Homöopathie bei Kindern und Jugendlichen

Dr. med. Patrick Kreisberger

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Die Homöopathie als Möglichkeit einer ganzheitlichen Heilmethode für Kinder und Erwachsene erfreut sich nach wie vor großer Beliebtheit. Bisher konnte ihre Wirksamkeit allerdings durch wissenschaftliche Studien nicht nachgewiesen werden. Der Autor beschäftigt sich intensiv mit dieser Thematik. Er geht auf die Entstehungsgeschichte und Ansätze der homöopathischen Behandlung ein. Zudem zeigt er Möglichkeiten und Grenzen einer homöopathischen Therapie auf.

“Des Arztes höchster und einziger Beruf ist,
kranke Menschen gesund zu machen,
was man Heilen nennt.”
Samuel Hahnemann, § 1 – Organon der Heilkunst

Homöopathie

Die Homöopathie ist eine ganzheitliche Heilmethode, bei der sowohl die körperlichen als auch die emotionalen und geistigen Symptome der erkrankten Menschen – ob Kinder oder Erwachsene – in die Behandlung mit einbezogen werden. Der homöopathische Arzt behandelt nicht eine bestimmte Krankheit sondern den Kranken mit seinem ganz individuellen Beschwerdebild. Die Homöopathie wurde von dem Arzt, Apotheker und Chemiker Dr. Samuel Hahnemann (1755-1843) begründet und erstmals im Jahre 1796 dargestellt. Das homöopathische Heilprinzip wurde zwar bereits in alten medizinischen Schriften, unter anderem von Hippokrates und Paracelsus erwähnt, die systematische Erforschung und Entwicklung erfolgte jedoch erst durch Hahnemann und seine Nachfolger. Bei der Übersetzung einer englischen Arzneimittelllehre stieß Hahnemann auf die Erklärung, dass die Chinarinde aufgrund ihrer magenstärkenden Bitterstoffe ein gutes Heilmittel für das Wechselfieber sei. Da ihm diese spekulative Aussage als Erklärung nicht genügte, unternahm er einen Selbstversuch und nahm Chinarinde ein. Nach der Einnahme beobachtete er bei sich Symptome, die den Symptomen an Wechselfieber erkrankter Patienten sehr ähnlich waren. Aufgrund dieser und in zahlreichen weiteren Versuchen bestätigter Erfahrungen formulierte er schließlich das Ähnlichkeitsgesetz »similia similibus curentur« oder »Ähnliches werde durch Ähnliches geheilt«. Es besagt, dass ein Arzneimittel eine Krankheit dann heilen kann, wenn es bei einem Gesunden ähnliche Symptome der zu heilenden Krankheit hervorruft. Das Wort »Homöopathie« setzt sich aus den beiden griechischen Worten »homoios« = ähnlich und »pathos« = Leiden zusammen und bezieht sich auf eben dieses Ähnlichkeitsgesetz.

Homöopathische Arzneimittel

Grundlage der homöopathischen Arzneimittel sind Pflanzen oder Pflanzenteile, Tiere oder tierische Produkte, Krankheitsprodukte, Mineralien und Metalle. Hahnemann hat ein spezielles Verfahren der Arzneimittelherstellung entwickelt und es als »Potenzierung« bezeichnet: Die Ausgangssubstanzen werden in einem bestimmten Verhältnis mit Milchzucker verrieben und in einer Wasser-Alkohol-Lösung verschüttelt. Dabei wird gleichzeitig die materielle Konzentration der Substanz zunehmend vermindert und ihre innewohnende Energie beziehungsweise ihr Informationsgehalt zunehmend verstärkt. Bei den sogenannten »Hochpotenzen« sind keine Moleküle der Ausgangssubstanz mehr nachweisbar. Die Wirkungsweise homöopathischer Arzneimittel konnte mit naturwissenschaftlichen Methoden bisher nicht nachgewiesen werden und die Tatsache der »Potenzierung« und »Hochpotenzen« ist nach wie vor ein Stein des Anstoßes für die universitäre Medizin (“Schulmedizin”), die die Wirksamkeit der Homöopathie über weite Strecken verneint oder als reinen Placebo-Effekt abstempelt. Diese leider noch weit verbreitete Denkhaltung beruht immer noch auf dem mechanistischen, streng kausalanalytischen Weltbild der Newtonschen Physik, welches die Wirklichkeit der Natur einzig als Summe ihrer mess- und quantifizierbaren Phänomene betrachtet. Komplexe Naturphänomene, systemische Zusammenhänge, der Organismus und das Leben als Ganzes, sowie qualitative Erfahrungen werden hierbei nicht berücksichtigt. Die moderne Physik hat mit der Relativitätstheorie und der Quantenphysik die Newtonsche Mechanik längst überwunden und hält Ansätze zum Verständnis der homöopathischen Wirkungsweise bereit. Wir wissen spätestens seit Einstein, dass Materie und Energie zwei Aspekte der selben Sache sind (E = mc2), das heisst dass Materie und Energie ineinander umwandelbar sind. In neuester Zeit gibt es auch Erkenntnisse über die Fähigkeit von Wasser, Informationen über in ihm gelöste Substanzen zu speichern und weiterzugeben.

