuchhusten-Erregern hergestellt, sondern nur aus bestimmten Bestandteilen („azellulär“) und sind dadurch wesentlich besser verträglich.

Als unerwünschte Wirkungen werden am häufigsten Schmerzen an der Injektionsstelle, Rötungen und Schwellungen registriert. Fieber über 38 Grad Celsius tritt nach einer Impfung mit diesen Impfstoffen nur noch in fünf bis acht Prozent der Fälle auf. Die Impfreaktionen verschwinden in der Regel nach ein bis drei Tagen wieder.

Die Stiftung Kindergesundheit spricht sich mit Nachdruck für die konsequente Einhaltung der aktuellen Impfempfehlungen der STIKO aus. Danach sollte der Impfschutz bei Erwachsenen gegen Diphtherie und Tetanus (Td) im 10-jährigen Abstand aufgefrischt werden. Für alle Erwachsenen ist empfohlen, die nächste fällige Diphtherie-Tetanus-Impfung (auch im Verletzungsfall) einmalig als Tdap- oder Tdap- IPV-Kombinationsimpfung zu verabreichen.

Quelle

Stiftung Kindergesundheit

eingestellt am 25.09.2020