Arzneimittelprüfung

Um zu erfahren, welche Symptome ein bestimmtes Arzneimittel bei einem Gesunden hervorrufen kann, werden »Arzneimittelprüfungen« durchgeführt. Dabei nehmen gesunde Menschen ein Arzneimittel ein und notieren alle daraufhin in ihrem Organismus auftretenden Veränderungen, sowohl auf körperlicher als auch auf emotionaler und geistiger Ebene. Die von den einzelnen Prüfern gemachten Beobachtungen werden zusammengetragen und sortiert, so dass mit der Zeit ein möglichst vollständiges »Arzneimittelbild« von der geprüften Substanz entsteht. In das »Arzneimittelbild« gehen aber auch Erkenntnisse aus der Toxikologie (Vergiftungslehre) und Phytotherapie (Pflanzenheilkunde) sowie klinische Erfahrungen aus der Anwendung der Arzneimittel bei Patienten mit ein. Die zum grössten Teil bereits von Hahnemann und seinen Nachfolgern durchgeführten »Arzneimittelprüfungen« werden auch heute noch bestätigt und ergänzt. Die Symptome aller heute bekannten homöopathischen Arzneimittel, ein fundierter Erfahrungsschatz aus nunmehr über 200 Jahren, ist in umfangreichen Büchern, sogenannten »homöopathischen Arzneimittellehren«, festgehalten.

Krankheit und Heilung aus homöopathischer Sicht

Der Mensch ist eine Einheit aus Körper, Geist und Seele. Das Gleichgewicht im Organismus wird durch energetische Vorgänge aufrecht erhalten, welche Hahnemann als »Dynamis« oder Lebenskraft bezeichnete. Die Homöopathie versteht Krankheit als eine akute oder chronische Verstimmung dieser Lebenskraft. Die Symptome stellen die Folge einer Störung im Zentrum dar. Sie dokumentieren den Versuch der Lebenskraft, den gesunden Zustand wieder herzustellen. Sie sind nicht die Krankheit selbst, sondern sicht- und fühlbarer Ausdruck der verstimmten Lebenskraft und ganz individueller Ausdruck eines kranken Menschen. In der Homöopathie spricht man auch von »Konstitution«: Hierunter versteht man die Gesamtheit der individuellen Merkmale körperlicher, funktioneller, emotionaler und geistiger Art, der vererbten Merkmale und der spezifischen Reaktionen auf äussere Einflüsse. Jeder Mensch hat seine eigene, individuelle »Konstitution«. Sie gibt Hinweise auf gesundheitliche Schwächen, Anfälligkeiten für bestimte Erkrankungen und darauf, welche Belastungen imstande sind, Krankheiten auszulösen. Die in der universitären Medizin übliche Behandlung bringt die Symptome in der Regel zum Verschwinden und damit aus dem Wahrnehmungsfeld. Das Problem scheint gelöst zu sein. Es geht aber nicht darum, einzelne Symptome direkt zu bekämpfen oder zum Verschwinden zu bringen – es sei denn, dass es sich um lebensbedrohliche Zustände handelt, bei denen selbstverständlich die Erhaltung des Lebens der höchste Grundsatz bleiben muss. Vielmehr geht es darum, die »Konstitution« zu stärken, um der Krankheit sozusagen den Nährboden zu entziehen. Die Symptome verschwinden dann von alleine. Um zu heilen, muss man den Organismus wieder ins Gleichgewicht bringen, die Lebenskraft – mit Hilfe des richtigen Arzneimittels – in den Stand versetzen, sich selbst heilen zu können. Heilung umfasst das Verschwinden der gesamten akuten beziehungsweise chronischen Symptomatik, wie auch der Anfälligkeit des Menschen und die Wiederherstellung seines körperlichen und seelischen Gleichgewichts.

Homöopathische Behandlung

Im Falle einer akuten oder chronischen Krankheit macht sich die Störung der Lebenskraft im gesamten Befinden des Menschen bemerkbar, das heißt, es treten verschiedene Symptome auf der geistig-seelischen, der allgemein-vegetativen und der Organ-Ebene auf. Krankheit ist keine unveränderliche Grösse die bei jedem Menschen gleich ist. Eine akute eitrige Mittelohrentzündung kann beispielsweise einseitig oder beidseitig auftreten, mit sehr hohem oder nur mässigem Fieber. Das kranke Kind kann anhänglich und weinerlich sein oder aber gereizt und aggressiv. Es kann sehr durstig sein oder das Trinken verweigern oder ein ausgeprägtes Verlangen nach bestimmten Nahrungsmitteln haben. Es kann frieren oder schwitzen. Schmerzen können ständig vorhanden sein oder aber zu ganz bestimmten Tageszeiten auftreten. Zusätzlich können Begleitsymptome auftreten wie Bauchschmerzen, Durchfall, Erbrechen, Nasenbluten und andere. Obwohl die Diagnose jedesmal die selbe ist, hat jedes Kind sozusagen seine eigene Krankheit. Die Gesamtheit dieser Symptome, zusammen mit den individuellen Begleitphänomenen des Patienten, ergibt ein charakteristisches Krankheitsbild. Dieses Bild wird mit den bekannten »Arzneimittelbildern« verglichen, um das für den jeweiligen Fall »ähnlichste« Arzneimittel, das »Simillimum« zu finden. Dabei sind für die Mittelwahl individuelle, auffallende und ungewöhnliche Symptome, die oft mit dem Hauptsymptom oder der Diagnose nichts zu tun haben – dafür aber mit dem einzelnen erkrankten Menschen -, von ganz besonderer Bedeutung. Die Arznei wird also nicht gegen eine bestimmte Krankheit oder Diagnose ausgewählt, sondern ganz individuell, aufgrund der charakteristischen Symptome, für den einzelnen Patienten.

Möglichkeiten und Grenzen einer homöopathischen Behandlung

Grundsätzlich ist jede Erkrankung, die keiner Substitutionstherapie, chirurgischen oder intensivmedizinischen Behandlung bedarf, einer homöopathischen Behandlung zugänglich. Die Behandlung sollte von einem in klassischer Homöopathie ausgebildeten Arzt durchgeführt werden, da nur er die Ausbildung und Erfahrung hat, den Gesundheitszustand des Patienten, mit allen möglichen Risiken und Komplikationen, zu beurteilen. Neben den verschiedenen akuten Erkrankungen sind insbesondere die zahlreichen chronischen Erkrankungen, für die mit Hilfe der Medikamente der universitären Medizin nur Linderung, aber keine Heilung möglich ist, homöopathisch gut zu behandeln. Besonders bei Kindern und Jugendlichen kann die Homöopathie eindrucksvolle und rasche Heilungserfolge erzielen. Kinder besitzen in der Regel eine ungebremste Vitalität, die Krankheiten befinden sich meist noch in einem dynamischen Stadium und schwere, irreversible Organveränderungen sind selten. Der Behandlungserfolg hängt von der Stärke der Lebenskraft des jeweiligen Patienten ab. Solange der Organismus zu einer Reaktion in der Lage ist, kann eine homöopathische Arznei auch Heilung beziehungsweise Besserung bewirken. Heilungshindernisse, wie zum Beispiel ungesunde Lebensführung, schwierige Lebensbedingungen, massive private oder berufliche Sorgen können dem positiven Effekt eines Arzneimittels entgegenwirken. Der Patient sollte in der Lage sein, sich selbst zu beobachten, und seine Beschwerden zu beschreiben. Hilfreich ist es, sich seinem Arzt soweit wie möglich zu öffnen, und auch unangenehme oder peinliche Beschwerden mitzuteilen, damit der behandelnde Arzt den Patienten und seine Krankheit besser verstehen lernt. Bei der Behandlung von sehr kleinen Kindern, die sich selbst noch nicht ausdrücken können, sind es die Eltern, von denen diese Aufgabe übernommen wird. Fortgeschrittene Organveränderungen oder Gewebszerstörungen können mit homöopathischen Arzneimitteln nicht wiederhergestellt oder geheilt werden – ebensowenig angeborene Erkrankungen, Erbleiden, unheilbare Krankheiten oder zum Tode führende Zustände. In diesen Situationen kann aber eventuell noch Linderung bewirkt werden, so dass sich das Befinden des Kranken bessert und/oder der Krankheitsprozess sich verlangsamt. Ein homöopathisches Arzneimittel kann zur Heilung auf vielen Ebenen führen, Heilung unterstützen und Krankheit verhindern. Die homöopathische Begleitung trägt durch ihre tiefgreifende Beeinflussung des Organismus in all seinen Funktionen enorm zur gesunden Entwicklung der Kinder und Jugendlichen bei.

Autor

Dr. med. Patrick Kreisberger
Facharzt für Kinder- und Jugendmedizin
Homöopathie

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Erstellt am 26. Juni 2012, zuletzt geändert am 26. Juni 2012